Foto: Ahmadiyya Muslim Jamaat, Deutschland

„Darüber können wir uns nur freuen“

Die Synode der Evangelischen Kirche im Rheinland hat einen Beschluss zum Dialog mit Muslimen gefasst, der Kritik auf sich gezogen hat. Darf unter Muslimen nicht mehr missioniert werden? Wir haben nachgefragt:

Eule: Der Beschluss der EKiR-Synode zum Dialog mit Muslimen hat zwar auch Kritik hervorgerufen, insgesamt aber ist es ziemlich ruhig geblieben. Ist das Schweigen als Zustimmung zu werten? Hat zur Akzeptanz des Synodenbeschlusses der lange Anlauf inkl. Arbeitshilfe beigetragen?

Rudolph: In vielen Kirchen wird zurzeit das Verhältnis zum Islam diskutiert, und tatsächlich findet der Beschluss der Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland neben einigen ablehnenden Stimmen auch viel Zustimmung. Man muss bedenken, dass Gemeinden an Rhein und Ruhr zum Teil schon seit über 40 Jahren im Gespräch mit Muslimen und zunehmend auch Musliminnen sind und eine theologische Orientierung dringend gewünscht war. Das Besondere des kurzen Textes ist nicht so sehr der Inhalt, sondern die Form: Es ist nicht nur eine Orientierungshilfe, sondern ein förmlicher Synodenbeschluss, nach meinem Wissen der erste dieser Art.

Eule: Kritik äußerte u.a. Michael Diener, er vermisst den Begriff des Zeugnisses von der Heilsnotwendigkeit des Christusglaubens: „Wer das Verhältnis von Christinnen und Christen zu Angehörigen anderer Religionen nur SO beschreibt und dabei auf den Begriff des ZEUGNISSES verzichtet, wird biblisch und theologisch weder dem Evangelium noch den Menschen gerecht.“ In der Tat verzichtet der Beschluss auf eine Benennung des Zeugnisses. Was bringen Christen denn mit in den Dialog mit Muslimen?

Rudolph: Der Begriff „Zeugnis“ ist für die Evangelische Kirche im Rheinland ein wichtiger Begriff, den wir nicht vermeiden, im Gegenteil: Die Orientierungshilfe zum Thema Islam, mit der sich die Gemeinden auf die Synodenberatungen seit 2015 vorbereiten, hatte den Titel „Weggemeinschaft und Zeugnis“. In unserem Beschluss werden nun Christinnen und Christen ermutigt, ihren Glauben „freimütig zur Sprache“ zu bringen. Damit ist in einer dem Alltag näheren Sprache das gesagt, was mit dem Wort „Zeugnis“ intendiert ist.

Eule: Im Beschluss heißt es: „Sie [die Synode] nimmt den Glauben muslimischer Menschen als Bindung an den einen Gott wahr.“ Das wird nicht nur von evangelikaler und konservativer Seite kritisiert, auch viele Muslime dürften anderer Meinung sein. Ist der (trinitarische) Gott der Christen der Gleiche, den auch Muslime verehren?

Rudolph: Hier kommt es auf den genauen Wortlaut des rheinischen Beschlusses an: Wir schauen nicht Gott über die Schulter und wagen Äußerungen über Gott, die uns nicht zustehen. Wir schreiben sehr bescheiden: Wir nehmen den Glauben der Muslime wahr als Hinwendung zu dem einen Gott.

Es ist die schlichte Frage, ob wir in dem Glauben der anderen einen Weg weg von Gott, oder eine Hinwendung zu Gott sehen. Unsere katholischen Geschwister würdigen in anderen Religionen, was „wahr und heilig ist“ (Vaticanum II, Nostra Aetate). In diesem Sinne ist auch der Beschluss der Synode zu verstehen. Das nimmt nichts von den Unterschieden weg, die wir im Gottesverständnis erkennen.

Synodenbeschluss „Für die Begegnung mit Muslimen“

Auf ihrer Tagung Anfang Januar hat die Synode der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) einen Beschluss zum Dialog mit Musliminnen und Muslimen gefasst. Beratung und Beschluss der Synode erfolgten nach einem langwierigen Dialogprozess, dem die Orientierungshilfe „Weggemeinschaft und Zeugnis“ zugrundelag. Der Synodenbeschluss im Wortlaut findet sich auf der Website der EKiR.

Eule: Die Synode tritt mit dem Beschluss für die allgemeine Religionsfreiheit ein. Der Islam wird in Deutschland offen als Ideologie verunglimpft. Wie wichtig ist es, den Muslimen die freie Religionsausübung im Sinne des Grundgesetzes nicht nur zuzugestehen, sondern aktiv dafür einzutreten?

Rudolph: Wir nehmen uns als Christinnen und Christen ernst, wenn wir Menschen anderen Glaubens die Ausübung ihrer Religion ermöglichen. Zugleich setzen wir uns dafür ein, dass die guten Standards in unserem Land eingehalten werden wie z.B. würdige Gotteshäuser, ein qualitativ guter Religionsunterricht, Begleitung von Menschen in Notlagen durch gut ausgebildete Imame.

Das ist noch keine Garantie aber eine wichtige Voraussetzung für Muslime, gegen fundamentalistische Tendenzen gewappnet zu sein, sich in unserem Land zuhause zu fühlen und sich in unserer Gesellschaft einzubringen.

Eule: Mit einigen Aspekten der Religionsausübung von Muslimen dürfte die Synode aber ganz und gar nicht einverstanden sein: Was hält die EKiR davon, wenn in muslimischen Gemeinden und Familien andere Grundrechte unter die Räder kommen?

Rudolph: Das gilt nicht nur für muslimische Familien und Einrichtungen sondern ebenso für christliche Familien und Institutionen, wie wir in den letzten Jahren z.B. beim Thema sexueller Missbrauch schmerzlich erfahren mussten. Es gibt die Neigung, bei Religionen nicht so genau hinzuschauen. Wenn es um Grundrechte geht, darf das auf keinen Fall passieren.

Die Ahmadiyya-Gemeinde auf dem „Kirchentag auf dem Weg“ in Erfurt, Foto: Ahmadiyya Muslim Jamaat, Deutschland

Grundrechte müssen mit allen Mitteln, notfalls auch rechtlichen, geschützt werden. Mitunter ist es nicht die Religion, sondern der Kulturraum, der Menschen geprägt hat, z.B. im Zusammenleben von Mann und Frau. Aber auch da gilt: bei aller Vielfalt und Unterschiedlichkeit müssen die Grundrechte gewahrt bleiben.

Eule: Andreas Fincke hat in seinem Gastartikel von der doppelten Fremdheit des Islam geschrieben. Nicht nur der Islam und Muslime seien vielen Menschen fremd, sondern Religion an sich. Sitzen Christen und Muslime im gleichen Boot?

Rudolph: Der Analyse von Andreas Fincke stimme ich zu. Vielen Menschen in unserem Land ist ein Gespräch über Religion und den eigenen Glauben fremd, anders als z.B. Christinnen und Christen in Afrika oder in den USA. Muslime sind dagegen häufig gewohnt, frei über ihre Religion zu sprechen. Das wirkt für viele fremd, wenn nicht gar bedrohlich. Darum gilt es als erstes, Gemeindeglieder zu ermutigen, über ihren Glauben freimütig zu sprechen. Und in der Tat setzen wir uns mit jüdischen, muslimischen und christlichen Organisationen für die öffentliche Religionsausübung ein.

Eule: Wie sollen sich Gemeindeglieder und Angestellte der EKiR verhalten, wenn sich im Rahmen des Dialogs Muslime für den christlichen Glauben und die Taufe entscheiden?

Rudolph: Darüber können wir uns nur freuen. Wir legen Wert darauf, dass Menschen, die getauft werden wollen, eine gute Taufunterweisung erhalten, denn häufig ist ihnen der christliche Glaube ganz unbekannt. Und natürlich ist es nicht mit der Taufe getan. Eine Begleitung im Glauben, eine offene Gemeinde und Gemeindeglieder, die sich den neu Aufgenommenen annehmen, sind genauso wichtig, wie die Ermutigung, selbst in Wort und Tat Christus zu bezeugen.

Eule: Was heißt für Sie in einer religiös pluralen Gesellschaft und im Gegenüber und Miteinander mit dem Islam selbstbewusst als Christin zu leben?

Rudolph: Mir ist ein Muslim begegnet, der 20 Jahre in Deutschland lebte und noch nie einen Christen hat beten sehen. Das ist traurig, aber, ich befürchte, kein Einzelfall. Ich erwarte, dass Gemeinden aktiv auf Moscheeverbände zugehen und das Gespräch suchen. Ich wünsche mir, dass Christinnen und Christen in Alltagsgesprächen erzählen, was ihnen in der Kirche und in ihrem Glauben wichtig ist. Und ich halte es für notwendig, dass wir uns für das, was uns wichtig ist, einsetzen und, wenn nötig, auch nicht den Konflikt scheuen.