Der »Heilige Vater« & das Vaterunser – 10. Dezember

Der Papst im Shitstorm und endlich eine Diskussion über Theologisches in der Debatte dieser #LaTdH. Außerdem: Neues vom Nikolaus, Konsumverzicht und Altes im Neuen Testament.

Debatte

Für Papst Franziskus ist die Vaterunser-Bitte »führe uns nicht in Versuchung« nicht gut übersetzt. Er verweist bei seiner Kritik zustimmend auf einen Beschluss der französischen Bischöfe, den Text des zentralen christlichen Gebets zu verändern. Regensburgs römisch-katholischer Bischof Voderholzer hingegen kritisiert das Werk seiner Amtsbrüder. Für ihn ist es eine unzulässige »Korrektur« Jesu (vgl. auch seine Fastenpredigt von 2015). Bei katholischen Theologen (Gerd Häfner oder Thomas Söding), in der Ökumene (EKD auf Facebook, Christoph Kähler und Landesbischöfin Ilse Junkermann oder Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler) und in den Feuilletons kassiert der Papst »verbale Prügel«, nur die Bremische Evangelische Kirche findet die Vaterunser-Kritik des Papstes »eigentlich gut evangelisch«. Eine kleine Pointe der Kontroverse sieht Malte Lehming (@MalteLehming) im Tagesspiegel:

Die EKD verteidigt die Tradition gegen den Reformeifer des Vatikans. Das gab es nicht oft.

In der Versuchung führen – P. Klaus Mertes SJ (katholisch.de)

Pater Klaus Mertes SJ sieht in seinem »Standpunkt« auf katholisch.de (und im Interview mit @christianeflori) die sperrige Formulierung »ganz in der biblischen Tradition«:

Gerade weil ich immer wieder die Erfahrung mache, mit meinen Gottesbildern zu scheitern, ziehe ich die korrekte Übersetzung der vorletzten Vaterunser-Bitte vor: »Führe uns nicht in Versuchung.« Wir können uns vom Bösen nicht selbst erlösen. Deswegen gibt es auch eine Letztverantwortung Gottes für den Verlauf der Geschichte. Beim finalen Rückblick im Himmel erhoffe ich mir Antworten, die ich jetzt noch nicht habe. Bis dahin hoffe ich dann allerdings auch, dass er mich in den Wüsten, in die er mich führt, zugleich hütet und leitet.

Gestolpert? Hinschauen! – Werner Kleine (dei-verbum.de)

Bereits im August 2017 nahm Dr. Werner Kleine (@WernerKleine), Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal, bei Dei Verbum (@Dei_Verbum) kritisch Stellung zum Versuch, das scheinbar unlösbare Paradoxon zwischen dem Glauben an den allmächtigen Gott und der offensichtlich erkennbaren Realität des Bösen, den steten Anstoß im Gebet zugunsten einer endlich frommen Andacht exegetisch »wegzuhobeln«:

Die Versuchung, von der im Vater-Unser die Rede ist, lauert vor allem in den Erfahrungen des Lebens, in denen Gott ferne scheint. Das können sowohl die Hochzeiten eines Lebens sein, in denen man Gott nicht braucht, aber auch die Tiefen, in denen man mit Gott hadert. Die größte aller Versuchungen ist, Gott in die Ferne zu rücken und so selbst gottfern zu werden. Dass das ferne sei, dafür beten Christinnen und Christen in der sechsten Bitte des Vater-Unser. Weil aber die Gefahr des Scheiterns nie ausgeschlossen werden kann, bleibt die beste aller Formulierungen immer noch: Und führe uns nicht in Versuchung!

Randständiges

Ist der Nikolausbesuch noch zeitgemäß? – Veronika Schippani (feinschwarz.net)

Die Gestalt des Nikolaus gehört zu den bekanntesten Heiligen – und der Besuch des Nikolaus ist aus vielen Familien nicht wegzudenken. Veronika Schippani, erste Vorsitzende der Katholischen Jungschar Wien, schaut auf die Chancen, die in dieser Heiligengestalt und im Brauch des Nikolausbesuches liegen:

Es ist in jedem Fall wichtig, dem lieben und guten Nikolaus, der dem historischen Bischof von Myra viel mehr entspricht und den Kindern positivere Erlebnisse beschert, Platz einzuräumen. Auf alle Fälle soll es den Kindern möglich sein, einen positiven Zugang zu diesem beeindruckenden Heiligen zu finden und es ist in unserer Aufgabe als Erwachsene, das möglich zu machen.

»Gelb und braun, runzlig, punzlig anzuschau’n.« – Felix Neumann (katholisch.de)

»Holler boller Rumpelsack« ist ein beliebtes Kindergedicht zu Nikolaus. Doch der Autor Albert Sergel hat nicht nur Harmloses geschrieben – wie soll man damit umgehen, wenn der Kinderautor ein Nazi ist? Felix Neumann (@fxneumann) macht sich auf katholisch.de Gedanken:

Wie geht das zusammen? Der Autor von harmlosen Kindergedichten, zugleich ein Nazi-Ideologe. Hier der Nikolaus, da der »Führer«. Zwei naive, gefühlige Gedichte, einmal zum Guten, einmal zum Bösen. Ist dann auch »Holler boller Rumpelsack« belastet? Zu einfach ist der Text, als dass da zwischen den Zeilen Propaganda Platz hätte; es ist tatsächlich so heimelig und gemütlich wie es klingt. Aber vielleicht ist das auch das eigentlich Erschreckende, dass ein so harmloses, heute noch in jedem Kindergarten völlig unauffälliges Nikolausgedicht und die Verherrlichung einer menschenverachtenden Ideologie so geschmeidig in einer Person zusammengehen konnten.

Habenwollen fürs Weltklima – Marlen Hobrack (10nach8, ZEITonline)

In vierzehn Tagen ist Weihnachten: Bitte auf gar keinen Fall über Verzicht nachdenken! Weil Kunden nicht weniger kaufen wollen und sollen, redet man ihnen nun ein gutes ökologisches Gewissen ein, meint Marlen Hobrack (@MarlenHobrack) bei #10nach8:

Das liebgewonnene Oxymoron vom »bereichernden Verzicht« ist nicht nur Opium fürs Konsumvolk, es vernebelt uns auch den Realitätssinn. Konsumverzicht schmerzt. Und das Trostpflaster des guten Gewissens kann nicht immer die Wunde schließen, die der Verzicht schlägt. […] »Ökologischer« Konsum ist nichts anderes als die Milchmädchenrechnung einer hedonistischen Konsumentenschaft im Zustand allgemeiner Realitätsverweigerung.

Hassprediger mit Heiligenschein – Ralph Pöhner (blog.tagesanzeiger.ch)

In unserem Gedächtnis erscheinen die ersten Christen als verträumte Außenseiter. Dabei geht für die englische Publizistin Catherine Nixey vergessen, wie das Christentum die klassische Welt zerstörte. Nicht erst der IS im Jahre 2017, sondern Christen stürmten bereits anno 385 die alte Oasenstadt Palmyra und zerstörten die heidnischen Tempel. Mit dieser Schandtat beginnt Nixey ihr neues Buch über »das dunkle Zeitalter« (»The Darkening Age«, Macmillan, London 2017), das Ralph Pöhner (@ralphpoehner1) rezensiert:

Im ganzen Reich schritten nun Mönche und Bischöfe zur Tat, militante Kerle, die man teilweise bis heute verehrt als Heilige und »Kirchenväter«. Sie jagten die griechischen Philosophen aus den Städten. Sie schlugen jeden nieder, der anderen Göttern opferte. Sie erklärten Homosexualität zum Verbrechen. Sie verboten Musik, Tanz, Purpur, Schminke. Die christlichen Kulturvorstellungen wurden noch dem letzten Zeitgenossen klar, als der Bischof von Alexandria im Jahr 391 den Serapis-Tempel zertrümmern liess und dabei die grösste Bibliothek der Welt abfackelte: sündiges Zeugs, Papyri für den Scheiterhaufen. Der Triumph des Christentums war eben nicht nur ein Sieg: Er bedeutete auch die Verwüstung der alten klassischen Welt. Eine Religion, für die es nur einen einzigen Heilsweg gibt, ist fast unweigerlich intolerant.

Predigt

Verwurzelungen des Christlichen – Klaus Müller (uni-muenster.de)

Klaus Müller, Professor am Seminar für Philosophische Grundfragen der Theologie der Universität Münster, deutet in seiner Predigt Mk 1,1-8 (2. Adventssonntag, Lesejahr B): Markus beginnt sein Evangelium mit Zitaten aus den Prophetenbüchern Jesaja und Maleachi; er betrachtet sie als Vorzeichen für das, was er von Jesus erzählen wird.

Wie Jesus ist, bekräftigt und besiegelt ihm, was in der Schrift steht. Bekräftigt und besiegelt es freilich auf so einmalige Weise, dass im Umkreis Jesu sich tatsächlich schon zu erfüllen beginnt, was die alten Gottesgeschichten erhoffen, was sie versprechen und so glühend ersehen. Darum kann und wird Markus alles, was im geschichtlichen Leben Jesu geschieht, im Licht dessen erzählen, worauf er als den Anfang seines Evangeliums angespielt hat. Darum wird auch der Täufer Johannes, dieser kantige Prophet, dem Jesus so nahestand, wie von selbst zu einer Figur vom Typ des Gottesstreiters Elija, den Maleachi als unmittelbaren Vorbereiter für den großen Tag des Herrn verheißen hatte. Das Evangelium, das auf diesen Fundamenten ruht, lautet darum: Jesus geht und weist den Weg aus allem, was versklavt und niederdrückt – den Weg der Freiheit. Selbst wo sich Schuld und Versagen hineinmischen und diesen Weg verbauen drohen, bahnt Gott selbst ihn neu.

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Ein guter Satz