Foto: "Women Priests" von Tim Pierce (Flickr), CC BY 2.0

Der Skandal bleibt

Die Journalistin Christiane Florin ruft zum Weiberaufstand und schreibt in ihrem Buch, warum Frauen in der katholischen Kirche mehr Macht brauchen.

Ich bin ein evangelischer Mann. Mir ist bewusst, dass in der römisch-katholischen Kirche keine Frauen geweiht werden dürfen: Nicht zu Diakoninnen, nicht zu Priesterinnen, nicht zu Bischöfinnen. Ich lehne das ab, aber noch häufiger ignoriere ich es einfach. So als evangelischer Mann.

Reformatorischer Stolz

Dass das Aussperren der Frauen von der Weihe ein Skandal ist, braucht man uns Evangelischen eigentlich nicht zu predigen, oder? Nicht nur, aber vor allem im Jahr des großen Reformationsjubiläums verweisen „wir“ doch herzlich gern darauf, dass Frauen bei „uns“ alles werden dürfen. Die Frauenordination wird gern als protestantisches Alleinstellungsmerkmal verkauft. Richtig daran ist: in einigen wenigen, zumeist protestantischen, Kirchen gibt es sie überhaupt. Die Mehrzahl aller christlichen Kirchen weltweit, auch der protestantischen, lehnt sie jedoch vehement ab.

Die Ordination der Frau zur Pfarrerin, die Möglichkeit Bischöfin zu werden, sie ist auch hierzulande nicht so alt, dass Anlass zu Stolz bestünde. Bis in die 1990er-Jahre zogen sich in manchen Landeskirchen die Diskussionen und vor allem die Diskriminierung der Frauen in Sachen Pfarramt. Und so richtig begonnen sich zu bewegen hatten die Kirchen auch erst nach dem 2. Weltkrieg. Wenn die Realität der Frauenordination in der Evangelischen Kirche in Deutschland schon kein Grund zum Stolz ist, dann immerhin zur Erleichterung und zur Dankbarkeit.

Dass Frauen von Kanzel und Altar aus Grüßen, Predigen und das Abendmahl austeilen stellt jedenfalls unter den Kirchengliedern der evangelischen Landeskirchen keinen Skandal mehr dar. Ein evangelischer Mann wie ich braucht darum ab und zu eine Erinnerung, dass es jenseits der eigenen Konfession und des eigenen Geschlechts ganz anders aussieht.

Weiberaufstand

Christiane Florins Buch „Der Weiberaufstand“ ist eine solche Erinnerung. Florin schreibt, warum es auch heute richtig ist, sich über die Missachtung der Frauen in der röm.-kath. Kirche zu ärgern, dagegen zu protestieren und sich vor allem für die Weihe der Frauen einzusetzen. Denn daran lässt sie keinen Zweifel, und nach Lektüre ihres Buches geht es mir als Leser auf: Es hängt schlussendlich alles an der Weihe. An der Weihe hängt die Macht, die der männliche Klerus zu verlieren fürchtet.

Es ist eben nicht genug, mehr Frauen in Führungspositionen der Kirche zu bugsieren (siehe Links am Tag des Herrn vom 25. Juni). Es reicht nicht zu, auf jahrhundertealte misogynistische Sonderbehandlung und Beschreibung von Frauen zu verzichten. Es genügt nicht, Frauen als mehr als Gebärmaschinen und Kümmerinnen wahrzunehmen. Es geht darum, dass Frauen nicht nur als „gleichwertig“ bezeichnet werden, sondern tatsächlich Frauen und Männer gleichgestellt sind – in allem.

Dieser Skandal bleibt, auch wenn er aus dem Fokus der Medien und – so jedenfalls Florin – der jüngeren Generation gerutscht ist. Die Kräfte sind unablässig am Werk, die innerhalb der röm.-kath. Kirche gegen die Frauenordination arbeiten.

„Stattdessen zelebriert ein Kreis von Entscheidern das Nein zur Frauenordination wie einen postmodernen Anti-Modernisteneid, als sei die Abwehr der Weiber das zentrale katholische Unterscheidungsmerkmal zur verkommenen Welt.“ (Florin: Der Weiberaufstand, S. 169)

Nicht selten haben sie ihr Ziel in den Köpfen der Zeitgenossen schon erreicht, eine Realität zu verdammen, die noch nicht einmal eingetreten ist. Florin hat Recht: Es gibt keinen stichhaltigen Grund weder in Schrift noch Tradition gegen die Weihe von Frauen. Das ist die eigentliche Selbstverständlichkeit, die nur allein deshalb weil sie römisch-katholischerseits nicht laut gesagt werden darf, nicht ins Vergessen rutschen darf.

Wertvolle Erinnerung

Kommt uns heute das Drängen vorangegangener Generationen von Kirchenleuten auf Reformen in der röm.-kath. Kirche nicht in der Tat possierlich vor? Liegt nicht gerade Protestanten manchmal auf der Zunge „Dann werd halt evangelisch, wenn dich das so sehr stört“?

Florins Buch ist Erinnerung daran, dass es nicht eigentümlich romantisch ist, wenn sich eine Weltorganisation wie die römisch-katholische Amtskirche so gegenüber Frauen aufführt. Es ist für mich auch eine Mahnung, im ökumenischen Dialog nicht über solche (und andere) wichtige Fragen hinwegzugehen. Die Opfer bekommen dann noch einmal auf die Mütze statt notwendige Unterstützung.

Als Opfer bezeichnet Florin die Frauen übrigens an keiner Stelle ihres Buches. Denn der Opferbegriff ziehe immer die Frage nach den Tätern nach sich. Florins Buch wendet sich zwar auch an jene Männer, die es immer noch nicht begriffen haben und dem Wandel im Weg stehen, noch viel mehr aber ist es Weckruf an die Frauen selbst, an ihrem Ziel festzuhalten: Ja, die Weihe als Ziel überhaupt wieder neu in den Blick zu fassen.

Der Skandal bleibt

Als Leser hätte ich mir gerne einen erzählerischeren Ton gewünscht. Doch was ein Skandal ist und bleibt, dass muss man auch mit knapper, kämpferischer Sprache beschreiben und angreifen dürfen. Dieser Skandal beginnt nicht bei der Frage nach Amt und Würden – wenn dieser auch der Fix- und Angelpunkt ist –, sondern beim Umgang mit Frauen, den Amts- und Würdenträger der Kirche alltäglich pflegen.

Die zahlreichen Beispiele und Anekdoten Florins jedenfalls haben mich ein paar Mal heftig schlucken lassen. Nicht, dass mir Ausfälle gegenüber Frauen in der Theologie und evangelischen Kirche unbekannt wären. Was erschreckt ist aber das Systemische, das schlussendlich im Theologischen wurzelt.

„Die Frau kennt aus traditionell kirchenmännlicher Sicht kein Maß. Sie ist entweder zu naheliegend oder zu fern, entweder billig oder von unschätzbarem Wert, entweder Hure oder Heilige, entweder geistig unterbelichtet oder geistlich überbeleuchtet. Seit Jahrhunderten versuchen Männer, ihr das Maßhalten beizubringen, doch sie bleibt eine Fremde, ein ‚anderes Wesen‘ […].“ (Florin: Der Weiberaufstand, S. 24)

Mit einigem Schmunzeln habe ich bisher auf die wenigen offiziellen interkonfessionellen Kontakte während des Studiums zurückgeschaut. Im Besonderen auf eine Begegnung mit römisch-katholischen und griechisch-orthodoxen Studierenden aus Eichstätt. Sie waren von den Studentinnen aus Halle ganz angetan, auch ihr Professor mit Priesterweihe. Angesichts ihrer Gesprächs- und Annäherungsversuche hätten Dreizehnjährige der Evangelischen oder Katholischen Jugend die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen.

Doch so witzig ist es am Ende nicht: Wie das mit Frauen geht – Leben und Kirche –, das muss erlernt und schließlich weitergegeben werden. Florins Buch ist eine Mahnung, nicht zu vergessen, was vorangegangene Generationen bereits erreicht haben und woran sie bisher gescheitert sind.

Es ist darum auch ein Geschichtsbuch und ein guter Einstieg für all diejenigen, die mit der Frauenfrage in der römisch-katholischen Kirche bisher nichts am Hut hatten. Nicht zuletzt weil Florin en passant auf die maßgeblichen Kirchendokumente zum Thema eingeht. Die sollte man schon kennen, als Frau, als Katholikin, meint Florin. Dieses Buch ist ein Anfang.

(Dem Autor wurde vom Verlag ein kostenloses Rezensionsexemplar zu Verfügung gestellt.)


Der Weiberaufstand
Christiane Florin
Kösel-Verlag
176 Seiten
17,99 €