Newsletter #LaTdH

Null Toleranz – Die #LaTdH vom 13. Januar

Null Toleranz versprechen die Kirchen gegenüber dem Missbrauch. Was hat sich wirklich getan? Außerdem: 70 Jahre sind ne lange Zeit, #digitaleKirche wehrt sich & „Lügenpresse“-Dämmerung

Wenn jemand eine Reise tut, dann kann er was erleben. Die heutige Ausgabe er #LaTdH kommt daher besonders knackig daher. Denn wer unterwegs ist, der führt am besten nur leichtes Gepäck mit sich, will er schnell voran kommen. Zuerst jedoch ein schwerer Brocken:

Debatte

Der Missbrauch in der katholischen Kirche wird weiter umfassend debattiert. In einem Schwerpunkt wollen auch wir von der Eule uns in den kommenden Wochen erneut mit dem Missbrauch in den Kirchen beschäftigen (s. hier & hier). Berichte von staatlichen Stellen, im Auftrag von Bistümern und Bischofskonferenzen und von unabhängigen Stellen treiben die Aufmerksamkeit voran. Kritik am „Klerikalismus“ wird allenthalben geäußert. Aber was hat sich eigentlich seit dem letztem Sommer wirklich geändert?

Laut Klaus Mertes zu wenig: Er fordert eine unabhängige Kirchengerichtsbarkeit und strikte Gewaltenteilung. Derweil warnt der neue Mediendirektor des Vatikan, Andrea Tornielli (ja, der mit der langen Viganò-Kritik, verfasst noch als Vatikankorrespondent des Vatican Insider, die wir ins Deutsche übersetzt haben) davor, allzu viele Hoffnungen in das Treffen der Bischofskonferenzvorsitzenden aus aller Welt im Februar in Rom zu investieren. Es gehe eben nicht nur um die europäische bzw. US-amerikanische Perspektive, weltweit müsste für das Thema sensibilisiert werden.

Soll es tatsächlich noch Bischöfe geben, die von all den Enthüllungen und Skandalen nichts mitbekommen haben wollen? Wie taub und blind kann man eigentlich sein?

Kardinal Wuerl wusste viel früher von Vorwürfen gegen McCarrick (KNA, katholisch.de)

Also doch: Kardinal Wuerl wusste schon 2004 von den Vorwürfen gegen seinen Vorgänger als Erzbischof von Washington, Nicht-mehr-Kardinal McCarrick. Leidet Wuerl an partiellen Amnesien? Ist er sich der Tragweite solcher „Vergesslichkeiten“ nicht bewusst? Hat er gar mit Absicht sein Wissen vertuscht. Manchmal ekelt es einen nur noch an.

Ein weiterer Wegbegleiter unter Verdacht – Matthias Rüb (FAZ)

Missbrauchsfälle werden instrumentalisiert, sie dienen als Verschiebemasse im Machtkampf um Posten und Einfluss, der in der römischen Kurie geführt wird. Vorsicht ist darum geboten, „sickert“ mal wieder etwas durch. Durchstechereien an Journalist*innen sind häufig politisch motiviert.

Matthias Rüb berichtet von einem weiteren Fall, in dem einem guten Bekannten von Papst Franziskus Missbrauchsvorwürfe gemacht werden. Hat der Papst selbst eine verschleiernde Versetzung betrieben, indem er Bischof Zanchetta aus seinem Bistum nach Rom beorderte?

Wie im Fall des inzwischen geschassten amerikanischen Kardinals Theodore McCarrick und des ebenfalls entlassenen chilenischen Bischofs Juan Barros will Franziskus auch von den Vorwürfen gegen seinen Landsmann Zanchetta sozusagen als Letzter im Vatikan erfahren haben.

Euer Ja sei ein Ja! – Ingo Brüggenjürgen (Domradio)

Den Umgang der Kardinäle und Bischöfe mit den Enthüllungen kritisiert der Chefredakteur des Kölner Domradios mit deutlichen Worten:

Es ist mehr als bedauerlich, dass trotz der hohen Anzahl der Täter und der vermutlich auch nicht so geringen Anzahl der Vertuscher kaum jemand freiwillig aufsteht und sagt: Es tut mir unendlich leid – ich bin mit verantwortlich – in Demut und Reue bekenne ich meine Sünden. Ich lege mein kirchliches Amt nieder und werde mich nach Kräften um Wiedergutmachung bemühen. Die aktuellen Fälle in Frankreich, Australien und den USA zeigen erneut: Nein, man kann sich nicht erinnern, man weicht aus und lenkt ab, spielt auf Zeit und wartet ab – vielleicht kann einem ja nichts mehr nachgewiesen werden …

Time’s up.

„­Null 
Toleranz, das ist die Botschaft“ – Interview von Claudia Keller und Burkhard Weitz mit Kirsten Fehrs (chrismon)

Sehr umfassend – wenn auch wenig kontrovers – hat die chrismon „im eigenen Hause“ nach dem Missbrauch gefragt: Bischöfin Kirsten Fehrs (Nordkirche) soll sich um die gründliche Aufarbeitung und Prävention kümmern. Wie das alles vonstattengehen soll, erklärt sie Burkhard Weitz und Claudia Keller:

Bis Mitte November waren uns aus den Landeskirchen 479 Anträge auf Anerkennung erlittenen Leids bekannt. Es handelt sich um ­Fälle, die seit den 1950er Jahren passierten. Zwei Drittel dieser Fälle sind bis Ende der 1970er Jahre vor allem im diakonischen Bereich geschehen. Weitere 85 Personen wurden uns über andere Meldewege bekannt. Dabei kann es Doppelungen geben. Das sind die Zahlen, die uns vorliegen. Zugleich ist klar, dass dies nur die gemeldeten Fälle umfasst. Deshalb ist uns ja eine Dunkelfeldstudie so wichtig, um eine genauere Einschätzung des tatsächlichen Ausmaßes zu erlangen.

nachgefasst

Sternsinger: Ausgebeutet von der superreichen Kirche? – Josef Bordat (JoBos Blog)

Wurde gerade eben ernsthaft diskutiert, ob die Hilfsaktion von Kindern für Kinder „Die Sternsinger“ eine gute Sache ist? Wie sehr sind unsere Maßstäbe eigentlich verrutscht? Die Sternsinger müssen ihren Kopf nicht für die Probleme der röm.-kath. Kirche hinhalten. Da muss man sich schon geeignetere Adressaten suchen. Eine kurze Verteidigung der Aktion bietet Josef Bordat (@JosefBordat) auf seinem Blog, darunter dieses wichtige Argument:

Das Geld geht nicht an „die“ Kirche (oder den Papst), sondern an das Kindermissionswerk „Die Sternsinger“. Der administrative Overhead ist dort mit rund sieben Prozent (Jahresbericht 2017) vergleichsweise niedrig. […] Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) hält bei Hilfsorganisationen bis zu zehn Prozent Verwaltungsanteil an den Gesamteinnahmen für „niedrig“, zehn bis zwanzig Prozent für „angemessenen“ und zwanzig bis dreißig Prozent für „vertretbar“. Erst ab dreißig Prozent Verwaltungskostenanteil versagt das DZI sein Gütesiegel.

Altbischof Huber über Twitter

In das Twitter-Bashing Robert Habecks ist diese Woche Altbischof Wolfgang Huber (@Prof_Huber), ehemaliger Ratsvorsitzender der EKD, eingestimmt:

Es entzündete sich an seinen Äußerungen eine intensive Debatte, die performativ vorführte, dass Huber irrt – denn sie wurde vor allem auf Twitter geführt, dem Platz für den gepflegten theologischen Austausch. Nach allerlei Spott und empörter Widerrede wurden dann – wie üblich – ernsthafte Töne angeschlagen:

Buntes

Die erste EKD-Synode – Thomas Klatt (Deutschlandfunk)

Einen Blick in die Geschichte des Protestantismus in Deutschland wirft Thomas Klatt im Deutschlandfunk. Ein großer Aufbruch war die erste Synode der EKD vor 70 Jahren nicht. Die Wahl Bischof Dibelius‘ zum ersten Ratsvorsitzenden bedeutete vor allem Kontinuität zur staatssynchron verfassten Kirche. Allerdings: Nach 1945 bekannte sich die Evangelische Kirche zur Demokratie, auch wenn sie die Aufarbeitung der eigenen Verstrickung in den Nationalsozialismus aufschob.

„Lügenpresse“ verbreitet AfD-Version der Attacke auf Bremer AfD-Chef – Stefan Niggemeier (Übermedien)

Isn’t it ironic? Die von Rechts als „Lügenpresse“ verunglimpfte Presse verfehlt ihren Auftrag wahrheitsgetreuer Berichterstattung ausgerechnet dadurch, dass sie eine Pressemitteilung der AfD treulich abpinselt. Und die so entstandenen Falschmeldungen anschließend auch nicht ordentlich und transparent richtigstellt. Allen Menschen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann. Vielleicht ist den Redaktionen darum anzuraten, darauf keinen Wert mehr zu legen. (Offenlegung: Ich habe im vergangenen Jahr zwei Mal für Übermedien gearbeitet.)

Ein guter Satz