Ein Gespenst geht um – Die #LaTdH vom 14. Januar

In der Debatte dreht sich alles um das Mission Manifest in der katholischen Kirche. Außerdem: Eine feine Liedpredigt, einstürzende Kirchen und viel Kritik an frommen Leuten.

Debatte

Das Kirchenthema der Woche war unbestreitbar das von einigen – mehrheitlich charismatisch geprägten – Katholiken verfasste Mission Manifest, darin befindlich „10 Thesen für das Comeback der Kirche“. Ich gestehe meine grundsätzliche Vorsicht vor Projekten, die erstmal ein Manifest schreiben.

Aber gut, wer sich genauer einlesen will, kann selbstverständlich das gleichnamige Buch zur Aktion aus dem Herder Verlag lesen. Einige Thesen werden dort von Frauen weiter ausgeführt, was den von mir unter der Woche vorgebrachten Vorwurf, bei den Machern handele es sich ausschließlich um Männer mit einer Mission etwas relativiert.

Mission Manifest – Carsten Leinhäuser (Vaticarsten.de)

Auf das Mission Manifest (die Schreibweise deutet auf englische Aussprache hin, also mischen manyfest) gab es sowohl erheblich erfreute als auch kritische Reaktionen. Ein paar der häufigsten Kritikpunkte benennt Carsten Leinhäuser (@vaticarsten), der eigentlich gerne begeistert vom Manifest wäre:

Wenn Sätze fallen wie „Es ist unser Job, für bekehrte Jünger zu sorgen“ (Zitat Hartl) zeigt sich m.E. ein ungesundes und nicht evangeliumsgemäßes Verständnis von Mission; eine platte Vereinfachung der Sendungsworte Jesu.
Wenn bestehendes Leben in der katholischen Kirche in Europa schlichtweg ignoriert oder mal eben pauschal für tot erklärt wird, zeigt sich m.E. eine Abwertung des Wirkens des Heiligen Geistes.

Kirchenschließung: Gott sei Dank! – Erik Flügge (erikfluegge.de)

Erik Flügge (@erik_fluegge) beginnt seinen absichtlich missverständlich überschriebenen Artikel (so sieht Christen-Clickbait aus, Kompliment!) mit einem halben Lob für das Manifest, das tief in der von Flügge (und mir) gemiedenen evangelikalen Frömmigkeit wurzelt. Dann biegt er aber radikal ab. Anders als sein Gastbeitrag für die Christ & Welt diese Woche, ist dieser Artikel zurecht weit herum gekommen. Flügges 5 Thesen sind jedenfalls brauchbarer als die emphatisch aufgeladenen Selbstsuggestionen des Mission Manifest. Lesen!

Thesen für eine Lebendige Kirche sollten in meinen Augen darauf zielen, die lebendige Kirche zu stärken und die dahin siechende Kirche endlich hinter sich zu lassen. Lebendig ist die Kirche allerdings auf beiden Flügeln. Links wie rechts. Sie ist lebendig in den geistigen Gemeinschaften mit ihren Gebetevents, aber sie ist eben auch lebendig in der Gemeinde eines befreundeten liberalen Pfarrers, der gerade mit den Mitgliedern eine soziale Kaffeerösterei gegründet hat.

Stichwort: Event

Das Manifest verdankt sich nicht zuletzt der MEHR-Konferenz und lobt nachdrücklich Veranstaltungsformen, auf denen junge Menschen in entsprechender Atmo Gott erleben können. Vielleicht liegt meine Vorsicht demgegenüber darin begründet, dass ich nach den Reformationsjubiläums-Events und aus der Erinnerung an evangelikale Großhappenings genug habe von begeisterungstürmischer Realitätsverweigerung. Ich halte es da mit Gabriele Höfling von katholisch.de:

[Die] herkömmlichen Angebote, die jede Woche überall in Deutschland stattfinden, mögen auf den ersten Blick vielleicht nicht ganz so sexy sein. Am Ende erreicht die Kirche damit aber viel mehr junge Leute als mit einmaligen Events.

Und wer ein Event sucht, wird vielleicht anderswo auch fündig: Singen bei Kerzenschein statt Lobpreis unterm Scheinwerferlicht.

Wenn Paradigmenwechsel länger als 57 Minuten dauern – David Jäggi (sola gratia)

David Jäggi (@Dave_Jaeggi) beschreibt auf seinem Blog unterschiedliche Missionsverständnisse. Kann als grundierende Lektüre zum Thema Mission nicht schaden und enthält wiederum deutliche Anfragen an das gängige evangelikale Missionsverständnis.

Trotzdem lässt sich einfach feststellen, dass an der kirchlichen Basis insb. auf Seiten der Evangelikalen noch bald 40 (!) Jahre später weithin das Missionsverständnis aus Pattaya seinen Niederschlag findet.

Ein Gespenst geht um …

Schließlich erhob das rechts-katholische Internetportal kath.net das Manifest zu einem casus confessionis. Dass nicht alle deutschen Bischöfe unterschrieben haben, gilt kath.net als Beweis dafür, dass sie die Bekehrung zu Jesus Christus an sich für „problematisch“ halten.

Um auf die titelgebende Metapher zurückzukommen: Ein furchteinflößendes Gespenst wie dereinst der Kommunismus ist das Mission Manifest nicht. Dafür sind die Thesen einfach zu harm- und substanzlos. Ob sie im Leben der Kirche Fleisch gewinnen, bleibt abzuwarten. Bisher spukt es vor allem im Kopf (von sich selbst) begeisteter Katholiken herum. Bei aller Kritik: Dass Leute sich für Glauben und Kirche einsetzen wollen, ist doch was! Im Sinne Erik Flügges ein Aufruf zum Schluss der Debatte: „(Noch) hoffende Christen aller Frömmigkeiten, vereinigt euch!“

Randständiges

Ehe für alle: Aufstand gegen den Pietcong – Josef Kelnberger (Süddeutsche Zeitung)

Der Streit um die Segnung auch gleichgeschlechtlicher Ehen in der Württembergischen Landeskirche geht weiter. Die so knappe Synodenentscheidung vom Herbst ’17 sieht Bischof July zu Recht als „Verpflichtung, in der Sache nicht zu ruhen“. Kleine Prophetie: Die Pietisten werden sich bewegen müssen. Den Kompromissvorschlag der Kirchenleitung abzulehnen war ein großer Fehler. Niemand nimmt ihnen ihren Minderheitskomplex mehr ab.

Was aus den Gemeinden berichtet wird: Junge Leute fühlen sich vor den Kopf gestoßen, Theologie-Studenten geraten ins Grübeln, ob diese Kirche ihre Zukunft sein kann, Pfarrer gehen in die innere Emigration. Manche Lesben und Schwule, so heißt es, kündigen ihre Mitarbeit in den Gemeinden auf, andere flüchten über die Landeskirchengrenze. Das Bundesland Baden-Württemberg ist in dieser Frage geteilt. Die Landeskirche Baden gewährt, wie auch jene im Rheinland und Berlin, Schwulen und Lesben nicht nur öffentliche Segnungen, sondern ganz reguläre Trauungen.

Deutschland vor härtester Bewährungsprobe – Hans Michael Heinig (Einspruch, FAZ)

Hans Michael Heinig, Kirchenrechtsprofessor in Göttingen, schreibt in der Jura-Beilage der FAZ über den „deutschen Weg“ des Umgangs von Staat und Religionsgemeinschaften miteinander. Dieser steht seiner Meinung nach vor seiner härtesten Belastungsprobe. Ebenso stellt der für ein fachlich vorgeprägtes Publikum geschriebene Artikel seine Leser_innen auf die Probe. Durchbeißen lohnt sich.

Das Bundesverfassungsgericht bemühte die „religiöse Neutralität“ des Staates erstmals im Jahr 1960. Um die Zeit setzten in Deutschland auch die gravierenden Umbrüche in der Religionslandschaft ein, die man gemeinhin mit dem Verlust volkskirchlicher Substanz oder Prozessen der Säkularisierung verbindet.

Evangelikale Propaganda – Katja Dorothea Buck (WELT-SICHTEN)

Der alljährliche „Weltverfolgungsindex“ des evangelikalen Vereins OpenDoors ist erschienen. Die nach wie vor dringend notwendige Kritik an Machart und Ergebnissen des Berichts wurde in diesem Jahr am besten von Katja Dorothea Buck im „Magazin für globale Entwicklung und ökumenische Zusammenarbeit“ WELT-SICHTEN (@weltsichten) aufgeschrieben. (Das ganze Magazin ist eine Fundgrube interessanter Nachrichten.)

Zudem sind die von Open Doors genannten 200 Millionen zumindest zweifelhaft. Das Hilfswerk hatte die Zahl schon vor einigen Jahren genannt, war dann aber nach kritischen Anfragen, wo denn alle diese verfolgten Christen leben, zurückgerudert und hatte sie auf 100 Millionen korrigiert. Dass im aktuellen Bericht nun wieder von doppelt so vielen Betroffenen die Rede ist, kann nur mit einer Aufweichung des Begriffs Verfolgung erklärt werden.

Das sind die christlichen Top-Blogs 2017 – Fabian Maysenhölder (TheoPop)

Das TheoRadar ermittelt aus über 400 christlichen Blogs an Hand von Erwähnungen in den Sozialen Netzwerken Hitlisten der christlichen Blogosphäre. Gewinner des letzten Jahres ist das theologische Feuilleton feinschwarz.net (@feinschwarz_net). Die Kolleg_innen aus der Wissenschaft sind auch besonders fleißig am Schreiben. Was 1) nachdenklich stimmt, ob der ständig beklagten Elfenbeinturmkultur theologischer Wissenschaftler_innen – ist vielleicht gar nicht so? und 2) erfreut: Das erfolgreichste christliche Blog ist kein Clickbait-Schmierblog und auch keine Erregungsmaschine vom rechten politischen Rand. Glückwunsch und Leseempfehlung!

Aktivisten besetzen Kirche vor Abriss – katholisch.de

Warum waren bei der Besetzung neben den Greenpeace-Aktivisten nicht auch Leute von der katholischen Jugend dabei?

Die Basilika Sankt Lambertus wurde zwischen 1888 und 1891 errichtet und ist war ein Wahrzeichen in der Region. Wegen seiner imposanten Erscheinung wird wurde das Gebäude im Volksmund auch „Immerather Dom“ genannt. Bereits vor fünf Jahren, am 13. Oktober 2013, wurde in Sankt Lambertus – 123 Jahre nach der Einweihung – die letzte Messe gelesen.

Predigt

Andere Hände – Sabrina Hoppe (Sinn und Geschmack)

Vikarin Sabrina Hoppe (@SabrinellaHope) mit einer Liedpredigt:

Die Mutter des Babys, hat diesen Brief geschrieben. Es waren ihre letzten Worte für ihr Kind. Es sollte eine neue Chance aufs Leben haben. Einen neuen Anfang haben, weit weg vom eigenen Leben ihrer Mutter, in dem es nur ein Ende gab, aber keinen Anfang mehr. Sie wünschte ihrer Tochter einen Anfang abseits von all dem, was sie selbst gefangen hielt. Ich reiche dich weiter, Weil ich selbst an mir scheiter’. Ich geb Dich in andere Hände.

Ein guter Satz

„We can be heroes, just for one day“

– aus Heroes von David Bowie


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