EKD-Reise nach Jerusalem

Eine Reisegruppe der Evangelischen Kirche besucht in diesen Tagen Israel. Die Reisenden wollen sich über die schwierige Lage der Christen im Heiligen Land und das evangelische Engagement vor Ort informieren.

Ist in Jerusalem noch Platz für Christen? Wie steht es um die evangelische Präsenz im Heiligen Land und die Religionsfreiheit in Israel? In diesen Tagen besucht eine Delegation der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) das Heilige Land. Neben Annette Kurschus, der EKD-Ratsvorsitzenden und Präses der Westfälischen Landeskirche, sind weitere Mitglieder des Rates der EKD nach Israel gereist. Schwerpunkt der Exkursion ist das evangelische Leben in Jerusalem. Kurschus wird am Sonntag in einem festlichen Gottesdienst anlässlich des 125. Geburtstags der evangelischen Erlöserkirche predigen. Die Kirche steht mitten in der Jerusalemer Altstadt in unmittelbarer Nachbarschaft zur Grabeskirche. Sie wurde am Reformationstag 1898 von Kaiser Wilhelm II. und Kaiserin Auguste Victoria persönlich der damaligen Kirche von Preußen übergeben.

Anders als Wilhelm II., der hoch zu Ross in Jerusalem einritt, reist die EKD-Delegation weitgehend unter dem Radar. An medienwirksamen oder gar kontroversen Auftritten, wie beim gemeinsamen Besuch von Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm und Kardinal Reinhard Marx im Jahr 2016, hat man kein Interesse. Der damalige EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm und der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) Marx hatten auf dem Tempelberg und an der Klagemauer ihre Brustkreuze abgelegt, um eine „Geste der Zurückhaltung“ auszusenden.

Christen leiden unter Schikanen und Übergriffen

Seitdem hat sich Lage der Christen in Israel verschlechtert. Insbesondere in Jerusalem gibt es immer wieder Übergriffe auf christliche Pilger und Kirchen (s. #LaTdH vom 27. August). „In Jerusalem begegnen einander die Kirchen der Welt. Und teilen diesen Ort mit Juden und Muslimen“, erklärte Kurschus. Man nehme „mit Sorge und Anteilnahme wahr, dass Christen im Heiligen Land wiederholten Schikanen ausgesetzt sind“, sagte sie im Blick auf die Behinderung von Gottesdiensten und Anfeindungen gegen Christen auf den Straßen Jerusalems.

Spuckattacken gegen Mönche und Vandalismus in Kirchen werden inzwischen häufiger gemeldet. Allein in Jerusalem habe es dieses Jahr 90 Übergriffe gegeben, erklärte im August 2023 der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK). In einer Stellungnahme (auf Englisch) forderte ÖRK-Generalsekretär Jerry Pillay die freie Religionsausübung von Christen in Israel ein. Die Schikanen rund um das Verklärungsfest auf dem Berg Tabor wurden auch in deutschsprachigen Medien thematisiert, mehrere christliche Organisationen forderten den Schutz christlichen Lebens ein.

Angeheizt werden die Schikanen und Angriffe von Itamar Ben-Gvir, dem Vorsitzenden der rechtsradikalen Partei Otzma Yehudit („Jüdische Stärke“) und Minister für Nationale Sicherheit im Kabinett von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (Likud). Unter seiner Ägide dürfen sich die gewaltbereiten Extremisten innerhalb der Siedlungsbewegung sicher fühlen. Netanjahu hält, ob aus innerer Überzeugung oder aus Machtkalkül, an Ben-Gvir fest. Staatspräsident Jitzchak Herzog hingegen sendete zuletzt deutliche Solidaritätszeichen in die christlichen Communities aus. Die Kritik an der Politik der israelischen Regierung aus Deutschland ist im Vergleich dazu vernehmbar leise. Rabbiner Pinchas Goldschmidt, der Präsident der Konferenz der Europäischen Rabbiner, hingegen verurteilte die Angriffe gegen Christen zuletzt scharf: „Zweifelsohne handelt es sich dabei nicht um einige wenige Einzelfälle. Ich sehe da einen klaren Trend, weil die Rhetorik in Israel ganz generell eine schärfere geworden ist.“

„Für die Kirchen, aber auch für die Zivilgesellschaft werden die Räume eng“, stellte auch die EKD-Ratsvorsitzende während des Israel-Besuchs fest. Rabbiner Goldschmidt und weitere Beobachter:innen machen auf den nationalreligiösen Hintergrund der Diskriminierungen aufmerksam, ein Editorial (€) der links-liberalen und säkularen Haaretz (auf Englisch) sprach gar von „Verachtung“ gegenüber Christen von Seiten der rechten Regierung Netanjahu. Der 3. Ökumenische Bericht zur Religionsfreiheit, den DBK und EKD zu Beginn des Sommers veröffentlicht haben (PDF) enthält ein eigenes Kapitel zu Israel.

Während ihres Besuchs traf die EKD-Delegation mit Partnern aus der Ökumene zusammen, die von der schwierigen Situation der Christen berichteten, u.a. Bischof Azar aus der Evangelisch-Lutherische Kirche in Jordanien und im Heiligen Land (ELCJHL) und Abt Nikodemus Schnabel von der Dormitio-Abtei. „Unsere Delegation wird die Sorge über die Bedrohung der christlichen Präsenz im Heiligen Land bei Gesprächen mit diplomatischen Vertretern Deutschlands zur Sprache bringen. Jerusalem muss die Stadt dreier Religionen bleiben“, erklärte die Ratsvorsitzende nach diesen Begegnungen und im Vorfeld der Gespräche mit dem deutschen Botschafter in Israel, Steffen Seibert, und dem ständigen Vertreter der Bundesrepublik bei der Palästinensischen Autonomiebehörde, Oliver Owcza.

Die EKD-Delegation bei einem Treffen mit Partnern aus der Ökumene (Foto: EKD)

Nächtliche Stadtführung und Yad Vashem

Auf dem Reiseprogramm der EKD-Delegation stehen neben diesen Begegnungen weitere Höhepunkte: Am Donnerstag besuchten die evangelischen GästInnen aus Deutschland die Gedenkstätte Yad Vashem und legten dort im Gedenken an die Opfer der Shoah einen Kranz nieder. Bereits am Mittwochabend hatte man sich von Dieter Vieweger, dem Direktor des Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes, durch die Jerusalemer Altstadt führen lassen. Die EKD-Delegation ist im Gästehaus des Propstes untergebracht, einer von zahlreichen EKD-Einrichtungen im Heiligen Land.

Gemeinsam mit der Ratsvorsitzenden sind die Ratsmitglieder Michael Dienser, Michael Domsgen, Anna von Notz, Silke Lechner und Jacob Joussen, Volker Jung, der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), und Anna-Nicole Heinrich, die Präses der EKD-Synode, nach Israel gereist. Mitglied der EKD-Delegation sind auch die EKD-Auslandsbischöfin Petra Bosse-Huber und Dagmar Pruin, Präsidentin von Brot für die Welt und der Diakonie Katastrophenhilfe. Während der Reise wolle man sich auch einen Eindruck von den evangelischen Projekten auf dem Ölberg verschaffen und mit Studierenden des Programmes „Studium in Israel“ zusammenkommen.

Die EKD unterhält im Heiligen Land zahlreiche Unternehmungen. Der evangelische Propst von Jerusalem, Pfarrer Joachim Lenz, ist für die pastorale Versorgung der evangelischen Gemeinden Deutscher Sprache in Israel und den palästinensischen Gebieten sowie die Leitung der Stiftungseinrichtungen der EKD zuständig. Ihn unterstützt ein Team, das aus weiteren Pfarrerinnen für die Pilger- und Studienarbeit, einem Kirchenmusiker sowie den GeschäftsführerInnen der EKD-Institutionen besteht. Außerdem absolvieren derzeit zwei Vikarinnen aus der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) ein Sondervikariat an der Erlöserkirche.

Welche Zukunft den Christen in Jerusalem beschieden sein wird, hängt im erheblichen Maße von der Unterstützung ab, die christliche Institutionen und Gemeinden aus ihren Heimatkirchen erfahren. Aufgrund des Mitgliederschwunds erwartet die Evangelische Kirche für die kommenden Jahre auch einen Rückgang an Kirchensteuermitteln. Die Frage, wie und in welchem Umfang sich die EKD ihr Engagement im Heiligen Land weiterhin leisten kann, ist damit gestellt.


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