Glaubenskämpfe – Die #LaTdH vom 27. August

Sorge um die Christen in Pakistan und Israel und um die Religionsfreiheit als Menschenrecht. Außerdem: Nachhilfe für Bischöfe, „Öko-Dschihad“ und der Selbstbestimmungsgesetz-Entwurf.

Herzlich Willkommen!

„Ich habe Angst. Ich fürchte, dass die Zukunft jüdischen Lebens in Europa auf dem Spiel steht“, erklärt Maram Stern in einem Artikel für die Jüdische Allgemeine von dieser Woche. Stern, Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses und dort zuständig u.a. für den Dialog mit den christlichen Kirchen und anderen Religionen, begründet seine „Sorge um Europa“ mit der wachsenden Zustimmung für rechtsextreme Parteien. Dabei geht es ihm nicht allein um Deutschland und die AfD:

Wo [rechtsextreme Parteien] noch nicht an der Macht sind, bestimmen sie aus der Opposition heraus die politische Debatte mit und verschieben die Koordinaten immer weiter nach rechts. Je stärker diese Kräfte werden, desto mehr fühlen sich ihre Anhänger ermutigt, selbst primitivste Vorurteile öffentlich zu äußern und auszuleben. Im Europäischen Parlament sind die Extremen bislang von untergeordneter Bedeutung, auch, weil sie sich selten einig sind. Doch je stärker diese Parteien werden, desto schwerer wird auch die Kompromissfindung auf EU-Ebene – nicht nur in der Zuwanderungspolitik.

Dass man mit einer Politik, die den Rechten aus Sorge vor deren weiterer Radikalisierung schon mal entgegenkommt, nur noch mehr Normalisierung von Rassismus und Hass erntet und demokratische Institutionen nachhaltig beschädigt, hatte der Rechts- und Politikwissenschaftler Maximilian Pichl im Eule-Interview vom Juni diesen Jahres am Beispiel der EU-Migrationspolitik erklärt. Aber dieses Muster ist auch auf anderen Politikfeldern zu beobachten.

In dieser Woche wurde in katholischen Communities heftig über die Zustimmung diskutiert, die Irme Stetter-Karp, die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), gegenüber dem Entwurf der Bundesregierung für ein neues Selbstbestimmungsgesetz signalisierte (s. nachgefasst). Statt eine sachliche Auseinandersetzung über die Qualität des vorgeschlagenen Gesetzes erleben wir (medial vermittelt) einen Streit, in dem sich katholische Herdentriebe ausleben, von denen sich auch besonnene Katholik:innen mitreißen lassen. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 GG) als Maßstab der Gesetzgebung ist bei manchen Akteuren völlig aus dem Blick geraten.

Die Normalisierung der Niedertracht zieht weite Kreise und macht auch vor denen nicht halt, die sich ihr gegenüber für „immun“ halten. Wohin solche Entgleisungen am Ende führen, die statt auf Menschenrechte und Toleranz auf ethnisch oder religiös begründete identitäre Zugehörigkeit abstellen, zeigt die Debatte dieser #LaTdH.

Eine gute Woche wünscht
Philipp Greifenstein

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Debatte

„Zurzeit ist es die Hölle für uns Christen in Pakistan“ – Ninve Ergmagan (FAZ)

In den vergangenen Tagen kam es zu mehreren schweren Ausschreitungen gegen Christen in Pakistan. Auslöser war – wie so häufig inzwischen – ein Blasphemievorwurf. Mehrere Kirchen wurden beschädigt und in Brand gesetzt, Wohnungen und Häuser von christlichen Familien verwüstet. Die Hintergründe und Vorgeschichte, inkl. Stimmen von Christen aus der Region, erklärt Ninve Ergmagan in der Frankfurter Allgemeinen:

Der im Exil lebende Aktivist Faraz Pervaiz glaubt, dass durch solche Aktionen bewusst Blasphemie-Anschuldigungen ausgelöst werden sollen, die Gewalt ge­gen Christen rechtfertigten. Die Versprechen, Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen, seien bloße Lippenbekenntnisse. Schon seit geraumer Zeit haben laut Pervaiz radikale Gruppierungen und Parteien die Oberhand gewonnen. Es existiere ein Hass auf Christen, der tief in der Bevölkerung verwurzelt sei. Die Übergriffe würden auf eine breite Akzeptanz und Unterstützung stoßen […].

Die islamistische Gewalt gegen Christen findet dort Anklang, wo das Elend längst eine Heimstatt hat. Ethnische und religiöse Konflikte lassen sich leicht entzünden, wo Menschen das Gefühl haben, in Verteilungskämpfen um Land, Macht und Ressourcen untergebuttert zu werden. Die Pogrome gegen Juden nahmen in Europa gegen Ende des 19. Jahrhunderts auch deshalb zu, erklärt der Historiker Götz Aly in seinem wegweisenden Buch „Europa gegen die Juden“, weil die Juden den Neid der christlichen Mehrheitsgesellschaft(en) auf sich zogen. Religion und Volkszugehörigkeit als identitäre Ausschlusskriterien funktionieren dort gut, wo sie auf einem „Minderwertigkeitsgefühl“ aufbauen können.

Gewalt gegen Christen in Israel nimmt zu: Das sind die Gründe – Judith Wipfler (SRF)

Auch in Israel nimmt die Gewalt gegenüber Christen zu. Spuckattacken gegen Mönche und Vandalismus in Kirchen werden inzwischen häufiger gemeldet. Allein in Jerusalem habe es dieses Jahr 90 Übergriffe gegeben, erklärt der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK, s. nachgefasst). In einer Stellungnahme (auf Englisch) fordert ÖRK-Generalsekretär Jerry Pillay die freie Religionsausübung von Christen in Israel ein. Judith Wipfler hat in ihrem Beitrag für den SRF weitere Beispiele aus den vergangenen Jahren gesammelt.

In den vergangenen Tagen machten die Schikanen rund um das Verklärungsfest auf dem Berg Tabor Schlagzeilen (beim Domradio und in der Times of Israel (auf Englisch)). Mehrere christliche Organisationen fordern mehr Schutz des christlichen Lebens ein.

Angeheizt werden die Schikanen und Angriffe von Itamar Ben-Gvir, Vorsitzender der rechtsradikalen Partei Otzma Yehudit („Jüdische Stärke“) und Minister für die Nationale Sicherheit im Kabinett von Benjamin Netanjahu. Unter seiner Ägide dürfen sich die gewaltbereiten Extremisten innerhalb der Siedlungsbewegung sicher fühlen. Netanjahu hält, ob aus innerer Überzeugung oder aus Machtkalkül, an Ben-Gvir fest. Staatspräsident Isaac Herzog hingegen sendete zuletzt deutliche Solidaritätszeichen in die christlichen Communities aus. Die Kritik an der Politik der israelischen Regierung aus Deutschland ist im Vergleich dazu vernehmbar leise.

„Spiegelbild der Spannung“ – Interview mit Pinchas Goldschmidt von Ralf Balke (Jüdische Allgemeine)

Im Interview mit der Jüdischen Allgemeinen äußert hingegen Rabbiner Pinchas Goldschmidt, der Präsident der Konferenz der Europäischen Rabbiner, scharfe Kritik an den Angriffen gegen Christen im Heiligen Land:

Zweifelsohne handelt es sich dabei nicht um einige wenige Einzelfälle. Ich sehe da einen klaren Trend, weil die Rhetorik in Israel ganz generell eine schärfere geworden ist. […] Andersdenkenden und Minderheiten gegenüber wird in Israel im Moment überhaupt sehr wenig Respekt gezeigt. Und das zeigt sich auch in diesen Übergriffen.

Goldschmidt erklärt die Angriffe als Jugendphänomen und macht auf ihren nationalreligiösen Hintergrund aufmerksam. Bei der israelischen Rechten hat sich Goldschmidt mit seiner Kritik sicher keine Freunde gemacht. Von „Verachtung“ gegenüber den Christen von Seiten der rechten Regierung Netanjahu spricht hingegen ein Editorial (€) der links-liberalen und vor allem säkularen Haaretz (auf Englisch). Es ist also keineswegs so, dass es in Israel kein Bewusstsein für die Problematik gäbe.

Danke, Rabbiner Goldschmidt! – Christoph Strack (katholisch.de)

In einem „Standpunkt“ auf katholisch.de dankt Christoph Strack, Religionsjournalist bei der Deutschen Welle, Rabbiner Goldschmidt für seine Solidaritätserklärung mit den Christen in Israel. Er beklagt, dass kein „führende[r] Kirchenvertreter in Deutschland, ob Bischof oder Laie, für die Klarheit der Worte laut dankt“. Es ist – wie so häufig – Nikodemus Schnabel, der Abt der Dormitio-Abtei in Jerusalem, der als einziger beharrlich auf die schwierige Lage der Christen insbesondere in Jerusalem hinweist.

Wenn schon aus der israelischen Regierung, in der ein Rechtsextremer die Innenpolitik prägt, kein deutliches Wort kommt, ist es so wichtig, dass sich der Staatspräsident und, weitaus deutlicher, einer der weltweit wichtigen Rabbiner des Judentums äußerten.

Strack fordert in seinem Kommentar, dass sich Kirchenvertreter:innen zum „tagesüblichen Antisemitismus“ und zur „wachsenden Islamfeindlichkeit in Deutschland“ äußern und ihre Solidarität mit angegriffenen Juden und Muslimen in Wort und Tat erklären sollten – z.B. durch einen Besuch von Gemeinden, wie der israelische Präsident Herzog es vorgemacht hat. In der Tat finden solche – gar nicht mal so seltenen – Zeichen des friedlichen Miteinanders, z.B. anlässlich des Ramadans, nur selten Resonanz in einer breiten Öffentlichkeit. Strack mahnt:

In einer Gesellschaft, die säkularer, aber eben auch multireligiöser wird, muss man Kontakte mehr pflegen, um sie im Zweifelsfall nutzen zu können.

Religion als Lösung?

Der interreligöse Dialog kann sicher einen Beitrag zum friedlichen Miteinander leisten. Ob sich die Religionen als Friedensstifter erweisen können, hängt aber vor allem daran, wie sie auf extremistische Strömungen in den eigenen Reihen reagieren. Verschweigen und beschwichtigen zählt nicht, egal ob es sich um islamistische, jüdische oder christliche Extremisten handelt. Jerusalemer Mönche, die von jugendlichen Siedleraktivisten bespuckt werden; Juden, denen in Berlin die Kippa vom Haupt gerissen wird; Moscheegemeinden, denen Schweineköpfe vor die Tür gelegt werden – diese Angriffe haben einen inneren Zusammenhang. In Summe handelt es sich bei ihnen auch um Angriffe auf die Religionsfreiheit als Menschenrecht, auch dann, wenn sie zum Glück (noch) nicht das Niveau von Pogromen wie in Pakistan erreichen.

Deshalb an dieser Stelle noch einmal ein Hinweis auf den 3. Ökumenischen Bericht zur Religionsfreiheit, den die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) zu Beginn des Sommers veröffentlicht haben (PDF). Der Bericht soll „eine christliche Perspektive auf ein universelles Menschenrecht“ bieten und geht inhaltlich differenzierend auf die Situation von religiösen Minderheiten in einigen Ländern ein. Mit dabei auch hier: Die Christen in Israel. Aber es gibt auch einen Länderbericht zu Deutschland, in dem als Herausforderungen des Rechtes auf Religionsfreiheit insbesondere die Säkularisierung sowie „Populismus und Nationalismus“ benannt werden, die „auf verschiedene Weise dazu führen, dass dieses Grundrecht nicht für jeden immer und überall voll gelebt werden kann“.

nachgefasst I

Der Weltkirchenrat: Ein Haus für 352 Kirchen – Alexander Brüggemann (KNA, katholisch.de)

Dem Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK, Weltkirchenrat) zum 75. Geburtstag gratuliert Alexander Brüggemann von der KNA mit einem Porträt bei katholisch.de, das auch die aktuellen Konflikte in der Ökumene nicht ausspart. Zunächst aber erinnert er an die Gründung des ÖRK:

Gegründet wurde der Weltbund am 23. August 1948, vor genau 75 Jahren, in Amsterdam. 351 Delegierte von 147 Kirchen unterschiedlicher Konfessionen und Traditionen nahmen teil. Drei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs herrschte – einmal mehr – fast überall auf der Welt der Wunsch, die Konflikte der Menschheit künftig gemeinsam, durch Verständigung und im Dialog zu lösen. Und bis heute versteht sich der ÖRK auch vor allem als eine Gemeinschaft von Kirchen, nicht als eine „Überkirche“.

„Wie heikel und schwierig freilich das geschwisterliche Miteinander im täglichen Betrieb sein kann“, erklärt Brüggemann dann vor allem am Beispiel der Russisch-Orthodoxen Kirche (ROK), deren Patriarch Kyrill den russischen Krieg gegen die Ukraine propagandistisch unterstützt.

In einem Gespräch zum ÖRK-Jubiläum mit Benjamin Lassiwe erörert auch der Deutschlandfunk die aktuelle Situation des Weltkirchenrates. Lassiwe berichtet von der „Lagerfeuer“-Funktion des ÖRK gerade für Kirchen aus dem Globalen Süden, hier bekämen sie und ihre Anliegen ein Forum. Lassiwe fordert auch den Ausschluss des Moskauer Patriarchats.

Ein solcher Rausschmiss ist nicht ohne historisches Beispiel: Erst in dieser Woche erinnerte Tamás Fabiny, Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Ungarn, im Newsletter der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) an seine erste Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes (LWB) 1984 in Budapest. Vom 13. bis 19. September 2023 gastiert die LWB-Vollversammlung in Kraków und damit erstmals seit 1984 wieder in einem osteuropäischen Land.

Zum Eröffnungsgottesdienst der eigentlichen Vollversammlung [in Budapest] in der Sporthalle kamen sogar 12.000 Leute. »Als Gemeindepfarrer«, sagt Fabiny, »war ich zehn bis zwölf Gottesdienstbesucher gewöhnt.« Damals wurden wegweisende Beschlüsse gefasst. Die Vollversammlung warf zwei südafrikanische Kirchen wegen ihrer Haltung zur Rassentrennung aus dem Bund. Und man beschloss, dass bei der Neunten Vollversammlung die Hälfte der Delegierten Frauen und 20 Prozent Jugendliche sein sollten.

Macht und Charisma ohne Kontrolle: Das System Pilz – Felix Neumann (katholisch.de)

Die Untersuchung der Amtszeit von Winfried Pilz bei den Sternsingern bringt keine neuen Missbrauchsvorwürfe ans Licht, erklärt Felix Neumann in einer umfassenden Analyse bei katholisch.de, sie zeichne aber nach, „wie Übergriffe in Organisationen möglich werden, wenn charismatische Kleriker unhinterfragt bleiben“.

Zugleich genoss Pilz unter seinen Mitarbeitern wie in der Kirche insgesamt größtes Ansehen. Der charismatische Priester trat selbstbewusst gegenüber den Partnern des Hilfswerks auf (und genoss es, persönlich Schecks auszustellen, eine Praxis, die das Hilfswerk mittlerweile nicht mehr betreibt), leutselig gegenüber der Belegschaft – nur mit Frauen hatte er es nicht so: Eine ehemalige Mitarbeiterin berichtet, dass er ein Problem damit zu haben schien, mit Frauen auf Augenhöhe zu kommunizieren.

Bischof von Trier muss Nachhilfe in Datenschutz nehmen – Annette Zoch (SZ)

Annette Zoch schreibt in der Süddeutschen Zeitung das nächste Kapitel des Epos um den Trierer Bischof Stephan Ackermann, der – noch als Missbrauchsbeauftragter der DBK – so dämlich war, das Pseudonym einer Missbrauchsbetroffenen zu lüften. Er benutzte den Klarnamen der Person in einer „internen“ Runde. Jetzt hat das Katholische Datenschutzzentrum Frankfurt den Bischof und seine Mitarbeiter:innen zu einer Nachschulung in Sachen Datenschutz verdonnert. Andere Rechtshändel sind auch noch anhängig.

nachgefasst II: Selbstbestimmungsgesetz

Künftig soll jeder Mensch seinen Geschlechtseintrag und Vornamen ohne Schikanen wie langwierige Verfahren und Gutachten selbst festlegen und ändern können. Das Bundeskabinett hat einen Entwurf für ein Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) beschlossen. Nun wird der Deutsche Bundestag diesen Entwurf beraten und sicher auch noch modifizieren. Gelten soll das neue Gesetz dann nach Wunsch der Ampel ab November 2024.

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) informiert mit einem sehr ausführlichen FAQ über den Entwurf und auch auf tagesschau.de wird erklärt, was das neue Gesetz bedeuten soll. Man darf angesichts der Vielfalt und Tiefe der zur Verfügung stehenden Informationen über den Gesetzentwurf durchaus zu der Überzeugung gelangen, dass sich falsche Wiedergaben und gefärbte Berichterstattung der ideologischen Gegnerschaft zum Vorhaben verdanken.

Positiv auf den Entwurf reagierten Vertreter:innen der beiden großen Kirchen, u.a. der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), Christian Stäblein („Diskriminierung hat ein Ende“), und die Präsidentin des ZdK, Irme Stetter-Karp. Es sei „ein guter Tag für Selbstbestimmung und Menschenwürde“, die Kabinettsentscheidung ein „Meilenstein“, erklärte sie in einer Pressemitteilung des ZdK.

Ehrlich gesagt finde ich die Emphase der Reaktionen und der medialen Berichterstattung (!) angesichts der ja noch vor dem Entwurf liegenden Strecke erstaunlich. Auch bei Bischof Stäblein herrscht ja schon der Indikativ. Wann wurden Kabinettsbeschlüsse je so abgefeiert? Ja, die Ampel-Koalition hat eine Mehrheit im Deutschen Bundestag, das Selbstbestimmungsgesetz wird kommen. Aber selten (nie?) wurde ein Gesetzentwurf – ein so umfangreicher wie dieser zumal – auf seinem Weg durch die parlamentarischen Beratungen nicht noch ergänzt und bearbeitet. Ein erster Blick ins Gesetz und die FAQ des Bundesministeriums enthüllt: Es handelt sich beim Entwurf um einen Kompromiss. Vielen Bedenken von Kritiker:innen wird Rechnung getragen. Insbesondere stechen hier die Einschränkungen der Selbstbestimmung für Minderjährige zugunsten der Elternrechte hervor.

Das alles hat vornehmlich katholische Akteure im Netz nicht davon abgehalten, angesichts der Sympathiebekundung von Stetter-Karp aufzuschreien. Was nun eigentlich ihre sachliche Kritik sowohl am Gesetzesentwurf als auch an der Forderung nach dem Ausbau von Beratungsangeboten durch die ZdK-Präsidentin ist, bleibt mir rätselhaft. Es gibt sie bestimmt, aber sie geht im Geifern über den „Gender-Wahnsinn“ unter.

Jan Hendrik Stens vom Domradio befragte Matthias Pulte, Professor für Kirchenrecht, Kirchliche Rechtsgeschichte und Staatskirchenrecht an der Universität Mainz, zu den Konsequenzen, die ein solches Selbstbestimmungsgesetz für die römnisch-katholische Kirche hätte. Selten hat mich der Odeur einer Parallelgesellschaft deutlicher angeweht, obwohl Pulte schlicht sachlich über den Stand des katholischen Kirchenrechts Auskunft gibt.

Buntes

Deutschlands erster Islamberater – Christoph Strack (Qantara.de)

Ist das Minarett zu hoch? Wie sind islamische Gruppen einzuordnen? Bei der Klärung solcher und weiterer Fragen des Zusammenlebens unterstützt Hussein Hamdan Kommunen und Moscheegemeinden in Baden-Württemberg. Christoph Strack erklärt bei Qantara.de, wie Hussein arbeitet und weist auf dessen Buch zum Thema hin. Erstaunlich:

Hamdan ist Angestellter der katholischen Kirche und arbeitet seit 2012 als erster Muslim bei der Akademie des Bistums Rottenburg-Stuttgart. Das Bundesland Baden-Württemberg hat rund elf Millionen Einwohner, darunter sind etwa 800.000 Muslime. Die ersten repräsentativen Moscheen entstanden in dem Bundesland in den 1990er Jahren.

Anna erzählt vom diakonischen Alltag – Katrin Nordwald (epd, evangelisch.de)

Auf dem Instagram-Kanal @1jahr_menschennah stellt „Bethel-Influencerin“ Anna Hofmann die Arbeit der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel vor, nimmt die Follower:innen z.B. mit zur Blutspende, in die mobile Disco und ins Kinderhospiz. Katrin Nordwald vom epd stellt sie auf evangelisch.de vor:

Die v. Bodelschwinghschen Stiftungen sind wie viele andere diakonische Einrichtungen auf Instagram mit verschiedenen Accounts vertreten, die der Eigenwerbung dienen. Der neue Kanal mit zurzeit rund 700 Followern solle eine weitere Perspektive mit Blick der Generation Z eröffnen, sagt Bethel-Sprecher Johann Vollmer. „Ob Anna zur Blutspende geht oder beim Bethel-Imker Bienen aus dem Honigstock holt, mit ihrer authentischen, unmittelbaren Art nimmt sie andere mit, die sich sagen: Wenn Anna dahin geht, dann kann ich das auch.“

Inmitten des Fachkräftemangels und angesichts der Ampel-Kürzungspläne bei den Freiwilligendiensten ist Werbung für das FSJ und diakonische Berufe sehr notwendig. Und Influencing ist jedenfalls plattformkompatibler als die häufig dröge Selbstdarstellung von Werken und Unternehmen der Caritas und Diakonie in den Sozialen Medien. Leonie Wunderlich vom Leibniz-Institut für Medienforschung in Hamburg erklärt im Artikel gut den Wert von „kleinen“ Accounts, auch wenn dabei ein so technokratisch anmutender Satz wie dieser fällt:

„Der Eindruck von Echtheit verstärkt das Gefühl der Zugänglichkeit, was die Grundlage für den Aufbau affektiver Beziehungen bildet.“

„Wir präsentieren ein junges Gesicht von Kirche“ – Interview mit Daniel Drewes von Katharina Geiger (Domradio)

Seit einigen Jahren ist die Evangelische Jugend auf der Gamescom dabei. Daniel Drewes von der Evangelischen Jugend Köln erklärt beim Domradio des dortigen römisch-katholischen Erzbistums, warum man sich bei den Gamer:innen auf der weltweit größten Messe für Computer- und Videospiele rumtreibt:

Wir sind von der Kölnmesse seit zehn Jahren als Eventpartner eingeladen, um ein Bewegungsangebot zu schaffen, bewusst auch ein analoges Angebot. Das heißt, wir sind in der Halle 10.2 im sogenannten Family- und Friendsbereich. Da kann man sich am Bungee Run austoben. Das ist ein aufblasbares Großspielgerät, an dem man, mit Bungee-Seilen befestigt, Wettrennen laufen kann. Wir haben Balance Boards, wie eine Fotobox und viele kleinere Aktionen.

Mitorganisator von CSD: „Haben den Bischof nicht um Erlaubnis gefragt“ – Interview mit Georg Kleemann von Roland Müller (katholisch.de)

In Haltern am See (Bistum Münster) haben die römisch-katholische Pfarrei und die Caritas einen Christopher Street Day ins Leben gerufen. Im Interview bei Roland Müller von katholisch.de erzählt Pastoralreferent Georg Kleemann, wie die Feier abgelaufen ist und was er Kritikern antwortet:

Im Grunde geht es uns darum, dass wir als Pfarrei vor Ort Stellung beziehen und signalisieren: Die katholische Kirche in Haltern am See steht für Offenheit und Akzeptanz gegenüber queeren Menschen. Wir wollten außerdem das Thema in die breitere Stadtgesellschaft tragen. Da ist ein CSD eine gute und entspannte Möglichkeit, queerem Leben eine Öffentlichkeit zu geben – in einer Form, die einladend ist, Spaß macht und nicht belehren will.

Dass eine Segnung homosexueller Paare im Erzbistum Berlin möglich sei, meldet die KNA unter Berufung auf den dortigen Erzbischof Heiner Koch, der sich in einem Brief (PDF) an die pastoralen Mitarbeiter:innen seiner Diözese gewandt hat. In dem fünfseitigen Schreiben will Koch Kritiker:innen und Befürworter:innen gleichermaßen mitnehmen. Heraus kommen dabei einige rhetorische Verrenkungen, auf deren vatikanisches Echo man gespannt sein darf. Schwer vorstellbar, dass der Apostolische Nuntius in der Bundeshauptstadt, Nikola Eterović, das Schreiben nicht hübsch ordentlich an die zuständigen Dikasterien in Rom weitergeleitet hat. Bei der kommenden Herbstvollversammlung der DBK in Wiesbaden vom 25. bis 28. September wird er sicher seine Bedenken einbringen.

Der Öko-Dschihad will die Schöpfung schützen – Nicole Freudiger (SRF)

Esra Doganay ist Umweltingenieurin und engagiert sich bei der muslimischen Umweltorganisation Nour Energy. Im SRF erklärt sie, was es mit dem „Öko-Dschihad“ auf sich hat. Klingt jedenfalls schon mal ziemlich catchy, auch wenn damit vor allem Solarzellen auf der Moschee, nachhaltiges Fastenbrechen und klimafreundliche Pilgerfahrten gemeint sind.

Doch «Dschihad» habe im Islam eine weitere Bedeutung. «Dschihad als Kampf mit dem eigenen Ego – oder etwas platt ausgedrückt: der Kampf mit dem inneren Schweinehund.» Im Öko-Dschihad gehe es also um die Frage: Wie schaffe ich es, ein besserer Mensch zu werden, für Gott und die Umwelt?

Ein guter Satz

„Mut zum Wagnis lohnt sich eben doch.“

Sophia Hose, eine Jugendliche aus dem Hammelburger Land, berichtet von ihren persönlichen Eindrücken vom Weltjugendtag in Lissabon.