EKD-Synode: Herz und Mund und Tat und Leben

Bei der Tagung der EKD-Synode wird deutlich, dass wichtige Beschlüsse vom vergangenen Jahr nicht umgesetzt wurden. Vom Reden ins Handeln zu kommen, stellt die EKD vor große Herausforderungen:

Thema der Tagung der EKD-Synode in diesem Jahr in Ulm ist die „Sprach- und Handlungsfähigkeit im Glauben“. Das breit angelegte introperspektive Schwerpunktthema verbindet, was doch zwei verschiedene Dinge oder zumindest nachgelagerte Handlungen sind: Sprechen und Handeln. Über etwas ins Gespräch kommen und ins Handeln kommen, das wissen die Evangelischen eigentlich, sind auch in der Kirche nicht zwingend „zusammengedacht“. Sind die Beschlüsse der EKD-Synode zum Beispiel eher der Sphäre des unverbindlichen Gesprächs zuzurechnen oder eine kräftige Tat?

Am Beispiel der Beschlüsse der letztjährigen Tagung der Synode in Magdeburg wird dieses Problem auf der Tagung von den Synodalen ganz praktisch diskutiert. Der schriftliche Ratsbericht (hier) und vor allem der „Bericht über die Umsetzung der Beschlüsse der 3. Tagung“ der aktuellen EKD-Synode in Magdeburg im vergangenen Jahr (hier) zeigen, dass wichtige Forderungen der Synode nicht oder nicht im ausreichenden Maße umgesetzt wurden.

Am Montagabend verschafften mehrere Redner:innen dem Groll unter den Synodalen über diesen Missstand auch im Plenum der Synode Gehör. Der Unmut über die Untätigkeit von Kirchenamt und Rat der EKD, die mit der Umsetzung der Synodenbeschlüsse unterjährig betraut sind, zieht sich dabei durch die verschiedenen Interessengruppen und Lager in der Synode.

Der Synodale Hermann Gröhe (CDU), Bundestagsabgeordneter und ehem. Bundesgesundheitsminister, erkundigte sich danach, was eigentlich aus dem Anliegen geworden sei, „die Beziehung der EKD zu Russland und der Russisch-Orthodoxen Kirche kritisch aufarbeiten“ zu wollen. Es ist im „Beschluss zu Frieden – Gerechtigkeit – Bewahrung der Schöpfung“ der Tagung von Magdeburg 2022 zu finden (hier). Im Umsetzungsbericht findet sich dieses selbstkritische Moment überhaupt nicht mehr wieder. Dort heißt es lapidar, „die Rhetorik des Moskauer Patriarchen seit Kriegsausbruch“ sei „für den ökumenischen Dialog mit Russland ein schmerzhafter Einschnitt und doch nicht das Ende der Beziehungen mit dem gesamten Moskauer Patriarchat.“ Mit Stipendien unterstütze man zum Beispiel Priester der Russisch-Orthodoxen Kirche, „die durch ihre kriegskritische Haltung ihre Erwerbsgrundlage verloren haben“.

Was wurde aus dem Tempolimit?

Die Synodale Pia Loch (Bamberg, ELKB) wiederum nutzte die Aussprache, um kritische Nachfragen in Richtung Rat der EKD und Kirchenamt zur Umsetzung der Magdeburger Klimaschutz-Beschlüsse zu stellen. Ihr ging es vor allem um den Tempolimit-Beschluss, der nicht nur für erhebliche Verwirrung und mediales Echo sorgte (wir berichteten), sondern im Berichtsjahr zu einer Kampagne ausgebaut werden sollte. Dies soll nun – wurde den Synodalen erst kurz vor der Tagung in Ulm mitgeteilt – im Verbund mit weiteren Klimathemen geschehen und auch deshalb erst (frühestens) im kommenden Jahr. Im Tempolimit-Beschluss bekundet die Synode auch ihre Unterstützung derer, die sich politisch „um ein zeitnahes allgemeines Tempolimit von höchstens 120 km/h“ bemühen. An den Rat und seine Bevollmächtige bei der Bundesrepublik und EU, Anne Gidion, richtete die Synodale Loch die Frage, was daraus eigentlich geworden sei.

Hintergrund des Unmuts ist, dass der Tempolimit-Beschluss nicht nur innerkirchlich und in der Presse für Unmut gesorgt hatte, u.a. weil direkt im Anschluss an die Tagung in Magdeburg verzerrende Deutungen über die Reichweite des Beschlusses in Umlauf gesetzt wurden („innerkirchliches Tempolimit“, „EKD fordert Tempolimit“, alles Notwendige dazu im Eule-Artikel vom vergangenen Herbst), sondern als Votum der Synode eine Reaktion auf die von vielen Synodalen als unzureichend empfundene „Klimaschutzrichtlinie“ der EKD darstellte, die der Synode kurz vor der Magdeburger Tagung von Rat und Kirchenkonferenz (der Versammlung der Leitenden Geistlichen und Jurist:innen der 20 EKD-Mitgliedskirchen) vorgesetzt wurde. Statt ein verbindliches EKD-Klimaschutzgesetz zu beschließen, hatten sich die Evangelischen im vergangenen Jahr auf eine „Richtlinie“ verständigt, die von den Gliedkirchen adaptiert werden soll.

Weitere Druckmittel als die kritische Nachfrage, was aus den Klimaschutzbeschlüssen geworden ist, hat die Synode und hat die EKD als Gemeinschaft der evangelischen Landeskirchen im Übrigen nicht: Die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus erinnerte in ihrem mündlichen Bericht vor der Synode (hier) in anderem Kontext an das Augsburger Bekenntnis (CA), das für die „Macht des kirchlichen Leitungsamtes“ formuliere: „sine vi, sed verbo – ohne Gewalt, sondern allein durch das überzeugende Wort, durch das Argument.“

Gebunden an die Selbstverpflichtung zum Tempolimit (100 km/h Autobahn, 80 km/h) mussten sich im Berichtsjahr die Mitarbeiter:innen des EKD-Kirchenamts und die Mitglieder von Rat, Synode und Kirchenkonferenz dann fühlen, wenn sie in Sachen EKD unterwegs waren. Bereits kurz nach der Magdeburger Tagung bekundete der württembergische Landesbischof Ernst-Wilhelm „Speedy“ Gohl in einem Interview in der FAZ, sich nicht an den Beschluss halten zu wollen. Dabei wäre seine Anfahrt zum diesjährigen Tagungsort auch mit geminderter Geschwindigkeit sicher gut gestaltbar gewesen.

Vom Reden ins Handeln kommen

Vorausschauendes Sprechen und Handeln stellt die Evangelischen vor ebenso große Herausforderungen wie die restliche Bevölkerung. Mit der strategischen Kommunikation und handfester Selbstkritik tun sich Christ:innen nicht Kraft ihres Bekenntnissen automatisch leichter. Dass die Synodalen aber wenigstens nachfragen, was unterjährig aus den vielfältigen und sicher nicht immer glücklichen Beschlüssen der Synode wird, zeugt davon, dass ein Umdenken prinzipiell möglich ist. Dazu könnte gehören, sich als Synode stärker am Dritten der „Zwölf Leitsätze zur Zukunft einer aufgeschlossenen Kirche“ von 2020 zu orientieren:

„Wir bezeugen Christus und nehmen zu gesellschaftlichen Prozessen öffentlich Stellung, wo dies vom Evangelium her geboten ist und sich in unserem kirchlichen Leben und Handeln praktisch und erkennbar niederschlägt.“

Beschlüsse, deren Umsetzung allein im Wunschdenken einzelner Synodaler beheimatet ist, müssten daher weitgehend unterbleiben. Die Vorstellung zum Beispiel, dass die EKD-Gliedkirchen aktiv daran mitwirken könnten, dass ihre jeweiligen Fortschritte auf dem Weg zur Klimaneutralität zukünftig mittels einer „Ampel“ von der Bühne der EKD aus bewertet werden, die der Synodale Arnd Henze (EKiR) in die Debatte am Montag eingebracht hat, gehört wohl in diesen Bereich frommer Wünsche. Mit „Benimm-Ampeln“ wird gelegentlich in Grundschulen am allgemeinen Verhalten im Klassenraum gearbeitet. Die Methode ist in der Pädagogik umstritten.*

Doch sind vor allem jene Synodale in die Pflicht zu nehmen, die den allgemeinpolitischen Beschlussfassungen der Synode ohnehin kritisch(er) gegenüberstehen als jene (zumeist jüngeren), die sich zum Beispiel für den Klimaschutz verwenden. Was geht oder nicht, muss streitig errungen werden. Beschlüsse einfach in Erwartung der weitgehenden Nicht-Umsetzung durch das EKD-Kirchenamt und die anderen EKD-Gremien „durchgehen“ zu lassen, zeugt mindestens von schlechtem Stil. Ergibt sich daraus auch noch anhaltend schlechte Presse, kann ein solcher Laissez-faire auch unintendierte Folgen wie Kirchenaustritte (oder deren Ankündigung) und Hass-Post an diejenigen nach sich ziehen, die Synodenbeschlüsse in der Öffentlichkeit zu vertreten haben.

Im Evangelium nach Lukas heißt es: „Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über“. Will die EKD-Synode dem Eindruck wehren, man würde nur viel reden, aber nichts tun, muss sie nicht nur auf die anderen am Umsetzungsprozess beteiligten Stellen zeigen, sondern auch auf sich selbst schauen. Wie können die Beschlüsse der Synodentagung unterjährig so begleitet werden, dass auch gewöhnliche Synodale Fortschritte oder deren Mangel frühzeitig registrieren? Wie lässt sich das offenbar gewordene Missverhältnis zwischen Synodenbeschlüssen und der Tätigkeit von Rat und Kirchenamt auflösen: Durch konsequenten Verzicht auf solche Entscheide, die „wie immer“ in den Amtsstuben verschwinden werden? Oder dadurch, dass die exekutiven Organe der EKD stärker „ins Handeln kommen“?


Die Eule auf der EKD-Synode 2023

Eule-Redakteur Philipp Greifenstein wird wieder von der EKD-Synode berichten. In diesem Jahr wird es allerdings keinen Live-Blog geben. Nach 5 Tagungen der Synode, die Philipp live ge- und verbloggt hat, pausieren wir diesmal dieses Format. Von der Tagung der EKD-Synode wird Philipp in mehreren Beiträgen im Magazin berichten. Kurze Schnipsel gibt es von ihm auch bei Bluesky und Mastodon zu lesen. Wir freuen uns auf Eure / Ihre Hinweise, Wünsche und Rückmeldungen zur Berichterstattung aus Ulm, gerne auch als Kommentar im Magazin oder als E-Mail an redaktion@eulemagazin.de.

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* An dieser Stelle haben wir den Sachverhalt „Benimm-Ampel“ deutlicher dargestellt. Der Synodale Henze hatte im Plenum von „Ampel“ gesprochen. (14.11.2023, 16:05 Uhr)