Foto: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Entfitzt Euch!

Geweihte Männer sind in der katholischen Kirche für alles und jeden zuständig. Das überfordert die Amtsträger und verhindert den Aufbruch in die Zukunft. Ein Kommentar.

In der Eule habe ich letzte Woche eine Analyse der Diözesanbischöfe der römisch-katholischen Kirche in Deutschland verfasst. Mir ging es dabei darum, die unterschiedlichen Karrierewege auszuleuchten, die heutige Diözesanbischöfe gegangen sind. Diese sind, nicht zuletzt wegen der möglichen Verstrickung von Bischöfen in die Vertuschung von Missbrauchsfällen, interessant.

Was nebenbei auffällt: Alle Bischöfe tragen Verantwortung für gleich mehrere Ämter, Beauftragungen und Projekte innerhalb und außerhalb ihrer jeweiligen Diözesen. Kann das gesund sein?

Geweihte Männer haben das letzte Wort

Dabei muss man noch nicht einmal die Mitgliedschaft der Bischöfe in den zahlreichen Kommissionen der Deutschen Bischofskonferenz und der Weltkirche problematisieren – und sicherlich zu allerletzt ihre Funktionen auf dem sogenannten „Synodalen Weg“. Irgendwo muss sich ja gemeinsames Leitungshandeln verwirklichen. Die Vor- und Nachbearbeitung der Kommissionstreffen übernehmen außerdem hoffentlich qualifizierte Referent:innen.

Die Ortsbischöfe tragen für die Gesamtheit des vielfältigen kirchlichen und caritativen Handelns in ihren Diözesen die Verantwortung. Und wie wir nicht zuletzt aus dem Christ & Welt-Interview mit Erzbischof Heße erfahren durften, gehen auch viele Angelegenheiten über ihre Tische, die in anderen Unternehmen und Organisationen von niedrigeren Leitungsebenen erledigt würden.

Aber auch die Weihbischöfe, die ihre Ortsbischöfe in einem erstaunlichen Maße bei der Ausübung ihres Amtes unterstützen, sind in mannigfaltige Strukturen und Verantwortlichkeiten eingebunden. Ich zähle in einigen Fällen bis zu zehn unterschiedliche Funktionen.

Nun könnte man ja annehmen, dass die geweihten Männer aufgrund des Fehlens von Lebenspartner:innen und eigener Kinder genügend Zeit für die Erledigung ihrer Aufgaben aufbringen können – aber wer soll all das schaffen? Die Ämtervielfalt und multiple Zuständigkeit von Leitungskräften stellt ein strukturelles Risiko dar nicht nur für den sexuellen Missbrauch, sondern für krumme Geschäfte aller Art, Misswirtschaft und Verwaltungsversagen.

Der Fisch stinkt vom Kopf her. Was für die höchsten Leitungsebenen gilt, das setzt sich bis hinein in die Pfarreien fort. Natürlich arbeiten all diesen Männern Verwaltungen zu, werden sie von Ehren- und Hauptamtlichen Kirchenmitarbeiter:innen unterstützt. Doch zuletzt ist es immer ein geweihter Mann, der die Verantwortung tragen muss.

Macht wie ein Wollknäuel

Einige (Erz-)Bistümer haben diese Gefahr, so darf man annehmen, längst erkannt. Zahlreich sind die Bemühungen, zum Beispiel Frauen in verantwortungsvolle Positionen zu bringen. Zudem arbeiten bereits Nicht-Theologen und nicht-geweihte Theolog:innen auf vielen Posten, die vormals allein Priestern vorbehalten waren.

Das fängt bei den vielen Pastoralassisten:innen und -Referent:innen in den Gemeinden an und setzt sich bis tief in die Verwaltungen von Diözesen und Caritas-Verbänden fort. Anders als es die traditionelle Fraktion des hiesigen Katholizismus darstellen will, sind längst Frauen und Männer ohne Weihe für fast alles (mit-)verantwortlich. Und die Kirche steht immer noch!

Vielleicht gibt es demnächst sogar eine Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz, die – so viel ist wenigstens kurzfristig sicher – keine kirchlichen Weihen empfangen haben wird. Das wäre jedenfalls mehr als ein Symbol für die ansonsten brach liegende Geschlechtergerechtigkeit in der katholischen Kirche.

Es könnte auch der Beginn einer dringend notwendigen Entflechtung von Leitungsverantwortung auf der höchsten Ebene der katholischen Kirche sein. Die Macht ballt sich in ihr wie ein Wollknäuel. Soll aus dem Garn etwas Neues entstehen, muss es zunächst entfitzt werden.