Bild: YouTuberin Jana Highholder (GEP / Marcus Frenz)
Kirche

„Jana glaubt“ aus der Außenperspektive

Im Netz wird über den EKD-YouTube-Kanal „Jana glaubt“ intensiv gestritten. Doch wie schauen Menschen aus einer „normalen“ Kirchengemeinde auf die Diskussion? Max Bode berichtet von seinem Theologischen Stammtisch:

Oh nein, bitte nicht noch einen Artikel über den YouTube-Kanal „Jana glaubt“! Davon hatten wir vor Ostern doch schon genug. Wenn man erst Nachmittags zu einem Büfett erscheint, sollte man wenigstens einen guten Nachtisch dabei haben. Mein Nachtisch ist eine Außenperspektive.

Nun werden sich manche fragen: Was berechtigt einen Vikar dazu, diese Perspektive einzunehmen? Ich bin doch genauso Teil der theologischen Filterbubble. Die Antwort lautet: ein Theologischer Stammtisch. Bevor ich also in das eigentliche Thema einsteige ein paar Worte darüber, was dieser Theologischer Stammtisch ist und warum er mich zu einer Außenperspektive berechtigt.

Der Theologische Stammtisch

Jeden zweiten Sonntag im Monat treffe ich mich mit einer kleinen Gruppe von religiös interessierten Menschen in der Kneipe gegenüber der Kirche um religiöse Themen zu besprechen. Mittlerweile hat sich ein relativ fester Kreis aus acht bis zehn Menschen gefunden.

Schön an dieser Gruppe ist, dass die Teilnehmer*innen aus unterschiedlichen Zusammenhängen kommen: So sind Theologinnen, Studierende anderer Fakultäten, zufällige Kneipenbesucher und auch Gemeindemitglieder dabei. Darüber hinaus sind verschiedene Konfessionen anwesend (lutherisch, reformiert und katholisch), selbst ein Agnostiker hat sich in unsere Gruppe gewagt. Ebenfalls gut durchmischt ist das Alter der Gruppe von Anfang 20 bis kurz vor 50.

Mehr über den Theologischen Stammtisch

Über seinen Theologischen Stammtisch berichtet Max Pløm in der kommenden Ausgabe des Loccumer Pelikan (3/2019) ausführlich. Der Loccumer Pelikan ist die religionspädagogische Zeitschrift des Religionspädagogischen Instituts Loccum und geht allen Schulen und Gemeinden auf dem Gebiet der Hannoverschen Landeskirche kostenfrei zu. Zur Website.

Die Artikelauswahl

Am 14. April saß ich nun mit dieser Gruppe zusammen und diskutierte über #Janaglaubt. Um die wichtigste Erkenntnis direkt zu nennen: Außer mir hatte niemand etwas von der Debatte mitbekommen. Einige der Anwesenden kannten zwar das Format oder hatten mal von Jana gehört, aber weder das entsprechende Video noch die anschließenden Artikel waren bekannt.

Um eine Gesprächsgrundlage herzustellen, hatte ich folgendes dabei: Ausschnitte des Videos zum Frauentag, in dem Jana Highholder mit Hanna Jacobs (@hannagelb) diskutiert, die vier Kommentare aus der Christ & Welt vom 29. März und den Beitrag von Hanno Terbuyken (@dailybug) von seinem #digitaleKirche-Blog Confessio Digitalis.

Ich hatte zuvor auf Twitter gefragt, welche Beiträge empfehlenswert seien, und mich dann für diese entschieden. Zum einen, weil ich den Anwesenden in knapp zwei Stunden nicht alle erschienenen Beiträge, plus alle Kommentare, zumuten konnte, zum anderen da ich finde, dass diese Auswahl – neben dem Auslöser der Debatte – ein gutes Spektrum an Pro- & Kontra-Argumenten wiedergibt.

Nun in medias res! Durch unser Gespräch sind mir drei Punkte deutlich geworden:

Die erste Erkenntnis

Wie bereits erwähnt: Außerhalb der Filterbubble ist Jana kein so wirklich großes Thema. Die 13000 Abonnent*innen und 17000 Klicks, die das Video zum Frauentag hat (Stand: 26. April), reichen nunmal nicht aus, damit Otto- und Frida-Normal-Kirchenmitglied davon etwas mitbekommen. Böse Zungen mögen gerne noch hinzufügen: Erst recht nicht in Ostfriesland. Trotzdem bleibt für mich der Eindruck: Die ganze Debatte wurde  in der Theologie-Bubble – mal wieder – größer gemacht, als sie außerhalb davon wahrgenommen wird.

Bei der eigentlichen Debatte ist mir aufgefallen, dass sie in zwei Teile zerfällt. Wenn manche Artikel und Kommentare auch behaupten mögen, dass sie sich nur auf einen Aspekt konzentrieren: Letztlich wurde die Problematisierung des Frauenbilds von Jana Highholder mit der Frage von kirchlicher Präsenz im Internet zusammengeworfen. Beim Stammtisch sind wir ebenfalls auf Beides eingegangen.

Das Frauenbild

Der Mann als Vorsteher der Familie (nach Epheser 5) oder „Ein Mann der mich zum Kreuz führt.“ Dieses Frauenbild fand sogar die Älteste aus unserer Gruppe antiquiert. Als befremdlich wurde auch angemerkt, dass es sich dabei offensichtlich um ein Ideal handelt, das – abgesehen von Jesus – niemand einhalten kann. Kurz: Der milde Herrscher, der hier im Hintergrund zu stehen scheint, ist unrealistisch. Ein O-Ton aus unserer Gruppe: „Gefährlich finde ich, dass Frauen die danach suchen, oft das Gegenteil finden.“

Schlimm genug, dass es 2019 immer noch gesagt werden muss, aber diese Vorstellung ist halt auch krass binär und heteronormativ. Stattdessen wird von den Anwesenden ein egalitäres Beziehungsbild gewünscht und versucht zu leben. Also ein Beziehungsbild, in dem sich beide Partner*innen als Team verstehen. Und natürlich kann es dabei passieren, dass der Partner die Funktion des „Außenministers“ einnimmt und die gemeinsam diskutierten Meinungen nach außen trägt – dann aber weil es sich so ergeben hat und nicht weil es biblisch so gefordert ist.

„Ja, wenn ihr das so aufgeklärt seht schön und gut, aber Jana argumentiert nunmal biblisch und dann kommt ein anderes Bild heraus“, könnte hier eingewendet werden. Nein, nicht zwangsläufig! Denn auch in der Bibel gibt es schon andere Frauenbilder als das des Epheserbriefes. Vor allem gibt es starke und unabhängige Frauengestalten. Zum Beispiel Ruth oder die Prophetin Miriam. Letztere stellt die alleinige Autorität Moses sogar in Frage (Numeri 12,2) – das absolute Gegenteil von Jana Highholders Vorstellung der Stellung der Frau.

Am Ende unserer Diskussion stand, dass Jana zwar nichts wirklich Falsches sagt, wir ihre Meinung aber als nicht mehr zeitgemäß empfinden. Einig waren wir uns auch darüber, dass die Diskussion wohl nicht so groß geworden wäre, wenn neben Hanna Jacobs noch weitere Gegenpositionen thematisiert worden wären.

Die Kirche im Netz

Und wie verhält es sich mit der kirchlichen Präsenz im Netz, insbesondere auf YouTube? Wir waren uns sehr schnell einig: An YouTube führt kein Weg vorbei. Meine Konfis verbringen bspw. bis zu sechs Stunden am Tag am Handy und einen Großteil davon auf YouTube. Und Instagram. Dieses Feld sollte die EKD nicht irgendwelchen evangelikalen Gruppen überlassen.

„Jana glaubt“ kann und darf daher nur der Anfang einer größeren Kampagne sein. Der Wunsch nach mehr Vielfalt wurde sehr deutlich geäußert, denn sie ist Stärke der Landeskirchen und der EKD. Hier können verschiedene Meinungen nebeneinander stehen. Dazu gehören auch fromme Ansichten, wie die von Jana Highholder. Aber eben auch andere theologische, philosophische, politische Ansichten. Selbst ein „Wischi-Waschi-Ethik-Sozial-YouTube-Kanal“, von dem Hanno Terbuyken behauptet, er würde nicht funktionieren. Auch dafür wird es eine Zielgruppe geben.

Zielgruppe ist nämlich genau das Stichwort: Es gibt nicht die Zielgruppe „Junge Menschen unter 30“. Diese Gruppe ist riesig und divers. Und wenn die Kirche diese „Gruppe“ ansprechen will, muss sie sich in den Sozialen Medien genauso aufstellen. Als gutes Beispiel und mögliches Vorbild wurde Funk angeführt, das Jugend-Content-Netzwerk der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender. Die verschiedenen YouTube-Kanäle bilden schon durch ihre Vielzahl Vielfalt ab.

Dafür bräuchte es von Seiten der EKD bzw. des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik (GEP) vor allem Zweierlei: Erstens die Bereitschaft, „diese Leute“ – gemeint sind diejenigen, die in den Sozialen Medien unterwegs sind – „in ihrer jeweiligen Art und Weise vorbehaltlos zu unterstützen“, wie Hanno Terbuyken richtig analysiert. Und Zweitens: Mehr Werbegeld, wie es Erik Flügge (@erik_fluegge) in seinem Christ & Welt-Kommentar fordert.

Die Zukunft von „Jana glaubt“

Auf seiner Sitzung Ende April hat der Rat der EKD beschlossen, das Projekt „Jana glaubt“ fortzuführen. Ab 2020 sollen weitere offizielle Kanäle aus dem Raum der EKD das Angebot auf YouTube ergänzen. Das GEP wurde damit betraut, bis zum Herbst 2019 ein Konzept dafür vorzulegen (s. #LaTdH vom 28. April 2019).