Liebe, Sex & Zärtlichkeit – Die #LaTdH vom 3. März

Was hat die Kirche zu Sex und Partnerschaft zu sagen? Oder sollte sie doch besser schweigen? Außerdem: Reichlich Diskussionen zwischen Staat und Kirche, 1 Bischof & 1 Geschenkidee.

Christ*innen beschäftigt zurzeit die multidimensionale Krise der röm.-kath. Kirche: Missbrauchsskandale, der schwierige Umgang mit Homosexualität, Forderungen nach Abschaffung des Zwangszölibats und Einführung der Priesterinnenweihe – permanent geht es um Sex und Gender, Körperlichkeit und den Raum der Liebe, des Vertrauens, auch der zerstörten Integrität und Intimität. Das sind bei weitem keine rein katholischen Themen, sie betreffen alle christlichen Kirchen.

Debatte

Reden wir über Sex – Hanna Jacobs (Christ & Welt)

Darum widmet sich Hanna Jacobs (@hannagelb) in ihrer Christ & Welt-Kolumne der evangelischen Welt. Dort gebe es Menschen, für die „kein Zusammenhang zwischen Spiritualität und Sexualität“ besteht, und die darum im Bett oder anderswo treiben, was sie wollen. Und es gebe diejenigen, die ihre Weisungen direkt aus der Bibel beziehen. Für katholische Würdenträger wie für diese Sorte Evangelen gilt, dass sie in der „monogamen Hetero-Ehe den einzig legitimen Ort für das Erleben von Sexualität“ sehen. Nicht nur weil viele Menschen an diesem Ideal scheitern, vermisst Hanna Jacobs

… in der evangelischen Kirche einen Diskurs über verantwortungsbewusste und erfüllende Sexualität. Gott schuf uns eben nicht nur als vernunftbegabte Wesen, sondern auch unser Begehren und unsere Leidenschaft.

Im Anschluss an diesen Aufschlag haben sich dann in der Kirchenblase auf Twitter Praktiker*innen über ihre Zugänge zum Thema in der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit unterhalten. Der sieht naturgemäß unterschiedlich aus. Es hat sich mir aber beim Lesen bestätigt, was ich aus eigener Anschaung aus der Evangelischen Jugend erinnere: Das Themenfeld ist ganz und gar nicht unbestellt.

Jugendliche aber fragen nicht nach durchgestylten Programmeinheiten zum „Biblisch Liebe machen“, sondern brauchen in ihrer chaotischen Lebensphase gute Zuhörer*innen. Schön, wenn sie die auch bei Kirchens finden. Umso mehr, wenn Eltern und Freunde für manches Sujet als Gesprächspartner*innen ausfallen.

„Den Tätern nicht in die Karten spielen“ – Im Gespräch mit Christian Rommert (Die Eule)

Mit den Konfis und auch über Sex im Alter will Hanna Jacobs reden, generell über gelingende Sexualität und offen auch über manche Probleme. Daran ist überhaupt nichts Schlechtes. Es findet vielerorts ja auch statt. In manchen frommen Kreisen wurde in der Vergangenheit eher zu viel drüber gesprochen, findet auch Christian Rommert, Sprecher des Wort zum Sonntag und Experte für Sichere Gemeinden, im Gespräch mit diesem Magazin (von März 2018):

Wenn wir so über Sex reden, sage ich auch: Kirche, sei still! Du hast gar kein Recht ins Schlafzimmer zu gehen. Auch weil das immer mit diesem Gedanken verbunden wird: Gott sieht alles. Auch was ich im Schlafzimmer oder auf meinem Handy oder Bildschirm mache. Ich würde der Kirche sagen: Verweist auf gute Angebote, aber ansonsten schweigt und hört zu, welche Probleme es eigentlich gibt. Aber hört auf zu richten!

Nun wollen Hanna Jacobs und all die anderen, die über Sex reden wollen, ganz sicher nicht richten. Sie haben erkannt, was Christian Rommert im Interview sagt: Eine offene Gesprächsatmosphäre und der Schutz der eigenen Privatssphäre sind beide wichtig. Die Kirche muss über Sex, Gender und Liebe diskutieren. Allein schon, weil es eine gute Missbrauchsprävention ist. Aber!

Problem erkannt, Problem gebannt? Mitnichten, wenn wir denken, dass es zuerst wieder an den Kirchenprofis ist, andere Quellen der gelingenden christlichen Rede über Sex und Partner*innenschaft zu finden, den garstigen Graben zwischen der traditionellen Sprache christlicher Sexualethik und „den Menschen“ zu überbrücken, irren wir uns gewaltig.

Ich gehöre zu der überbordenden Mehrheit von Christ*innen hierzulande, die sich was Sex und Liebe angeht noch nie etwas von ihrer Kirche haben sagen lassen. Und die zwischen verkrampfter Peinlichkeit und missionarischem Gesinnungseifer genug mitgekriegt haben, um zu wissen, dass die Kirchenprofis darüber a) nicht besser Bescheid wissen b) das Bescheidwissen sich umgekehrt reziprok zum erheischten Respekt verhält und c) gerade in den konservativen Biotopen anders geliebt und gevögelt als gepredigt wird.

Beim Thema Sex und Liebe muss die Kirche aus dem Verkündigungsmodus finden. Christ*innen und auch Pfarrer*innen haben hier keinen Erkenntnisvorsprung. Manchmal tragen sie – nicht nur in der röm.-kath. Kirche! – so viel eigenen Ballast mit sich rum, dass für sie Sex und Liebe problematischer sind als für das gängige Kirchenvolk. Dann muss natürlich problematisiert werden, was andere selbstverantwortet und -verantwortlich leben.

Wer ernstlich mit Gemeindeglieder*innen über Sex im Alter ins Gespräch kommen will (ich dachte dafür gibt’s das ZDF?), der lässt vielleicht am besten diese Menschen selbst reden. Wie das mit langen, glücklichen Ehen klappt, erfährt man nicht zuletzt, wenn man mit trauernden Witwen spricht. Diese Geschichten können von den Leuten selbst in der Gemeinde geteilt werden.

Mensch, wir haben sogar längst Kasualien dafür: Hochzeit, Silberhochzeit, Goldene, Eiserne etc. Hochzeit! Dasselbe gilt für Trans*- oder Homosexuelle in den Gemeinden. Hören wir darauf welche Kompetenzen an Lebensgestaltung die Leute mitbringen, auch und besonders wenn es um Liebe, Sex und Leidenschaft geht!

nachgefasst

Knietief im Schlamm – Nina Apin (taz)

Der beste unter den vielen Kommentaren zum Missbrauchstreffen im Vatikan von letzter Woche (s. #LaTdH vom 24. Februar). Trotz aller Beschwichtigungen sind gerade Betroffene enttäuscht vom Ergebnis. Es ist wenig Greifbares darunter. Ob vom Treffen in Rom ein Impuls für einen tiefgreifenden Kulturwandel in der röm.-kath. Kirche ausgegangen ist, das wird man erst in ein paar Monaten beurteilen können. Nina Apin (@apin_nina) geht es in ihrem Kommentar allerdings um eine andere wichtige, eigentlich ganz naheliegende Konsequenz aus den Missbrauchsskandalen:

Die Kirche schafft es nicht alleine. Sie ist nicht imstande, mit dem Unrat, der jetzt ins Freie quillt, fertig zu werden. Was jetzt ans Tageslicht gekommen ist, ist auch für die, die es lange nicht sehen wollten, einfach zu viel: […] der Staat kann und muss das Parallelsystem Kirche unter seine Gewalt bringen. Er muss, viel konsequenter als bisher, mithelfen, Tatbestände mit dem Strafgesetzbuch aufzuklären. Denn es kann nicht sein, dass in einem funktionierenden Rechtsstaat das Ermitteln der Täterorganisation überlassen wird.

Apropos weltliche Bestrafung für Missbrauchstäter:

Tilman Jeremias wird neuer Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern (Nordkirche)

Am Freitag hat die Nordkirchen-Synode (@nordkirche_de) einen neuen Bischof für den Sprengel Mecklenburg und Pommern gewählt, damit gibt es ab Herbst dort auch „nur“ noch einen Bischof für den ostdeutschen Teil der einzigen evangelischen Landeskirche, die sowohl Gemeinden in den neuen und gebrauchten Bundesländern umfasst. Tilman Jeremias ist ein Mann, stammt aus dem Westen und arbeitet seit einem Vierteljahrhundert im Nordosten. Wir schauen gespannt auf die weiteren Bischöf*innenwahlen des Jahres.

Mit dem schließlich unterlegenen Kandidaten Christian Behr, Superintendent aus Dresden, habe ich zu Anfang des Monats gesprochen. Das Gespräch über Dresden, die AfD und das sächsische Superwahljahr, Herausforderungen der evangelischen Kirchen und des Bischofsamts, lest ihr hier.

„Kirchenasyl wird ausgehungert“ – Interview mit Dietlind Jochims (Publik-Forum)

Die alt-ehrwürdige Publik-Forum (@publikforum) interviewt Dietlind Jochims, die Vorsitzende der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche (@kirchenasyl). Es geht erneut um die Einschränkungen des Kirchenasyls, die sich die Innenminister der Länder im letzten Sommer einfallen lassen haben (s. #LaTdH von letzter Woche). Im Fokus auch hier die sog. „Dublin-Fälle“:

Kirchenasyl ist eine Erinnerung an fundamentale Prinzipien von Humanität und Einzelfallgerechtigkeit und die Frage an den Staat, ob das in dem vorgebrachten Fall erzielte Ergebnis diesen Prinzipien gerecht wurde. Wenn droht, dass durch eine Abschiebung Gefahren für Leib und Leben entstehen oder Grundsätze der Menschenwürde verletzt werden, dann gewähren Kirchengemeinden aus christlicher Überzeugung Schutz. Solche Situationen können auch bei Rücküberstellungen innerhalb Europas entstehen.

Buntes

Kirchen erhielten seit 1949 fast 20 Milliarden Euro vom Staat – Michael Ashelm, Klaus Max Smolka (FAZ)

Mit den Staatsleistungen an die beiden großen Kirchen, die auch nach über 200 Jahren seit den ursächlichen Säkularisierungen und 100 Jahre nach der Forderung in der Weimarer Reichsverfassung nach ihrer Ablösung gezahlt werden, beschäftigt sich die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Sie stützt sich dabei auf Zahlen der Kirchen- und Religionskritiker*innen von der Humanistischen Union.

Dass Ansprüche bestehen, ist denn auch wenig umstritten. Was aber Kritik erregt, ist die Tatsache, dass die Staatsleistungen verfassungsgemäß aufzulösen sind – und das seit nunmehr hundert Jahren. Denn die Weimarer Reichsverfassung forderte das 1919, und der entsprechende Artikel wurde ins Grundgesetz übernommen. Insofern können Gegner der Leistungen in diesem Jahr ein ihnen unwillkommenes Jubiläum begehen. Die Evangelische Kirche hat in der Vergangenheit eine Ablösung begrüßt – wobei dann eine „angemessene Abschlusszahlung“ fällig sei. Ähnlich hat es die katholische Kirche bewertet.

Die Staatsleistungen werden in der Öffentlichkeit als unzulässiges Staatssponsoring der Kirchen skandalisiert. Und auch ohne Schaum vorm Mund darf man sich fragen, wann und wie sie denn nun einmal ein Ende finden werden: Die Entschädigungen entsprechen „etwa ein[em] Vierzigstel der Haushalte in den Landeskirchen“. Nicht nur dem Image der Kirchen wäre damit gedient zu einem einvernehmlichen und zeitnahen Ende zu kommen.

„Der Mantel schlottert“ – Interview mit Hans Michael Heinig (zeitzeichen)

Der umtriebige Göttinger Staatsrechtler Hans Michael Heinig (@hmheinig) wurde von der zeitzeichen (@zeitzeichenNET) umfassend zu allen aktuellen religionspolitischen Fragen ins Gebet genommen. Durchaus gut gelaunt macht er seine Auffassungen zum kirchlichen Arbeitsrecht, zu Kopftuchverboten und anderen Islam-Fragen bis hin zur Priesterinnenweihe bei den röm.-kath. Geschwistern kund. Das liest sich nicht nur unterhaltsam, sondern bietet in vielen Fragen Orientierung bzw. Anlass, sich den Themen durch eigene Recherchen eingehender zu widmen.

Unser freiheitlicher Rechtsstaat muss gleiche Religionsfreiheit für alle gewährleisten. Insofern muss er aufpassen, dass er nicht übergriffig wird. Er muss autonome Willensbildungsprozesse in den Religionsgemeinschaften achten. Und natürlich darf sich der Staat nicht mit einer bestimmten Religion identifizieren. „Alle Religionen sind gleicher Ehre und Würde“, hieß es bei den Verhandlungen der Weimarer Reichsverfassung. Eine schöne Formulierung, die nicht nur fürs Poesiealbum gilt, sondern die auch praktisch gelebt werden muss!

Der #Weltgebetstag aus Hellmitzheim – live (ELKB, Youtube)

Der Weltgebetstag ist international, ökumenisch und wird von Frauen verantwortet. Ich weiß gar nicht, warum er in meiner Generation („Millennials“) nicht der heißeste Scheiß ist?! Vielleicht ändert sich das ja, wenn man ihn digital mitfeiern kann? Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern (@elkb) hat dieses Jahr einen Weltgebetstagsgottesdienst aus dem Fränkischen im Livestream gezeigt. Den gibt es auf Youtube auch zum nachträglichen Anschauen für alle, die es an diesem Wochenende verpasst haben, in die Gemeindehäuser und Kirchen zu strömen.

Margot Käßmann startet Zeitschrift „Mitten im Leben“ (epd, evangelisch.de)

Der Herder-Verlag und Margot Käßmann haben etwas für Millennials im Gepäck, die schon jetzt händeringend nach einem Geschenk für den Muttertag suchen. Ab April erscheint „Mitten im Leben“, das sich ein Vorbild an den Personality-Magazinen von Gruner + Jahr nimmt (BARBARA & JWD) und seinen Namen einem Herder-Käßmann-Buch von 2009 verdankt („In der Mitte des Lebens“). Mal sehen, ob es darin auch das für diese Magazine übliche „productplacement“ geben wird.

Die frühere Bischöfin werde in der Zeitschrift „über Persönliches und Politisches“ schreiben und das Gespräch suchen mit prominenten Weggefährten. „Mitten im Leben“ sei „so etwas wie ein Notizbuch von Margot Käßmann, das ihre Freunde und Fans abonnieren können“, kündigte der Verlag an.

Sieht so die Zukunft der christlichen Publizistik aus? Wie wäre es dann noch mit „Einsprüche“ von Wolfgang Huber, „Leibhaftig“ von Gloria von Thurn und Taxis & „Ungeschminkt“ von Harald Glööckler?

Bibel

Predigt

Predigt über Hohelied 8,6-7 – Pastor Christian Hild (Predigtpreis)

Soll es um Sex und Liebe gehen, führt der Weg der Prediger*in unweigerlich ins Hohelied. Und warum auch nicht, solange man nicht vergisst, dass die Autor*innen des Buches die Erotik zwischen Menschen beschreiben. Die kann wohl als Bild für die Liebe Gottes nützen, aber nicht vollständig mit ihr identifiziert werden. Christian Hild predigt mit Zitaten von Salomo, Mörike, Ro­land Bart­hes und Max Frisch:

Gott sieht uns lie­be­voll an. Und kön­nen wir Max Frisch Glau­ben schen­ken, dann sind wir Lie­ben­de, weil Gott uns lie­be­voll an­sieht. Oder bes­ser: weil uns Gott lie­be­voll an­sieht, wer­den wir Lie­ben­de – her­aus­ge­ris­sen aus den Fän­gen des To­des. Wir sind das We­sen, das an­de­re in uns hin­ein­se­hen. Gott sieht uns lie­be­voll an und wir strec­ken uns Gott, der Lie­be, dem Le­ben, dem Licht ent­ge­gen. Weil Gott will, dass wir le­ben und lie­ben, hat der Mensch ge­wor­de­ne Gott dem Tod die Macht ge­nom­men, weil er auf­er­stan­den ist. So hat er der Lie­be Dau­er ver­lie­hen über die Flüch­tig­keit hin­aus.

Ein guter Satz

„Versäume keinen fröhlichen Tag und lass dir die Freuden nicht entgehen, die dir beschieden sind.“

– Lebenskunst aus Jesus Sirach 14, 14, die Freuden der Sexualität ausdrücklich eingeschlossen