Moschee-Steuer oder Zakāt? – Die #LaTdH vom 30. Dezember

Wie sollen sich die Moscheegemeinden finanzieren, und so unabhängiger vom Ausland werden? Außerdem: Árslok, Amos Oz und Regenbogenfarben.

Debatte

Muslime sollen finanziell auf eigenen Beinen stehen – Martin Lutz (Welt)

Während in Kirchen „Vom Himmel hoch“ und von springenden Ros(s)en gesungen wird, entspringt in der Politik wieder eine Debatte – zur Moschee-Steuer. Doch in diesem Jahr liegt der Schwerpunkt nicht auf dem Willen zur besseren Integration, sondern bei der klareren Abgrenzung von den bisherigen Geldgebern aus Türkei und Arabischen Staaten.

Ausschlaggebend hierfür war ein Interview, das Seyran Ateş, Mitbegründerin der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin-Moabit, der WELT gab. In diesem sprach sie an, wie es durch eigene Finanzierung zu Unabhängigkeit in den islamischen Gemeinden kommen kann.

Bisher ist die Unabhängigkeit bei einem Großteil der Gemeinden nicht gegeben. Denn die Imame des in Köln-Ehrenfeld eingetragenen Vereins der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) sind Beamte des türkischen Staates, der sie auch bezahlt. Der Dachverband für bundesweit 896 Moscheegemeinden gilt als langer Arm von Recep Tayyip Erdogan, der bei seinem Deutschland-Besuch am 29. September die neue Moschee in Köln eröffnet hatte.

Gute Idee, aber unrealistisch? – MoMa (ARD)

Während aus der Politik viel Zustimmung zu der Idee einer Moschee-Steuer kam, konkretisiert Ateş im Morgenmagazin: Sie habe weniger an eine Pflichtabgabe im Sinne der Kirchensteuer gedacht, sondern mehr an eine freiwillige Zahlung im Sinne der Zakāt. Was wiederum auf Gegenstimmen stößt:

Anders als Ates hält der Osnabrücker Islamwissenschaftler Uçar die Zakāt aber für ungeeignet, um diesem Problem beizukommen. Diese Pflichtabgabe sei für die Hilfe von Armen und sozial Benachteiligen und nicht für den Bau von Moscheen oder die Erfüllung religiöser Aufgaben gedacht.

Kann der Staat eine Moschee-Steuer verordnen?  (FAZ, epd)

So einfach ist es aber gar nicht. Die Politik denkt über eine Steuer im Sinne der Kirchensteuer nach, wofür sich eine Religionsgemeinschaft als Körperschaft öffentlichen Rechts bilden muss. Aber ist das im Islam überhaupt machbar?

Im Islam ist eine Mitgliederregistrierung wie bei den Kirchen unüblich – das ist eine entscheidende Hürde für die Steuer. Solange der Staat nicht weiß, wer genau hinter der Religionsgemeinschaft steht, erfüllt sie nicht die Voraussetzung für eine Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Diese ist Voraussetzung für die Berechtigung, eine eigene Steuer zu erheben. So definiert es das Grundgesetz, das die Maßgabe dafür aus der Weimarer Reichsverfassung übernommen hat. Zudem ist der Islam in Deutschland vielfältig. Die bekannten Verbände repräsentieren nur einen Teil der hier lebenden Muslime.

Man muss hinzufügen, einen kleinen Teil der hier lebenden Muslime: Nur 20 % der Muslime in Deutschland fühlen sich ausweislich der Deutschen Islamkonferenz (DIK) von den Verbänden vertreten – egal, ob diese aus dem Ausland finanziert werden oder nicht.

Dem Gedanken einer stärkeren Unabhängigkeit scheint Ateş und neben ihr auch andere Muslime nicht abgeneigt zu sein mit dem Wunsch der Eigenfinanzierung. Aber die Debatte muss noch weiter geführt werden, um andere Alternativen finden und schaffen zu können, die dem Islam angemessen sind.

nachgefasst

Die Welt als Reportage

Letzte Woche hatte Thomas Wystrach (@wystrach) eine sehr ausführliche Debatte zur Causa Relotius ausgearbeitet. Danach darf ein Rückblick, welche Wellen und Resultate der märchenhafte Spiegel-Journalist nach sich zieht nicht fehlen:

Thomas Assheuer schreibt in der ZEIT, dass man die Schuld nicht nur bei Relotius suchen und finden darf. Vielmehr waren wir, die Leser*innen doch dankbar für die atmosphärisch geschaffenen Wirklichkeiten.

Solange im Journalismus Fiktionen nicht mit Fakten verwechselt werden, ist gegen Atmosphäre nichts einzuwenden. Doch Relotius hat diese Technik pervertiert. Er unternahm erst gar nicht den Versuch, sich einer unbekannten Wirklichkeit zu nähern; stattdessen erzeugte er atmosphärische Räume und Erlebnis-Höhlen, die perfekt ins gefühlte Beuteschema der liberalen Öffentlichkeit passten. Gemessen an ihrem Erfolg, erfüllten die Geschichten, die Relotius narrativ eingespeichelt hatte, die Erwartungen von Redaktion, Lesern und Juroren vollkommen.

In dem Sinne ruft Anna Diouf als Tagespost-MeinungsMacher dazu auf, die weihnachtliche Besinnung nicht zum Teppichkehren zu nutzen, sondern vielmehr mal in sich zu gehen:

[…] ein dringender Appell an uns alle: Wir müssen uns fragen, wenn wir Informationen einholen und weitergeben, ob es uns um Wahrheit geht, und wenn nicht, was wir darüber stellen? Das Gefühl, zu den „Rechtschaffenen“ zu gehören? Leben wir lieber in einer Illusion als uns der Tatsache zu stellen, dass sich unser Weltbild an veränderte Informationen anpassen muss und nicht andersherum?

The best things at Christmas aren’t found under the tree. – Taugewas (ausdemLebeneinesTaugewas.com)

Taugewas lässt uns teilhaben an ihrem Weihnachtsfest bzw. -tag und welche kleinen Großartigkeiten Weihnachten ausmachen können.

Unser Gesang klingt hinein in die Dunkelheit. Hier, in der kleinen Kirche auf dem Gelände der Diakonie, umringt von Wohnhäusern für Menschen mit Behinderung, direkt neben dem Reithof für therapeutisches Reiten und einem kleinen Park, stehen wir und einige sitzen im Rollstuhl und singen wir und einige singen auch nicht. Hier wundert sich keiner und stören tut sich auch keiner am Anderssein.

Buntes

Erzbischof Schick fordert Verzicht auf Feuerwerk – Roland Müller (katholisch.de)

Jede Jahr pünktlich zum Jahreswechsel kommen die Aufrufe zu weniger Böllern und Feuerwerk. Während die einen versuchen ans schlechte Gewissen und den Feinstaub zu appellieren gehen die anderen gezielter vor und bieten Alternativen.

Unter dem Motto „Brot statt Böller“ ruft das evangelische Hilfswerk Brot für die Welt zu Spenden auf. Die Aktion sei „eine Einladung an alle, denen Silvesterfeuerwerk mit Böllern und Krachern eher Unbehagen bereitet“, sagte Präsidentin Cornelia Füllkrug-Weitzel. Laut Brot für die Welt wurden im vergangenen Jahr in Deutschland zu Silvester rund 137 Millionen Euro für Feuerwerksartikel ausgegeben.

„Ein literarischer Gigant“ (Jüdische Allgemeine)

Viele Stimmen zum Tode des Schriftstellers Amos Oz („Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“) bietet die Jüdische Allgemeine. So u.a. Bundesaußenminister Heiko Maas (@HeikoMaas):

Bundesaußenminister Heiko Maas reagierte ebenfalls mit großer Trauer auf den Tod von Amos Oz. Mit dem Schriftsteller sei nicht nur ein großer Schriftsteller gestorben, »der mit seinen Geschichten auch in Deutschland unzählige Menschen fesseln konnte, sondern auch ein mutiger, unerschrockener Verfechter eines Friedens im Nahen Osten«. Oz habe »uns immer wieder mit seinen klugen, mahnenden Worten zum Nachdenken gebracht und uns daran erinnert, dass der Frieden nur kommt, wenn wir dafür kämpfen«, sagte Maas. »Wir werden Amos Oz sehr vermissen.«

Amos Oz 1939 – 2018 – Fred Viebahn (Achse des Guten)

Vor fast genau 10 Jahren, am 30. Dezember 2008, veröffentlichte Fred Viebahn auf Achse des Guten einen Text über seinen Besuch bei Amos Oz, den er ursprünglich für die „Freie Jüdische Stimme“ geschrieben hatte. Zum Tode des großen israelischen Schriftstellers stellt der schillernde Blog den Beitrag noch einmal online, ergänzt um Zwischenüberschriften.

Amos Oz, einer der bedeutendsten Schriftsteller Israels, ist ein Sabra. Er wurde am 4. Mai 1939 als Sohn Yehuda Arieh Klausners, des Rechtszionisten und Mitherausgebers der Encyclopedia Hebraica, in Jerusalem geboren. Früh löste er sich vom konservativen Elternhaus und kam 1955 nach Hulda, das damals unmittelbar an der Green Line zu Jordanien lag. “Ich wurde Sozialist, weil meine Eltern Rechte waren, und wurde Kibbuznik, weil meine Eltern in der Stadt wohnten, und wahrscheinlich wurde ich Romancier, weil mein Vater ein Gelehrter war.”

Predigt

Irgendwo dazwischen – Rainer Hörmann (Kreuz & Queer, evangelisch.de)

Anhand eines Ratgeber-Rituals veranschaulicht Rainer Hörmann die ihm wichtigen Themen aus dem vergangenen Jahr und die Wünsche für das kommende Jahr.

Das ganze Jahr war ein Thema, die Sichtbarkeit von Lesben in der Homosexuellen-Community zu stärken. Frau wollte nicht länger bei der „Schwulenparade“ lediglich mitgemeint sein. Konkreter war es an einem Streit um ein Mehrgenerationenhaus in Berlin zu sehen, wo die lesbische Initiative im Verfahren um die Vergabe mehr als unfreundlich von der Schwulenberatung ausgebotet wurde.

Rechtzeitig zum Jahresende wurde das Thema nun aber endgültig abgeräumt, da Schlagersängerin Kerstin Ott (mit einer Frau verheiratet) im Duett mit Schlagersängerin Helene Fischer (jüngst von Florian Silbereisen getrennt und nun mit einem anderen Mann zusammen) das Lied „Regenbogenfarben“ singt. In der Weihnachtssendung von Helene Fischer geadelt zu werden … mehr lesbische Sichtbarkeit geht ja wohl nicht.

Ein guter Satz