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Olle Kamellen oder tolle Ideen? – Die #LaTdH vom 31. März

Retten Kardinälinnen die katholische Kirche? Oder ist das nur eine Schnappsidee? Außerdem: Virtuelle Verkaufsschlager & Hatespeech und Hoffnung auf Reformen.

Debatte

Nimm den roten Hut, Franziskus! – Erik Flügge (Christ & Welt)

„Jacobs‘ Werk und Flügges Beitrag“ heißt eine neuen Kolumne in der ZEIT-Beilage Christ & Welt (@christundwelt), in der sich die evangelische Pfarrerin Hanna Jacobs (@hannagelb) und der römisch-katholische Autor und SPD-Politik-Berater Erik Flügge (@erik_fluegge) zukünftig jede Woche abwechselnd „Gottes Haus von innen und außen“ vornehmen wollen.

Gleich zum Auftakt unterbreitet Flügge dem Papst (@pontifex_de) höchstpersönlich einen Vorschlag zur Bewältigung der Kirchenkrise. Wohlgemerkt – der umtriebige „Strategieberater und Beteiligungsexperte“ schließt sich gerade nicht den bekannten Reformforderungen von Theologie und Kirchenvolk an, etwa nach Abschaffung des Zölibats oder Einführung der Frauenordination:

So richtig mir eine ebensolche Öffnung langfristig für die Kirche scheint, so sehr bezweifle ich, dass man in Zeiten der akuten Orientierungslosigkeit innerhalb der Kirche erfolgreich radikale Grundpfeiler katholischer Identität erschüttern kann, ohne dass das System zerbricht.

Auch der von den deutschen Bischöfen jüngst beschworene „synodale Weg“ bleibt hier außer Acht, stattdessen empfiehlt Flügge einen autoritären Alleingang – der Papst könne „mit einem Handstreich (…) die Reform noch gewinnen“:

Es braucht also ein großes, aber kontrollierbar begrenztes Zeichen echter, substanzieller Veränderung, die das katholische Glaubensverständnis nicht infrage stellt, aber dennoch für die Zukunft neue Wege eröffnet. Genau dieses Zeichen kann die Berufung einer Frau zum Kardinal sein.

Der Vorschlag ist nicht neu: Bereits im September 201, zu Beginn des Pontifikats von Franziskus also, schlug etwa die Theologin Johanna Rahner im Interview mit der ZEIT vor „Frauen als Priester? Nein, als Kardinäle!“ zu ernennen und sah sich vom Papst ermutigt:

Er fordert zunächst mal die Präsenz der Frauen in kirchlichen Leitungsfunktionen. Damit stellt er indirekt die Machtfrage. Falls er sie zugunsten der Frauen beantwortet, ihnen also Beteiligungsvollmacht gibt, wären wir einen Schritt weiter.

Natürlich könnte der Papst, ein absoluter Monarch mit dem dogmatisierten Anspruch von Universalepiskopat und Jurisdiktionsprimat, als „dominus canonum“ das geltende Kirchenrecht quasi „im Handstreich“ ändern, etwa die einer Kardinälin entgegenstehende Vorschrift in can. 351 § 1 CIC:

Der Papst wählt die Männer, die zu Kardinälen erhoben werden sollen, frei aus; sie müssen wenigstens die Priesterweihe empfangen haben, (…) wer noch nicht Bischof ist, muß die Bischofsweihe empfangen.

Würde er aus „Männern“ an dieser Stelle „Gläubige“ machen, aber – wie Erik Flügge aus Rücksichtnahme auf „konservative und traditionelle Teile der Kirche“ empfiehlt – am Verbot der Frauenordination (can. 1024 CIC) festhalten, dürfte sich der vermeintliche „Befreiungsschlag“ allerdings schnell als unterkomplex und inkonsequent entlarven: Hätte eine „Kardinälin“ aktives Wahlrecht im Konklave? Dann dürfte sie zwar unter männlichen Kollegen mitauswählen, Päpstin – als Bischöfin von Rom – dürfte sie selbst aber nicht werden.

Die doppelte „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ der römisch-katholischen Kirche (codiert als „Mann/Frau“ bzw. „Klerus/Laien“) bliebe mit dieser kosmetischen Maßnahme zementiert. Von solch systemtheoretischen Widersprüchen unbeeindruckt lutscht Flügge die olle Kamelle begeistert als tolle Idee weiter:

Das Spannende an diesem Gedanken ist, dass er dem Papst eine tatsächliche Möglichkeit gibt, wieder die Kontrolle über einen außer Kontrolle geratenden Prozess der Kirchenerneuerung zu gewinnen. Das Zeichen einer solchen Erhebung wäre groß genug, um weltweit Staunen und Respekt zu ernten und könnte gleichsam den Druck im brodelnden Kessel der katholischen Kirche senken, sodass wesentliche dogmatische Pfeiler des katholischen Selbstverständnisses nicht länger angegriffen werden.

Viele Fragen bleiben offen: Wer garantiert auf der einen Seite der Kirchenleitung, dass weibliche Kardinäle ohne Priesterweihe die erhoffte Ventil-Funktion erfüllen und ausreichend „Druck aus dem Kessel“ lassen? Liefe der Papst nicht erst recht Gefahr, „dass sich konservative und traditionelle Teile der Kirche von ihm abwenden oder gar von der Kirche abspalten“, weil man schon seine bisherigen Zugeständnisse in Moral- und Ökumene-Themen als Schwäche oder gar Verrat empfunden hat?

Und andererseits: Warum sollten sich Kirchenreformer weiter vertrösten lassen: Würde ihre Ungeduld nicht noch größer, innerhalb des sich langsam wieder schließenden „Zeitfensters“ eines „Reformpapstes“ nicht nur einen „ersten Schritt“ zu wagen, sondern weitere Pflöcke für die Zukunft einzuschlagen?

Und im „Jargon der Betroffenheit“ formuliert: Wäre das Ganze nicht ein zynischer Deal zwischen eher geduldigen Kirchenreform-Anhängern und moderaten Profiteuren des Status quo, der wieder einmal zu Lasten der Frauen ginge? Könnte es sein, dass die Kirche inzwischen nicht nur „an ihrer Sprache verreckt„, sondern an ihrer völligen Unglaubwürdigkeit?

nachgefasst

„Der Worte sind genug gewechselt …“ – Stefan Klöckner (Frankfurter Rundschau)

Der Bischof von Essen, Franz Josef Overbeck (@bischofoverbeck), hatte kürzlich in der Herder-Korrespondenz (@HK_Aktuell) eine Neubewertung von Homosexualität in der Lehre und Praxis der römisch-katholischen Kirche angemahnt.

Trotz aller Zweifel und Erfahrung als Schwuler in der Kirche möchte ihm das der ehemalige Diakon Stefan Klöckner, Professor für Musikwissenschaft an der Folkwang Universität der Künste Essen, glauben. Er will jetzt aber „auch endlich Taten sehn“, praktische Konsequenzen in Pastoral und Arbeitsrecht etwa, wie er in seinem Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau (@fr) schreibt:

Es ist zu wünschen, dass dies bald, sehr bald geschieht – denn den Verantwortlichen bleibt fast keine Zeit mehr, um klar zu machen, dass sie wirklich handeln wollen. Die Einrichtung von langwierigen Arbeitskreisen, die Bestellung weiterer Gutachter und die Verlautbarungen gut gemeinter Statements reichen auf keinen Fall aus, denn sie führen nur die wortreiche Sprachlosigkeit weiter, mit der die deutschen Bischöfe sich, uns und die Öffentlichkeit nun lange genug gequält haben.

Buntes

Ist die Kommunikation in digitalen Medien nur virtuell? Was ist dann real? – Frank Vogelsang (χ–Chiasmus)

Frank Vogelsang (@F_Vogelsang), Direktor der Evangelischen Akademie im Rheinland (@EvAkaRhein), weist in seinem Blog-Beitrag darauf hin, in der Diskussion über digitale Medien sei es „in bestimmten Kreisen“ beliebt, das Eigentliche, das Reale von dem Virtuellen, dem Scheinbaren zu unterscheiden:

Das Eigentliche ist dann natürlich das, worin wir unseren Alltag fristen, wo wir anderen Menschen face to face begegnen, wo wir uns miteinander austauschen, wo wir essen und uns bewegen. Das Virtuelle dagegen ist in den künstlichen Räumen, die digitale Medien produzieren. Es ist in gewisser Weise immer nur eine ‚Schein‘-Welt, weil die Töne und Bilder nahelegen, dass da etwas sei, wo es doch nur elektronisch simuliert wird. (…)

Eine Unterscheidung ist in der Tat notwendig, es gibt offenkundig einen Unterschied zwischen dem Realen und dem Virtuellen, aber die angedeutete setzt falsch an und führt zu falschen Bewertungen.

Hatespeech-Meldeplattform – Reconquista Internet (hassmelden.de)

Die Social-Media-Plattformen zeigen sich gleichermaßen unwillig wie machtlos, zeitnah und nachhaltig auf Hasskommentare, rassistische Übergriffe, Beleidigungen oder Drohungen von Usern in ihren Netzwerken zu reagieren. Die von Jan Böhmermann (@janboehm) gegründete digitale Bürgerrechtsbewegung „Reconquista Internet“ (@reconquistanetz) tritt „für mehr Menschlichkeit, Respekt und Vernunft im Netz“ ein und hat jetzt eine Meldeplattform für Hatespeech freigeschaltet:

Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Volksverhetzung und politisch motivierte Drohungen und Gewalt können auch in den sozialen Netzwerken strafbar sein. Dieses Angebot richtet sich an alle, die im Netz auf Hasskommentare stoßen und etwas dagegen unternehmen möchten.

Meldungen, deren Inhalte vermutlich strafrechtlich relevant sind, werden an das Demokratiezentrum Baden-Württemberg weitergegeben und von diesen gegebenenfalls zur Anzeige gebracht. Damit das Ganze technisch möglichst einfach ist, gibt es ein Plugin für den Chrome-Browser sowie einen Bot für den Messenger Telegram.

Bibel

Die Bibel als Mozart der Pastoral? – Elisabeth Birnbaum (feinschwarz.net)

In Österreich haben im Dezember 2018 drei „Jahre der Bibel“ begonnen. Das Ziel dieser Jahre ist es, die Bibel stärker „als Seele der Pastoral“ ins Bewusstsein der Gläubigen zu bringen. Wieso das gut klingt, aber keineswegs überall ankommt, beschreibt Elisabeth Birnbaum im Theologischen Feuilleton feinschwarz.net (@feinschwarz_net):

Grundsätzlich ist dagegen gar nichts zu sagen. Niederschwellige Angebote können und sollen den Zugang zur Bibel und zum Glauben erleichtern. Was hier aber auf der Strecke bleibt, ist eine intensive Beschäftigung derer, die schon „da“ sind, die den nächsten Schritt gehen könnten, die über ein „Bibel ist super!“ hinauswollen hin zu einem reflektierten Umgang mit der Bibel, gerade in der Pastoral. (…)

Ebenso wie Mozart wurde und wird die Bibel oft verklärt, in unerreichbare Höhen gehoben und dort stehen gelassen. Konfrontiert mit einigen weniger schönen Seiten folgt dann oft das große Erschrecken: Was? Von Mozart stammen auch zotige Texte? Was? Dieser Gewalttext steht auch in der Bibel? Das soll das Wort Gottes sein? Und diese Phase zu überwinden, dazu braucht es mehr Anstrengung als ein paar schöne Worte in der Opernwerkstatt oder anderswo.

Predigt

Der „Verkaufsschlager“ unter den neutestamentlichen Beispielerzählungen – Kristell Köhler (in-principio.de)

Mit „In Principio“ (@principio_in) hat das Erzbistum Köln (@Erzbistum_Koeln) ein vielversprechendes neues Bibel-Projekt gestartet. „Das Wort Gottes im Dialog mit dem Kontext unserer Zeit“ heißt das Motto; zu jedem Sonntag und zu jedem Hochfest findet man eine Gesamtkommentierung der Lesungs- und Evangelientexte („Überblick“). Die „Auslegung“ setzt ausgewählte Schwerpunkte, Zugänge über „Kunst etc.“ und weitere Bibeltexte („Kontext“) weiten die Perspektive.

Das heutige Tagesevangelium (Lk 15, 1-3.11-32) zum vierten Fastensonntag (Laetare) bietet gleich einen „Verkaufsschlager unter den neutestamentlischen Beispielerzählungen“ – im Gleichnis vom verlorenen Sohn geht es ganz existentiell um die Freude über ein neu begonnenes Leben, erklärt Kristell Köhler, Referentin für Glaubenskommunikation in der Abteilung Erwachsenenseelsorge des Erzbischöflichen Generalvikariats Köln:

Wenn der heutige Sonntag unter dem Titel „Laetare – Freue dich“ zur Freude aufruft, dann stehen wir vor einer doppelten Entscheidung. Sind wir bereit, das Leben in diesen Tagen der Fastenzeit umzukrempeln und umzukehren und lassen wir uns dabei von der Einladung und Freude Gottes motivieren? Und sind wir in der Lage dabei nicht immer nur auf uns zu schauen, sondern uns auch einfach mit denen zu freuen, denen eine Umkehr gelungen ist? Können wir der unvermittelten Einladung Gottes zum Freudenfest ohne Wenn und Aber folgen?

Ein guter Satz