Erzählt den Menschen, wie man richtig Weihnachten feiert!

Christliche Bräuche und Botschaften sind das Gerüst, das wir dringend brauchen. Ein Kommentar.

Es ist eine mühsame Kärrnerarbeit, Menschen über das richtige Feiern des Advents und des Christfestes aufzuklären. Aber irgendwer muss sie ja tun! Falsche Zurückhaltung ist jedenfalls nicht angebracht. Die Welt braucht Christ:innen, die mutig davon erzählen, was wir im Advent erwarten und zu Weihnachten feiern – und wie man das richtig macht.

Schaut man sich auf den Marktplätzen des Landes und auf Social-Media-Plattformen um, verschärft sich der Eindruck, wir würden derzeit das Jahresfest der Glühwein-Innungen und Süßwaren-Konzerne feiern. Boris Rosenkranz von Übermedien hat es auf sich genommen, in einem Video zusammenzuschneiden, wie TV-Sender über Weihnachtsmärkte (sic!) berichten. Es ist ein grausames Abbild dessen, was hierzulande noch unter Advent und Weihnachten verstanden wird. Ein Zeugnis davon, was passiert, wenn sich ein christliches Fest völlig entkernt.

Das Problem ist gleichwohl nicht, dass Menschen sich zum Glühweinumtrunk und Weihnachtsbummel treffen, sondern die stupende, sich selbst als egalitär missverstehende Unkultur der vermeintlich geistigen Elite, der angesichts von Sauferei und Völlerei nichts anderes einfällt, als diesen Unsinn auch noch abzufeiern. Hier wird das Volk für dumm verkauft!

Im Grunde ist Rosenskranz‘ Video-Mashup ein Werbevideo für die neueste Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) der Evangelischen und Katholischen Kirche, die Anfang November der Öffentlichkeit in Auszügen vorgestellt wurde (wir berichteten). Die 6. KMU wartet mit der Diagnose auf, dass außerhalb der kirchlichen Institutionen nur wenig Glauben anzutreffen ist. Zwar wird dieser Befund auch kritisiert, aber als Anfrage sollte man ihn einmal gelten lassen: Religiosität existiert nicht im luftleeren Raum, sondern braucht Formen, in denen sie sich ausdrücken kann, sonst verschwindet sie zunehmend ganz.

Das Gerüst wird brüchig

In seinem aktuellen „Standpunkt“ auf katholisch.de kritisiert Werner Kleine, Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal, die Rede von „anonymen Christen“ als „übergriffig“. Sie sediere „bloß die Angst vor der eigenen Herausforderung“, nämlich als Christ:innen jenseits der Kirchenmauern in einer säkularisierten Gesellschaft zu wirken. Gleichwohl zieht Kleine aus dieser richtigen Analyse die falschen Schlüsse. Er meint nämlich, Christ:innen sollten damit aufhören, angesichts der weltlichen Feierei als „Miesepeter oder Miesepetra“ dazustehen, und „einfach mitfeiern“. Sonst fielen sie in die Rolle des älteren Bruders im Gleichnis vom barmherzigen Vater. Auch der wollte ja nicht mitfeiern, als sein jüngerer Bruder wieder Zuhause anklopfte.

Was hier flott und progressiv daherkommt, offenbart allerdings ein paternalistisches Verständnis von christlicher Kultur und Religiosität. Den „jüngeren“, weniger weisen weltlichen Geschwistern muss die Rückkehr ins Vaterhaus ermöglicht werden. Gott kommt Weihnachten zur Welt. Aber wie kommt die Welt heute zu Gott? Kleine meint es sicher nicht so, aber ich frage mich: Wer sonst, wenn nicht die Christ:innen, sollte angesichts der Unkultur und des Kommerzes noch Widerspruch einlegen? Wer sonst, wenn nicht die Christ:innen, sollte auf den trostspendenden und orientierenden Traditionen im Advent und zu Weihnachten bestehen? Ist es wirklich ein Drama, wenn Weihnachtsmärkte (sic!) erst nach dem Ewigkeitssonntag / Totensonntag öffnen? Der Baum erst zum Fest geschmückt wird? Die Kerzen auf dem Adventskranz in der richtigen Reihenfolge und nicht vorzeitig entzündet werden?

Wenn sich die Kirchen und Christ:innen hier klein machen und vorschnell in den Chor derer einstimmen, die meinen, jede:r dürfe doch so feiern, wie er/sie* mag, geht uns mehr verloren als einzelne Traditionen: Das Gerüst wird brüchig und vermag keine Stabilität mehr zu garantieren. Natürlich darf jede:r feiern, wie er/sie* mag – aber sollte er/sie* es auch? Sicher nicht! Die Rhythmen und Traditionen des christlichen Advents und Weihnachtsfestes sind in jedem Fall segensreicher als ihre säkularen und säkularisierten Nachfolgerinnen. Sie schaffen Zeit für Ruhe und Besinnung, sie verkitschen das Leid und Elend unserer Welt nicht. Es wird auch an die Schwachen gedacht und – ja! – auf den Ursprung und Sinn der Feierlichkeiten hingewiesen: Es geht eben nicht um trunkene Geschenkemacherei an irgendeinem „Fest der Liebe“, sondern um die Geburt unseres Heilands Jesus Christus. Die Herrlichkeit der Welt in einem Kind.

Die Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung zeigt, dass Menschen ohne familiäre Vorbilder und Anschluss an Kirchengemeinden die christlichen Traditionen entgleiten. Übrig bleibt keineswegs ein buntes Panoptikum diversifizierter Bräuche, sondern eine ausgetrocknete Wüstenei. Nur wer mit Formen und Inhalten der Weihnacht vertraut ist, kann sie auch neu arrangieren. Oder konkret: Dinos und Superhelden-Figuren finden nur dort einen Platz an der Krippe, wo man noch darum weiß, um wen sich die Heilige Familie und ihre Gäste in der Heiligen Nacht gruppieren.

Adaptionen – verstehen Sie mich nicht falsch! – sind nicht das Problem, sondern die Materialarmut. Man kommt nicht darum umhin, darin auch ein Versäumnis der kirchlichen Verkündigung zu sehen, die sich viele Jahre schon der traditionellen Bräuche und Sprache schämt. Vergleichbares habe ich bei unseren jüdischen und muslimischen Geschwistern noch nicht erlebt!

Die Labsal der traditionellen Bräuche

Ich habe nichts gegen freshX-Formate auch im Advent und zu Weihnachten. Nichts dagegen, dass im Advent zu neuen Konzert- und Gottesdienstformaten eingeladen wird, die niedrigschwellig auch für nicht-kirchlich gebundene Menschen verständlich sind. Aber es muss dabei auch darum gehen, etwas verständlich zu machen, nämlich Form und Inhalt der Weihnacht. Der Inhalt lässt sich nicht von der Form lösen. Ja, jetzt ist die Zeit für Pfarrer:innen und Kirchenmusiker:innen auf die Marktplätze und in die säkularen Kontexte hinein zu gehen, aber doch nicht mit der gleichen „Fest der Liebe“-Soße und nur hübsch marktförmig: „Denn Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der HERR, in der Stadt Davids.“

„Aber wir wollen doch die Menschen nicht auch noch zusätzlich mit unseren Ansprüchen belasten!“ – „Ist denn der Advent dieses Jahr nicht ohnehin kurz genug, als dass wir noch auf unseren Traditionen beharren müssen?“ Doch! Und gerade jetzt! Denn die traditionell kirchlichen Advents- und Weihnachtsbräuche entlasten vom Weihnachtsstress, sie geben Orientierung und sind hervorragende Entscheidungs-Abnehmer. Was gibt es heute zum Kaffeetrinken? Stollen und Kekse. Was tun am Heiligen Abend? Christvesper und Bescherung unter dem Christbaum. Was gibt es als Festmahl? Gans. Was bringt der Nikolaus? Das, was in Schuhe hinein passt, die zuvor geputzt wurden. Was wollen wir heute Abend unternehmen? Das Weihnachtsoratorium in der Kirche um die Ecke miterleben. Wie beschäftigen wir die Kinder? Krippenspielproben. Was sollen wir uns schenken? Schmuck, Parfum und Hygieneartikel.

Wer den Advent und Weihnachten richtig feiert – also traditionell christlich – wird feststellen, wie ungemein entlastend, bereichernd und besinnlich diese Zeit des Jahres eigentlich sein kann, die im Ruf steht, besonders stressig zu sein. Kirchen und Christ:innen sollten das ihren säkularisierten Nachbarn nicht vorenthalten, sondern ihre Traditionen, Bräuche und ihr Weihnachtswissen fröhlich unter die Leute bringen! Was nützt schließlich die Eile, wenn man nicht auf dem Weg zur Krippe ist? „Lasst uns nun gehen gen Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist!“


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