EKD-Finanzen: „Es geht darum, Zahlen auf den Tisch zu packen“

Anna-Nicole Heinrich ist Jugendsynodale und hat im „Z-Team“ mitgearbeitet, das die „12 Leitsätze“ zur Zukunft der Kirche erarbeitet hat. Wir haben mit ihr über Häppchen, Meilensteine und Unternehmenslogik für die Kirche gesprochen:

Eule: Die EKD-Synode tagt zum ersten Mal in ihrer Geschichte ausschließlich digital. Das muss doch für junge Menschen ein Fest sein, oder?

Heinrich: Als Fest würde ich das nicht beschreiben, aber es ist schon sehr spannend! Wir Jugenddelegierten sind sehr positiv gestimmt, am Samstag hat alles ganz gut funktioniert. Alle wirken so, als ob sie sich gut darauf einlassen. Es ist ja auch ein Meilenstein, dass wir die Synodalen sind, die die allererste digitale EKD-Synode erleben. Und natürlich können wir uns digital noch einmal anders vernetzen und die Zeit zwischen den Sitzungen anders gestalten. Das kann auch eine Chance sein.

Eule: Aber es ist schon schade um die abendlichen Empfänge und den kostenlosen Kaffee, oder?

Heinrich: Das größte Problem für mich: Keine Häppchen! Nein, es ist wirklich schade, sich nicht einfach auf dem Gang treffen und in Gespräche stolpern zu können. Für Menschen, die schon sehr lange in der Synode sind und für die diese Tagung die letzte ist, ist es schon sehr traurig, sich jetzt nicht sehen und verabschieden zu können.

Eule: Du bist EKD-Jugendsynodale. Ihr wollt euch auf der Synode stärker „vernetzen“. Wie sieht das aus?

Heinrich: Wir laden Synodale und Synodenbegleiter:innen, die wir sonst auf der Tagung treffen, zu Zoom-Treffen ein und bringen so Menschen miteinander ins Gespräch. Wir haben unsere Social-Media-Präsenz erweitert, z.B. mit Instagram-Stories. Und wir wollen den EKD-Pausenraum bespielen, wo sich die Synodalen austauschen können.

Eule: Als Jugendvertreterin warst Du auch im „Z-Team“ dabei, das die „12 Leitsätze“ plus Erklärungen verfasst hat. Wie hat sich das für Dich als deutlich jüngere Person unter den Teilnehmer:innen angefühlt?

Heinrich: Eigentlich richtig gut! Wir drei jungen Leute sind ja nicht von Anfang an dabei gewesen, sondern später auf bewusste Entscheidung des Teams hin dazugekommen. Wir hatten sehr viele Möglichkeiten, unsere Positionen einzubringen und Themen zu setzen. Wir haben nicht an der Ausformulierung des Textes mitgearbeitet, das hätte unsere Kapazitäten gesprengt. Aber die Themen im Papier sind – das würde ich schon behaupten – auch deshalb so gesetzt worden, weil wir uns da eingebracht haben.

Besonders denke ich da an das Thema Zugehörigkeit. Da war man sich eigentlich einig, dieses Thema und auch die Kirchensteuer nicht anfassen zu wollen, weil man da ja sehr feste Regeln hat. Da ist durch unsere Beteiligung sicher noch mal Schwung in die Debatte gekommen. Zum Ende hin war die Arbeit ein wenig frustrierend, weil die Kommunikation von Kirche nach außen nicht so ist, wie wir als junge Leute uns das wünschen würden, aber kann ja auch nicht immer alles rund laufen.

Eule: Nun ist das Papier zwischenzeitlich gewachsen: 35 Seiten, ein Leitsatz mehr und viele Erklärungen. Bist Du mit dem Ergebnis zufrieden?

Heinrich: Erstmal sind es ja nur deshalb 35 Seiten, weil das Dokument sehr eigenartig gelayoutet ist. So viel Text ist es eigentlich nicht. Man kann darüber diskutieren, ob die Weiterarbeit an den 11-Punkten einiges aufgeweicht hat. Wichtig ist, dass wir hier auf der Synode Konsens finden, damit man davon ausgehend konstruktiv weiterdenken kann. Die Leitsätze sind eine Grundlegung und haben noch überhaupt keine operative Wirkkraft.

Eule: Die neue Finanzstrategie wird hingegen ganz sicher Wirkkraft entfalten. Beim Durcharbeiten habe ich mir so gedacht, dass das jungen Menschen gut gefallen dürfte.

Heinrich: Total. Ich glaube, die Finanzstrategie ist der erste Schritt dahin, Sachen wirklich konkret zu machen. Auch wenn man sich bewusst machen muss, dass die Strategie nur den Rahmen vorgibt und erst mit den Haushaltsbeschlüssen der nächsten Jahre die endgültigen Entscheidungen getroffen werden. Ich finde es gut, dass in der Strategie nicht das „Rasenmäherprinzip“ angewandt wird, sondern wirklich geguckt wurde: Wo müssen wir Sachen sein lassen? Wo können wir Synergien nutzen? Was ist in Zukunft wichtig? Es ist einfach notwendig, dass wir uns konkrete Maßnahmen vornehmen, sonst kommen wir nie aus den Potten!

Eule: Die nominellen Einsparungen bei der Jugend sind gering, aber weil das ja 10 Jahre durchgezogen werden soll, laufen durch Inflation etc. reale Verluste auf. Real sind bei der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend (aej) -22 % angesetzt. Ich erlebe in den Gesprächen mit Synodalen und Kirchenvertreter:innen, dass jetzt jede:r versucht, ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen.

Heinrich: Wir müssen unsere Schäfchen gar nicht ins Trockene bringen, wenn wir das gesamtheitlich denken. Das betrifft auch die Verbände, aus denen wir Jugendsynodalen kommen. Das könnte, weil man die letzten Jahre immer kommuniziert hat, die Jugend sei der Bereich, in den man investieren wolle, auch falsch wahrgenommen werden, nach dem Motto: „Die Kirche spart bei der Jugend und spricht vom Gegenteil!“ Aber aus der Gesamtsicht ist es notwendig und überhaupt nicht schlimm, dass auch bei der aej gespart wird. Es ist gut, dass es keine Tabuthemen gibt und wirklich überall geschaut wird.

Eule: Ihr jungen Leute gehört ja auch zur Generation „Kirche der Freiheit“ und habt mit marktwirtschaftlicher Orientierung kein Problem. Den Vorwurf, dass das alles neoliberal und unternehmenslogisch durchgezogen wird, lässt Du nicht gelten?

Heinrich: Es ist sogar sinnvoll, dass an einigen Stellen mal unternehmenslogisch durchzudenken. Denn man hat es bei einigen Sachen in den letzten Jahren einfach verpasst, sie gründlich zu evaluieren. Es geht darum, Zahlen auf den Tisch zu packen und zu gucken, welche Wirkung wir mit den Mitteln erzielen, die wir da reingeben. Wir werden weniger Geld haben, also müssen wir uns darauf fokussieren, was wir gut machen. Ja, wahrscheinlich hat eine jüngere Generation weniger Probleme mit dieser Herangehensweise, weil wir das aus anderen Lebensbereichen so gewöhnt sind.

Eule: Die Legislatur geht zu Ende: Was wird von dieser Synode in den Geschichtsbüchern der EKD übrig bleiben?

Heinrich: Die intensive Befassung mit der Digitalisierung, der Start der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt und wir Jugenddelegierten sind natürlich stolz darauf, dass es uns gelungen ist, das Kirchengesetz zu ändern, so dass es in der nächsten Synode ab 2021 berufene und von den Landeskirchen nach Proporz entsandte Jugendsynodale mit Stimmrecht geben wird. Insgesamt werden mindestens 20 von dann 128 Synodalen zu Beginn der Legislatur nicht älter als 27 Jahre alt sein.

Eule: Die EKD sucht eine:n neue:n Ratsvorsitzende:n. Hast Du selber Lust oder einen Vorschlag?

Heinrich: Dazu äußere ich mich nicht.

(Das Gespräch führte Philipp Greifenstein.)


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