Newsletter #LaTdH

Update unvollständig – Die #LaTdH vom 19. März

Rückblicke und „Bilanzen“ auf den Synodalen Weg wohin man schaut – und dröhnendes evangelisches Schweigen. Außerdem: Hasenfüße und moralische Wünsche.

Herzlich Willkommen!

Nach den kirchennachrichtlichen Hammertagen vergangene Woche mit evangelischen Kirchenmitgliedschaftszahlen und römisch-katholischem Synodalem Weg ist es diese Woche wieder etwas ruhiger geworden. Überhaupt: Das (evangelische) Echo auf die Rekord-Austrittszahlen ist merklich und bemerkenswert kleiner im Vergleich zum Auftrieb, der um den Synodalen Weg und die doch recht schmalen Ergebnisse der 5. Synodalversammlung gemacht wird.

An dieser Stelle einmal ein herzliches Dankeschön für die vielen Rückmeldungen und Hinweise, die mich im Nachgang meines kurzen DLF-Interviews zu den Kirchenaustritten am 10. März erreicht haben. Es ist ja nicht so, als ob die evangelische Kirche nicht genügend Diskussionstoff böte. Wir werden schauen, welche Pfäden wir weiterknüpfen können!

Am Montag wurde das 10. Jubiläum der Papstwahl von Papst Franziskus, nun ja, gefeiert. In Deutschland ist die Begeisterung ob des Papstes „vom Ende der Welt“ merklich abgekühlt, was vielleicht auch an seinen flappsigen Verdikten gegenüber den deutschen Reformbemühungen liegt („Noch schlimmer sind klerikalisierte Laien. Sie sind eine Pest in der Kirche. Der Laie muss Laie bleiben“). Christoph Strack (@Strack_C) zieht bei der Deutschen Welle eine Bilanz des bisherigen Pontifikats und im DLF erklärt Vatikan-Experte Marco Politi einmal mehr, was den Argentinischen Papst bewegt – und er bisher erreicht hat.

Was hat der Synodale Weg der römisch-katholischen Kirche in Deutschland wirklich erreicht? Das fragen sich im Nachgang nicht nur die Katholik:innen im Lande, sondern ganz offenbar auch viele der Teilnehmer:innen. Dazu mehr in der „Debatte“.

Eine gute Woche wünscht
Philipp Greifenstein

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Debatte

Ist das „Update gescheitert“, das der Dialogprozess des Synodalen Weges der römisch-katholischen Kirche in Deutschland verpassen wollte? Das fragen sich angesichts der Beschlüsse viele Menschen zu Recht. In den Grundtexten haben die Teilnehmer:innen – unter ihnen vor allem die Theolog:innen – versucht, die Lücke zwischen dem gesellschaftlichen Fortschritt der vergangenen Jahrzehnte und der katholischen Kirche zu überbrücken.

Manche der Handlungstexte – wie z.B. zu den Segnungen für Wiederverheiratete und gleichgeschlechtliche Ehen (nach kath. Verständnis: Partner:innenschaften) sowie zur Prävention sexualisierter Gewalt – stärken die Fortschritte, die in den vergangenen Jahren in einigen (Erz-)Bistümern bereits erzielt wurden. Andere sind bloße Bittbriefe an Rom und Papst Franziskus – und verbleiben als solche ganz „im System“.

WTF?! (20): Der Synodale Weg: Ende & Anfang – Michael Greder & Philipp Greifenstein (Die Eule)

Über die 5. Synodalversammlung und ihre Auswirkungen habe ich bei Michael Greder in unserem Podcast „WTF?! – What the Facts?“ gesprochen. Alternativ hätten wir auch titeln können: „Zwei Evangelische reden über die römisch-katholische Kirche“. Denn ohne Vergleiche mit den synodalen Praxen der evangelischen Kirche geht es eben nicht, will man ein zutreffendes Bild vom Erfolg des Synodalen Weges zeichnen.

Einen Erfolg sehe ich aber tatsächlich im Prozessualen, im Miteinander-Gehen von Bischöfen und Lai:innen – so schwer es bis hierhin auch war. Mir dünkt, die Initiatoren des Synodalen Weges – der damalige Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) Thomas Sternberg und der Münchener Erzbischof Reinhard Marx als damaliger Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) – könnten nach wie vor damit Recht behalten, dass durch das pure „So-tun-als-ob“ Marksteine gesetzt werden, hinter die man nicht mehr zurück kommt.

Teilnehmer:innen-Stimmen

Zahlreiche Teilnehmer:innen der synodalen Wanderschaft haben in den vergangenen Tagen versucht, sich auf das (zwischenzeitliche) Ende des Synodalen Weges einen Reim zu machen. Zusätzlich zu seinen länglichen Ausführungen auf der Schluss-Pressekonferenz hat ZdK-Vizepräsident und Theologie-Professor Thomas Söding (@ThomasSoeding) auch dem STERN Rede und Antwort gestanden („Wir haben die Basis für mehr Transparenz und Kontrolle gelegt.“)

Für die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd, @kfd_BV) waren vier Synodalinnen dabei, die in einem kurzen Statement Bilanz ziehen: „Wir lassen bei den Reformbemühungen nicht nach und unterstützen die Bischöfe, die sich für die notwendigen Änderungen in unserer Kirche einsetzen.“ Und die Bundesvorsitzende der Katholischen Landjugendbewegung, Daniela Ordowski (@dani_ordowski), äußert sich in einem Gastbeitrag bei der taz zugleich kämpferisch und ernüchtert („was bleibt, ist die Ohnmacht“).

Gregor Maria Hoff, Professor für Fundamentaltheologie an der Universität Salzburg und einer der zahlreichen theologischen Berater:innen des Synodalen Weges (die im Konferenzsaal hinter den stimmberechtigten Teilnehmer:innen saßen und die Erfolge „ihrer“ Texte zum Teil emphatisch feierten), will in der Furche eine „schüchterne Erfolgsbilanz“ ziehen, was ihm deutlich misslingt:

Das synodale Kirchenprojekt ist auf dem Weg. Es hat eine eigene Dynamik angenommen. Von einer Partizipationssimulation war anfangs die Rede, von einem kirchenrechtlichen Nullum. […] Davon unbeirrt hat eine belastbare Koalition von Synodalen mit einer breiten Phalanx von Bischöfen gezeigt, dass die katholische Kirche […] – reformwillig und -fähig ist.

Bei so vielen großen und schönen Wörtern, muss man eigentlich skeptisch werden. Definitiv skeptisch ist Hoffs Salzburger Kollege Hans-Joachim Sander in der Herder Korrespondenz (@HK_Aktuell):

Die Erwartung, die Kirche würde sich aus eigener Kraft in die Lage bringen, sich zu reformieren, ist absurd geworden. Daran ändert auch der gerade zu Ende gegangene Synodale Weg in Deutschland nichts. Es ist Zeit für eine Selbstrelativierung.

Auch seine Analyse ist zwar redselig, er bemüht sich aber sichtbar, die Fenster des synodalen Tagungsortes hin zur Umwelt der Kirche wenigstens aufzustuppsen. Das tut Not, denn gelegentlich bekommt man den Eindruck, die synodalen Weggänger:innen verwechselten den Rest ihrer Kirche – also die Menge der Kirchenmitglieder – mit der sie tatsächlich umgebenden Gesellschaft, in die hinein und zu der die Kirche ja gesandt ist.

„Wir sind am Ende des Synodalen Wegs. Also am Anfang“, erklärt in seinem persönlichen Rückblick Pfarrer Werner Otto. Bei ihm geht es dann auch wieder um die handfesten Probleme der Zusammenarbeit mit den Bischöfen:

Die Bischöfe sind zu Reformen bereit – außer, wenn es um ihr eigenes Amt geht und die damit verbundenen Privilegien. In der Synodalversammlung haben wir deutlich unsere „rote Linie“ markiert. Ein „Gemeinsam beraten und einsam entscheiden“ wird es mit uns nicht geben. Da eine 2/3-Mehrheit nicht mehr erreichbar schien, haben wir den Text zurückgezogen, statt ihn verwässern zu lassen. Aber das Papier ist nicht vom Tisch! Wir werden es im Synodalen Ausschuss zeitnah wieder vorlegen – und dort sicher nicht locker lassen. Denn wenn Macht in der Kirche nicht wirksam geteilt, begrenzt und kontrolliert wird, werden wir bei der Bekämpfung der systemischen Ursachen von Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt nicht vorankommen.

Selbst gestandene #LaTdH-Leser:innen werden jetzt vielleicht stöhnen: „Boah, das ist aber ganz schön viel!“ Und doch handelt es sich nur um eine Auswahl der „Bilanzen“, Analysen und Stellungnahmen von Teilnehmer:innen und Beobachter:innen der synodalen Gehversuche, denen erkennbar nicht nur an einer Ergebnissicherung gelegen ist, sondern auch an einer Rechtfertigung des eigenen Engagements. Derweil zeigen sich die Bischöfe – z.B. der Rottenburger Gebhard Fürst -, auf die es jetzt vor allem ankommt, schon wieder hasenfüßig.

Drei Jahre Synodaler Weg – eine erste Bilanz – Julia Knop (feinschwarz.net)

Mit deutlich weniger Wortgeklingel als viele andere schaut die Erfurter Theologieprofessorin Julia Knop (@JuliaKnop7) auf den Synodalen Weg zurück, an dem sie selbst sehr engagiert teilgenommen hat. Bei feinschwarz.net analysiert sie treffend:

Einen Paradigmenwechsel, eine Zäsur, wie sie der Synodale Weg initiieren sollte, hat er also im besten Falle ermöglicht, aber nicht realisiert. Die großen Worte, mit denen Synodalität katholisch illustriert wird, wurden insgesamt kleinmütig ausbuchstabiert.

nachgefasst

Kirchentag veröffentlicht Programm

In dieser Woche hat der Deutsche Evangelische Kirchentag (@kirchentag_de) sein Programm für die 38. Ausgabe des größten Christ:innen-Treffens in Deutschland bekannt gegeben. Es ist ein bunter Mix, der ganz in der Tradition der evangelischen Kirchentage bleibt. „Nach Corona“ geht der Betrieb doch weitgehend so weiter, wie man ihn gewöhnt war. Das mag manchen Menschen Halt in ungewissen Zeiten geben, ich finde es wenig mutig.

„Ohne Angabe von Gründen“ hat Margot Käßmann ihre Teilnahme am Kirchentag abgesagt, obwohl dieser doch – wie Tilmann Kleinjung (@TilmannKk) in einem „Standpunkt“ bei katholisch.de schreibt – gerade der Diskussion um den Ukraine-Krieg und die evangelische Friedensethik Raum geben sollte.

Bistum Münster schließt Beratungsstelle Organisierte sexuelle und rituelle Gewalt (DER SPIEGEL)

Das Bistum Münster (@bistummuenster) schließt mit sofortiger Wirkung seine Beratungsstelle Organisierte sexuelle und rituelle Gewalt. Zuvor hatte u.a. DER SPIEGEL (€) über die fachlichen Probleme der Beratungsstelle und Kritik von Missbrauchs-Betroffenen berichtet. Die Schließung wird nun zum Anlass dafür, über die Bedeutung von „rituellem Missbrauch“ zu streiten. Hoffentlich fruchtbar.

Evangelische Kirche stellt Strafanzeige gegen Baptistenkirche Zuverlässiges Wort – Jeja Klein (queer.de)

Wegen queerfeindlicher Hetze hat die Pforzheimer Dekanin der Badischen Landeskirche (@ekiba), Christiane Quincke (@CQuincke), Strafanzeige gegen Anselm Urban von der Faithful Word Baptist Church gestellt, die in der Stadt einen neuen deutschen Ableger gegründet hat. Die Hintergründe hat Jeja Klein (@JKlein_Lugenpr) bei queer.de umfassend dargestellt. Dass christlicher Fundamentalismus einen Beitrag zu gewaltbereitem Rechtsradikalismus liefert, sollte in diesen Tagen mehr als offensichtlich sein. Gut, wenn die christlichen Kirchen hier nicht in Ignoranz verharren.

Buntes

In Putins Kopf – Philipp Greifenstein (zeitzeichen)

In den z(w)eitzeichen, der Online-Ausgabe des evangelischen Magazins zeitzeichen (@zeitzeichenNET), schreibe ich aller paar Wochen eine Kolumne. Diesmal empfehle ich Michel Eltchaninoffs Buch „In Putins Kopf“ dringend zur Lektüre:

Gegen die Gefahren einer mythologisch aufgeladenen Politik, die sich in Kriegen entlädt, hilft wohl tatsächlich nur die Aufklärung einer kritischen Masse wacher Zeitgenoss:innen. Um in diesem Sinne woke zu werden und dem Putinismus zu begegnen, sei die Lektüre von Michel Eltchaninoffs „In Putins Kopf“ dringend empfohlen.

Spardruck: Bistum Eichstätt trennt sich von Schulen und Kirchenzeitung (KNA, katholisch.de)

Während der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke äußerst widerwillig auf synodalen Wegen wandelt, brennt daheim die Hütte. Die Finanzschwierigkeiten in seinem Bistum reißen nicht ab („2021 stand am Jahresende ein Minus von 13,7 Millionen Euro in den Büchern“). Leidtragende sind nun abermals die Katholik:innen vor Ort. Wo Schulen geschlossen werden, verliert die Kirche eben auch Kontaktflächen zur Gesellschaft, auch wenn zugleich bei den Kindergärten nachgerüstet werden soll.

Theologie

Atheistisch glauben? – Jörg Herrmann (Tà katoptrizómena)

Im Anschluss an das neue Buch des Berliner Theologen Hartmut von Sass (@hartmutvonsass) unternimmt Jörg Hermann in Tà katoptrizómena eine orientierende Reise in den Post-Theismus und legt die zahlreichen Quellen des Atheistisch-an-Gott-Glaubens dar – darunter die scheinbar schon sehr in Vergessenheit geratene Dorothee Sölle, deren 20. Todestag unmittelbar bevorsteht.

Insgesamt scheint mir der Abschied vom traditionellen theistischen Gottesbegriff aber einmal mehr an der Zeit. Der Essay von von Sass zeigt auf, wohin die Reise gehen könnte/müsste. Ob dieser Diskurs in der etablierten systematischen Theologie Resonanz finden wird, ist die Frage.

„Being Church Together“: Theologische Konferenz zum Leuenberg-Jubiläum – Jonathan Reinert (Konfessionskundliches Institut)

Über eine Tagung zum 50. Jahrestag der Leuenberger Konkordie informiert Jonathan Reinert (@BruderTuc, Eule-Artikel zu Luther während der Pandemie hier) beim Konfessionskundlichen Institut Bensheim der EKD.

In Debrecen konnte – wie auch bei manchen anderen ökumenischen Veranstaltungen – in Wortmeldungen, in denen auf die ökumenische Lage geblickt wurde, ein Generationenunterschied wahrgenommen werden: Während bei vielen jüngeren Theologinnen und Theologen eine Entdeckungs- und Gestaltungsfreude spürbar war, schienen andere, die bereits viele Jahre ökumenisch engagiert waren, eher mit einer gewissen Resignation und Skepsis auf aktuellen Bemühungen zu blicken.

Im Vergleich zu den katholischen Analysen und Selbstverortungen fällt die evangelische Publizistik bei der Nabelschau gewaltig zurück. Das kann man als konfessionelle Selbstbescheidung interpretieren, muss man aber nicht. Ein bisschen mehr Betrieb könnten die Evangelischen machen – und sich mehr Mühe geben, das Eigene zu erklären.

Ein guter Satz

„‚Aufarbeitung‘ ist ein unbestimmter Begriff, der einen moralischen Wunsch zum Ausdruck bringt.“

– Ein sehr guter Satz des FAZ-Redakteurs Patrick Bahners (@PBahners), in einem kirchen-abständigen Zusammenhang eingeführt, aber für christliche Diskurse unverzichtbar.