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Voll bepackt – Die Links am Tag des Herrn vom 16. Juli

… mit tollen Sachen, die das Leben schöner machen, hinein ins Urlaubs-Feeling: Eine überraschende Ökumene des Hasses, Debatten-Nachbeben, Lukas und ausführliche Strandlektüren.

Debatte

Evangelical Fundamentalism and catholic Integralism in the USA: A surprising Ecumenism – Antonio Spadaro & Marcelo Figueroa (La Civiltà Cattolica, englisch)

In der Debatte dreht sich heute alles um den rechten Rand der Kirchen, der sich zunehmend politisiert. Die Journalisten Marcelo Figueroa (@marcebiblia) und Antonio Spadaro (@antoniospadaro) haben eine überraschende „Ökumene des Hasses“ zwischen katholischen Integralisten und evangelikalen Fundamentalisten ausgemacht und in einem Artikel ausführlich besprochen. Ein Phänomen, das es nicht nur in den USA gibt. Alles, was die Autoren am Beispiel der Staaten beschreiben, findet sich in Ansätzen auch in Deutschland. Ein sehr interessanter Text, der im Moment nur in Englisch und Italienisch vorliegt.

However, the most dangerous prospect for this strange ecumenism is attributable to its xenophobic and Islamophobic vision that wants walls and purifying deportations. The word “ecumenism” transforms into a paradox, into an “ecumenism of hate.” Intolerance is a celestial mark of purism. Reductionism is the exegetical methodology. Ultra-literalism is its hermeneutical key.

Der Artikel hat vor allem in den USA für großen Aufruhr gesorgt, weil er als klare Konfliktansage gegenüber dem gegenwärtigen Präsidenten (Stand: 15. Juli 2017) verstanden werden darf. Die Autoren gehören zum Beraterkreis des Papstes und der Artikel ist mit Genehmigung des vatikanischen „Außenministeriums“ erschienen.

Exclusive interview: Antonio Spadaro on his article about ‘The Ecumenism of Hate’ in the U.S. (America – The Jesuit Review, englisch)

In einem Interview mit dem us-amerikanischen Jesuiten-Magazin America geht Antonio Spadaro auf kritische Nachfragen gegenüber dem Text ein, ebenfalls nur auf Englisch zu lesen.

Often this fundamentalism is born from the perception of a threat, of a world that is threatened, a world that is collapsing, and so it responds with a religion from a reading of the Bible transformed into an ideological message of fear. It’s a manipulation of anxiety and insecurity. And the church is therefore transformed into a kind of sect, a sect of the pure, the option of the pure, even though numerically small, which then seeks to impose its vision on society, prescinding any form of dialogue. It’s a way of dropping out of what is perceived as a “barbaric” mainstream culture. Some call this “authentic Christianity.”

Für Christus, Volk und Vaterland – Sebastian Pittl (feinschwarz.net)

Ebenfalls mit neuen Rechten beschäftigt sich Sebastian Pittl auf feinschwarz.net. Er geht der ideologischen Begründung der Neuen Rechten bei Alain de Benoist nach und befragt ihn und andere Theoretiker nach ihrer Beziehung zum jüdisch-christlichen Erbe. Und zum Schluss wird es biblisch.

Unter Heiden (14): Die deutsche Tea-Party – Philipp Greifenstein (theologiestudierende.de)

Weil es so schön zum Debatten-Thema passt, ein Hinweis auf einen schon etwas älteren Text von mir, der aber nach wie vor aktuell ist. In der Nr. 14 meiner Kolumne Unter Heiden (damals noch auf theologiestudierende.de) habe ich mich ausführlich mit den politisierten Evangelikalen beschäftigt, der deutschen Tea-Party. Es schaut so aus, als ob uns die noch eine Weile erhalten bleiben wird. Im Text erläutere ich aber auch einige Bruchstellen zwischen Evangelikalen und völkischen Nationalisten.

Es ist deshalb besser, die Evangelikalen nicht einfach in „die rechte Ecke“ abzuschieben, wo sich ihr eigener Underdog-Spleen mit dem „Das wird man doch wohl noch sagen dürfen!“ der politischen Rechten paaren kann, sondern sie stattdessen zum differenzierten Streitgespräch zu bitten.

Randständiges

Mittelmeer: 1.800 Menschen gerettet – EU muss Seenotrettung unterstützen (Ärzte ohne Grenzen)

Am Rand unseres Kontinents und unserer Aufmerksamkeit ereignen sich jeden Tag Tragödien. Sind es eigentlich wirklich Tragödien? Ist das Schicksal der Flüchtlinge unvermeidlich? Die Ärzte ohne Grenzen fordern die EU auf, sichere Alternativen für die gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer zu finden.

Die beiden Rettungsschiffe „Prudence“ und „Aquarius“ sind am Freitagmorgen mit 1.795 Menschen an Bord in Italien angekommen. Unter den in den vergangenen drei Tagen aus Seenot geretteten Menschen befinden sich auch mehrere Schwangere und Neugeborene, die dringend medizinische Hilfe benötigten.

Bericht vom G-20-Gipfel – Torsten Morche (Hauptkirche Altona)

Ein G20-Bericht vom Pfarrer der Hauptkirche Altona, der dabei war, als sein Kirchenrasen von Zelten plattgedrückt wurde und der die Berichte im Nachgang des Gipfelwochenendes mit seinen Eindrücken bereichert.

Aus der zweiten [Polizei-]Einheit waren nur wenige bis an die Grundstücksgrenze gekommen und einer kommentierte meinen Hinweis auf das Hausrecht mit: „Na, da haben Sie ja eine tolle Kirche hier.“ Ich nehme das als Kompliment.

Luther ist die Pleite des Jahres – Ralph Bollmann (FAZ)

Ralph Bollmann hat ja Recht: So groß ist der Luther-Hype tatsächlich nicht, wie sie sich das im Kirchenamt der EKD, beim Kirchentag und vor allem im Jubiläums-Verein gedacht haben.

 „Wir sollten nicht nur auf die nackten Zahlen schauen“, sagt er. „Der Diskurs, den wir hier führen, ist ein Wert an sich.“ In Ostdeutschland gebe es nun mal nicht viele Christen, aber die Wenigen seien sehr engagiert. Dass das Programm zu gigantomanisch und zu beliebig sei, wie Kritiker auch innerhalb der Kirche bemängeln, will er nicht gelten lassen.

Die mangelnde Auslastung den fleißigen Ossis anzukreiden ist dann doch etwas billig. In Eisenach und Lutherstadt Eisleben beschwert sich niemand über zu wenig Andrang. Vielleicht, weil dort – anders als in Wittenberg – nicht gigantomanisch von allerhand Außenstehenden reingefunkt wurde.

Überhaupt: Mir scheint, das Jubiläum ist in der Provinz und in den Gemeinden sehr wohl lebendig. Dieses örtliche Engagement, das am Ende so ein Jubiläum sinnvoll und gut macht, haben viele nicht auf dem Schirm. Das trifft sowohl auf Journalisten zu, wie auch auf manche Großplaner. Deshalb wirft Die Eule in den kommenden Tagen und Wochen Blicke in die Jubiläums-Landschaft jenseits des großen Tamtams. Hinweise und Vorschläge sehr willkommen!

Halbfas wirft Bischöfen Untätigkeit in der Kirchen-Krise vor (Kirche + Leben)

Es wird noch einmal katholisch: In der vergangenen Woche feierte der Theologe Hubertus Halbfas seinen 85. Geburtstag. Kirche + Leben veröffentlichte aus diesem Anlass erneut ein Interview mit Halbfas von 2016.

Es bleibt ja nicht nur der Priesternachwuchs aus. Es ist gleichzeitig auch ein Abfall der geistigen Fähigkeiten und Begabungen zu verzeichnen. […] Zugleich machten sie [Theologen] bereits vor Jahrzehnten darauf aufmerksam, dass der Theologennachwuchs nicht mehr aus der vollen Breite der gesellschaftlichen Fähigkeiten und Begabungen komme.

Uups! Vielleicht doch lieber auch Frauen nehmen? Die könnten mit ihren Fähigkeiten und Begabungen vielleicht auch der römisch-katholischen Kirche aushelfen? Das meint auch Christiane Florin, deren neues Buch „Der Weiberaufstand“ ich diese Woche hier in der Eule besprochen habe.

Studie: Kindern gleichgeschlechtlicher Eltern geht es gut – Nora Schmitt-Sausen (Deutsches Ärzteblatt)

Der Artikel ist aus dem Jahr 2009, aber natürlich in der gegenwärtigen Debattenlage brandaktuell. Gelegentlich wird in einschlägigen Kreisen behauptet, „sogar im Deutschen Ärzteblatt“ stünde, dass Kinder in homosexuellen Partnerschaften schlechter dran sind. U.a. wären sie in schwulen Partnerschaften einem erheblich höheren Missbrauchs-Risiko ausgeliefert. Das ist falsch. Es handelt sich dabei nicht um einen Beitrag im Ärzteblatt, sondern um einen als Antwort auf den hier verlinkten Artikel erschienenen Leserbrief, der typische Vorurteile gegenüber Schwulen („alles Pädophile“) wissenschaftlich salonfähig machen will.

Eine Villa für den Herrn – Frederik Richter, Jonathan Sachse, David Wünschel (correctiv)

Ein Nachschlag zur correctiv-Recherche über das Diakoniewerk Bethel und seinen Stifter, Stiftungsrat, Geschäftsführer etc. Karl Behle (s. Links am Tag des Herrn von letzter Woche) Offenbar hat sich der Gute auch eine hübsche Villa zugeschanzt. Wohl bekomms! Bei all den Recherchen und kritischen Distanzierungen z.B. vom Diakonieverband, stellt sich vor allem die Frage, wem der Angeschuldigte mit seinem berharrlichen Schweigen dient: Wo ist Behle?

Bibel

Luke’s Surprising and Oft-Ignored Views on Marriage and Resurrection – Paul Davidson (Is That in the Bible?, englisch)

Ein sehr langer, übelst interessanter Artikel von meinem liebsten Bibel-Blog. Es geht vor allem um die Haltung zu Scheidung und Wiederheirat im Lukasevangelium. Mittelbar geht es natürlich um die ganze „biblische“ Sexual- und Familienmoral. Ich war vor allem deshalb fasziniert, weil ich bisher dachte, mich im Evangelium des Lukas – btw, der begnadetste Erzähler des NT – gut auszukennen. Seid gefasst auf ein paar Überraschungen!

Predigt

Der Gott in der Schublade – Ruth aus Stuttgart (allesruthine.de)

Wieder mal eine Predigt im Slam-Stil. Aufräumen, Schubladen aufreißen und auskippen.

Also mach ich meine Schublade auf, Gott steht drauf, und leer sie aus, denn er ist, wie er ist und wie er ist, ist er. Nicht schwarz oder weiß, sondern grau, manchmal weit und doch genau. Er ist gestorben für die Sünde dieser Generation und der vorigen schon. Für deine und für meine Fehler. Für seine und für ihre, er ist nicht wählerisch, er bringt alles auf den Tisch.

My Daughter’s Daydream Is A Lesson In Kindness – Kerry Connelly (Jerseygirl, JESUS, englisch)

Und weil die Links heut so schön sommervoll sind, gleich noch eine Predigt, diesmal aus den USA, mit dem den dortigen Prediger_innen eigenen Hang zu fundiertem Kitsch.

And I realized that kindness is one of the things that seems to be missing from the public Christian discourse, the so-called religious right’s rhetoric. The simple kindness my daughter’s daydream displayed — an open welcome; a Hey, play this piano while you’re here, feel free to put a jar out and keep the change, sort of attitude — is a sort of hospitality that mainstream Christianity has lost somewhere along the way.

Ein schöner Satz

Wieder einmal Tobias Graßmann (@luthvind), diesmal direkt auf Twitter, wo er zu den aktivsten jungen Twitter-Theologen gehört. Gefallen ist diese Zusammenfassung evangelischer Gesinnung in einer ausladenden Gottesdienst-Debatte. Mit dem gemeinsamen Rahmen ist hier die Agende gemeint. Kann aber beliebig gegen andere Ordnungen ausgetauscht werden.

Zugabe

Overwatch: Heiliger Drache! Spieler gründet die „Kirche des Hanzo“ (Mein MMO)

Aus Brasilien erreicht uns via Sabine Liesche (@religioholic) die Nachricht einer Kirchengründung. Angebetet wird ab sofort ein Onlinespiel-Charakter. Aus landeskundlicher Sicht sehr interessant, weil es ein Schlaglicht auf den Umgang des Staates mit Religionsgemeinschaften wirft. Und eine bemerkenswerte Ergänzung deutscher Kirchensteuerdebatten.