Kirche

Was die Kirche aus der Pandemie für die Gaskrise lernen kann

Die Gaskrise ist in den Kirchen angekommen. Erneut wird von den Ehren- und Hauptamtlichen vor Ort schnelles und konsequentes Handeln gefordert. Was kann die Kirche jetzt lernen?

In den Kirchen wird sich an allen Ecken und Kanten auf den Winter vorbereitet. Unter dem Eindruck der Gaskrise überlegen Kirchgemeinden, wie sie Energie sparen können. Die Klimaschutzmanager der Kirchen legen Empfehlungen vor, währenddessen verhandelt die Evangelische Kirche über eine eigene Klimaschutzgesetzgebung. Dabei drohen sich die Fehler der Pandemie-Bekämpfung zu wiederholen.

Umso weniger Gas durch die Pipelines rauscht, desto größer wird der Druck auf die Bevölkerung, mit dem Sparen Ernst zu machen. Das spüren auch die Kirchen. Konkrete Energiesparmaßnahmen werden in der evangelischen Kirche vor allem von den Ehren- und Hauptamtlichen in der Fläche umgesetzt. Wie auch während der Corona-Pandemie lastet der Druck des richtigen Handelns auf ihnen.

Die evangelischen Kirchenverfassungen sehen das so vor: Die Gestaltungshoheit liegt eben nicht bei den höheren Leitungsebenen, die nach unten delegieren, sondern vielmehr in der Tiefe der Kirche, von wo nur dann an zentrale Leitungsorgane delegiert wird, wenn es nötig erscheint. Dieses Subsidiaritätsprinzip erweist sich in „normalen“ Zeiten als großer Vorteil der evangelischen Kirchen, weil es Engagement und Verantwortlichkeit vor Ort stärkt. In Krisenzeiten allerdings steigen dadurch auch Überforderung und Frust.

Binnen kurzer Zeit erleben die Christ:innen vor Ort nach der Corona-Pandemie nun mit der Gaskrise, dass von ihnen schnelles und konsequentes Leitungshandeln gefordert ist. Wie auch während der Pandemie erhalten sie aus den Kirchenämtern vornehmlich Empfehlungen. Dafür sind – for better or worse – häufig die Klimaschutzmanager der Landeskirchen und Bauabteilungen zuständig. In der Eule berichtete ich Bereits Mitte Juli über die Herausforderungen an Gemeinden und Werke, wie sie der Klimaschutzmanager der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), Janes von Moers, einschätzt („Verheizt die Kirche ihr Geld?“).

Kein Mikromanagement, sondern Kompetenztransfer

Inzwischen haben mehrere Landeskirchen Empfehlungen an ihre Gemeinden und Werke herausgegeben, die allesamt betonen: Wir können etwas tun! Gleichwohl dämmert es vielen: Es wurde auch viel versäumt. Glücklich diejenigen Kirchgemeinden und Werke, die sich in den vergangenen Jahren aus Klimaschutzgründen bereits weitgehend von Gas und fossilen Energieträgern insgesamt unabhängig gemacht haben. Für ein schnelles Aufholen in diesem Bereich ermangelt es den Kirchen zwar nicht an Geld, doch fehlen Expertise und Handwerker:innen an vielen Orten. Lieferengpässe bei der Technik erschweren spontane bauliche Reaktionen.

Gaskrise und Klimaschutz hängen miteinander zusammen. Der WDR-Journalist und EKD-Synodale Arnd Henze beschreibt das in seiner lesenswerten Auseinandersetzung mit der aktuellen Klimaschutz-Politik der EKD in den zeitzeichen:

„Diese Herausforderung ist noch dringlicher geworden, weil die Kirchen mit ihrem großen Gebäudebestand Teil der Abhängigkeit von russischem Gas waren und auf dem Weg der Diversifizierung nun auf ethisch nicht verantwortbare Alternativen wie Gas aus Ländern wie Katar oder aus Förderformen wie Fracking angewiesen sind.“

Er fordert von seiner Kirche, sich ein Beispiel an der Europäischen Union zu nehmen, und Rahmenbedingungen für den Klimaschutz zu setzen. Diese dürften nicht zu detailliert formuliert werden, um selbstverantwortliches Engagement nicht abzuwürgen, aber sie sollen auch nicht in unverbindlichen Absichtserklärungen bestehen. Welche „Speisen noch bei Jugendfreizeiten angeboten werden dürfen“, müssten die Klimaschutzgesetze der EKD-Gliedkirchen nicht regeln, wohl aber wie Fortschritte auf dem Weg zum Ziel der Klimaneutralität 2035 gemessen werden können – und welche Maßnahmen ergriffen werden, wenn eine Zielverfehlung droht.

Mit gutem Beispiel vorangehen

Henze hat Recht damit, dass die engagierten Christ:innen nicht auf den Kopf gefallen sind: Dass etwas für den Klimaschutz und auch das Energiesparen zu tun ist, ist den allermeisten klar. In den Kirchen gibt es viele Menschen, die sich in den vergangenen Jahrzehnten erhebliche Kompetenzen erworben haben, die nun endgültig geteilt werden müssen.

Dabei gibt es einen großen Unterschied zur Pandemiebekämpfung des Jahres 2020: Konkretes Handlungswissen ist anders als damals reichlich vorhanden, doch sind die Gemeinden über den richtigen Weg – auch ideologisch – gespalten. Hier gewinnt die Kirchenleitung durch die gewählten Mandatsträger auf den sog. mittleren und höheren Ebenen an Bedeutung. Ja, es gibt einen Primat der Ortsgemeinde, der auf die ein oder andere Weise in den evangelischen Kirchenverfassungen festgeschrieben ist, aber präzise, frühzeitige Kommunikation und Kooperation stehen nicht im Widerspruch zur evangelischen Kirchenlehre, sondern sind selbst Früchte der protestantischen Kultur.

Subsidiarität bedeutet auch zu merken, wann man besser gemeinsam und koordiniert vorgeht. Gute Leitung „von oben“ bedeutet darüber hinaus, mit gutem Beispiel voran zu gehen, was das Energiesparen in den Kirchenämtern (Stichwort: Homeoffice) und an repräsentativen Orten der Kirchen angeht. In Dresden schaltet die Frauenkirche ihre Außenbeleuchtung ab, dann geht das auch in Herford oder Sigmaringen.

Nur so können unnütze Konflikte vermieden werden, wenn in einer Kirchgemeinde Gemeindehäuser- und Kirchen ungeheizt bleiben und zumindest das elektrische Licht ausgeht, während sich in der Nachbargemeinde das Energiesparen darauf beschränkt von 24 °C auf 21 °C runterzuregeln. Denn es droht erneut Streit auszubrechen zwischen jenen, die den Empfehlungen der Expert:innen folgen und jenen, die sich vornehmlich auf ihr Bauchgefühl verlassen – oder die Kostenübernahme durch die nächsthöhere Ebene.

Zusammenrücken mit der Community

In meiner Kritik des Krisenmanagements der Kirchen von März 2020 („Auf Wiedervorlage“) habe ich jenseits von Leitung und Kommunikation auch nach einer „geistlichen Klärung“ darüber gefragt, „was im Krisenfall Vorrang genießt“:

„Alle Überlegungen sollten nicht davon geleitet sein, wie man das Antlitz der Kirchen erhält, wie es sich hauptamtlichen Mitarbeitern darstellt, sondern was für eine Kirche gerade die Schwachen und Einsamen in unserer Gesellschaft in Krisenzeiten brauchen.“

Insofern gibt der kommende Winter tatsächlich einen Vorgeschmack auf das kirchliche und gesellschaftliche Leben, wie es sich bei verschärften Klimaschutzmaßnahmen darstellen wird. Dass Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise notwendig sind, darüber besteht weitgehend Konsens. Aber um das Gute wissen und es dann auch tun, sind zwei verschiedene Paar Schuh – das wissen Christ:innen sehr wohl.

Die Energiesparmaßnahmen haben aber Potential, mehr zu sein als Verzichtsübungen: Wenn Menschen physisch zusammenrücken, weil sie statt mehreren nur noch ein Gemeindehaus ihrer Kirchgemeinde gemeinsam nutzen oder sich in Privaträumen treffen, dann rücken sie auch in Geist und Sinn zusammnen. Wo Christ:innen überlegen, wie endliche und knappe Ressourcen eingesetzt werden müssen, fragen sie neu danach, was die reichen Kirchen mit benachteiligten Menschen und der Community am Ort teilen können. Wenn Gemeinden und Kirchenleitungen verzichten müssen, lernen sie womöglich, worauf sie in Zukünft gut verzichten können.

Wie auch während der ersten Phase der Corona-Pandemie könnte die Gaskrise neben der Einübung in notwendige Beschränkungen auch zum Ausprobieren von neuen Ideen führen, miteinander Kirche zu sein. Glücklicherweise können die Kirchen dabei – wenn sie es denn wollen! – auf Erfahrungen aus den vergangenen beiden Jahren zurückgreifen.


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