Wut und Geduld – Die #LaTdH vom 14. Januar
Wie sieht die Zukunft der Landwirtschaft aus und welche pragmatischen Schritte können wir gehen? Außerdem: Ablehnung aus Afrika und Gebete für Palästina und Israel.
Herzlich Willkommen!
Die Rede von den multiplen Krisen, die unsere Welt in Atem halten, ist allgegenwärtig. Alles wird schlimmer! Diesem besorgten und nicht selten resignativen Fatalismus müsste man doch etwas entgegenstellen, oder? Eine hoffnungsvolle Vision von Problemlösung und Fortschritt zum Beispiel. Zur Tragik dieser Tage gehört, dass sich die politischen Kräfte, die sich auf Pragmatismus, Ausgleich und Zukunftsvisionen verstehen, selbst lähmen. Lähmend ist vor allem der Blick nach Rechts.
Im Interview mit der Wiener Kirchenzeitung Der Sonntag lobt der Historiker Thomas Prügl die Kirchen ausführlich für ihre kulturellen und gesellschaftspolitischen Erfolge in den vergangenen, nun ja, gut 1.500 Jahren. Im Sinne einer vollständigeren (Problem-)Geschichte müsste man seinen Erklärungen viele Kapitel hinzufügen, was wir der Kirche außerdem noch alles verdanken. Aber niemand verpflichtet die Kirchen dazu, sich selbst immer nur zu problematisieren.
„Bildlich gesprochen standen [die Christen] mit einem Fuß im Himmel, mit einem auf der Erde. Das wiederum verlieh ihnen eine ungeheure innere Freiheit gegenüber allen Ideologien und Verfolgungen.“
Statt Resignation empfehle ich darum einen fröhlichen Fatalismus, der die Probleme der Zeit, soweit wir an ihnen etwas ändern können, tatkräftig und ohne Rücksicht auf das eigene Ansehen und den eigenen Fortbestand angeht – und den Rest des Weltschmerzes der Güte Gottes anheimstellt. Denn Teil der massiven Überforderung angesichts der multiplen Krisen ist ganz sicher die Gleichzeitigkeit und Gleichdringlichkeit, in der sie auf uns eindringen. Eine Reaktion auf diese Überforderung ist in diesen Tagen der Abschied von den Nachrichten und auch von den Social-Media-Plattformen. Es ist alles ein bisschen sehr viel und man lebt vermutlich gesünder, wenn man sich dem Trubel entzieht.
Was im Privaten eine Weile funktionieren mag, ist für die Institution Kirche allerdings keine Option. Am kommenden Mittwoch, den 17. Januar, wollen wir darum mit spannenden Gäst:innen und allen Interessierten über „Kirche und Social Media“ im neuen Jahr diskutieren. Unter dem Motto „Ist das Unkraut oder kann das weg?“ laden wir ab 20 Uhr zum ersten Eule-Live-Abend im Jahr 2024 ein. Mehr Informationen zur Teilnahme finden sich hier. Wir wollen gemeinsam überlegen, wie christliche Online-Communities zu Orten werden können, an denen Menschen Stärkung und Orientierung finden können. Denn zur „inneren Freiheit“ der Christen gehörte stets das Eingebundensein in eine (Haus-)Gemeinschaft, einen Reisetrupp in Richtung Reich Gottes.
Eine gute Woche wünscht
Philipp Greifenstein
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Debatte
Die Wut der Bauern – Ingwar Perowanowitsch (taz)
Zu den Nachrichten unserer Tage gehören die Meldungen von den Bauernprotesten überall in Deutschland. Wer – wie ich – im so hübsch benannten ländlichen Raum wohnt, erlebt sie anders als Stadtbewohner:innen. Jene werden von dutzenden und hunderten Traktoren in ihren Wegen gestoppt, wir hier auf dem Land erleben Bäuerinnen und Bauern und ihre Unterstützer:innen in vielen Gesprächen und Messenger-Postings. Auch wenn auf dem Land zunehmend weniger Menschen in der Landwirtschaft beschäftigt sind, eine Meinung zu ihr hat fast jede:r.
In der taz erklärt Ingwar Perowanowitsch die Bedeutung der Proteste multiperspektivisch: Nutzen die Proteste „den“ Bauern? Was sind Auslöser und Gründe für die Unzufriedenheit, was mögliche Lösungsansätze?
In der Tat ist der Reformstau in der Landwirtschaft riesig. Viele Bauern sind Leidtragende eines Systems, das grundlegend reformiert gehört. Gebaut auf Masse statt Klasse, Tierleid statt Tierwohl, Export statt Selbstversorgung und schnellem Profit statt echter Verantwortung für die Natur.
Gleichzeitig leiden viele Bauern unter diesem Image. Sie fühlen sich zu Sündenböcken erklärt, zu Unrecht für Umweltprobleme verantwortlich gemacht und von Regeln und Gesetzen aus der Stadt gegängelt. Der angekündigte Abbau der Subventionen war somit nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Denn eines ist klar: Aus der Makroperspektive ist das Problem vieler Bauern natürlich nicht, dass der Diesel etwas teurer wird. Es sind vielmehr riesige Betriebe, die das Spiel nach ihren Regeln gestalten, es ist die Marktmacht von Rewe, Edeka, Aldi & Co, die Billigkonkurrenz aus dem Ausland, die flächenorientierte Subventionspolitik der EU und die „Geiz ist Geil“-Mentalität der deutschen Verbraucher.
Am vorläufigen Ende der Protestwelle könnten wir den Versuch unternehmen, auf die zugrundliegenden Sachfragen zu kommen. Dass soll die gefährliche Unterwanderung bzw. Organisation mancher Proteste durch rechtsradikale Organisationen nicht verharmlosen. Aber sie wollen Aufmerksamkeit ja gerade nicht für die Zukunftsfragen der Landwirtschaft, sondern für sich und ihre Umsturzphantasien schaffen, wie Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach auf seinem Blog „Haltungsturnen“ schreibt.
Wir können beides zugleich schaffen: Die Gefahr von Rechts benennen, erkennen und bekämpfen und vom Hass weg hin zu den Sachfragen kommen, deren Lösung nur einer demokratischen Gesellschaft zugänglich sind. Moritz Findeisen kritisiert in der Christ in der Gegenwart deshalb auch die Unionsparteien, die „über kurz oder lang ihren und unser aller Handlungsraum“ verspielen:
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Dieses Vorgehen ist nicht nur unanständig, sondern brandgefährlich: Der Habitus, die Grünen – wahlweise die Ampel, die Ausländer oder „die da oben“ – für jede Krise oder gesellschaftliche Herausforderung verantwortlich zu machen, darf nicht länger um sich greifen. Er zerstört politisches Vertrauen und verunmöglicht dringend nötige Transformationen in Technologie, Ökologie und Sicherheitspolitik. Man mag sich diesen Notwendigkeiten mit allen Mitteln verschließen, ändern werden sie sich dadurch nicht.
Ingwar Perowanowitsch endet demgegenüber in der taz fast schon bei einer hoffnungsvollen Zukunftsvision:
Der größte Erfolg der Bauern wäre daher nicht die Rücknahme der angekündigten Maßnahmen. Der größte Erfolg wäre, wenn die Proteste zum Anlass genommen würden, um die jahrelang gewachsenen strukturellen Missstände in der Landwirtschaft politisch zu korrigieren.
Kristina Kühnbaum-Schmidt: Solide Agrarpolitik muss die sozialen, ökologischen und ökonomischen Perspektiven gleichermaßen in den Blick nehmen (EKD)
Kristina Kühnbaum-Schmidt ist Landesbischöfin der Ev.-Luth. Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) und im Ehrenamt Beauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für Schöpfungsverantwortung. Das ist mit Blick auf die Struktur ihrer Landeskirche, die von Schleswig bis Vorpommern reichlich ländliche Räume umfasst, eine spannende Doppelbeauftragung. Zum Abschluss der Protestwoche würdigt sie die Arbeit in der Landwirtschaft und äußert sich ausführlich zu den drängenden Zukunftsfragen (PDF):
Die Veränderung hin zu einer nachhaltigen und global-gerechten Lebens- und Wirtschaftsweise ist dringend notwendig – denn hier geht es auch um Zukunft: für die künftigen Generationen und für das Leben auf unserem Planeten überhaupt. Dieser Veränderungsbedarf betrifft auch die Ernährungs- und Landwirtschaft. Der Dialog mit allen Beteiligten sowie Kompromiss- und Umsetzungsbereitschaft auf allen Seiten ist dafür zentral. Bereits unter breiter Beteiligung, z. B. in der Zukunftskommission Landwirtschaft oder der Borchert-Kommission erarbeitete Umbaukonzepte, müssen von den politischen Entscheidungstragenden berücksichtigt werden.
Gleichzeitig brauchen wir fortlaufend ein breites gesellschaftliches Gespräch dazu, wie der Umbau zu einer nachhaltigen, klimaverträglichen, an Bedürfnissen der Verbraucher:innen, am Tierwohl und an den sozialen und ökonomischen Bedürfnissen der in der Landwirtschaft tätigen Menschen orientierten Landwirtschaft gelingen kann.
Ich bin sicherlich nicht der einzige, der bei „Zukunftskommission Landwirtschaft“ und „Borchert-Kommission“ für die Nutztierhaltung gestutzt hat: Wat is denn dat? Eine kleine Recherche später kommt ans Licht: Bei beiden Kommissionen handelte es sich um beratende Gremien beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), an denen Vertreter:innen aus Landwirtschaft, Wissenschaft und den Wertschöpfungsketten bis zum Sättigungsgefühl teilgenommen haben.
In den Jahren 2021 bzw. 2022 wurden die Abschlussberichte / Empfehlungen veröffentlicht (s. hier & hier). Auf S. 48 ff. des Berichts der Zukunftskommission Landwirtschaft (PDF) findet sich zum Beispiel eine „Gemeinsame Vision zur Zukunft der Landwirtschaft“. Und am Ende der nur vier Seiten umfassenden „Empfehlungen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung“ (PDF) findet sich eine Mahnung, die zugleich auf eine gelingende Landwirtschaft in der Zukunft verweist:
Die sowohl von zentralen Stakeholdern wie auch von Bundesrat, Bundestag und Agrarministerkonferenz unterstützte Tierwohlstrategie des Kompetenznetzwerkes für die Nutztierhaltung bietet die große Chance auf eine Nutztierhaltung, die gesellschaftlich deutlich breitere Akzeptanz als bisher erfährt und deren Wettbewerbsfähigkeit dennoch erhalten bleibt. Sie bietet aufgrund der implizierten Reduzierung der Bestandsgrößen und der Tierzahlen auch Chancen für den Klimaschutz. Die hierfür erforderlichen rechtlichen und förderpolitischen Rahmenbedingungen können nur durch die Politik geschaffen werden.
Warum nicht gleich so?
In seinem taz-Artikel erklärt Ingwar Perowanowitsch auch die Arbeit des Bündnisses „Wir haben es satt“. Auch dort fänden sich Produzent:innen und Konsument:innen an einem Tisch wieder. „Unsere Forderungen gehen weit über Agrardiesel und Kfz-Steuer hinaus, weil wir das Gesamtbild anschauen“, erklärt Bündnis-Sprecherin Inka Lange. Eine komplexe Lage verlangt nach mehr als einfachen Antworten.
Die verschiedenen Kommissionsergebnisse, die Einschaltungen der Beauftragten des Rates der EKD für Schöpfungsverantwortung und die Forderungen des Bündnisses „Wir haben es satt“ haben viele inhaltliche Überschneidungen. Man darf annehmen, dass die formulierten Visionen, Ziele und Handlungsschritte sich auch großer Akzeptanz in der Bevölkerung erfreuen. Warum dann nicht (gleich) so? Eine weitere Gemeinsamkeit der gut gemeinten und gemachten Vorschläge ist ihre Komplexität. Oder verkürzt: Ihre Nicht-Kampagnenfähigkeit.
Einfache Botschaften lassen sich fahneschwenkend auch noch mit einer Pulle Bier in der Hand vom Trecker oder Bagger brüllen. Transformation ist ein bisschen langwieriger. „Wende Hass und Feindessinn auf den Weg des Friedens hin“, singen wir im Lied „Komm in unsre stolze Welt“ (EG 428) zumindest gelegentlich im Gottesdienst. So ein Friedensweg des Kompromisses und Ausgleichs verlangt von allen Akteur:innen den Abschied vom eigenen Stolz und die Überwindung von Macht- und Geldinteressen. Er braucht – wie alle Wege – vor allem Zeit und darum Geduld. Auch von der Bevölkerung.
Und Zachäus macht mit: Für eine gerechte Umverteilung – Tobias Foß (Die Eule)
Sich mit den Bauern anzulegen, um Etatlöcher zu stopfen, sei keine kluge Idee gewesen, erklärt Ingwar Perowanowitsch in der taz. Das mangelnde Geld im Bundeshaushalt für die zahlreichen Transformationsprojekte der Bundesregierung ist das Grundproblem. In der Januar-Ausgabe unserer Kolumne „Tipping Point“ zeigt Tobias Foß, dass es durchaus einige Ideen gibt, woher das Geld für die sozial-ökologische Transformation der Gesellschaft kommen könnte.
Die biblischen Bücher präsentieren einen Gesellschaftsentwurf, der von Freiheit und Gleichheit geprägt ist. Die biblischen Autor*innen und Akteur*innen treten parteilich für die Randständigen ein und brechen mit der Logik einseitiger Privilegiensysteme. […] Es bleibt zu hoffen, dass sich die Kirche im Jahr 2024 viel stärker vernetzt mit Organisationen, Gewerkschaften und gar parteipolitischen Programmen, die für eine gerechtere Gesellschaft agieren und auf den sozialen Ausgleich setzen.
nachgefasst I: Israel und Palästina
Weltgebetstag der Frauen: Auf Gratwanderung – Christoph Renzikowski (KNA, katholisch.de)
Auf einer „Gratwanderung“ sieht Christoph Renzikowski von der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) den diesjährigen Weltgebetstag der Frauen, der maßgeblich von Frauen aus Palästina vorbereitet wurde (s. #LaTdH vom 5. November 2023). Im Lichte des Pogroms vom 7. Oktober wurden die Programmempfehlungen für Deutschland überarbeitet und nehmen nun stärker Erkenntnisse des jüdisch-christlichen Dialogs auf. Renzikowski schaut auf den wochenlangen Konflikt der unterschiedlichen Akteur:innen aus Deutschland, Palästina und der internationalen Organisation zurück.
Zwei Fürbitten hat das deutsche Komitee eingefügt, „für alle, die seit dem 7. Oktober 2023 in Israel und Palästina in unvorstellbarem Ausmaß unter Terror, Not und Krieg und sexualisierter Gewalt leiden“, und „für Jüdinnen und Juden, die sich hier in Deutschland nicht sicher fühlen, die Drohungen und Anschlägen ausgesetzt sind“. In Fußnoten, Vorworten und weiteren Erläuterungen zu Liedern und Texten werden Teile der laut gewordenen Kritik aufgenommen. Und in der Ansage zur Kollekte, bei der in Deutschland im Schnitt 2,5 Millionen Euro zusammenkommen, wird auf Beispiele der Zusammenarbeit von palästinensischen und israelischen Frauen verwiesen.
Als Zensur wollen die deutschen Weltgebetstagsfrauen ihre Nacharbeit an den Vorlagen keinesfalls verstanden wissen. Sie sprechen von „Kontextualisierung für die spezielle deutsche Situation“. Dieses Vorgehen sei mit der internationalen Zentrale in New York und auch mit den Palästinenserinnen besprochen. Was nicht heißt, dass alle Differenzen untereinander ausgeräumt wurden.
In den kommenden Wochen werden hierzulande wieder viele Vorbereitungstreffen in den Kirchgemeinden stattfinden und schlussendlich dann Anfang März Veranstaltungen zum Weltgebetstag. Sie bieten einen hervorragenden Anlass, die Situation in Israel und den palästinensischen Gebieten zu reflektieren. Dazu bringen die Akteur:innen vor Ort auch je eigene Kompetenzen aus zum Teil jahrzehntelanger Weltgebetstagsarbeit mit. Ihnen ist zuzutrauen, mit der Fülle an Informationen und Perspektiven einen konstruktiven Umgang zu finden. Gehen wir doch wieder einmal hin!
„Retraumatisierung einer ganzen Gesellschaft“ – Interview mit Meron Mendel von Eckart Aretz (tagesschau.de)
Im „Tagesschau“-Interview erklärt Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, nach einem Besuch in Israel die aktuelle Lage im Land. Im Gespräch geht es um das Schicksal der Hamas-Geiseln, die Kriegsführung Israels und die mangelnde internationale Solidarität. Auch auf den Nutzen, den der Krieg für die Regierung von Benjamin Netanjahu hat, geht Mendel ein. Es ist eine vertrackte Lage, unter der Israelis wie Palästinenser:innen leiden. Doch trotz aller Schwierigkeiten sieht Mendel auch einen Weg nach vorn:
„Weder auf der palästinensischen noch auf der israelischen Seite wird über langfristige politische Lösungen gesprochen. Es gab keine einzige Sitzung des israelischen Kabinetts, auf der, abgesehen von Floskeln, ein Thema war, was das politische Ziel des Krieges ist. Was soll danach im Gazastreifen geschehen? Deshalb ist es Aufgabe der internationalen Gemeinschaft, den Israelis klar zu sagen: Ein Krieg ohne politisches Ziel, ohne eine Vision ist kein legitimer Krieg. […]
Aus meiner Sicht gibt es nur eine tragbare Lösung. Und das ist eine gemeinsame Regierung von Westjordanland und Gaza unter der Führung der palästinensischen Autonomiebehörde, und das kann nur unter zwei Bedingungen passieren. Die Autonomiebehörde verpflichtet sich, die Verantwortung über Gaza zu übernehmen und bekommt im Gegenzug die Unterstützung von Israel und der internationalen Gemeinschaft. Und, das ist ganz wichtig, auch die Anerkennung als palästinensischen Staat. Die Palästinenser artikulieren schon lange den Wunsch nach Gründung eines palästinensischen Staats. Und es ist an der Zeit, dass sie diesen Wunsch mindestens auf die symbolische Ebene durch Anerkennung durch die Vereinten Nationen und die Weltgemeinschaft durchsetzen können.“
nachgefasst II: „Fiducia supplicans“
Afrikanische Bischofskonferenzen zu „Fiducia supplicans“: „Erklärung hat eine Schockwelle ausgelöst“ – Fridolin Ambongo Besungu (kath.ch)
Zahlreich wurden inzwischen die internationalen Reaktionen auf das vatikanische Schreiben „Fiducia supplicans“ diskutiert. Sie sind zumeist ablehnend, vor allem wenn sie aus afrikanischen Diözesen kommen. Und sie haben bereits Erfolge gezeitigt, denn der Vatikan hat sich zu weiteren peinlichen Einordnungen gedrängt gesehen (s. #LaTdH von vergangener Woche). Beim schweizerischen katholischen Nachrichtenportal kath.ch kann man sich nun die Erklärung von Kardinal Fridolin Ambongo Besungu, dem Präsidenten des gesamt-afrikanischen Bischofsrats SECAM, im Wortlaut zu Gemüte führen:
„Zusammenfassend sind die Bischofskonferenzen in ganz Afrika, die ihre Gemeinschaft mit Papst Franziskus nachdrücklich bekräftigt haben, der Meinung, dass die in der Erklärung Fiducia supplicans vorgeschlagenen ausserkirchlichen Segnungen in Afrika nicht durchgeführt werden können, ohne sich Skandalen auszusetzen. Sie erinnern den Klerus, die religiösen Gemeinschaften, alle Gläubigen und alle Menschen guten Willens daran, dass die Lehre der Kirche über die christliche Ehe und die Sexualität unverändert bleibt, wie es Fiducia supplicans eindeutig vorsieht.
Aus diesem Grund halten wir, die afrikanischen Bischöfe, es für Afrika nicht für angebracht, homosexuelle Partnerschaften oder gleichgeschlechtliche Paare zu segnen, da dies in unserem Kontext Verwirrung stiften würde und in direktem Widerspruch zum kulturellen Ethos der afrikanischen Gemeinschaften stehen würde. Die Sprache von Fiducia supplicans ist für einfache Menschen zu subtil, um sie zu verstehen. Ausserdem ist es sehr schwer glauben zu machen, dass gleichgeschlechtliche Menschen, die in einer festen Verbindung leben, nicht die Legitimität ihres eigenen Status beanspruchen. Wir, die afrikanischen Bischöfe, beharren auf dem Aufruf zur Bekehrung aller.
Gelegentlich wird ja in den deutschsprachigen Debatten den hießigen Kritiker:innen von „Fiducia supplicans“ aus „linken queeren katholischen Milieu[s]“ vorgehalten, sie könnten die befreiende Wirkung des Schreibens für Kontexte im Globalen Süden nicht ausreichend wertschätzen. Vielleicht müsste man solche diskursiven Schnellschüsse eingedenk der Ablehnung aus den afrikanischen Diözesen noch einmal überarbeiten.
Buntes
Vielfalt statt Nationalismus – Michael Young (Qantara.de)
Vor dem Hintergrund wachsender regionaler und globaler Probleme bietet die kosmopolitische Vergangenheit der Städte im östlichen Mittelmeerraum mögliche Lösungsansätze, erklärt Michael Young in seinem Essay bei Qantara.de, der Plattform der Deutschen Welle für den Dialog mit der arabischen Welt.
Eine tiefer gehende Frage ist vielmehr, ob die Nationalstaaten heute noch die Rolle spielen, die ihnen zugedacht ist. Für Menschen in der entwickelten Welt, in der das Staatensystem nach wie vor den Rahmen für die internationalen Beziehungen bildet, mag dies eine seltsame Frage sein. Aber in weiten Teilen des Nahen Ostens sowie in großen Teilen Afrikas und Asiens sind immer mehr Staaten chronisch dysfunktional, wenn sie nicht gar zerfallen. Vielerorts haben nichtstaatliche Akteure die von den Staaten hinterlassenen Leerstellen besetzt und ein Geflecht aus Korruption und Kriminalität geschaffen, das es den Staaten unmöglich macht, auch nur Minimalziele zu erreichen.
Theologie
Benedikt XVI, der Jerry Lee Lewis der Theologie – Alan Posener (starke-meinungen.de)
Alan Posener ist weder Theologe noch „Chef – oder Ex-Chef – einer Weltkirche“, hat es sich aber nicht nehmen lassen, anlässlich der Ankündigung neuer Veröffentlichungen aus der Feder des vor einem Jahr verstorbenen Joseph Ratzinger / Papst Benedikt XVI. einmal auf eine seiner Predigten zu schauen. Ein paar Erzeugnisse des homiletischen Alterswerks Ratzingers sollen demnächst veröffentlicht werden. Darüber schreibt Lucas Wiegelmann unter einer maximal raunenden Überschrift in der WELT: „Sein geheimes Vermächtnis“ (€).
Posener hingegen zeigt, dass mit größerer Substanz nicht zu rechnen ist. Im Gegenteil: Was Ratzinger als Papst emeritus predigte, nimmt offenbar fast 80 Jahre jüdisch-christlichen Dialog und gemeinsame theologische und exegetische Arbeit überhaupt nicht zur Kenntnis. Es riecht verdächtig nach dem ollen christlichen antijudaistischen Chauvinismus.
Ein guter Satz
„Ich hatte schon immer das zweifelhafte Vergnügen, von weißen Männern repräsentiert zu werden.“
– Alice Hasters („Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten“) im ZEIT-Doppelinterview mit Susan Neiman über linke Identitätspolitik