7 To-Dos für Verbündete in Kirche und Theologie
Was können wir in der Kirche und universitären Theologie unternehmen, um diskriminierte Menschen zu unterstützen. Eine etwas andere To-Do-Liste vor dem Sommerurlaub für gute Verbündete:
Kurz vor dem Sommerurlaub werden die To-Do-Listen bei den meisten erfahrungsgemäß immer erstmal noch ein bisschen länger. Da ist es sicherlich nicht das beste Timing, noch ein paar To-Dos zu ergänzen. Trotzdem kommt jetzt eine Liste von Vorschlägen, wo und wie in kirchlicher Praxis und universitärem Kontext ein paar größere oder kleinere Veränderungen möglich wären, die Menschen die Räume eröffnen oder offenhalten, die sich gar nicht aussuchen können, ob diese Themen für sie auf einer To-Do-Liste stehen oder nicht, weil sie für sie Alltag sind.
Diese Liste verfasse ich nach bestem Wissen und Gewissen, aber für die meisten Aspekte bin ich keine Expertin. Ich sehe mich aber als weiße straight cis able-bodied ally in der Verantwortung, diese Dinge anzusprechen und mein Möglichstes zu tun, um Hürden abzubauen. Ich entschuldige mich bei den Erfahrungsexpert*innen im Voraus, dass ich Anliegen hier nicht angemessen vertrete oder formuliere und bin dankbar für jede Korrektur oder Ergänzung.
Es braucht Zeit, Input und womöglich auch direkte Gespräche, um Grenzen zu und Vorannahmen über Menschen, mit denen jede*r in unterschiedlicher Weise durchs Leben geht, zunächst zu erkennen und dadurch hoffentlich abzubauen. Es ist nicht Aufgabe von diskriminierten Gruppen, Privilegierte auf ihre Privilegien aufmerksam zu machen.
Welchen Unterschied aber z. B. sexuelle Identität oder Orientierung im alltäglichen Leben in dieser Gesellschaft machen oder welchen rassistischen Denkmustern People of Colour tagtäglich begegnen, ist dem Großteil der Dominanzgesellschaft unbewusst. Dass Personen, die als „nicht normal“ gelesen werden, dennoch Einblicke in ihre Lebensvollzüge und Diskriminierungserfahrungen geben, ist augenöffnend und eine große Chance für privilegierte Personen, zu denen ich mich zähle.
Dabei können Bücher wie z. B. „Ich bin Linus. Wie ich der Mann wurde, der ich schon immer war“ von Linus Giese oder Alice Hasters „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten“ ebenso hilfreich sein wie auch Podcasts, z. B. von Tupoka Ogette der tupodcast oder Enissa Amanis preisgekröntes YouTube-Video „Die beste Instanz“. Es gibt verschiedene Twitter-Accounts, z. B. die von Raul Krauthausen (@raulde) oder Julia Probst (@EinAugenschmaus) oder Instagram-Auftritte wie vom Geschwisterpaar @notjustdown oder auch den vom öffentlich-rechtlichen Content-Netzwerk Funk finanzierten YouTube-Channel Datteltäter.
Neben diesen Beispielen bestehen unzählige weitere Möglichkeiten, Einblicke in den Alltag diskriminierter Menschen zu erhalten und so den eigenen Blick auf die Gesellschaft zu korrigieren, zu schärfen und möglicherweise auch das eigene direkte Umfeld auf Diversität hin zu überprüfen. Aller Wahrscheinlichkeit nach spiegelt sich die gesellschaftliche Vielfalt nicht im kirchlichen oder universitären Nahbereich wider. Meines Erachtens muss es auch nicht das „Ziel“ sein, dass sich Gesellschaft eins zu eins in Kirche oder universitärer Theologie abbildet. Aber es muss ein Ziel sein, dass Exklusionsmechanismen und strukturelle Diskriminierung abgebaut werden und allen die Möglichkeit eröffnet wird, sich in Kirche oder Theologie einzufinden.
Einige Abschnitte meiner To-Do-Liste enthalten mehr Fragezeichen als andere und sollen so zum Nachdenken anregen. Diese Liste kann nicht vollständig sein und ist darauf angelegt, dass sie immer weiter fortgeschrieben wird.
1.
Jede*r kann in der eigenen E-Mail-Signatur oder in Social-Media-Profilen die Pronomen, die mensch für sich verwendet, schreiben und ggf. darum bitten, dass andere Personen die von ihnen verwendeten Pronomen mitteilen. Im besten Falle wird dadurch verhindert, dass andere Menschen eine*n selbst oder mensch selbst Kommunikationspartner*innen misgendert.
Insbesondere im universitären Kontext kann eine Willkommens-E-Mail an die Studierenden vor Semesterbeginn Hürden abbauen, in der mensch nach Pronomen als auch nach anderen Dingen fragt, die für einen gelingenden Veranstaltungsverlauf hilfreich wären. Gleiches wäre auch im kirchlichen Kontext, z. B. vor Start einer neuen Konfi-Gruppe, eine gute Möglichkeit, um sensibler auf Lernschwächen eingehen zu können.
2.
Gerade sind die meisten gemeinsam genutzten Gebäude noch nicht wieder im Vollbetrieb, aber wenn Menschen da sind, werden früher oder später Toiletten benötigt. Die meisten sind streng binär in Frauen- und Männertoiletten aufgeteilt. Damit spiegeln sie nicht das geschlechtliche Spektrum wider. Welche Möglichkeiten gäbe es hier? Z. B. statt Piktogrammen, die diese beiden Geschlechterkategorien versinnbildlichen sollen, „Toilette mit Pissoir“ als Aufschrift zu nutzen. Zudem wäre es gut, eine dritte Toilette einzurichten, die so einen persönlichen Raum für nicht-binäre Menschen schafft. Ein nettes Zeichen des Willkommenseins: Auf allen (!) Toiletten sollten Menstruationsprodukte angeboten werden. Denn es menstruieren nicht nur Personen, die auf „Frauentoiletten“ gehen.
3.
Wo wir schon beim Thema Gebäude sind: Leider sind noch längst nicht alle Gemeindehäuser, Kirchen und kirchliche Häuser, aber auch nicht alle Universitätsgebäude wirklich barrierefrei. Ja, es geht um zum Teil schwierige bauliche Herausforderungen. Und ja, ich weiß auch nicht, ob überall Barrierefreiheit geschaffen werden kann. Aber ich weiß, dass es überall probiert werden sollte.
4.
Weiter geht’s beim Thema Gebäude: Personen, die länger an einem Ort sind, erkennen manchmal nicht mehr, welche „Bildprogramme“ sich z. B. durch ein Kirchengebäude ziehen. Ich will keinen Bildersturm auslösen, aber ein geschärfter Blick z. B. für Darstellungen vom weißen muskulösen männlichen Jesus am Kreuz oder für koloniale Kunst, die vielleicht auf frühere Kontakte zu Missionsgesellschaften zurückgeht, kann zu einer neuen Auskunftsfähigkeit oder auch zu der Überlegung führen, Bilder zu kommentieren oder Kunst zu entfernen.
5.
Bleiben wir bei den Bildern. Welche Bilder werden auf Websites, im Gemeindebrief, auf Veranstaltungsplakaten verwendet? Welche wahrscheinlich heteronormativen Familienbilder werden vermittelt? Welche Personen werden als repräsentativ für eine Ausbildungseinrichtung oder eine Kirchengemeinde erachtet, sodass sie die Bilder füllen – und welche Menschen werden nicht gezeigt? Welche Bilder werden in Informationsmaterial für Spendenaufrufe verwendet – insbesondere, wenn Gelder für Personen oder Arbeit in diakonischen Einrichtungen oder in anderen Ländern gesammelt werden soll? Auch hier „lohnt“ sich der geschärfte Blick, um nicht dadurch Menschen abzustoßen oder zu stigmatisieren.
6.
Neben gegenständlichen sind auch sprachliche Bilder prägend – insbesondere in der liturgischen Sprache. Wird ein Psalm im Wechsel zwischen Frauen und Männern gelesen, dann können nicht-binäre Personen nicht mitbeten. Welches Pronomen wird für G*tt verwendet? Sprachbilder wie „blinde Wut“ können sehbeeinträchtigte Personen kränken. Wie ist über Heilungsgeschichten zu predigen im Angesicht chronisch kranker Menschen oder Menschen mit Behinderung?
7.
Kirche und universitäre Theologie haben beide jeweils eigene Bildungsaufträge, die man aus intersektionaler Perspektive bereichern kann. Z. B. können Vereine, die im Queere Bildung e. V. verbunden sind, in den Konfirmationsunterricht, in Pfarrkonferenzen oder Kirchenvorstands- bzw. Presbyteriumssitzungen eingeladen werden. Die genannten Medienangebote und viele weitere könnten in der Erwachsenenbildung eingesetzt werden. Zu unbewussten Vorurteilen hat bspw. das Studienzentrum der EKD für Genderfragen Hinweise auf einer Website gebündelt, die so leicht in Gremien diskutiert werden können.
An Hochschulen sollte eine eigene Sensibilität für Arbeiter*innenkinder entwickelt werden. Neben sozialen Exklusionsmechanismen treten inhaltliche: Der „Kanon“ müsste insbesondere auf sein Verhältnis zu nicht-deutschen The*logien, nicht-weißen The*logien aber auch zu The*logien, die nicht von Männern entworfen wurden, hin durchdacht werden. Hier zeigen sich massive Defizite. Befreiungsthe*logische Impulse und schlichtweg nicht-deutschsprachige The*logie werden nicht als Teil des examensrelevanten Curriculums verstanden, sondern maximal als Addenda verhandelt. Interkulturelle Theologie wird an den verschiedenen Standorten bisher in unterschiedlichem Maße gelehrt, doch stehen entsprechende Begegnungsorte wie die FH Hermannsburg vor der Schließung.
Für den Abbau von Diskriminierung in Kirche und Theologie sind noch viele Schritte zu gehen. In den meisten Landeskirchen wurden einige von ihnen bereits in Angriff genommen, z. B. bezüglich der Trauung von gleichgeschlechtlichen Paaren. Derzeit findet zumindest in einigen Teilen der Gesellschaft ein Lernprozess darüber statt, welche Diskriminierungs- und Exklusionsformen bisher unkritisch übernommen wurden und welche Änderungen anzudenken oder umzusetzen sind.
Kirche und Theologie müssen diesen Weg des Sich-Öffnens und Sensibilisierens mitgehen, wenn sie eine Zukunft in dieser Gesellschaft haben wollen. Kirche und Theologie sind dazu, meines Erachtens, durch den Auftrag und das Vorbild Jesu verpflichtet, alle Menschen und das heißt auch Marginalisierte als Nächste wahrzunehmen und da, wo es sich ergibt, gemeinsam Jesus nachzufolgen.
Die Gesellschaft hat sich schon längst verändert. Neben den genannten Autor*innen oder Content-Produzent*innen gibt es noch viele weitere, die ihre Stimmen laut erheben, von struktureller Diskriminierung berichten und so die Gesellschaft, deren Teil sie längst waren und sind, weiter verändern. Und selbstverständlich passiert viel gesellschaftlicher Wandel im direkten Kontakt und Austausch in Kita, Schule, am Arbeitsplatz, beim Hobby, im Freund*innenkreis, beim Einander-Wahrnehmen auf dem Bürger*innensteig. Es ist nicht so, dass jetzt auf einmal Menschen dazu kämen und mensch sich „jetzt auch noch um die kümmern müsste“ – Nein!
Diese Menschen waren immer da, sie sprechen für sich – und ihre Beachtung als gleichberechtigte Mitbürger*innen schärft sich hoffentlich schrittweise immer mehr ein und lässt Taten folgen, wo noch nicht gleiche Möglichkeiten für alle bestehen.