Ukraine-Krieg: Die Religions- und Kirchennachrichten im Überblick
Zum Krieg in der Ukraine gibt es aus den Kirchen und Religionsgemeinschaften Stellungnahmen und Einordnungen. Welche Rolle spielt die Religion? Ein Überblick.
Der Krieg in der Ukraine ist am 24. Februar in eine neue Phase eingetreten. Die Ukraine wird von allen Seiten von der russischen Armee angegriffen. Die militärische Lage ist unübersichtlich. Bestätigt sind russische Angriffe in den von Russland anerkannten „Volksrepubliken“ im Donbas, aber auch auf militärische Einrichtungen in anderen Städten und Regionen der Ukraine.
In diesem Artikel informieren wir fortlaufend über Stellungnahmen und Einordnungen aus den Religionen und Kirchen zum Krieg in der Ukraine.
Ukainischer Rat der Kirchen und Religionsgemeinschaften ruft Putin auf, den Krieg zu stoppen
Bereits am 23. Februar rief der Ukrainische Rat der Kirchen und Religionsgemeinschaften (UCCRO) den russischen Präsidenten Wladimir Putin auf, den Krieg zu stoppen. Im Rat sind die orthodoxen, katholischen und evangelischen Kirchen des Landes sowie Juden und Muslime vertreten. Den gesamten Aufruf dokumentiert der UCCRO auf seiner Website (auf Englisch). Hier eine Übersetzung:
Wir, die Leitungen der religiösen Gemeinschaften des Ukrainischen Rates der Kirchen und Religionsgemeinschaften, der sechzehn Religionsgemeinschaften unterschiedlicher Konfession und Religion umfasst, die mehr als 95 % der religiösen Gemeinschaften in unserem Land umfassen – orthodoxe, katholische und protestantische Christen, Juden und Muslime – rufen Sie im Namen des Allmächtigen an, den Krieg zu stoppen, denn dies steht in ihrer Macht.
Wir bekennen einmütig und entschieden, dass das ukrainische Volk keinen Krieg sucht, und wir halten es für die gemeinsame Pflicht der Gläubigen, ihn einzustellen, bevor es zu spät ist.
Das Gebot des Allmächtigen “Du sollst nicht töten!“ hält den uneingeschränkten Wert menschlichen Lebens fest und Gottes schwere Strafe für den Mörder. Ein Angriffskrieg ist ein Verbrechen gegen den allmächtigen Gott. Um die Leben von ukrainischen und russischen Soldaten sowie ukrainischer Zivilisten zu retten, müssen wahre Gläubige alles unternehmen, um das Blutvergießen zu beenden.
Der einzig fromme Weg, um Widersprüche und Konflikte zu lösen, ist der Dialog. Wir laden Sie zu einem solchen friedensstiftenden Dialog ein. Der Ukrainische Rat der Kirchen und Religionsgemeinschaften steht bereit, zu einem solchen Dialog beizutragen und alle notwendigen Schritte in die Wege zu leiten, die einer Entspannung zwischen unseren Staaten, einer Rückkehr zum Frieden, der Verhütung neuer großer Konfliktlagen und der Verständigung und Zusammenarbeit der Völker der Erde dienen können.
In allen religiösen Traditionen grüßen wir einander mit dem Friedenswunsch „Friede sei mit Dir!“. Möge dieser Gruß nicht allein ein Aufschrei, sondern das Fundament unseres gemeinsamen Weges unter Gottes Augen sein!
Heute beten wir zum Schöpfer der Welt besonders um Weisheit für diejenigen, in deren Händen die Entscheidungen liegen, die so wichtig sind für die ganze Welt, in deren Händen das Schicksal der Menschheit liegt. Das meint vor allem auch Sie, den Präsidenten der Russischen Föderation. Unser Gebet ist voll der Hoffnung auf die Gnade des Allmächtigen Gottes und die Bereitschaft der Herzen, diese anzunehmen.
Osteuropa-Hilfswerk der katholischen Kirche: „Wir müssen uns auf Flüchtlingsströme einstellen“
Thomas Schwartz, Hauptgeschäftsführer von Renovabis, dem Osteuropa-Hilfswerk der katholischen Kirche in Deutschland, spricht im Interview mit Vatican News vom Nachmittag des 23. Februar über den Friedensappell von Papst Franziskus, das bisherige Engagement von Renovabis im Land und die Folgen einer Verschärfung des Ukraine-Krieges für Deutschland:
„[Wir müssen uns langsam darauf einstellen], dass, sollte es tatsächlich noch zu weiteren Eskalationen kommen, die mit neuen Flüchtlingsströmen verbunden sind – es gibt ja jetzt schon anderthalb Millionen Binnenflüchtlinge in der Ukraine! –, die Ukraine selber, dieses Land, das dann im Krieg und vom Krieg gebeutelt sein wird, das nicht mehr auffangen können wird. Dann müssen wir uns darauf vorbereiten in den europäischen Staaten, dass wir nicht nur schöne Worte, sondern auch wichtige Unterstützungsmaßnahmen im Sinne einer Aufnahme von Flüchtlingen organisieren müssen.“
Friedensappelle und -Gebete in den Kirchen
An vielen Orten werden derzeit Friedensgebete für die Menschen in der Ukraine organisiert. Vertreter:innen der Kirchen rufen zum Gebet auf und appellieren an Russland, die Kampfhandlungen einzustellen.
Die Auslands-Bischöfin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Petra Bosse-Huber, hat sich mit einem Brief an die Leitungen der Evangelisch-Lutherischen Kirche Europäisches Russland und der deutschen evangelisch-lutherischen Kirche in der Ukraine gewandt und so ihre Verbundenheit mit beiden Kirchen zum Ausdruck gebracht. Wie die EKD mitteilt, schreibt sie darin u.a.:
„Wir rufen alle Christinnen und Christen weltweit zum Gebet für die Menschen in der Ukraine und in Russland auf und wir bitten, wie es im sonntäglichen Gottesdienst der östlichen Kirchen heißt, um den Frieden der ganzen Welt und die Erlösung von aller Bedrängnis, Zorn und Gefahr.“
Welche Rolle spielen die Religionen im Ukraine-Konflikt?
Seit Jahren spiegelt sich der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine auch auf dem Feld der Religion. Die orthodoxe Christenheit, die die Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung umfasst, ist tief gespalten. Einen aktuellen Einblick gibt ein kurzer Bericht der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) beim Kölner Domradio.
Der Konflikt ist in jedem Fall aber komplexer, als eine simple Gegenüberstellung von Moskauer Patriarchat und Kyiver Patriarchat vermuten lässt. Bereits 2018 sprach Die Eule mit dem Ostkirchenkundler Reinhard Thöle, zuletzt Professor an der MLU Halle-Wittenberg, über die Hintergründe des Streits innerhalb der Orthodoxie:
„Ich wehre mich ein wenig dagegen, dem Patriarchat Moskau alles Böse zuzuschreiben und den anderen Kirchen alles Gute, wie es in vielen Darstellungen häufig zu finden ist.
Der Moskauer Patriarch stammt aus einer Priesterfamilie, sein Vater und Großvater haben unter dem Kommunismus gelitten. Er selbst vertritt primär pastorale Anliegen. Natürlich ist die Orthodoxie in Russland ein wichtiger Baustein der nationalen Identität, aber mit dem Generalverdacht von der zu großen Staatsnähe der russischen Orthodoxie sollte man vorsichtiger umgehen.“