Newsletter #LaTdH

Kantige Klarheit – Die #LaTdH vom 8. September

Alle Wege führen nach Rom, auch für den deutschen Laienkatholizismus. Außerdem: Reaktionen auf die Wahlen im Osten, Ruhestandspfarrer:innen und Gotteswort, weiblich.

Herzlich Willkommen!

Es begab sich zu der Zeit, als die Terminplanung für die #LaTdH im zweiten Halbjahr 2024 gekommen war, dass mein Zuschlag sowohl auf den 8. September als auch den 8. Dezember fiel. „Ah, Mariä Geburt und Mariä Empfängnis, da ist natürlich die katholische Perspektive gefragt“, habe ich gefrotzelt. Auch wenn ich mich dankbar an Schulfeste mit Hefegebäck und heißem Kakao am St. Bernhard-Gymnasium der Hünfelder Oblaten der Unbefleckten Jungfrau Maria (OMI) erinnere, konnte ich mit übertriebener Marienfrömmigkeit oder theologischen Spekulationen über ein „marianisches Prinzip“ der Kirche noch nie etwas anfangen.

„Die Feste feiern, wie sie fallen“ – diese Regel scheint aber schon lange nicht mehr zu gelten. Während die Supermärkte noch bei Temperaturen über 30° C mit Klimaanlagen und Ventilatoren heruntergekühlt werden müssen, stehen neben den Kürbissen und der Halloween-Deko inzwischen auch schon Lebkuchen und Domino-Steine in den Regalen parat. Das muss man nicht beklagen.

„Es ist September, und es riecht schon nach Weihnachten. Als Dank an das kämpferische Volk werde ich Weihnachten per Dekret auf den 1. Oktober vorziehen“, verkündete konsequenterweise Nicolás Maduro, Staatspräsident von Venezuela. Alles natürlich nur, um von den Problemen im eigenen Land abzulenken. Florian Pütz findet das in seiner SPIEGEL-Glosse genial und empfiehlt den lateinamerikanischen Schachzug auch der Bundesregierung als „Lösung aller deutschen Probleme“:

„Christian Lindner verteilt am 24. September als Weihnachtsmann verkleidet Schweinshaxe in Duisburg-Marxloh. Robert Habeck spielt das Christkind im Labeser Krippenspiel, und Olaf Scholz zieht mit den Heiligen Drei Königen von Haus zu Haus, um allen (!) ein gesegnetes Jahr zu wünschen.“

Ein frohes Festum in Nativitate Beatae Mariae Virginis
wünscht Ihnen Ihr Thomas Wystrach

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Debatte

„Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen“, heißt es bei Matthias Claudius. Auf dem Synodalen Weg der römisch-katholischen Kirche in Deutschland mussten insbesondere die im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) zusammengeschlossenen Laien immer wieder erkennen, dass sämtliche ihrer Reformforderungen, die sie in langen Texten dokumentiert hatten und in ebenso langen Debatten diskutierten, von der Kirchenleitung in Rom ignoriert oder durch (gelegentlich von deutschen Bischöfen „bestellte“) Interventionen des Vatikans abgelehnt wurden. Während die Oberhirten mehrmals die Gelegenheit hatten, mit höchsten Vertretern der Kurie zu sprechen, blieb das dem ZdK bislang verwehrt.

Überraschend wurde Ende August bekannt, das Präsidium des Zentralkomitees reise zu Gesprächen nach Rom. Allerdings nicht, wie lange erwartet, auf Einladung des Vatikans, um über den Synodalen Weg zu sprechen, sondern aus eigener Initiative. Man wolle „im Vatikan erläutern, was das ZdK ist, was wir tun, welche Aufgabe wir als Vertretung der katholischen Zivilgesellschaft haben, wo wir uns nicht nur in Fragen kirchlicher Entwicklung, sondern auch in Politik und Gesellschaft einbringen“, so ZdK-Pressesprecherin Britta Baas in einem Interview.

„Rom verstehen und von Rom verstanden werden“, sei das Ziel der „Dialogreise in den Vatikan“, heißt es in einer Presseerklärung der Laienvertretung. Während der Titel eher an das Erscheinen eines Wörterbuchs „Italienisch / Deutsch“ oder einen kultursensiblen Städteführer denken lässt, erläuterte Generalsekretär Marc Frings, es gehe „um globale Herausforderungen wie Krieg und Frieden, Klimaschutz, Welternährung, Lebensschutz, gesellschaftliche Spaltung und die Rolle der Kirche in der Gesellschaft“. Anhaltspunkte dafür, dass – wie katholisch.de titelte – die „ZdK-Spitze zu Gesprächen im Vatikan erwartet“ wurde, gibt es nicht. Mehr noch, pünktlich zur Pilgerfahrt der deutschen Laien ultra montes machte sich der im Zweifel als „Letztentscheider“ fungierende Pontifex Maximus auf eine Apostolische Reise nach Indonesien, Papua-Neuguinea, Osttimor und Singapur. Deutlicher kann man kaum signalisieren, wo die Prioritäten liegen.

Auch wenn es bei den Gesprächen also nur am Rande um den Synodalen Weg gehen sollte, äußerten Mitglieder des Synodalen Ausschusses vorher einhellig die Erwartung, dass die Reformanliegen breiten Raum erhalten sollten. Eine besonders aufschlussreiche Formulierung gelang dabei dem Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller, der sich darüber freute, „dass die zuständigen römischen Behörden nach sehr langer Zeit nun dem ZdK die Huld gewähren, mit ihnen über ihre Anliegen auf dem Synodalen Weg direkt zu reden“. Man könnte das auf den ersten Blick als Ironie missverstehen, aber Schüller meint allen Ernstes, der „Zeitpunkt sei ideal“, denn es bleibe „ausreichend Zeit“, die römischen Hinweise auszuwerten, „um sie für die Beratungen im Synodalen Ausschuss fruchtbar zu machen“, der im Dezember wieder zusammentritt.

Gegenseitiges Verständnis ist gewachsen – Interview mit Irme Stetter-Karp (KNA)

Wenn der Synodale Weg in Deutschland Kirchenreformen forderte, waren der Vatikan und die deutschen Katholiken oft unterschiedlicher Meinung. In einem Interview mit Ludwig Ring-Eifel zur Bilanz ihrer Romreise hofft ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp auf wachsendes Verständnis für die Anliegen des Zentralkomitees:

Es war auf jeden Fall lohnend, denn bisher hatten wir keine Chance, auf der Arbeitsebene direkte Gespräche mit der römischen Kurie zu führen. Natürlich hat sich dadurch jetzt nicht alles schlagartig verändert. Spannungen zwischen dem Synodalen Weg und dem Vatikan konnten vermutlich nicht vollständig ausgeräumt werden, das löst sich ja nicht durch Reden einfach in Luft auf. […]

Das ganze Bild ist jetzt differenzierter als vorher. Ich glaube, wir konnten auch vermitteln, dass unsere Konstruktion eine andere ist als die von Laienvereinigungen in anderen Ländern. Es gab eine bemerkenswerte Bereitschaft zuzuhören und auch die eigene Sicht auf das Gegenüber infrage zu stellen. Ich fand es fruchtbar, auch da, wo es bisweilen konfrontativ war. Es war aus meiner Sicht ein guter erster Schritt, und ich bin offen für eine Fortsetzung.

„Wir wollen nicht neue Gremien schaffen, sondern bestehende weiterentwickeln“ – Interview mit Thomas Söding (COMMUNIO)

Im Gespräch mit Benjamin Leven tut ZdK-Vize Thomas Söding gerade so, als habe es die massiven Vorbehalte und Interventionen Roms gegen den Synodalen Ausschuss, der einen Synodalen Rat vorbereiten soll, nie gegeben. Offenbar hat man Kreide gefressen und bleibt bewusst nebulös, um keine Angriffsflächen mehr zu bieten:

Beraten und Entscheidung gehören zusammen, die unterschiedlichen Verantwortlichkeiten werden nicht geleugnet, die bischöfliche Gesamtverantwortung ist anerkannt. Aber die Pointe ist garantierte und nicht nur gutwillig gewährte Partizipation. (…)

Das ZdK zielt darauf, Synodalität auf Dauer zu stellen. Dazu braucht es die Verständigung mit Rom. Synodalität ist kein Wunschkonzert, sondern ein geistlicher Prozess mit harter Arbeit und kommunikativer Kompetenz. Zusammensetzung, Mandat und Kooperation sind die Schlüsselthemen.

Ein Schelm, wer da an Manfred Siebalds Lied denkt: „Wir müssen einen Ausschuss bilden“

Gelingt der Umbau? – Ulrich Ruh (Herder Korrespondenz)

Angesichts der nahenden Weltsynode blickt Ulrich Ruh, langjähriger Chefredakteur der Herder Korrespondenz, skeptisch auf die Chancen einer „Synodalisierung der römisch-katholischen Kirche“. Zwar gebe es in der weltweiten Christenheit durchaus Beispiele für Kirchen dieses Typs, „etwa die ‚durchsynodalisierte‘ Evangelische Kirche in Deutschland“ oder die „anglikanische ‚Kirche von England'“, aber die römisch-katholische Kirche sei …

… eine Kirche sui generis, mit einer starken Stellung des bischöflichen Leitungsamts und gleichzeitig mit dem Alleinstellungsmerkmal eines Papstamtes, das seit dem Ersten Vatikanischen Konzil formell mit dem universalen Lehr- und Jurisdiktionsprimat ausgestattet ist. […]

Gleichsam mit einem Federstrich, der den grundsätzlichen Bruch mit der konziliar verankerten katholischen Kirchentheorie und –praxis bedeuten würde, ist hier sicher nicht weiterzukommen. […] Es bleibt nur ein vorsichtiges und mühsames Experimentieren, ein Ausloten bestehender Spielräume, immer auch im vergleichenden Blick auf Spielarten der Synodalität in anderen Kirchen und Gemeinschaften.

Bezeichnenderweise bleibt auch in diesem Beitrag eine – zumindest für die an einer grundlegenden Kirchenreform Interessierten – naheliegende Perspektive unerwähnt: In knapp einem Monat tagt die 64. Ordentliche Synode des Katholischen Bistums der Alt-Katholiken in Deutschland – traditionell gastfreundlich  aufgenommen – in einem Tagungshaus des Bistums Mainz. Schon vor gut zwei Jahren hatte sich der alt-katholische Bischof Matthias Ring in  einem Interview mit Publik-Forum gewundert, „dass auf dem Synodalen Weg niemand gesagt hat: Schauen wir mal, wie das bei den Alt-Katholiken mit der Synodalität läuft.“

Im Theologischen Feuilleton feinschwarz.net finden sich weitere aktuelle „Lagebestimmungen“ und Erwartungen an die Weltsynode aus deutscher und schweizerischer Perspektive.

nachgefasst

Thüringen und Sachsen haben ihre Landtage gewählt: Mehr als 30 Prozent der Wählerinnen und Wähler haben der – in diesen Bundesländern als gesichert rechtsextrem geltenden – AfD ihre Stimme gegeben; auch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hat zweistellige Werte bekommen. Das Echo aus Politik und Medien ist besorgt.

Auch die Kirchen haben sich zu Wort gemeldet: „Thüringen soll ein freundliches und weltoffenes Land bleiben“, heißt es in einer Erklärung der römisch-katholischen Bischöfe von Erfurt, Dresden-Meißen und Fulda. Die sächsischen Wahlergebnisse erforderten einen „verantwortungsbewussten Dialog“, so Landesbischof Tobias Bilz (Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens) und Bischof Heinrich Timmerevers (Bistum Dresden-Meißen) in ihrer gemeinsamen Stellungnahme. Die Kirchen müssten sich weiter für die Demokratie einsetzen, erklärte Eule-Redakteur Philipp Greifenstein im Interview mit dem Kölner Domradio, bereits am Montag dieser Woche.

Der wirklich gefährliche Wahlsieger von Thüringen und Sachsen – Markus Nolte (Kirche + Leben)

Was die AfD angeht, brachten die Wahlen in Thüringen und Sachsen die erwartbaren Ergebnisse. Doch es lohne, genauer hinzuschauen, meint Markus Nolte in seinem Kommentar. Der mächtigste politische Gewinner in ganz Deutschland sei seit Sonntag verbrieft: Angst!

Wer alles „weg muss“, ist vorformuliert, die Parolen längst geübt: Einst reichte „Merkel“, jetzt heißt es „Deutschland den Deutschen“ und „Volksfeste ohne Flüchtlinge“. Deutschland den Weißen, den Gesunden, den Nicht-Muslimen, den Nicht-Juden, den eindeutig Heterosexuellen, denen ohne Kopftuch und denen ohne „Gender-Wahn“.

Für Christian Wolff sind die Wahlergebnisse „keine Überraschung, dennoch erschreckend“. Es sei ernüchternd, das bestätigt zu sehen, was sich seit Monaten abgezeichnet habe. Die daraus folgenden Aufgaben seien immens:

Es wird darauf ankommen, das Selbstbewusstsein eines jeden Menschen so zu stärken, damit er zu Empathie, sozialem Verhalten, Nächsten- und Feindesliebe in der Lage ist, also die Interessen und Lebensmöglichkeiten des Anderen achtet. Spätestens hier wird deutlich, vor welch großer Aufgabe alle Institutionen stehen, die Menschen stärken wollen: Gewerkschaften, Kirchen und Religionsgemeinschaften, Ausbildungsstätten, Sport- und Kulturvereine. Niemals dürfen die sich dem Ansinnen beugen, völkischer Homogenität zu dienen. Im Gegenteil: Sie müssen Garanten für das sein, was jetzt auf dem Spiel steht: demokratische Vielfalt in einer offenen Gesellschaft.

Nach den Wahlen im Osten: Zwischen Bestürzung und Ursachen-Suche: Fragen an Kristin Jahn – Petra Bahr, Arne-Torben Voigts („Bleib Mensch!“, NDR, 47 Minuten)

Arne-Torben Voigts und Petra Bahr haben für die aktuelle Ausgabe ihres Podcasts „Bleib Mensch!“ Kristin Jahn, Generalsekretärin des Evangelischen Deutschen Kirchentags (DEKT), eingeladen, um mit ihr über die Wahlergebnisse zu sprechen. Jahn ist in Thüringen geboren und hat als Pfarrerin in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) gearbeitet. Der Ansatz der drei: nicht verurteilen, nicht überheblich mit einer „West-Sicht“ auf die Ergebnisse schauen, sondern anerkennen, dass die ostdeutsche Geschichte auch heute noch vielerorts eine Rolle spielt – und trotzdem den Wahlausgang nicht schönreden oder entschuldigen.

Nie wieder Faschismus? Dazu ist klare Kante nötig – jetzt erst recht! – Matthias Remenyi  (Kirche + Leben)

Der Schock sitzt tief über das Erstarken der AfD bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen. Das könnte erst der Anfang sein, befürchtet Matthias Remenyi, Professor für Fundamentaltheologie und vergleichende Religionswissenschaft an der Universität Würzburg, in seinem Gastkommentar.

Neben den bekannten Empfehlungen, nun „klare Kante“ zu zeigen, „der schleichenden Diskursverschiebung durch offene Gegenrede (zu) widerstehen“ und mit „Solidarität und Freimut“ dem Hass und der Angst zu begegnen, steht die Aufforderung an den „eigenen, kirchlichen Laden“ zur Ehrlichkeit. Viele Merkmale faschistischer Ideologien stünden auch dort „bisweilen erschreckend hoch im Kurs“:

Verklärung einer vermeintlich machtvollen und ruhmreichen Vergangenheit, ein hartes Freund-Feind-Denken, das „die da draußen“ in kulturkämpferischer Attitüde zur Bedrohung der eigenen Tradition erklärt, eine überstarke Betonung von Autoritäten und Hierarchien, Wissenschaftsskepsis bis hin zu Wirklichkeitsblindheit, Absage an Gewaltenteilung, Angst vor Sexualität, gepaart mit Homophobie und einer Fixierung auf traditionelle Rollenmuster, vor allem aber eine tiefsitzende Angst vor der Freiheit.

Zugleich bietet das Christentum genau die Ressource, die es braucht, dem Faschismus die Stirn zu bieten: einen Universalismus des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, der niemanden, wirklich niemanden ausschließt, weil er darum weiß, dass alle Menschen gleich an Würde sind, weil Gott in einen jeden Menschen sein Bild gelegt hat.

Einfache Antworten auf schwierige Fragen – Barbara Zehnpfennig (COMMUNIO)

Die Erfolge von AfD und BSW in Sachsen und Thüringen beruhten wesentlich auf der Mobilisierung von Wutgefühlen der Wähler. Kirchliche Interventionen würden dagegen nichts ausrichten, denn die Kirchenvertreter machten es sich oft zu leicht, kritisiert Barbara Zehnpfennig, Mitherausgeberin der Internationalen Katholischen Zeitschrift COMMUNIO, in ihrem Beitrag „zur kirchlichen Rhetorik in der Migrationsdebatte“.

Manche Äußerungen oder Verhaltensweisen seitens kirchlicher Vertreter zur Frage des Asyls und der Zuwanderung vermitteln den Eindruck, dass man den moralischen Rigorismus in der Einforderung von Nächstenliebe der Auseinandersetzung mit der Komplexität der Problemlage vorzieht. […]

Wenn die Kirchen sich um des konkreten Einzelfalls willen in Verfahren einmischen, die allgemeinen Prinzipien folgen, erwecken sie den Eindruck, Widerstand zu leisten, wie das in einer Diktatur gerechtfertigt sein mag. Wir leben jedoch in einer Demokratie.

Auch die Stellungnahme der Deutschen Bischofskonferenz zur AfD (vgl. dazu Philipp Greifenstein hier in der Eule) anlässlich der Diskussion um die Forderung nach „Remigration“, in der die römisch-katholischen Oberhirten erklärten, die AfD sei für Christen nicht wählbar, stößt auf Zehnpfennigs Kritik:

Wenn die Kirche (…) in haupt- und ehrenamtlichen Diensten keine zum Rechtsextremismus neigenden Menschen dulden möchte, ist das ihr gutes Recht. Ist es aber ihre Aufgabe, der Bevölkerung mitzuteilen, was sie zu wählen hat oder in welchen Parteien sie sich politisch engagieren darf? Keine andere Institution schlägt gegenüber den Bürgern einen solch bevormundenden Ton an – und das in Zeiten einer immer geringeren Kirchenbindung innerhalb der Bevölkerung. (…)

Ihren Bedeutungsverlust dadurch zu kompensieren, dass sie sich zum politischen Mitakteur macht, erscheint kein vielversprechender Weg für die Kirche zu sein. Eher macht sie sich damit zusätzlich angreifbar – als eine Institution, die in dem Bereich über untrügliches Wissen zu verfügen glaubt, in dem es das nie geben kann.

AfD-Wahlerfolg: Wie es bayerischen Juden und Muslimen damit geht – Felicia Klinger (BR24)

Das Ergebnis der Landtagswahlen beschäftigt viele Menschen. Besondere Sorgen machen sich aber jene, gegen die die Politik der AfD sich immer wieder explizit richtet: muslimische, jüdische, migrantische oder auch queere Menschen. Felicia Klinger hat Stimmen von Juden und Muslimen in Bayern gesammelt.

Sachsens AfD-Spitzenkandidat Jörg Urban hat noch am Wahlabend die Kritik an seiner Partei als „massive Hetze“ zurückgewiesen, das seien „Gefälligkeitsaussagen“ von Institutionen und Unternehmen, die alle „vom Staat abhängig „seien. Interessant sei seine Erklärung in Bezug auf die jüdischen Gemeinden, stellt Alan Posener in seinem Kommentar für die WELT fest: Sie lasse erkennen, dass er antisemitische Vorurteile bediene, denen zufolge „der Jude“ für Geld alles tun würde.

Buntes

Dirndlgwandsonntag – (volkskultur niederösterreich)

Seit 2009 wird in Niederösterreich der „Dirndlgwandsonntag“ jedes Jahr rund um den Festtag der Heiligen Notburga als „Fixpunkt im kirchlichen Kalender“ gefeiert. Auch am heutigen Sonntag lädt die Volkskultur Niederösterreich wieder zum Tragen von Dirndl und Tracht ein. Zu den Unterstützern zählen auch die beiden römisch-katholischen Diözesen des Bundeslandes (Wien und St. Pölten) und die Evangelische Kirche A.B. in Niederösterreich. ORF Radio NÖ strahlt zum Anlass einen „stimmungsvollen Radiofrühschoppen“ aus – im Anschluss an den ökumenischen Gottesdienst.

Retter aus dem Ruhestand? Warum fehlendes Pfarrpersonal nicht mit Pensionär:innen ausgeglichen werden sollte – Katharina Scholl (zeitzeichen)

„Eigentlich müsste es am Ende der Berufslaufbahn für Pfarrerinnen und Pfarrer so etwas geben wie das Vikariat zum Einstieg“, meint Katharina Scholl in ihrem Beitrag für die Kolumne „z(w)eitzeichen“, eine professionelle Begleitung, um sich von diesem Beruf wieder zu lösen. Die Studienleiterin am Evangelischen Studienseminar Hofgeismar warnt eindringlich davor, den Personalmangel, der durch die hohe Anzahl bevorstehender Pensionierungen in Kombination mit den rapide sinkenden Zahlen an theologischem Nachwuchs verursacht wird, dadurch kompensieren zu wollen, dass man verstärkt Ruheständler auch über das offizielle Dienstende hinaus pastorale Aufgaben in der Kirche übernehmen lasse:
Im Hinblick auf die Kirchenentwicklung wäre es fatal, wenn versucht wird, die entstehenden Lücken notdürftig mit dem Einsatz von Pfarrerinnen und Pfarrern im Ruhestand zu füllen. Durch die personellen Entwicklungen wird ein massiver Druck in die kirchlichen Systeme kommen. Dieser Druck wird manche Anstrengung bedeuten, aber er wird auch ein innovatives Potential entfalten. Gegenwärtig erleben wir, wie schwer es ist, die notwendigen organisationalen Veränderungsprozesse in unseren Kirchen zu initiieren.
Wir nehmen wahr, dass schon jetzt das parochiale Prinzip deutlich an seine Grenzen stößt und gleichzeitig fällt es schwer uns von diesen Kirchenbildern wirklich zu lösen und gemeinsam neue zu entwickeln. Die quantitative Entwicklung im Bereich des Pfarrberufes wird hier wie ein Katalysator wirken und die nötige Unruhe ins System bringen, damit wirklich Neues entstehen kann.

Grimme Online Award 2024 – Die Nominierten (Grimme-Institut)

Nominiert für den diesjährigen Grimme Online Award ist u.a. der Podcast „Systemeinstellungen“ von netzpolitik.org, dem Medium für digitale Freiheitsrechte. Hier in der Eule hatte Philipp Greifenstein im Mai auf den Podcast hingewiesen und vermittels der netzpolitik.org-Recherchen über die aktuelle Situation des Kirchenasyls und die Schikanen gegen Helfer:innen geschrieben.

Theologie

Der Weg zum Guten ist gar wild: Lernprozesse im Bereich Ökumene und Ethik – Simone Sinn (feinschwarz.net)

Einheit und Vielfalt innerhalb des Christentums theologisch redlich und kreativ sowie zugleich handlungspraktisch engagiert aufeinander zu beziehen, waren und sind für die weltweite Ökumenische Bewegung zentrale Anliegen. Simone Sinn, seit März 2024 Professorin für Religionswissenschaft und Interkulturelle Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster, zuvor am Ökumenischen Institut in Bossey und in der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Genf tätig, gibt in der Rubrik „Feinschwarz Science“ im Theologischen Feuilleton feinschwarz.net einen Einblick in historische und gegenwärtige Lernprozesse:

Wenn im kommenden Jahr das 1700jährige Jubiläum des ersten Ökumenischen Konzils von Nizäa und das 100jährige Jubiläum der Weltkonferenz für Praktisches Christentum gefeiert wird, gilt es, koinonia und Veränderung nicht als Gegensätze zu stilisieren, sondern vielmehr ihren inneren Zusammenhang zu artikulieren.

Am gleichen Ort zu finden ist ein Interview zur aktuellen Leuenberg-Ökumene. Eine große Zahl der evangelischen Kirchen in Deutschland ist in der Leuenberger Konkordie verbunden, sie sind in der Gemeinschaft evangelischer Kirchen Europas (GEKE) seit 1973 miteinander international organisiert. Im Gespräch mit Wolfgang Beck von der feinschwarz.net-Redaktion stellt Georg Plasger als neu gewähltes Mitglied des Präsidiums grundlegende Herausforderungen unter den evangelischen Kirchen vor.

Rita Famos, bisher schon Präsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz, ist neue geschäftsführende Präsidentin der GEKE. Die 58-jährige Theologin wurde auf der Vollversammlung in Sibiu (Rumänien) gewählt, bei der rund 150 Vertreterinnen und Vertreter aus den 96 lutherischen, methodistischen, reformierten und unierten Mitgliedskirchen der Kirchengemeinschaft zusammenkamen. Hier in der Eule wurde auf ihren famosen Vortrag bei der Versammlung der Union evangelischer Kirchen (UEK) bei der EKD-Synode im November 2023 verwiesen, in dem sie ihren deutschen Geschwistern „protestantische Korridore“ empfahl, innerhalb derer verschiedene Positionen zu theologischen und ethischen Fragen legitimer Weise eingenommen werden dürften.

Predigt

Zum Evangelium am 23. Sonntag im Jahreskreis B – Annette Jantzen („Gotteswort, weiblich“, Bistum Aachen)

In ihrer Auslegung des heutigen Tagesevangeliums (Heilung des Taubstummen, Mk 7, 31-37) weist die Aachener Kirchenhistorikerin und Frauenseelsorgerin Annette Jantzen zunächst darauf hin, dass die Menschen in diesem Bibeltext die Erfahrung der heilsamen Nähe Gottes durch die Gegenwart Jesu in vertraute Hoffnungen ihrer prophetischen Schriften fassen: „Die Stummen gehen, die Blinden sehen, die Lahmen gehen“. Von daher sei es stimmig, dass die kirchliche Leseordnung auch den entsprechenden Abschnitt aus Jesaja 35 als erste Lesung vorsehe.

Auffällig allerdings sei, dass der ausgewählte Abschnitt des Evangeliums nicht direkt an den vom vergangenen Sonntag anschließe (der eine Lehrdiskussion um die Reinheitsgebote enthielt), sondern anschließende Details dieser Diskussion wegließe und auch die Erzählung der Begegnung mit der Ausländerin auslasse, die für ihre kranke Tochter um Hilfe bittet:

Nun ist das kein klassischer Zensur-Fall, […]. Aber hier zeigt sich, dass die Geschichte um die syrophönizische Frau bei der Erstellung der Leseordnung nicht in ihrer Bedeutung als Wendepunkt in Jesu Leben begriffen wurde. […]

Die Szene mit der Mutter einer kranken Tochter, ihrer Hartnäckigkeit, ihrem Mut, ihrem Widerstand gegen die offene Ablehnung und Abwertung durch Jesus stellt nun einen Wendepunkt dar. Denn Jesus lässt sich von ihr korrigieren, ja sogar: bekehren, denn erst danach geht er gezielt aus der vermeintlichen Comfortzone hinaus ins Gebiet der Dekapolis, lässt sich hautnah auf die Menschen dort ein und verkörpert ihnen die heilsame Gegenwärtigkeit Gottes. […] Zusammenhänge sind wichtig. Und Jesu Begegnungen mit Frauen sind kein Beiwerk, sondern gehören zu den Fundamenten des Evangeliums, ohne sie bleibt es nur halb verstanden.

In ihrem Blog „Gotteswort, weiblich“ hatte Jantzen vor zwei Wochen gefordert, die zweite Lesung aus dem Brief an die Gemeinde von Ephesus wegen der enthaltenen Frauenfeindlichkeit nicht mehr vorzulesen, statt ihn mit dem Hinweis, man müsse das „theologisch verstehen“, zu retten zu versuchen, „als wäre dieser Worthülsen-Joker nicht nur die Verbrämung von Reflexionsverweigerung aus Nichtbetroffenheit“.

Die Reaktionen waren vielfältig, es gab Zensur-Vorwürfe und hate speech, aber auch Zustimmung und Zuschriften von Menschen, die von „Demütigungserfahrungen“ mit diesem Text berichteten, von „geistlichem Machtmissbrauch und den Wunden, die er geschlagen hat“. In einem weiteren Blog-Beitrag geht Jantzen auf die Reaktionen ein und untermauert ihre Kritik mit zusätzlichen Beispielen:

Wer schreibt, bleibt. Und wer eine Leseordnung zusammenstellt, bestimmt darüber, von wem noch gehört wird, und von wem nicht. Die aktuelle römisch-katholische Leseordnung gibt die Bibel nicht vollständig wieder, und die Auswahl, die sie trifft, berücksichtigt wichtige Texte der Bibel nicht. Die Unwucht zuungunsten der Frauentexte ist unübersehbar. Das gilt nicht nur für die Frauen, sondern auch für die Gottesbilder – auch hier sind die weiblichen Bilder des biblischen Textes deutlich unterrepräsentiert.

Ein guter Satz

„Die Faustregel, kein Haus heller zu streichen als die Kirche, ist einfach zu handhaben und tut jedem Ortsbild einen Gefallen.“

– aus: Haus der Farbe (Hrsg.), „Farbkultur und Handwerk in Schweizer Regionen“

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