Foto: Mean looking Eagle Owl von webheathcloseup (Flickr), CC BY 2.0

So nicht

An zwei aktuellen Dialog-Versuchen können wir lernen, was in der Auseinandersetzung mit Rechtsextremen falsch läuft. Und warum von solchem „Dialog“ am Ende die Falschen profitieren.

tl;dr – Kurze Zusammenfassung

Bevor „mit Rechten geredet“ werden kann, gehören die Opfer rechtsextremer Hetze und Gewalt angehört. Ihre Geschichten müssen wir anhören, um zu verstehen, was in unserer Demokratie falsch läuft, nicht die Argumente der Rechten, die sich von einer „Politischen Korrektheit“ verfolgt fühlen. Wer mit Frustrierten und Protestwählern reden will, darf nicht automatisch rechtsextreme Funktionäre zu ihren legitimen Sprechern erklären. Es geht nicht um „Ausgewogenheit“, sondern um das Wahre und Gute.

Falsche Fragen beim MDR

Der MDR wollte im Radio gerne über die Politische Korrektheit diskutieren. Dazu hatte er sich eingeladen: Frauke Petry (ehem. AfD-Bundesvorsitzende), die sächsische LINKE-Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz, den ehem. Fernsehmoderator, Evangelisten und Fixstern der christl. Konservativen Peter Hahne und den Politikwissenschaftler Robert Feustel (Uni Leipzig). Im Zentrum des Gesprächs sollte laut Sendungsankündigung die Frage stehen, ob man heute noch „Neger“ sagen darf. Desweiteren wolle man diskutieren, warum die Politische Korrektheit zur Kampfzone geworden ist.

Die Antworten auf diese beiden Fragen sind kurz und eindeutig: Nein. Und: Weil die „Politische Korrektheit“ ein von Rechten ins Feld geführter Kampfbegriff ist, mit dem ihnen unliebe Sprechweisen bekämpft werden. Dahinter liegt ihre Verachtung von Menschen, die nicht ihrem Bild von „normal“ entsprechen und die sie als Bedrohung ihrer eigenen Lebensweise wahrnehmen.

Wer sich auf die Diskussion über die „Politische Korrektheit“ einlässt, der geht dem Argument der Rechten schon ein Stück weit entgegen, dass Minderheiten sich unzulässige Rechte herausnehmen und die Mehrheitsgesellschaft ihnen (natürlich aus dem deutschen Schuldkomplex heraus) zu weit entgegen kommt. Was es stattdessen braucht, so die Argumentation von Rechts, ist eine Konzentration auf „das Volk“, auf die „die schon immer hier waren“, auf die Heterosexuellen, auf die traditionelle Ehe usw. usf.. Also auf all das, was dem idealisierten Normalzustand des „christlichen Abendlandes“ der Rechten entspricht.

Zu diesem „Normalzustand“ gehören Schwarze und Menschen mit Migrationshintergrund, die von der äußerlichen Erscheinung des Deutschen abweichen, nicht dazu (ja, das nennt man dann zurecht rassistisch). Und beim MDR sitzen sie natürlich auch nicht im Studio.

Mangel an journalistischem Handwerk

Die Einladungen des MDR erklären sich zureichend aus dem immer wieder gleichen Streben öffentlich-rechtlicher Medienmacher, ihre Talkshows „ausgewogen“ zu besetzen. Ausgewogenheit meint hier, dass jede Meinung erst einmal als gleichwertig angenommen wird. Das ist das Gegenteil von gutem Journalismus, der fair in seiner Bewertung sein soll, sich aber unter dem Deckmantel der Ausgewogenheit einer Bewertung von Argumenten nicht enthalten darf. Es gibt Falsches und Richtiges, Gutes und Wahres, Böses und Lügen. Und es ist die Aufgabe von Journalisten das eine vom anderen zu scheiden. Zu Rassismus kann man keine ausgewogene Meinung haben.

Dass die Sendung nach den Absagen von Köditz und Feustel abgesagt wurde, begründete der MDR damit, die Sendung wäre so einseitig geworden und eben nicht mehr „ausgewogen“. Ein Sender, der ein Panel aus vier weißen Bio-Deutschen zusammensetzt und keinen einzigen von Diskriminierung und rechtsextremer Hetze Betroffenen einlädt, handelt nicht ausgewogen, sondern fahrlässig. Das hat im Nachhinein auch die Sendungsleitung zähneknirschend eingesehen. Ihr ist darum auch nicht vor allem ein Mangel an Haltung vorzuwerfen – wie es viele Beobachter in den Sozialen Medien getan haben -, sondern ein Mangel an journalistischem Handwerk.

Hier wäre den Hetzern statt den Opfern der Hetze ein Forum geboten worden. Darum ist es gut, dass die Sendung so nicht stattgefunden hat. Von der Absage haben gleichwohl die rechten Hetzer profitiert, die sich abermals als Opfer einer politischen Ausgrenzung inszenieren dürfen, die nach den von ihnen als „Politische Korrektheit“ verunglimpften Maßstäben funktioniert.

AfD auf dem Katholikentag

In wenigen Tagen treffen sich die deutschen Katholiken in Münster zum Katholikentag, auf dessen religionspolitischem Podium diesmal auch ein AfD-Vertreter Platz nehmen wird (wir berichteten in den #LaTdH vom 8. April & 18. Februar). Die Leitung des Katholikentags sieht sich seit Wochen deswegen starken Vorwürfen ausgesetzt. Nun hat sie ihre Einladung in einer Stellungnahme abermals verteidigt und vertritt sie auch in den Sozialen Medien offensiv:

Es greift auch in diesem Fall zu kurz, den Organisatoren schlicht mangelnde Haltung zu attestieren. Vielmehr stolpern sie in eine Falle, die sich allen dialogbereiten Demokraten stellt, die mit Rechten reden wollen (ausführlich dazu: Unter Heiden (20): Mit Rechten reden).

Die Organisatoren wollen mit jenen sprechen, die die AfD „aus Frust und Protest“ gewählt haben. Es scheint so, als ob man auf der Suche nach Sprechern für die Gefrusteten ausnahmslos bei der rechtsextremen Funktionärsschicht landet – warum eigentlich? Denn eingeladen ist kein Frust- oder Protestwähler, sondern ein Parteifunktionär, nämlich in seiner Funktion als kirchenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der AfD. Eigentlich sollte es auf dem Podium ja um Religionspolitik gehen, nicht darum „mit den Rechten zu reden“. Ihnen ist es schon jetzt gelungen, die Aufmerksamkeit ganz auf sich und vom eigentlichen Thema wegzulenken. Was die AfD zu Religions- und Kirchenpolitik zu sagen hat, das ist jetzt auch schon egal geworden.

Statt bei seinen Leisten zu bleiben und sich dafür geeignete Kompetenz an den Tisch zu holen, lässt sich der Katholikentag auf eine Diskussion ein, die von der Agenda der Rechtsextremen bestimmt wird. Sein Vorgehen entspricht dem von den Kirchen häufig vorgetragenen pädagogischen Umgang mit Rechtsextremen. Die kirchenraumtypische Variante dieser Spät-Pädagogisierung ist die Hoffnung, „im Gespräch“ deutlich zu machen, was christlich ist und was nicht. Eingepreist ist hierbei natürlich das gewünschte Ergebnis: Christentum und AfD-Programm sind unvereinbar.

Richtig streiten

„Die Katholikentagsleitung möchte aktiv mit denen streiten, die unsere Demokratie verachten und verhöhnen.“ Die Katholikentagsleitung ist auf halber Strecke steckengeblieben. Der Streit geht auf Kosten des eigentlichen Themas, auf Kosten der nicht zu Wort kommenden Opfer rechtsextremer Hetze und Gewalt und auf Kosten des Ansehens des Katholikentages, der seine Marke der AfD zur Legitimation ihrer rechtsextremen Botschaften zu Verfügung stellt. Der Streit muss anders geführt werden.

Als Erstes gehören diejenigen angehört, die in unserer Demokratie seit Jahrzehnten unter Rassismus und Ausgrenzung, unter rechtem Terror leiden. Als Zweites könnte man mit kompetenten Gesprächspartnern aus Wissenschaft, Kirche und Kultur das religionspolitische Programm der AfD betrachten. Mit dem Ergebnis dieser fairen und fachlichen Analyse könnte man dann Drittens einen Vertreter der AfD konfrontieren, anstatt ihn wie selbstverständlich zwischen Experten zu positionieren und ihn damit aufzuwerten.

Die Demokratie leidet nicht dort, wo man ihren Verweigerern nicht ausdauernd genug hinterherläuft, sondern dort, wo Demokraten das eigentliche Geschäft der Demokratie vernachlässigen: Das schildern der eigenen Position, die Suche nach Übereinstimmung, Kompromiss und Überzeugung, die ehrliche Suche nach sachdienlichen Hinweisen.

Es geht nicht darum, ob die AfD auf den Katholikentag gehört oder nicht. Es geht darum, dass so nicht gestritten werden kann, ohne dass am Ende wieder die Rechtsextremen profitieren. Noch haben die Organisatoren Zeit, wenn sie schon an der Einladung festhalten, das Setting und die Form der Diskussion zu beeinflussen.