Evident irrsinnig – Die #LaTdH vom 25. Mai
Die Bundesregierung irrlichtert in der Asyl- und Migrationspolitik, trotz guter Ratschläge aus den Kirchen. Außerdem: Neue ZdK-Mitglieder, Reformen in der Pfalz und Theologie mit geringer Unterstützung.
Herzlich Willkommen …
zur 396. Ausgabe der „Links am Tag des Herrn“ (#LaTdH). „Alles neu macht der Mai?“, fragte Irme Stetter-Karp, die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) in ihrer Rede vor der ZdK-Vollversammlung, die in dieser Woche stattfand. Die beiden großen Neuerungen des Mai 2025: Der Antritt der neuen Bundesregierung von CDU/CSU und SPD und die Wahl von Robert F. Prevost zu Papst Leo XIV.. Stetter-Karp kritisierte die Verschärfungen in der Asylpolitik. Und um die Migrations- und Flüchtlingspolitik geht es auch in der „Debatte“ dieser #LaTdH.
„Wenn sich der weiße Rauch endgültig gelegt hat und die Hyperventilation der ersten (Nachrichten-)Wochen nachlässt“, hatte ich in der vergangenen Woche geunkt, wird Papst Leo XIV., „Bob, der Brückenbauer“, in einer „komplexen und komplizierten Welt“ agieren müssen, die durch jubelnde Schlagzeilen und Aufrufe zur Nächstenliebe nicht einfach ihr Antlitz verändert. In dieser Woche wurde der Vatikan ausgerechnet von US-Präsident Donald Trump als möglicher Austragungsort von Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine ins Spiel gebracht. Doch an Friedensverhandlungen zeigt der Aggressor Russland überhaupt kein Interesse.
An den beiden letzen Sonntagen haben wir hier in den #LaTdH reichlich Einordnungen des neuen Pontifikats geteilt (s. hier & hier). In dieser Woche ist unter der Überschrift „Bridge Builder“ („Brückenbauer“) noch ein Text von Austen Ivereigh im US-amerikanischen Commonweal Magazine erschienen, der tatsächlich hinter die Kulissen schaut. Ivereigh, der dem verstorbenen Papst Franziskus publizistisch eng verbunden war, berichtet von der jahrelangen Zusammenarbeit von Prevost mit dem argentinischen Papst, z.B. beim Kirchenkampf gegen eine reaktionäre Organisation in Peru, die einstmals gegen die Befreiungstheologie antrat und in Korruption und Missbrauch verwickelt ist. Franziskus und Prevost haben, so Ivereigh, seit dessen Berufung zum Leiter des Dikasteriums für die Bischöfe im Jahr 2023 jeden Sonnabend zwei Stunden miteinander beraten. Auch zuvor habe Franziskus Prevost gut im Auge behalten.
Hat das Konklave also mit seiner Wahl den „letzten Wunsch“ Franziskus‘ erfüllt? Hat der Papst „vom Ende der Welt“ in Prevost womöglich wirklich seinen Nachfolger aufgebaut – und damit auch für die Wahl des „zweiten latein-amerikanischen Papstes“ gesorgt? Ivereighs Schilderungen jedenfalls stützen die Vermutungen und ersten Eindrücke von Leo XIV. ab, es werde sich bei seinem Pontifikat um eine Fortschreibung der Amtszeit von Franziskus handeln. Welche Hoffnungen können sich die (deutschen) Katholik:innen machen? ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp:
„Bei der Amtseinführung am vergangenen Sonntag, die ich im Kreise vieler Politiker*innen auf dem Petersplatz miterleben konnte, hat er überzeugend deutlich gemacht, dass er ein politischer Papst sein wird und dass er um die Konflikte in Politik und in seiner Kirche sehr gut weiß. Beten wir für ihn und unterstützen wir ihn nach Kräften bei seinem Weg zu einer synodalen Kirche.“
Sollte Leo XIV. tatsächlich in den synodalen Fußstampfen Franziskus‘ wandeln, dann sind das aber andere als jene, die von der Mehrheit der römisch-katholischen Bischöfe in Deutschland und vom ZdK auf ihrem Synodalen Weg hinterlassen wurden. So sehen das jedenfalls auch die „vier Abweichler“ unter den deutschen Ortsbischöfen. Die (Erz-)Bischöfe Woelki (Köln), Hanke (Eichstätt), Oster (Passau) und Voderholzer (Regensburg) wollen nach wie vor nicht beim deutschlandweiten synodalen Gremium mitmachen – und berufen sich mit ihrer Ablehnung ausdrücklich auf die „römische Synodalität“.
Eine gute Woche wünscht
Philipp Greifenstein
PS: Die #LaTdH und die ganze Eule werden von den Leser:innen selbst ermöglicht! Die Eule ist ein unabhängiges Magazin und erhält keine Unterstützung von Kirchen oder Religionsgemeinschaften. Werden Sie Eule-Abonnent:in! Schon ab 3 € im Monat sind Sie dabei.
Debatte
In diesen Tagen macht sich die neue Bundesregierung daran, die „Wende in der Migrationspolitik“ ins Werk zu setzen. Kommen CDU und CSU nach all den vielen Wochen der Kritik und sachlichen Einsprüche – auch von den Kirchen – doch noch zur Besinnung? Anfang der Woche hatte es geheißen, CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann halte die gemeinsame Abstimmung mit der AfD über Anträge zur Migrationspolitik im Deutschen Bundestags retroperspektiv „für einen Fehler“. Bei t-online ist nachzulesen, was Linnemann am „Round Table“ des „Table.Today Podcast“ von Table.Media zu sagen hatte. Die gemeinsame Abstimmung habe zu einer „Polarisierung geführt, die die linke Seite mobilisiert hat“, „inhaltlich stehe er aber weiter hinter getroffenen Entscheidungen“.
„Wir hatten drei Anschläge. Die Bürger erwarten doch von uns, dass wir was machen“, sagte Linnemann. Das Thema Migration behandle man jedoch am besten, indem man wenig darüber rede und schnell handle. Deshalb sei Alexander Dobrindts Verschärfung der Grenzkontrollen am ersten Tag „genau richtig“.
Eine Bekehrung sieht anders aus. Den einen Tabubruch mit dem nächsten Rechtsbruch wegreden zu wollen, mag man zum Handwerkszeug eines Partei-Generalsekretärs zählen. Aber nur, wenn man die eigenen Ansprüche an Redlichkeit in der Politik schon sehr weit heruntergeschraubt hat. Was wird nun also von der Bundesregierung neben den sehr teuren, wenig effektiven und „evident rechtswidrigen“ „Verschärfungen der Grenzkontrollen“ unternommen? Da wäre die „Abschiebeoffensive“, die verlässlich die ganz und gar falschen trifft, wenn Kinder aus dem Schulunterricht heraus abgeführt und Auszubildende abgeschoben werden. Und dann wären da u.a. noch der Familiennachzug für Menschen mit subsidiärem Schutzstatus und das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan, die beide beendet werden sollen.
Der deutsche Rechtsstaat geht in Islamabad verloren – Maximilian Steinbeis (Verfassungsblog)
In seinem aktuellen Editorial erklärt Verfassungsblog-Chefredakteur Maximilian Steinbeis, warum das Ende des Bundesaufnahmeprogramms Afghanistan nicht nur ein schwerwiegender politischer und moralischer Fehler wäre, sondern auch im groben Widerspruch zur Losung von CDU/CSU steht, „illegale Migration“ beenden und für „Recht und Ordnung“ in der Migrationspolitik stehen zu wollen. Steinbeis erklärt knapp und verständlich, wie das Bundesaufnahmeprogramm eigentlich funktioniert, warum es gerade de facto gestoppt ist und was sein Ende für die Betroffenen bedeuten würde.
Der Musterfall einer geregelten, geordneten, legalen Migration, sollte man meinen, ist das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan. Es schafft seit 2023 ein Verfahren für die Einreise von Menschen, für die sich die Bundesrepublik verantwortlich zu fühlen hat nach dem Rückzug der Alliierten und der Rückkehr der Taliban 2021 – für Menschen, die von der Taliban gefoltert und verfolgt wurden und werden wegen ihres Geschlechts, ihrer Religion oder ihrer sexuellen Identität, die sich für Frauenrechte und Demokratie und Bildung und Gerechtigkeit engagiert, die alles richtig gemacht haben aus westlicher Sicht und im Taliban-Regime deshalb jetzt um ihr Leben fürchten müssen.
Steinbeis beendet sein Editorial mit einigen Überlegungen zur Bedeutung des Rechts, die in Zeiten von Trump 2.0 brisant sind, haben sich doch die Progressiven daran gewöhnt, „ihre Sache in der Sprache des Rechts zu formulieren“. Was ist nun aber, wenn das Recht nichts mehr gilt, und zwar nicht nur jenseits des Atlantik, sondern auch hierzulande?
Nach einem Bericht des SPIEGEL gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Bundespolizei […] im Bund mit der Bildzeitung und der Bundespolizeigewerkschaft die rechtsförmig zugesagte Aufnahme nach allen Regeln der Kunst, wenngleich nicht unbedingt des Rechts hintertrieben und verhindert hat. Was würde da ein Rechtsstaat tun? Das vielleicht zumindest mal… untersuchen? Unterdessen stellt sich der Chef einer der beiden angeblich konservativen Regierungsparteien öffentlich hin und sagt: „Das muss gestoppt werden! Täter raus, aber doch nicht neue rein!“. So redet Markus Söder über legale Migration.
Aussetzung des Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte
Gegen den Stopp des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutzstatus hatten die beiden großen Kirchen bereits vor der Bundestagswahl Widerspuch angemeldet, als die Union ihren Bundestags-Stunt mit der AfD versuchte (wir berichteten). Trotz des Auffahrunfalls vor der Wahl hat es das Unionsanliegen auf die Agenda der neuen Bundesregierung geschafft. Bereits in dieser Woche soll das Kabinett die Aussetzung beschließen. Im April hatten Migrationsrechtler:innen und -Expert:innen im SPIEGEL (€) gewarnt:
[Es gibt] kaum eine besser planbare Form der Asylmigration als das rechtliche Instrument der Familienzusammenführung, das zudem positive Effekte auf die Integration bereits hier lebender Flüchtlinge haben kann. Dass sie nun dennoch ausgesetzt werden soll, legt nahe, dass es nicht um »Kontrolle«, sondern um Abschottung geht.
Die Aussetzung ist außerdem wieder ein Beispiel für die Symbolpolitik der Union: 2024 wurden rund 120.000 Visa zum Zweck der Familienzusammenführung ausgestellt, nur 12.000 davon an Angehörige von subsidiär Schutzberechtigten. Nur 8 % der Familiennachzüge gingen in den vergangenen Jahren „auf ihr Konto“ (von 2018 bis 2024 insgesamt 58.400 Visa). Wie der Mediendienst Integration festhält, gingen 80 % dieser Visa zudem an Menschen aus Syrien.
In Deutschland leben derzeit rund 351.400 Personen mit subsidiärem Schutz. Einen subsidiären Schutz bekommen Personen, denen im Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht und sie den Schutz ihres Herkunftslands nicht in Anspruch nehmen können oder wegen der Bedrohung nicht in Anspruch nehmen wollen.
Von 2016 bis 2018 war der im Jahr 2015 eingerichtete Familiennachzug für Menschen mit subsidiärem Schutzstatus bereits einmal ausgesetzt. Seit 2018 dürfen immerhin 1.000 solcher Visa im Monat ausgestellt werden. Der Familiennachzug ist ein Tropfen auf den heißen Stein der weltweiten Fluchtbewegungen, ein humanitäres Entgegenkommen von geringem Umfang. Mit ihrem Vorhaben treibt die Bundesregierung Menschen erst in die „illegale Migration“, die sie doch vorgeblich beenden will.
„Wenn Familienmitglieder nicht regulär nachziehen dürfen, dann sehen sich viele gezwungen, irreguläre Wege zu nutzen“, erklärt Dr. Benjamin Etzold vom Bonner International Center for Conflict Studies. […] „Die Logik lässt sich leicht verstehen, wenn man auf die menschliche Dimension dieses Themas blickt: Familien wollen beisammen sein, eine Trennung von Kind, Eltern oder dem Partner ist schwer zu ertragen, für junge Menschen sogar traumatisch. Wenn es keine legalen Möglichkeiten gibt, ihnen nachzureisen, dann sucht man andere Wege“.
Die Familienzusammenführung von Geflüchteten ist unumstrittener Bestandteil des asyl- und migrationspolitischen Forderungskatalogs der Kirchen in Deutschland (und Europa). Immer wieder bekennen sich evangelische Synoden und Kirchenleitende und die katholischen Bischöfe dazu. Bei seiner Vollversammlung (s.o & s.u.) bekräftigte nun auch das ZdK, in einer ansonsten recht zahnlosen Erklärung zur Flüchtlingspolitik, erneut:
Das Vorhaben, den Nachzug zu subsidiär Schutzberechtigen auszusetzen, lehnen wir ab. Die Familie ist ein hohes Gut und fördert die Integration der betroffenen Menschen nachhaltig. Das ZdK plädiert deshalb dafür, anstelle einer Aussetzung des Familiennachzugs die derzeit geltende Obergrenze abzuschaffen und einen Rechtanspruch auf Geschwisternachzug einzuführen.
(Irr-)lichter in der Migrationspolitik
Deutschland sei ein Einwanderungsland, stellt das ZdK außerdem fest, „Migration und Integration müssen zusammengedacht werden“. Darum nun nach den Nebelkerzen und Gemeinheiten der Asylpolitik nun auch noch ein Beispiel aus der Migrationspolitik: Die „Turboeinwanderung“, die gerade erst seit März 2025 möglich ist, will die neue Bundesregierung gleich wieder kassieren. Ferdinand Otto berichtet für ZEITonline:
Die Ampelkoalition hatte vor etwa einem Jahr das Staatsangehörigkeitsgesetz geändert und […] die bis dato vorgeschriebenen Fristen für den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft deutlich herabgesetzt. Galt zuvor, Staatsbürger kann nur werden, wer acht Jahre lang in Deutschland gelebt hat, verkürzte die Regierung […] dies auf fünf Jahre. Ein spezieller Passus sollte zudem Anreize schaffen für hoch qualifizierte Migranten: Im Fall von besonderen Integrationsleistungen konnten Einwanderer statt nach fünf bereits nach drei Jahren in Deutschland die Staatsbürgerschaft erhalten.
Die Verkürzung in Ausnahmefällen für besonders gut integrierte Migrant:innen will der Bundesminister des Innern und für Heimat, Alexander Dobrindt (CSU), nun gemäß des Koalitionsvertrages ganz besonders zügig wieder abschaffen. Noch vor der Sommerpause soll das Gesetz durch den Bundestag. Im Referentenentwurf seines Hauses wird zur Begründung herangezogen, „ein Zeitraum von nur drei Jahren“ sei „zu kurz, um sich so nachhaltig in die hiesigen Lebensverhältnisse zu integrieren, dass auf dieser Grundlage ein gesetzlicher Anspruch auf Einbürgerung eingeräumt werden sollte“.
Mir dünkt, ein erster notwendiger Schritt zur Verbesserung der Asyl- und Migrationspolitik wäre die verbale Abrüstung auf Seiten der Union. Eine Versachlichung der Debatte, wie sie von den Kirchen gefordert wird, ist nicht zuletzt darum geboten, weil die Buzzwords von „Turboeinwanderung“, „Grenzschließungen“ und „Abschiebeoffensive“ erkennbar vor allem der AfD nutzen. Sie versprechen dem migrationskritischen Teil der Bevölkerung stets mehr, als die Regierung zu halten im Stande ist.
Es geht also nicht darum, wie CDU-Generalsekretär Linnemann meint, wenig(er) über Migration zu reden und schnell zu handeln, sondern so zu sprechen und zu handeln, wie es einer humanitären, an rechtstaatliche Regelungen gebundenen Asyl- und Migrationspolitik entspräche. Die ist nämlich nicht nur Teil der Verantwortung dieses reichen Landes, sondern liegt auch im (wirtschaftlichen) Interesse Deutschlands. Dem selbstformulierten Anspruch, eine „gut gesteuerte“ Einwanderung zu ermöglichen, wird diese Bundesregierung nicht gerecht.
Und die Kirchen?
„Humanität darf nicht abgebaut werden“, erklärte in dieser Woche der Flüchtlingsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Erzbischof Stefan Heße (Hamburg), auf dem 9. Katholischen Flüchtlingsgipfel. Rund 160 Vertreter:innen aus Wissenschaft, Flüchtlingsarbeit und Kirche kamen dazu in Mainz zusammen. Im Jahr 2024 hat die katholische Flüchtlingshilfe mit rund 40.000 haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern bundesweit fast 500.000 Menschen erreicht. 34 Millionen Euro seien dabei für Flüchtlingshilfe in Deutschland verwandt worden, dazu kämen 50 Millionen Euro für Projekte in anderen Ländern.
Am 23. und 24. Juni wird an der Evangelischen Akademie zu Berlin das 25. Berliner Symposium zum Flüchtlingsschutz stattfinden. „Expert*innen der Zivilgesellschaft, von Menschenrechtsorganisationen, Wohlfahrtsverbänden, migrantischen Selbstorganisationen, Kirchen, Anwalts- und Richter*innenverbänden und aus der Wissenschaft finden sich mit Akteur*innen aus Politik und Behörden“ in der Französische Friedrichstadtkirche im Zentrum der Hauptstadt zusammen. Ausweislich des Programms für 2025 hat noch kein:e prominente:r Politiker:in der Regierungskoalition ihre*seine Teilnahme zugesagt. Im vergangenen Jahr war „der höchstrangige CDU-Vertreter der Bürgermeister von Senftenberg“, beklagte im Eule-Interview vom November 2024 die Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union, Anne Gidion.
nachgefasst I: ZdK
Auf seiner Vollversammlung in Paderborn von Donnerstag bis Sonnabend dieser Woche hat das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) sich nicht nur zur Flüchtlingspolitik geäußert (s.o.), sondern mit einer eigenen Stellungnahme auch zum Gaza-Krieg. Das Bemühen um eine „Haltung der doppelten Solidarität gegenüber Israel und Palästina“ ist der Erklärung deutlich anzumerken, die mit dem Überfall vom 7. Oktober 2023 einsetzt und mit einigen Forderungen an die Bundesregierung endet. Die Stellungnahme trägt den klingenden Namen „Völkerrecht wahren – Menschlichkeit schützen“, eine unmissverständliche Verurteilung der völkerrechtswidrigen Besatzungspolitik und Kriegsführung Israels enthält sie aber nicht. Für die „völkerrechtswidrigen Maßnahmen der israelischen Regierung“ wird der Hamas „eine große Verantwortung“ zugeschrieben.
(Wieder einmal) nicht fertig geworden sind die versammelten ZdK-Mitglieder mit der Reform ihres Statuts und der Geschäftsordnung, weshalb die Tagung im Juli digital fortgesetzt wird. Die Wahl von 45 Einzelpersönlichkeiten in das Gremium, dem außerdem 86 Vertreter:innen der Diözesanräte und 98 Verbandsvertreter:innen angehören, wurde jedoch erfolgreich durchgeführt. Wie Michael Althaus für die KNA berichtet, sind unter …
… den erstmals gewählten Mitgliedern der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD), der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sowie der Politikwissenschaftler Carlo Masala. Wiedergewählt wurden neben anderen der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU), die Schriftstellerin Nora Bossong und die Journalistin Claudia Nothelle.
Auch der Partei- und Fraktionsvorsitzende der Europäische Volkspartei (EVP), Manfred Weber (CSU), der katholische Publizist Andreas Püttmann, Thomas Arnold sowie Monika Grütters (CDU) und die CDU-Bundestagsabgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker sind mit dabei. Nach dem Ausscheiden von Barbara Hendricks (SPD) fehlt es merklich an prominenten und hochrangigen Vertreter:innen des progressiven politischen Spektrums. Ist das ZdK wieder ein Refugium für die Christdemokratie?
Mit der frischen „Frau Europas“ Marie von Manteuffel, Viola Kohlberger, Johanna Beck, den Ordensschwestern Katharina Ganz und Philippa Rath sowie Mara Klein gibt es aber auch eine Riege (jüngerer) (FLINTA-)Mitglieder, die sich in den vergangen Jahren deutlich für „linksgrüne“ Politik – wie z.B. eine humanitäre Flüchtlingspolitik – und Kirchenreformen – wie die Anerkennung von LGBTQI+ und die Frauenweihe – eingesetzt haben. ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp wurde im ersten Wahlgang erneut ins Zentralkomitee gewählt (91 Stimmen) ebenso wie ihr Stellvertreter Thomas Söding (110 Stimmen, s. hier in der Eule).
Außerdem will das ZdK in Gesprächen mit der DBK erwirken, dass die wissenschaftlich Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt im Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) vom Verband der Diözesen Deutschlands (VDD) finanziell unterstützt wird. Und das ZdK hat die Einladung des Erzbistums Paderborn angenommen, den Katholikentag 2028 in der Stadt auszurichten.
„Der Termin des 105. Deutschen Katholikentags soll der 24. bis 28. Mai 2028 sein.“ Erste Sondierungen zwischen ZdK, Erzbistum Paderborn, dem Land Nordrhein-Westfalen und der Stadt Paderborn hätten bereits stattgefunden. „Die Gespräche mit Staatskanzleichef Nathanael Liminski und Bürgermeister Michael Dreier sind sehr positiv verlaufen. Man freut sich auf uns, Stadt und Land wollen uns nach Kräften unterstützen“, so Stetter-Karp.
Die katholische Connection mit Nathanael „Generation Benedikt“ Liminski (CDU) kommt dem ZdK wohl gerade recht. Nordrhein-Westfalen wird also nun zunächst im Jahr 2027 den 40. Deutschen Evangelischen Kirchentag (DEKT) in der Landeshauptstadt Düsseldorf (660.000 Einwohner:innen) und im Jahr darauf den 105. Deutschen Katholikentag in Paderborn (160.000 Einwohner:innen) beherbergen.
nachgefasst II: Aus den Landeskirchen
Entscheidungen mit Verantwortung – Strukturwandel für mehr Nähe (Evangelische Kirche der Pfalz)
In dieser Woche kam die Landessynode der Evangelischen Kirche der Pfalz zu ihrer Frühjahrstagung zusammen. Wir können hier in der Eule ja viel zu selten auf die Arbeit der Synoden der 20 Gliedkirchen der EKD schauen. Und die regionale Berichterstattung in der kirchlichen Gebietspresse, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und in der Regionalpresse fällt häufig genug sehr schmal aus. (In der Pfalz gibt es zum Beispiel keine von der landeskirchlichen Öffentlichkeitsarbeit getrennte Kirchenzeitung mehr.) Landessynoden spielen hauptsächlich dann eine Rolle bei uns im Magazin, wenn wie in Hannover vorletzte Woche (s. #LaTdH vom vergangenen Sonntag) oder in Württemberg bzgl. der URAKs (wir berichteten) etwas schief läuft. Zurück in die Pfalz …
Dort wurden nun weitreichende Strukturreformen beschlossen, die die protestantische Landeskirche mit ihren knapp 430.000 Mitgliedern in den nächsten Jahren prägen werden: Aus bisher 15 Kirchenbezirken sollen bis zum Jahr 2029 derer 4 werden. Und die Kirchengemeinden verlieren ihren Status als Körperschaften öffentlichen Rechts (KdöR).
Zukünftig sollen nur noch die vier neuen Kirchenbezirke und die Landeskirche Körperschaften des öffentlichen Rechts sein – mit hoheitlichen Aufgaben, Haushaltsführung und Verwaltungsverantwortung. Die einzelnen Kirchengemeinden erhalten stattdessen den Status kirchlicher Körperschaften – mit klar definierten Rechten, aber ohne die bisherigen juristischen und finanziellen Pflichten. […] Finanzplanung, Gebäudeunterhalt, Anstellungsträgerschaft und rechtliche Verantwortung liegen künftig bei den übergeordneten Einheiten. Das schafft Freiräume: für Begegnung, Seelsorge und geistliche Kreativität.
Nicht alles, was in der Pfalz neu ist, ist in anderen evangelischen Landeskirchen unbekannt. Eine „gemeinsame Kirchenverwaltung mit Regionalstellen“ ist in unterschiedlichen Modellen bereits in vielen Kirchen Realität. Die Kirche der Pfalz ist auch keineswegs reich. Die Reformen sind eine Reaktion darauf, dass der Mitgliederschwund in den kommenden Jahren weitere Löcher in den Haushalt reißen wird, aus dem die – typisch bundesrepublikanisch – zahlreichen Mitarbeiter:innen und Dienste der Kirche auf multiplen Ebenen bisher bezahlt wurden. Dass aber Kirchgemeinden ganz auf ihre Rechte als Körperschaften des öffentlichen Rechts verzichten bzw. „von der Last komplexer Verwaltungsaufgaben entbunden“ werden, wie die Landeskirche schreibt, ist neu und geht über die Strukturwandelmodelle hinaus, die anderswo diskutiert werden. Darum schauen Verantwortliche aus den anderen EKD-Gliedkirchen zur Abwechslung mal interessiert in die Pfalz.
Dem Vernehmen nach grummelt es in der Landeskirche ganz ordentlich. Die landeskirchliche Öffentlichkeitsarbeit schreibt von einer „offenen, respektvollen Debattenkultur“ auf der Tagung. Externe Beobachter:innen hätten sich beeindruckt gezeigt von der „Ernsthaftigkeit, mit der gerungen – und der Klarheit, mit der entschieden wurde“. Alla hopp un uffbasse! Dass eine Landessynode auch mal zu Pötte kommt und Entscheidungen nicht in umständlichen Reformprozessen euphemisiert („Profil und Konzentration“ der ELKB et al.) oder sich als „Begleiterin“ der Entscheidungen auf den „unteren“ Ebenen selbstverzwergt (z.B. bei der Kirchenkreisreform in der EKM) ist immerhin erfrischend. Die pfälzische Kirchenvizepräsidentin Marianne Wagner meint jedenfalls:
„[E]s geht darum, Verantwortung nicht zu verschieben. Die Zukunft unserer Kirche wird nicht verwaltet, sie wird gestaltet.“
Aussitzen funktioniert nicht mehr – Benjamin Lassiwe (Weser-Kurier)
Das Geschehen rund um die Tagung der Landessynode in Hannover (s. #LaTdH von vergangener Woche) kommentiert im Weser-Kurier Benjamin Lassiwe: „Keine Haltungsänderung, keine echte Übernahme von Verantwortung, kein Kulturwandel“, bilanzierte Nancy Janz, die u.a. als Betroffenensprecherin im Beteiligungsforum (BeFo) in der EKD wirkt.
[D]azu braucht es auch die Übernahme persönlicher Verantwortung. Auch in der Hannoverschen Kirche, und auch von Landesbischof Meister. Schließlich ist ein Bischof immer auch der oberste Seelsorger seiner Kirche. Wenn sich Betroffene aber permanent von oben herab behandelt fühlen, wenn für sie auch nach einem Jahr kein Mentalitätswandel des Theologen sichtbar wird, sollte doch wohl eines klar sein: Ein Aussitzen bis zur Rente geht nicht mehr.
Theologie
Fakultät bedauert Wegfall der Förderung für Exzellenzcluster Religion und Politik (Universität Münster)
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) wird den Exzellenzcluster Religion und Politik an der Universität Münster nicht weiter fördern. Seit 2007 hatte die DFG in drei Förderphasen den Exzellenzcluster, an dem 25 Fächer der Geistes-, Rechts- und Sozialwissenschaften beteiligt sind, mit insgesamt 112 Millionen Euro unterstützt. Auf der Website der Universität bedauert der Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät, Oliver Dyma, dass die Unterstützung im kommenden siebenjährigen Förderzeitraum von 2026 an nicht fortgesetzt wird.
„Es ist für mich allerdings unverständlich, dass die Thematik, die der Cluster mit dem neuen Antrag eingebracht hat, in keiner Weise bei den bewilligten Anträgen abgebildet ist“, erklärt Dyma mit Blick auf die 70 ausgewählten Exzellenzcluster.
Die Gesamtliste der geförderten Exzellenzcluster (PDF) gibt ein beredtes Zeugnis davon, was am (Wissenschafts-)Standort Deutschland für innovativ und zukunftsrelevant gilt. Religion und Religiosität offenbar nicht, die Theologie nur als Helferin am Rande. Die Forschung über „Komplexität, Topologie und Dynamik in Quantenmaterialien“ (TU Dresden / Uni Würzburg) zum Beispiel wird gefördert, die Komplexität, Topologie und Dynamik der Religionen und ihre Interdependenzen zu anderen gesellschaftlichen und politischen Feldern nicht.
Eule-Podcast (43): SysLex: Ein Online-Lexikon für Systematische Theologie – Sarah Jäger und Frederike van Oorschot bei Michael Greder (Die Eule, 31 Minuten)
Schwindende Ressourcen und die Notwendigkeit zur Kooperation und Vernetzung von wissenschaftlicher Theologie spielen auch im „Eule-Podcast“-Gespräch über das neue Onlinelexikon Systematische Theologie (SysLex) mit den Herausgeberinnen Sarah Jäger (Uni Jena) und Frederike van Oorschot (FEST) eine wiederkehrende Rolle, das Podcast-Host Michael Greder in dieser Woche geführt hat.
Das „SysLex“ wurde vom Digitalinnovationsfonds der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mit 43.000 Euro gefördert und wird beim Fachinformationsdienst (FID) Theologie in Tübingen gehosted. Ansonsten wird die Arbeit vom Herausgeber:innenkreis und von wenigen wissenschaftlichen Hilfskräften gestemmt. Im Podcast geht es auch um die Zusammenarbeit mit den anderen, bereits bestehenden Online-Lexika für Kirche und Theologie und die Frage, ob „SysLex“ wirklich ein digitales Lexikon ist.
Ein guter Satz
„Wir wollen nicht nur schön beten und singen, sondern müssen jene verteidigen, die verachtet werden.“
– Isabelle Gerber, Kirchenpräsidentin der Union der Evangelischen Kirchen von Elsass und Lothringen (UEPAL) gegenüber dem epd
Unterstütze uns!
Die Eule bietet Nachrichten und Meinungen zu Kirche, Politik und Kultur, immer mit einem kritischen Blick aufgeschrieben für eine neue Generation. Der unabhängige Journalismus und die Stimmenvielfalt der Eule werden von unseren Abonnent:innen ermöglicht. Mit einem Eule-Abo unterstützst Du die Arbeit der Redaktion, die faire Entlohnung unserer Autor:innen und die Weiterentwicklung der Eule.
Mitdiskutieren