Newsletter #LaTdH

In dubio pro Leo – Die #LaTdH vom 11. Mai

Robert Francis Prevost ist zum Papst der römisch-katholischen Kirche gewählt worden: Was ist von Leo XIV. zu erwarten? Außerdem: Preisverdächtig in Pirna, systematisch im Netz und selbstgerecht im Westen.

Herzlich Willkommen!

Deutschland hat einen neuen Bundeskanzler, Rom einen neuen Bischof! Beide Kandidaten kamen durch geheime Wahl ins Amt und schafften es nicht im ersten Wahlgang – damit hören die Gemeinsamkeiten aber schon auf. Während  es die Kardinäle im Konklave recht schnell schafften, die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit zustande zu bringen, damit das „Gaudium magnum“ eines neuen Papstes verkündet werden konnte, brauchten die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD die gleiche Mehrheit schon für den von der Geschäftsordnung abweichenden zweiten Wahlgang am gleichen Tag. Das ging nicht ohne Zustimmung der anderen Parteien. Und so kommentierte Ricarda Lang unter dem X-Post von Bundeskanzler Friedrich Merz, der ihn beim Ablegen des Amtseides inklusive der religiösen Beteuerung „So wahr mir Gott helfe“ zeigte, frotzelnd: „Und die Grünen. Und die Linken.“

Die traditionelle Formel sei ein „politisches Statement“, frohlockt ein Springer-Volontär in der WELT: Merz sende „ein Signal an sein konservatives Lager und an all jene, die in Religion noch Orientierung sehen“. Von „großer Freude“ über die neue Bundesregierung ist in Deutschland allerdings wenig zu spüren, auch nicht bei der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die dem Bundeskanzler nicht ohne kritische Untertöne gratulierten.

Der Zweckehe der „Blackrot“-Partner, die man in früheren Zeiten „Große Koalition“ genannt hätte, fehlt sowohl die gesellschaftliche Aufbruchstimmung des „rot-grünen Projekts“, mit der 1998 der ewige Bimbes-Kanzler Helmut Kohl abgelöst wurde, als auch das ikonische Bild des Instagram-Selfies, mit dem Grüne und FDP zum Start der „Ampel“ vermitteln wollten, nun sei die „Generation Pragmatismus“ an der Macht. 2025 tritt eine neue Bundesregierung an – und bringt ihre alten Netzwerke gleich mit: Noch am Morgen ihrer Amtseinführung stehen einige Minister:innen im Lobbyregister des Bundestages. Die Initiative „Abgeordnetenwatch“ hat am gleichen Tag die Lobby-Akte des Kabinetts Merz veröffentlicht. Die darin zusammengestellten Affären und Interessenskonflikte lassen wenig Gutes für die Zukunft erwarten.

Eine interessante religionspolitische Personalie ist den meisten Medien nach meinem Eindruck bisher ziemlich durchgerutscht: Petra Bahr, bisher Regionalbischöfin der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, wird Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend von Karin Prien (CDU), der ersten jüdischen Bundesministerin in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Theologin, die auch Mitglied des Deutschen Ethikrats ist, stand nach Tätigkeiten für die FEST in Heidelberg, als erste EKD-Kulturbeauftragte, und die Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin seit 2017 an der Spitze des Sprengels Hannover.

Einen guten Start in die neue Woche
wünscht Ihnen Ihr Thomas Wystrach

PS: Die #LaTdH und die ganze Eule werden von den Leser:innen selbst ermöglicht! Die Eule ist ein unabhängiges Magazin und erhält keine Unterstützung von Kirchen oder Religionsgemeinschaften. Werden Sie Eule-Abonnent:in! Schon ab 3 € im Monat sind Sie dabei.


Debatte

Annuntio vobis gaudium magnum; habemus Papam! (vatican.va)

„Leo XIV.“ – für diesen Namen hat sich der am frühen Donnerstagabend durch „kanonische Wahl“ im Konklave zum Papst gekürte Kardinal Robert Francis Prevost entschieden, bisher Präfekt des Dikasteriums für die Bischöfe, also eine Art „Personalchef“ der römisch-katholischen Weltkirche. Für die meisten sicher ein „Überraschungskandidat“, jedenfalls kein „Favorit“ unter den papabile. Ein wichtiger Funktionsträger der Kurie im Vatikan, der aber vorher ausreichend Erfahrung an der „Peripherie“ der Kirche, an der Franziskus viele neue Kardinäle gefunden und zu zukünftigen Papstwählern gemacht hatte, sammeln konnte.

Zehntausende Gläubige auf dem Petersplatz und vermutlich Hunderte Millionen Zuschauer an ihren Bildschirmen verfolgten das traditionelle Schauspiel der Wahl eines neuen „Pontifex Maximus“ inklusive weißem Rauch aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle, der Verkündung der erfolgreichen Wahl durch den Kardinalprotodiakon und den ersten Auftritt des neuen Papstes auf der Benediktionsloggia des Petersdoms. Noch am Abend stellte der Osservatore Romano eine kurze Biographie online, auch das Wappen und ein offizielles Foto des neuen Papstes folgten inzwischen.

In seiner ersten Ansprache an die Kardinäle hat Leo XIV. erwartungsgemäß seine „volle Zustimmung“ zum Weg der römisch-katholischen Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil erklärt und eine Fortsetzung des Kurses seines Vorgängers Franziskus angekündigt. In Erinnerung an Papst Leo XIII., der in seiner Enzyklika „Rerum Novarum“ die soziale Frage des ausgehenden 19. Jahrhunderts behandelte, habe er sich für seinen Namen Leo XIV. entschieden:

Heute bietet die Kirche allen den Schatz ihrer Soziallehre an, um auf eine weitere industrielle Revolution und auf die Entwicklungen der künstlichen Intelligenz zu antworten, die neue Herausforderungen im Hinblick auf die Verteidigung der Menschenwürde, der Gerechtigkeit und der Arbeit mit sich bringen.

„Den Kardinälen ist mit der Papst-Wahl ein handfester Coup gelungen“ (FB2 der Uni Münster)

Die Professor:innen der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster äußern sich auf der Website ihres Fachbereichs zur Wahl und zu möglichen Themen des neuen Papstes. Erwartet wird ein „sozialer Papst und Brückenbauer“ (Hubert Wolf), „sozialethisch, aber auch ökumenisch vielversprechend“ (Regina Elsner), ein „erfahrener Diplomat“, der „den Tyrannen der Welt wie Trump und Putin die Stirn bieten“ werde (Thomas Schüller; ausführlicher auch bei feinschwarz.net), ein „pragmatischer Reformer“, „weltgewandt und hochpolitisch“ (Christian Bauer), ein „weltkirchlich erfahrener und global vernetzter Ordensmann“ (Marianne Heimbach-Steins) oder ganz einfach ein „guter Mann mit einem guten Herzen“ (Daniel Minch).

Der Wiener Theologe Paul M. Zulehner hatte in seinem Blog die Wahl von Kardinal Prevost vorhergesagt, allerdings auf den Papstnamen „Bonaventura“ getippt; alternativ hätte er sich auch Luis Antonio Kardinal Tagle von den Philippinen als Papst „Franziskus II.“ vorstellen können.

Leo: Gedankenspiele zu einem geschichtsträchtigen Namen – Simone Parise (feinschwarz.net)

Inmitten der vielen Stimmen zur Papstwahl unternimmt Simone Parise im Theologischen Feuilleton feinschwarz.net den Versuch, dem Namen Leo gedankenspielerisch und historisch nachzuspüren. Er erinnert an die lateinische Inschrift über den siegreichen „Löwen aus dem Stamme Juda“ auf dem Obelisken des Petersplatzes, an Giuseppe Verdis Oper „Attila“, in der Papst Leo I. dem Hunnenkönig entgegentritt, und an Leo XIII., einerseits ein Papst der Isolation im Vatikan, andererseits Autor von 86 Enzykliken, mit denen er Brücken zur Welt zu schlagen versuchte:

Mit der Enzyklika Testem benevolentiae (1899) verurteilte er den sogenannten „Amerikanismus“ – also die Bemühung, den Katholizismus stärker an die Prinzipien von Freiheit, Demokratie und Pluralismus anzupassen. Ist es nur eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet der erste US-amerikanische Papst den Namen Leo wählt? (…)

Viele hoffen auf eine Kontinuität mit Papst Franziskus. Wer weiß, ob sich Robert Francis Prevost bei seiner Namenswahl nicht auch von Bruder Leo, dem engen Freund und Weggefährten des heiligen Franz von Assisi, inspirieren liess? Eine „franziskanische“ Kontinuität zwischen den beiden Päpsten wäre bedeutsam – und tröstlich.

Leo XIV. – der erste US-amerikanische Papst als „Anti-Trump“?

Im Interview mit SWR Kultur bekräftigte Matthias Drobinski die These aus seinem Kommentar (€) in Publik-Forum, die Kardinäle hätten sich für einen „Anti-Trump“ entschieden. Die aktuelle US-Migrationspolitik jedenfalls sehe Prevost kritisch. Auch Stefan Hunglinger spekuliert in der taz darauf, der „Gesamtamerikaner“ Leo XIV. könne „ein Gegengewicht werden zu Donald Trump und seinem katholischen Vizepräsidenten J.D. Vance“. Ins gleiche Horn stößt der Sozialethiker Markus Vogt im Interview mit der KNA:

Liest man zwischen den Zeilen und weiß um seine Themen, ist Leo XIV. ein klarer Antipode zum US-Präsidenten: in der Friedensethik, in der Wirtschaftsethik, in der Einstellung zur Demokratie und beim Thema Verantwortung für andere.

Prevost kann für die USA werden, was Wojtyla für Polen wurde – Felix Neumann (katholisch.de)

Donald Trump, „ein Clown als Präsident“, der vor dem Konklave noch ein KI-Bild von sich als Papst über seine Social-Media-Kanäle viral gehen ließ, begrüßte die Wahl eines „Landsmanns“ zum Papst voller „excitement“, so als handle es sich um eine weitere Goldmedaille für die USA bei den Olympischen Spielen. Dass der Präsident wirklich Grund zur Freude habe, bezweifelt indes Felix Neumann in seinem „Standpunkt“ bei katholisch.de: Kaum ein Kirchenmann sei bisher kritischer gegenüber der Politik der US-Administration aufgetreten als Kardinal Prevost.

Dabei hat dieser Papst Leo XIV. das Potential, für Trumps Regime das an die Wand zu malen, was die Wahl von Johannes Paul II. für Polens kommunistisches Regime bedeutete. Der Papst hat keine Divisionen. Er hat etwas viel Mächtigeres: Hoffnung auf Anstand, Freiheit und Gerechtigkeit gegen Ressentiments, Unterdrückung und Verfolgung. Mit der Wahl dieses US-Amerikaners zum Papst haben die Kardinäle dafür ein starkes Zeichen gesetzt.

Kein Übermensch – Benjamin Leven (Communio)

Die Oberflächlichkeit vieler medialer Schnellschuß-Statements am Wahlabend spießt Benjamin Leven in seinem letzten „Rauchzeichen“ aus Rom auf, ein Online-Tagebuch, in dem er das Konklave auf der Website der Internationalen Katholischen Zeitschrift Communio begleitet hatte:

Manche Kommentare scheinen mehr Ausdruck von Projektionen und Wunschdenken zu sein als begründete Analysen. Diese Kaffeesatzleserei hat auch damit zu tun, dass es nur wenige öffentliche Äußerungen von Robert Prevost gibt. Er hat offenbar keine Bücher geschrieben; in den Sozialen Medien tauchen inzwischen ein paar ältere Vorträge von ihm auf, er hat da und dort auch ein Interview gegeben und auf seinem Twitter-Account gelegentlich Artikel geteilt. (…)

Immer wieder wird auf den letzten Leo-Papst, also auf Leo XIII. und seine Sozialenzyklika „Rerum Novarum“ verwiesen. Prevost stelle sich in den Tradition des „Arbeiterpapstes“, heißt es. Doch Leo XIII. hat sich in zahlreichen weiteren Enzykliken auch zu anderen Themen geäußert. Unter anderem verfasst Schreiben gegen den Sozialismus, den laizistischen Staat, die Religionsfreiheit, die Freimaurerei und die staatliche Eheschließung, die Ehescheidung und vieles mehr.

Ein weiterer prominenter Leo-Papst ist übrigens Giovanni de‘ Medici. Leo X. hielt sich eine Hofnarren, liebte die Jagd, veranstalte Karnevalsumzüge und hatte einen privaten Zoo. Besonders liebte er seinen Elefanten, der auf den Namen Hanno hört. Leo X. hatte dann Scherereien mit einem deutschen Augustinermönch namens Martin Luther.

Der Papa unter den Autokraten – Antje Schrupp (zeitzeichen)

Grundsätzlich skeptisch gegenüber der Idee eines Reformpapstes oder „Anti-Trumps“ zeigt sich Antje Schrupp in ihrem „z(w)eitzeichen“-Kommentar. Als „säkulare Protestantin“ beobachte sie die römisch-katholische Inszenierung des „Rummels“, wer denn neuer Pontifex Maximus werde, mit einer „Mischung aus Faszination und Irritation“:

Das Papsttum ist Patriarchat in Reinform. Und zwar auch dann, wenn jetzt, wie viele hoffen, ein irgendwie „liberaler“ oder „fortschrittlicher“ Papst ins Amt gewählt würde, der den weltlichen Zampanos bei Fragen wie sozialer Gerechtigkeit oder Migration in bisschen Paroli bieten kann. (…)

Der Kirche mag es nutzen, vor allem der römisch-katholischen, wenn sie sich nun gegenüber den Autokraten und Patriarchen dieser Welt als diejenige Institution profilieren kann, die fast als einzige dem Schreckensbild eines von radikalen Feministinnen betriebenen woken Untergrabens männlicher Autorität Paroli geboten hat. Aber ob das dann ein Christentum ist, das es verdient, mit Leben gefüllt und verteidigt zu werden? Von mir jedenfalls nicht.

Wem die „neue Ernsthaftigkeit“ rund um die Wahl des neuen Pontifex zu viel geworden ist, dem sei die Komödie „Habemus Papam – Ein Papst büxt aus“ aus dem Jahre 2011 empfohlen. Der Film, in dem Nanni Moretti die Papstmacher aufs Korn nimmt, ist noch einen Monat lang in der ARTE-Mediathek verfügbar.

nachgefasst

Neuer Prüfbericht zeigt Abgründe um Kurschus – Reinhard Bingener (FAZ)

Im November 2023 berichtete vor allem Philipp Greifenstein hier in der Eule intensiv über die Vorwürfe gegenüber der damaligen EKD-Ratsvorsitzenden Annette Kurschus (auch in den #LaTdH vom 12., 19. & 26. November und 3. Dezember 2023 sowie im „Eule-Podcast“). Kurschus trat schließlich am 20. November von ihren Ämtern als Ratsvorsitzende der EKD und als Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) zurück.

In einer „persönlichen Erklärung“ bekannte die Leitende Geistliche, sie sei „mit Gott und mir selbst (…) im Reinen“ und gehe „sehr traurig, aber getrost und aufrecht“. Sie lasse sich ihre Redlichkeit „von niemandem, von niemandem absprechen“. Dieses trotzige Selbstbild hat am vergangenen Dienstag weitere tiefe Risse erhalten, als die westfälische Landeskirche eine 70-seitige Studie über den Missbrauchsfall eines Kirchenmusikers in Siegen, über den Kurschus damals gestürzt ist, vorgestellt hat. Die Unternehmensberatung Deloitte hat dafür mit Beteiligten aus Siegen gesprochen und auch den Umgang mit dem Fall im Bie­lefelder Landeskirchenamt analysiert.

„In beiden Fällen blickt man in Abgründe“, so das Fazit von Reinhard Bingener in der FAZ:

Denn die Prüfer halten nicht nur die Missbrauchsvorwürfe gegen den Kirchenmusiker für zutreffend, sie decken auch Ver­sagen von kirchenleitenden Personen auf. (…) Nach ihrer Wahl zur EKD-Ratsvorsitzenden hatte (Kurschus) 2021 versprochen, die Aufarbeitung von Missbrauch zur „Chefinnensache“ zu machen. Die Prüfer empfehlen nun die Einleitung von Disziplinarverfahren gegen Kurschus, weil sie den Fall im Oktober 2022 nicht meldete.

Die Evangelische Kirche von Westfalen werde …

… aus dem vorgelegten Bericht Konsequenzen ziehen, mögliche Pflichtverstöße Beteiligter prüfen und ihre Verfahren zur Prävention und Intervention sexualisierter Gewalt weiter verändern und verbessern, …

… heißt es auf der Website der EKvW, auf der auch eine „persönlichkeitsrechtskonforme Fassung des Berichts einsehbar“ ist.

Woelkis Selbstgerechtigkeit als Kardinalfehler – Mathias Wirth (Kölner Stadt-Anzeiger)

Seit November 2022 hatte die Staatsanwaltschaft gegen Kardinal Woelki ermittelt – zunächst wegen möglicher falscher eidesstattlicher Versicherungen und dann zusätzlich wegen des Verdachts auf Meineid. Nun wurde das Verfahren gegen Auferlegung einer Geldzahlung von 26.000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung eingestellt.

Bekanntermaßen sind der Kölner Erzbischof und seine ständig wechselnden Medienberater stets bemüht, die Deutungshoheit über die Geschichte zu behalten. „Kardinal Woelki ist unschuldig und hat nicht gelogen. Er hat keine Aussagedelikte, insbesondere keinen Meineid begangen“, heißt es in einer Pressemitteilung des Erzbistums Köln, die gerade noch rechtzeitig vor Beginn des Konklave veröffentlicht wurde. Die Geldauflage sei ausdrücklich nicht als Strafe zu verstehen, mehr noch, der Erzbischof verzichte auf sein Recht, bestimmte Vorwürfe vor Gericht klären zu lassen.

Der evangelische Ethikprofessor Mathias Wirth zeigt sich in seinem Kommentar im Kölner Stadt-Anzeiger irritiert vom medialen Auftritt des Erzbistums. Die Selbstgewissheit, Amtsträger seien über jeden Zweifel erhaben, stelle „gerade in den Kirchen eine Ermöglichungsstruktur für Missbrauch“ dar. Die Entscheidung der Justiz für die Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage lasse hingegen bewusst einen Graubereich zu, ähnlich wie mit der Idee von der Gnade Gottes ein „konstruktiver Zug christlicher Theologie“ verbunden sei:

Gerade das Ausbleiben einer Anklage gegen ihn hätte – im eben beschriebenen Sinn – zu Selbstkritik und einer offenen Auseinandersetzung mit Fehlern Anlass geben können. Stattdessen betont das Erzbistum fast triumphierend Woelkis Unschuld, und er selbst kommuniziert „Schlusspunkte“, was auf Betroffene von sexualisierter Gewalt besonders verletzend und zynisch wirken muss.

Wer als Kirchenvertreter so auf Selbstgerechtigkeit setzt, demonstriert nicht nur sein Unverhältnis zu Wesenselementen des christlichen Glaubens, sondern beteiligt sich auch an der Bagatellisierung sexualisierter Gewalt in den Kirchen und ihrer Aufarbeitung.

Buntes

Sechster Katholischer Preis gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus verliehen (DBK)

„Widersprechen, wo Rassismus salonfähig zu werden droht“ – Am Dienstag haben die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) den sechsten Katholischen Preis gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in Berlin-Friedrichshain verliehen und die Preisträger für ihr christlich motiviertes antirassistisches Engagement gewürdigt.

Neben einem Frauenprojekt der Caritas Minden wurden auch ein Wohnungsvermittlungsprojekt in München sowie die Maria-Ward-Realschule in Burghausen ausgezeichnet. Außerdem gerühmt wurde Pfarrer Vinzenz Brendler aus der Pfarrei St. Heinrich und Kunigunde in Pirna für diese Aktion, über die wir in den #LaTdH vom 22. September 2024 berichteten:

„In Pirna hat Pfarrer Vinzenz Brendler Zivilcourage gezeigt, anstatt sich dem lärmenden Mob zu ergeben. Als das Landratsamt entschied, eine Ausstellung über Geflüchtete nicht zu zeigen, öffnete er die Räume der Pfarrei, um dies doch noch zu ermöglichen. Kirchliche Räume wurden genutzt, um sich der Ausgrenzung von Menschen und der Bedrohung der Demokratie entgegenzustellen“, erläutert Irme Stetter-Karp.

Aufgrund des Einsatzes von Vinzenz Brendler konnte die Ausstellung „Es ist nicht leise in meinem Kopf“ des Flüchtlingsunterstützerkreises Schwarzenberg im Herbst 2024 doch noch pünktlich in Pirna eröffnet und gezeigt werden. Als Ausstellungsort wurde die „Klosterkirche“ der katholischen Pfarrgemeinde zur Verfügung gestellt.

Theologie

Onlinelexikon Systematische Theologie (syslex-online.de)

Seit dem 1. Mai ist das „Onlinelexikon Systematische Theologie“ (SysLex) öffentlich zugänglich (Open Access). Es bietet eine Einführung in dogmatische, ethische und religionsphilosophische Begriffe im Blick auf aktuelle Probleme und zentrale Forschungslinien. SysLex sei problemorientiert, vernetzt und divers, heißt es in der Vorstellung des Konzepts:

Problemorientiert: Klassische Themen und Begriffe Systematischer Theologie werden daraufhin befragt, welche konkreten, gerade auch gegenwartsrelevanten Fragestellungen christlich-religiöser Praxis und systematisch-theologischer Wissenschaft in ihnen diskutiert werden.

Vernetzt: Die klassischen Themen und Begriffe Systematischer Theologie werden mit konkreten, aktuellen Problemen verknüpft und sowohl untereinander als auch über SysLex hinaus digital vernetzt.

Divers: SysLex setzt sich zum Ziel, die Vielfalt protestantischer Theologie widerzuspiegeln. Sowohl etablierte als auch weniger bekannte Positionen und Perspektiven werden dargestellt.

Gründerin und eine der Herausgeberinnen ist Frederike van Oorschot, die als Leiterin des Arbeitsbereichs „Religion, Recht und Kultur“ an der FEST in Heidelberg arbeitet. Im „Eule-Podcast“ hat sie mit Michael Greder darüber gesprochen, was unter „digitaler Kirche und Theologie“ eigentlich zu verstehen ist und wie sich beide wegen der digitalen Kulturtechniken verändern.

Ein guter Satz

„Für diesen ganzen Zirkus muss man die Katholiken einfach lieben.“

– Hedwig Richter auf Bluesky

Mitdiskutieren