BeFo der EKD: „Wir sind in höchstem Maße besorgt“

Die Sprecher:innen der Betroffenen im EKD-Beteiligungsforum nehmen in einer eigenen Erklärung zu den Entwicklungen rund um die EKD-Ratsvorsitzende Kurschus Stellung. Grundsätzlich gelte es, Betroffenen Glauben zu schenken.

„Wir sind in höchstem Maße besorgt, dass die Darstellung der Ratsvorsitzenden der EKD in einer entscheidenden Frage von den anderen Personen abweicht“, erklären die Sprecher*innen der Betroffenenvertretung im Beteiligungsforum sexualisierter Gewalt (BeFo) der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in einer Stellungnahme zur „Causa Kurschus“, die der Eule vorliegt. Die Betroffenen arbeiten im Beteiligungsforum der EKD gemeinsam mit von der Kirche beauftragten Personen an verschiedenen Projekten zur Aufarbeitung der sexualisierten Gewalt in den evangelischen Kirchen.

Erst am Dienstagnachmittag hatten die Sprecher:innen des BeFo auf der Tagung der EKD-Synode in Ulm von ihrer Arbeit berichtet, u.a. von den Fortschritten bei der Harmonisierung der Anerkennungsleistungen in den evangelischen Landeskirchen und der baldigen Unterzeichnung einer „Gemeinsamen Erklärung“ zwischen Kirche, Diakonie und der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung (UBSKM), Kerstin Claus.

Von dem Chaos um die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus, die sich schweren Vorwürfen ausgesetzt sieht, Missbrauchstaten vertuscht zu haben (wir berichteten), wurden die BeFo-Sprecher:innen in Ulm kalt erwischt. In ihrem Statement warnen sie nun: „Die aktuelle Berichterstattung stellt die Glaubwürdigkeit von Frau Kurschus in Frage. Dies darf nicht zu einer Beschädigung all unserer Anstrengungen, Projekte und Maßnahmen im Beteiligungsforum der EKD führen. Es braucht eine klare, lückenlose und unabhängige Aufklärung in diesem Fall.“

In ihrem Statement erklären die BeFo-Betroffenensprecher:innen weiter, wie wichtig es ist, Betroffenen sexualisierter Gewalt Glauben zu schenken und sie „nicht in irgendeiner Art und Weise in Zweifel“ zu ziehen: „Das ist unsere Haltung als Betroffenenvertretung.“ Die „Aufklärung und Ahndung von konkreten Taten“ gehöre „nun in die Hände der Strafverfolgungsbehörden“, das habe auch Kurschus erklärt. Es läge nun auch in der Verantwortung, die sie als Ratsvorsitzende der EKD wahrnehme, „darüberhinausgehende Schritte ernsthaft persönlich zu prüfen. Das erwarten Betroffene von sexualisierter Gewalt in der Kirche und wir als Betroffenenvertreter*innen von ihr.“

Derweil berichtet die Siegener Zeitung am Donnerstagnachmittag, dass sich bei der Staatsanwaltschaft nun ein zum Tatpunkt sehr wahrscheinlich noch minderjähriger Betroffener des mutmaßlichen Täters im Fall Siegen gemeldet habe. Das bestätigte die Staatsanwaltschaft am Donnerstag, nachdem sie am Montag noch verkündet hatte, dass vom Missbrauch „wohl nix übrig“ bleibe.


Das gesamte Statement der BeFo-Betroffenensprecher:innen im Wortlaut:

„Grundsätzlich gilt, dass den Aussagen von Betroffenen sexualisierter Gewalt Glauben zu schenken ist und diese nicht in irgendeiner Art und Weise in Zweifel gezogen werden. Das ist unsere Haltung als Betroffenenvertretung. Wir setzen uns mit Nachdruck dafür ein, dass Betroffenen ohne jede Einschränkung die Möglichkeit gegeben wird, die Vorgänge und die Anwendung sexualisierter Gewalt offen zu schildern, in ihren Aussagen angehört zu werden und dass die Vorwürfe ernsthaft geprüft werden. Die Aufklärung und Ahndung von konkreten Taten gehört in unserem Rechtsstaat nun in die Hände der Strafverfolgungsbehörden. Frau Kurschus hat erklärt, dass sie diesen rechtsstaatlichen Weg ebenso unterstützt. Es liegt in ihrer Verantwortung als Ratsvorsitzende der EKD darüberhinausgehende Schritte ernsthaft persönlich zu prüfen. Das erwarten Betroffene von sexualisierter Gewalt in der Kirche und wir als Betroffenenvertreter*innen von ihr.

Wichtig sind uns der uneingeschränkte Schutz und die Unterstützung betroffener Personen in allen Fällen sexualisierter Gewalt in Kirche und Diakonie. Die jeweiligen Landeskirchen stehen dort klar in der Pflicht. Es ist ihre deutliche Verantwortung für eine lückenlose und unabhängig durchgeführte Aufklärung in allen Fällen sexualisierter Gewalt zu sorgen. Dies gilt selbstverständlich auch für den vorliegenden Fall, vollkommen unabhängig von Amt und Status der Person. Wenn es arbeits- oder dienstrechtliche Pflichtverletzungen gab, sind entsprechende Konsequenzen zu ziehen.

Im Beteiligungsforum arbeiten wir sehr intensiv und mit großem Nachdruck an der systematischen und klar strukturierten Umsetzung der Aufklärung und Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und Diakonie. Dies ist unser erklärtes Ziel. Daher ist die Haltung eindeutig.

Wir sind in höchstem Maße besorgt, dass die Darstellung der Ratsvorsitzenden der EKD in einer entscheidenden Frage von den anderen Personen abweicht. Die aktuelle Berichterstattung stellt die Glaubwürdigkeit von Frau Kurschus in Frage. Dies darf nicht zu einer Beschädigung all unserer Anstrengungen, Projekte und Maßnahmen im Beteiligungsforum der EKD führen. Es braucht eine klare, lückenlose und unabhängige Aufklärung in diesem Fall.“


Alle Eule-Beiträge zum Themenschwerpunkt „Missbrauch evangelisch“.

Alle Eule-Beiträge zur Tagung der EKD-Synode in Ulm 2023.


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