Causa infinita – Die #LaTdH vom 26. November
Ein zweifaches „Nein!“ aus Rom zu den Reformplänen der deutschen Katholiken. Außerdem: Nachlese zum Rücktritt von Annette Kurschus, das Weltgericht und indigene Expertise.
Herzlich Willkommen!
Vor hundert Jahren, Ende Oktober 1923, begann auch in Deutschland die Geschichte des Rundfunks. Lucie Panzer, Rundfunkpfarrerin i.R. der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, wies vergangene Woche in einer Pressemitteilung darauf hin, dass am 25. November 1923 mit Georg Siebert erstmalig ein evangelischer Pfarrer im Rahmen einer „Morgenfeier“ während der „Berliner Radio-Stunde“ zu Wort kam.
Bereits im Frühjahr 1924 habe sich der evangelische Pressedienst (EPD) mit dem neuen Medium befasst, um „eine möglichst rasche und einheitliche Präsenz im Programm der Rundfunksender sicherzustellen“. War das Radio als „Instrument der Volksbildung“ gedacht, galt dasselbe auch für die „absenderorientierten Beiträge“ der Kirche:
Sie hatten politisch strikt neutral, staatsloyal und amtskirchenfreundlich zu sein.
Vor ein paar Jahren hätte ich über eine solche Meldung einfach geschmunzelt, inzwischen lässt es mich angesichts der Versuche in Polen oder Ungarn, die Medienlandschaft gleichzuschalten, oder der Perspektive, welchen Stellenwert Pressefreiheit und Medienvielfalt bei Parteien besitzen, die mit „Fake News“ und „Lügenpresse“-Vorwürfen Stimmung machen, nachdenklich zurück.
Eine gute Woche wünscht
Ihr Thomas Wystrach
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Debatte
Roma locuta …
Vor gut zwei Wochen tagte erstmals der Synodale Ausschuss, ein Gremium, das gemäß des von der Synodalversammlung des Synodalen Weges am 10. September 2022 beschlossenen Handlungstextes „Synodalität nachhaltig stärken“ die Aufgabe hat, „die Einrichtung eines Synodalen Rates spätestens zum März 2026“ vorzubereiten. Bereits am 16. Januar 2023 hatten die Kurienkardinäle Parolin (Staatssekretariat), Ferrer (damals Präfekt des Glaubensdikasteriums) und Ouellet (damals Präfekt des Dikasteriums für die Bischöfe) in einem von Papst Franziskus „in forma specifica“ approbierten Schreiben an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Bätzing, jedoch klargestellt, …
… dass weder der Synodale Weg noch ein von ihm eingesetztes Organ noch eine Bischofskonferenz die Kompetenz haben, den „Synodalen Rat“ auf nationaler, diözesaner oder pfarrlicher Ebene einzurichten.
In seiner Reaktion sah Bätzing damals den Synodalen Ausschuss „durch das römische Schreiben nicht infrage gestellt“ – im Gegenteil, man werde „die im Brief ausgesprochene Einladung zum Gespräch mit Rom zeitnah aufgreifen“.
Nachdem kritische Signale verschiedener vatikanischer Behörden offenbar ihre Wirkung verfehlt haben, hat sich Papst Franziskus nun persönlich in die Debatte eingeschaltet. Nur vier Tage nach ihrem (bisher im Wortlaut nicht bekannten) Schreiben antwortete der Pontifex am 10. November in einem (inzwischen von WELT veröffentlichten) persönlichen Brief an die Theologinnen Katharina Westerhorstmann und Marianne Schlosser, die Religionsphilosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz sowie die bei Maria 1.0 engagierte Journalistin Dorothea Schmidt. Alle vier waren bis zu ihrem selbstgewählten Ausstieg Delegierte des Synodalen Wegs – nominiert auf dem Ticket der Bischofskonferenz.
Papst Franziskus erklärt, er teile ihre „Sorge über die inzwischen zahlreichen konkreten Schritte, mit denen sich große Teile dieser Ortskirche immer weiter vom gemeinsamen Weg der Weltkirche zu entfernen drohen“, und warne davor, „das ‚Heil‘ in immer neuen Gremien zu suchen und in einer gewissen Selbstbezogenheit die immer gleichen Themen zu erörtern“.
Dorothea Schmidt, eine der vier Brieffreundinnen, sieht im Interview mit dem Domradio zwei Möglichkeiten darauf zu reagieren:
Entweder wir sehen das nicht ein, was der Papst sagt, wir schimpfen über Rom und alle Bischöfe, Kardinäle, Laien in der Welt, die ihm folgen. Oder wir lassen die Frage zu: Wenn wir immer wieder zu hören bekommen, auch von wichtigen Autoritäten der Kirche, sogar vom Papst selbst, dass wir falschliegen, sollten wir uns dann nicht einmal besinnen?
Als Gegenmittel zu „Gremienflut“ und „Selbstbezogenheit“ schlägt Franziskus der Kirche in Deutschland vor,
sich zu öffnen und hinauszugehen, um unseren Brüdern und Schwestern zu begegnen, besonders jenen, die an den Schwellen unserer Kirchentüren, auf den Straßen, in den Gefängnissen, in den Krankenhäusern, auf den Plätzen und in den Städten zu finden sind.
In seinem „Standpunkt“ bei katholisch.de zweifelt Matthias Altmann, dass der Papst damit überhaupt Gehör findet bei den Menschen in Deutschland:
Sie fragen sich, warum die katholische Kirche vielfach noch so ein Machtapparat ist, in dem Wenige Alles, selbst Kleinigkeiten, entscheiden, und warum Vertuschung von Missbrauch keine oder oftmals erst nach vielen Jahren Konsequenzen hat. Sie fordern von der Kirche, erstmal ihren eigenen Laden in Ordnung zu bringen.
Am Freitag veröffentlichte die Tagespost exklusiv eine Note von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin mit der klaren Ansage, es müsse „von vornherein klargestellt werden“, dass in zukünftigen Gesprächen mit den deutschen Bischöfen die geltende kirchliche Lehre über den Ausschluss von Frauen von der Priesterweihe oder die Unsittlichkeit homosexueller Handlungen nicht zur Verhandlung stehe. „Rom zieht die Reißleine“, so die Interpretation der rechtskatholischen Wochenzeitung.
Reaktionen
In der Tat, erst Papst Franziskus, dann der Kardinalstaatssekretär – immer neue Schreiben aus Rom scheinen den Konflikt zwischen dem Vatikan und den Verfechtern vorsichtiger Kirchenreformen zu befeuern. Doch bislang gehe es eher um rote Linien als um ein Ende des Dialogs, meint Ludwig Ring-Eifel, Chefkorrespondent der KNA, in seiner Analyse.
Als „Blauen Brief aus Rom“ stuft Lothar Schröder, Leiter der Kulturredaktion der Rheinischen Post, hingegen das jüngste Schreiben ein und zitiert dazu auch den Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke:
Mit seiner jetzigen, erstaunlich prompten und gezielt terminierten Antwort beharrt der Papst auf seiner Position und zeigt: Er hat die interpretatorischen Fluchtversuche der deutschen Synodalen durchschaut. Und: Er ist offenbar nicht länger bereit, seine kritischen Äußerungen und Vorgaben gegen deren klar erkennbare Intentionen umdeuten und sich wie einen Grüßonkel behandeln zu lassen.
Matthias Drobinski, Chefredakteur von Publik-Forum, will in dem Papstbrief kein Veto gegen Synodalen Weg erkennen. Im Interview mit Jan Hendrik Stens vom Domradio schätzt er das Verhältnis zwischen deutscher Ortskirche und dem Vatikan als „angespannt, nicht zerrüttet“ ein.
„Der Widerstand zeigt, dass die Entwicklung unaufhaltsam in Gang ist“, so versucht der Wiener Pastoraltheologe Paul M. Zulehner in seinem Blogbeitrag die deutlichen Stoppsignale aus Rom umzudeuten:
Dass Papst Franziskus diesem traditionsbesorgten Frauenquartett auf ihren Brief geantwortet hat, ist ein Zeichen von Respekt und Höflichkeit. Vielleicht will er auch jene beruhigen, die seine eigene Weltsynode permanent kritisieren und für häretisch ansehen.
Dass die Mehrheit der deutschen Bischöfe trotz mehrfacher Warnungen des Papstes an der Gründung eines Synodalen Rates festhält, ist für den Tübinger Kirchenrechtler Bernhard Anuth hingegen ein klarer „Akt des Ungehorsams“. Zwar seien direkte Sanktionen gegen einzelne Oberhirten derzeit wohl nicht „opportun“, so seine Einschätzung im Interview mit dem Domradio, allerdings sei es schwer vorstellbar,
dass der Papst einfach zuschaut, wenn Bischöfe verbal seine Autorität unterstreichen, ihn aber in ihrem Handeln einen guten Mann sein lassen. Möglicherweise werden die anstehenden Bischofsernennungen erkennen lassen, in welche Richtung sich die DBK entwickeln soll.
Auch aus der römisch-katholischen Kirche in Polen gibt es harsche Kritik am Synodalen Weg in Deutschland. Thomas Schwartz, Hauptgeschäftsführer des Osteuropa-Hilfswerks Renovabis, hat nun als deutscher Priester die Vollversammlung der polnischen Bischöfe besucht und für eine stärkere Gesprächskultur geworben, berichtet er im Interview mit Oliver Hinz von der KNA.
Der „Spatz in der Hand“
Fast einstimmig bei nur drei Gegenstimmen hat die Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) unterdessen am Samstag die Satzung des Synodalen Ausschusses beschlossen und damit dessen Konstituierung am 11. November in Essen bestätigt. Zuvor hatte ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp von dem auch psychologisch anstrengenden Ringen um die Satzung mit den Bischöfen berichtet. Claudia Lücking-Michel, ebenfalls an den Verhandlungen beteiligt, stellte in der Debatte fest:
Die Satzung ist das Beste, was wir aushandeln konnten. Ein bisschen ist es wie der Spatz in der Hand – aber den sollten wir nicht loslassen.
Zwar schien der Name des Tagungshotels passend zum gegenwärtigen Zustand der römisch-katholischen Kirche in Deutschland gewählt, doch „nichts war zu spüren von Panik auf der Titanic“, so Karin Wollschläger in ihrem Bericht: Selbstbewusst und politisch habe sich der deutsche Laienkatholizismus bei seiner Vollversammlung in Berlin gezeigt; aktuelle Querschüsse aus dem Vatikan, die sich gegen Kirchenreform-Anliegen richteten, hätten „nicht sonderlich beeindruckt“.
Wie weit die unbekümmerte Einstellung „der Papst ist alt, Rom ist weit, und die Alpen liegen dazwischen“ trägt, wird man in den kommenden Monaten sehen. Nächster Halt ist Augsburg: Dort müssen die deutschen Bischöfe auf ihrer Frühjahrsvollversammlung am 19. bis 22. Februar die Satzung des Synodalen Ausschuss genehmigen.
nachgefasst
Rücktritt von Annette Kurschus
„Muss Kurschus gehen?“, hatte Philipp Greifenstein am 16. November hier in der Eule gefragt und mit „Kurschus unter Druck“ die #LaTdH am letzten Sonntag betitelt. Schon am nächsten Tag gab die 60-jährige Geistliche in einer „persönlichen Erklärung“ ihren Rücktritt vom Amt der Ratsvorsitzenden der EKD und als Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) bekannt.
Anna-Nicole Heinrich, Präses der Synode der EKD, nahm die Rücktrittserklärung für die Synode mit den Worten entgegen, sie habe „Respekt vor dem Schritt, von allen Ämtern zurückzutreten, mit dem Annette Kurschus zeigt, welchen Stellenwert konsequentes Handeln beim Thema sexualisierte Gewalt – gerade im Interesse der Betroffenen – für die evangelische Kirche hat“. Die Sprecher*innen des Beteiligungsforums der EKD erklärten, Kurschus‘ Entscheidung, auf die Ämter zu verzichten, schütze „unsere Arbeit vor weiteren Belastungen“.
„Wir Menschen machen Fehler, und wir irren uns. Wer sich traut, dazu zu stehen, merkt: Das befreit den Kopf und das Herz“, hatte Annette Kurschus in einer Kolumne im Magazin Chrismon im Januar 2023 geschrieben. Wer den Text ihrer Rücktrittserklärung liest, mehr noch, wer sich das Video ansieht, bemerkt, das das bei ihrem eigenen „Fall“ nun etwas anders liegt. Sie wirkt angegriffen und trotzig, wenn sie erklärt:
„Mit Gott und mir selbst bin ich im Reinen, und so gehe ich sehr traurig, aber getrost und aufrecht.“
„Eine Geschichte ohne Gewinner“ sieht Tim Plachner, Lokalchef der Siegener Zeitung, die seit Wochen hartnäckig recherchiert und berichtet, in der Causa Kurschus. Die Story rund um Missbrauchsvorwürfe im Kirchenkreis Siegen kenne kein Happy End:
Schon gar nicht auf Seiten der Betroffenen. Ihre Schilderungen von Übergriffen, von Belästigungen, vermutlich über Jahrzehnte, werden nicht angezweifelt. Von keiner Seite. Behörden, Kirche, alle sind sich einig. Die Betroffenen werden weiter damit leben müssen. Vielleicht auch in der Gewissheit, dass am Ende ihres Leidenswegs noch nicht einmal Genugtuung in Form einer juristischen Bestrafung des mutmaßlichen Täters steht.
In den größeren Kontext des Umgangs des Protestantismus mit dem Phänomen sexualisierter Gewalt ordnet Georg Löwisch bei „Christ und Welt“ den „unguten Rücktritt“ ein. Neben der unselig verschleppten römisch-katholischen Missbrauchsaufklärung zeige sich nun exemplarisch die evangelische Variante:
Die Ratsvorsitzende nennt sich selbst im Sturz noch rein und redlich – und verkörpert damit genau den Irrglauben einer EKD der ewig Guten: Weil sie sich stets als Kirche der Aufklärer verstand, fällt es ihr schwer, zu ihrer Geschichte als Kirche der Täter zu stehen. Dieser Irrglaube hindert viele Protestanten bis heute daran, einzusehen, dass in ihren Reihen der Missbrauch grassierte wie in der anderen Konfession auch.
Mit markigen Worten mischte sich der evangelische Theologe Peter Dabrock in die Debatte nach dem Kurschus-Rücktritt ein. Im Interview mit Annette Langer vom SPIEGEL kritisierte Dabrock, Mitglied im EKD-Kammernetzwerk und langjähriger Vorsitzender des Deutschen Ethikrates, die Kirche habe sich
auf den polarisierenden Medienzirkus eingelassen und nachgegeben, wo der öffentliche Druck zu einer Art Subjekt und zur Legitimierungsstrategie aufgebauscht wurde, um sich zu distanzieren.
Noch im Januar 2023 hatte sich Dabrock in einem Beitrag für zeitzeichen über den „ökumenischen Skandal“ in Rage geschrieben, mit dem die römisch-katholische Kirche dem gemeinsamen Anliegen, „die Sache Jesu zu befördern“, schade:
Leider, leider erfolgten und erfolgen oft nur floskelhafte, im Handeln ganz unangemessene Reaktionen auf den größten Skandal ihrer neueren Geschichte, den Skandal um die sexualisierte Gewalt, ihre halbherzige Aufarbeitung. Dies fügt dem christlichen Zeugnis in der Welt dramatischen Schaden zu. Das empört mich. (…)
Im Prinzip und in aller Zweideutigkeit ist die evangelische Kirche so zumindest konstitutionell ehrlicher und zumindest von der Möglichkeit her näher bei den Menschen. Diese nüchterne Einsicht mag für manchen ein ökumenisches Foul sein, aber diesseits solcher Diskursstopperrhetorik sollten wir uns alle in mehr offener Ehrlichkeit und ehrlicher Offenheit üben.
Die Gründe für den Rücktritt von Annette Kurschus von ihren leitenden Ämtern in der evangelischen Kirche wolle er nicht beurteilen, erklärte hingegen Bischof Georg Bätzing (Limburg) und Vorsitzender der DBK. Er bedaure aber, dass „der ökumenische Motor in unserem Land einen wesentlichen Antrieb“ verloren habe.
„Warum wir weiter über den Rücktritt von Annette Kurschus reden müssen – aber anders“, erklärt der Journalist und EKD-Synodale Arnd Henze in seinem Beitrag für zeitzeichen. Zwei diametral entgegengesetzte Deutungsmuster hätten sich bereits herausgebildet, die einen sähen den Rücktritt als „Ergebnis einer strukturell dysfunktionalen Krisenkommunikation, die lange vor der Synode begann“, andere „als Folge von Illoyalität gegenüber der Person Annette Kurschus, von Druck der EKD auf die westfälische Kirche und am Ende als Ergebnis einer von bösartigen Kräften befeuerten Medienkampagne“.
Annette Kurschus habe nicht mit offenen Karten gespielt, kritisiert Matthias Schwarz vom Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt in der EKD (BeFo). Im Interview mit der Evangelischen Zeitung fordert er, die Kirche müsse noch viel transparenter und klarer agieren:
Es läuft ja schon vieles wirklich gut. Fast alle Gemeinden haben zum Beispiel Präventionskonzepte und Ansprechpartnerinnen oder -partner. Das muss aber noch mehr nach außen dringen. Außerdem muss es auf EKD-Ebene ein noch klareres einheitliches System der Anerkennung und Unterstützung für Opfer sexuellen Missbrauchs geben. Wenn Kirche sagt, dass sie die Aufklärung zur „Chefinnensache“ machen will, dann bitte auch ordentlich!
Und im Interview mit Heike Sicconi vom Domradio weist Katharina Kracht, bis 2021 Mitglied im EKD-Betroffenenbeirat, darauf hin, es brauche keine Symbole und Signale mehr, sondern vernünftige Strukturen:
Es muss endlich aufhören, dass die Betroffenen mit den Landeskirchen alleingelassen werden; wenn es Konflikte gibt, dass sie niemanden haben, der ihre Interessen vertritt gegenüber der Institution. Das sind die Sachen, die mir wichtig sind. Ob Frau Kurschus zurücktritt oder nicht, das ist für mich nicht wichtig.
Buntes
Neuer Taizé-Prior: Es ist eine besondere Zeit für die Gemeinschaft – Katharina Geiger (katholisch.de)
Zum ersten Advent wird Frère Matthew neuer Prior der Communauté von Taizé. Damit tritt der gebürtige Brite die Nachfolge des deutschen Frère Alois Löser an. Im Interview mit Katharina Geiger von katholisch.de spricht der Anglikaner Frère Matthew über seinen eigenen Glaubensweg und über die Veränderungen in der ökumenischen Gemeinschaft. Bei Taizé-Andachten kommen auch in Deutschland viele Menschen zum Singen zusammen, die der Kirche nicht mehr so nahestehen. Hier finden sie eine Spiritualität, die sie in ihrem Alltag vermissen. Dem „Zauber der Vielstimmigkeit“ der Gesänge von Taizé ist Christian Wilhelm Find vor ein paar Monaten in einem Beitrag im Deutschlandfunk Kultur nachgegangen.
Von Religionsfreiheit und Wegen zur Nachhaltigkeit – Katja Dorothea Buck (welt-sichten)
Viele Menschen werden aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit oder ihrer Weltanschauung weltweit diskriminiert, bedroht, angegriffen, vertrieben oder getötet. Der in der vergangenen Woche veröffentlichte dritte „Bericht der Bundesregierung zur weltweiten Lage der Religions- und Weltanschauungsfreiheit“ umfasst neben einem systematischen Länderteil mit 41 Kapiteln auch zwei Themenkapitel. Besonders gelungen sei das Kapitel zu indigenen Völkern, meint Katja Dorothea Buck in ihrem Beitrag für das Magazin welt-sichten, manche Länderberichte hätten dagegen Leerstellen:
Berichte zur Religionsfreiheit in einzelnen Ländern sind wichtig, lassen sich aber nicht auf wenige Seiten pressen. Und man braucht dafür Fachleute, die sich sowohl im Land als auch mit Religionsfreiheit auskennen. Davon gibt es leider nur wenige.
Gerade Religionsvertreter könnten jedoch zum wichtigen Faktor für eine nachhaltige Entwicklung werden, meint Stefan Kosch in seinem Appell „Indigenes Wissen nutzen“ bei zeitzeichen:
Nicht zu unterschätzen bei der Umsetzung der Agenda 2030 ist die Rolle der etwa 470 Millionen Menschen in rund 5000 indigenen Völkern – und deren Religion und Spiritualität.
Dazu brauche es auch in der Bundesregierung und der Entwicklungszusammenarbeit einen Kompetenzausbau, einen Zuwachs an „religious literacy“.
Theologie
Sermons On Hate Still Resonate 60 Years After JFK’s Assassination – Bobby Ross (Religion Unplugged, englisch)
Am 22. November 1963 wurde US-Präsident John F. Kennedy in Dallas ermordet. Anlässlich des 60. Jahrestages seines Todes lohne es sich, Predigten von damals wieder zu lesen, schreibt Bobby Ross: „Ein Großteil des Hasses und der Zwietracht, die unsere Nation vergiften, wurde im Namen Christi und der Kirche gepredigt“, habe Reverend Charles V. Denman konstatiert.
William C. Martin, damals Bischof der Methodistischen Kirche und Präsident des Nationalen Rats der Kirchen der USA, bat die Geistlichen aus Dallas, ihm Abschriften ihrer Predigten aus dem Sonntagsgottesdienst nach dem Mord zukommen zu lassen. Diese Sammlung wurde jetzt von Matthew Wilson, Direktor des Southern Methodist University’s Center for Faith and Learning, erstmalig ausgewertet. Er hält die Texte für „wirklich bemerkenswert, weil so viel von dem, was sie sagen, auf unsere heutige Zeit zuzutreffen scheint“.
Als ob es auf mich ankomme – Barbara Henze (feinschwarz.net)
Wie unsere Vorstellungen das Handeln beeinflussen und wohin menschliche und christliche Basics entschwunden sind, fragt sich die Theologin und Historikerin Barbara Henze in ihrem Beitrag bei feinschwarz.net und gibt anschauliche Beispiele aus Alltag, Bibel, Literatur und Geschichte. Zwar seien Rückschlüsse von dem, wie die Kirche agiere, auf die Einstellungen, die ihrem Handeln zugrunde liegen, nicht immer eindeutig – doch umso schlimmer, wenn sie zutreffen:
Ein fehlendes Engagement in gesellschaftspolitischen Fragen erweckt den Anschein, als ob nicht weiter störe, wenn Welt und Gesellschaft auseinanderfallen. Das Befolgen der Ratschläge von Finanzberatungen verändert Prioritäten, als ob es Kirche um Finanzwerte gehe. Sitzungen sind schlecht vorbereitet, als ob kein Austausch und keine Mitsprache gewünscht seien. Wortwahl und Inhalt von Predigten machen den Eindruck, als ob Prediger (und Predigerinnen) ihre Zuhörerinnen und Zuhörer nicht ernst nehmen.
Es sei daher wichtig und wünschenswert, dass es auch in der Kirche Räume, Netzwerke, Gemeinschaften und Gruppen gebe, wo Erfahrungen gemacht werden können, die helfen, die Welt zu verändern.
Predigt
Das Gericht Gottes: Der Trost unserer Freiheit – Predigt von Georg Essen (Stiftung St. Matthäus)
Zwar sei den Kirchen „ein Herrschaftsinstrument aus der Hand geschlagen“ worden, als die Rede vom „Weltgericht“ ihren Schrecken verloren habe, so der Berliner Systematiker Georg Essen in seiner Predigt über das heutige Tagesevangelium (Mt 25,31-46). Es gebe aber eine Tradition, die das Gericht Gottes zum Gegenstand einer „verinnerlichten Frömmigkeit“ gemacht habe:
Aber weil wir es mit einer solchen unbarmherzigen Fixierung auf unsere Fehler und Schuld mit uns selbst auf Dauer nicht aushalten, üben wir uns in der Kunst, es nicht gewesen zu sein. Der Andere wird zum Blitzableiter der eigenen Gnadenlosigkeit. Das Tribunal der Selbstrechtfertigung schlägt um in Rechthabererei. (…)
Aber Gnade uns Gott, wenn wir über uns selbst zu Gericht sitzen! Gnade uns Gott? Was wäre, wenn nicht wir, sondern ein Gott unser Richter wäre? (…)
Was wäre, wenn es einen Gott gäbe, der noch im Gericht, das er über mich hält, taktvoll meine Intimität schützt und liebevoll mit meiner Scham umgeht? Was wäre, wenn es einen Gott gäbe, der die Wahrheit spricht, ohne mich bloßzustellen? (…)
Das wäre der Trost meiner Freiheit, den der Glaube mir schenkt: dass ich mich in Gott durchsichtig gründen darf.
Ein guter Satz
Wann tritt die erste römisch-katholische Bischöfin zurück?
— Christiane Florin (@ChristianeFlori) November 21, 2023