Clusterfuck – Die #LaTdH vom 25. April
Der „Katholische Kulturkampf“ im Anschluss an den Rassismus-Vergleich Johanna Rahners und reichlich „politisches Christentum“. Außerdem: EKD-Digital-Denkschrift, Antifa-Fahne und eine gute Nachricht.
Herzlich Willkommen!
Gestern Abend wurde in einem Gottesdienst die ökumenische „Woche für das Leben“ beendet. Sie stand in diesem Jahr unter dem Motto „Leben im Sterben“. Als das Motto festgelegt wurde, wusste niemand, dass es im Frühjahr 2021 so aktuell sein würde – weder hatte die Corona-Pandemie begonnen noch das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung zum assistierten Suizid getroffen. Sowohl der Umgang mit Sterben und Tod in der Pandemie als auch die Frage der Ausgestaltung des neuen rechtlichen Rahmens bei der Sterbehilfe sind in der Tat aktuelle und brisante Themen.
In der Eule erklärt der Jurist Christoph Goos (@christophgoos) darum, was sich mit dem Bundesverfassungsgerichts-Entscheid grundlegend geändert hat. Daran kann man nämlich auch in den kirchlichen Sterbehilfe-Debatten nicht vorbeigehen, so sehr man es sich auch – in oder aus ökumenischer Verbundenheit – wünscht.
Eine gute Woche wünscht
Philipp Greifenstein
Debatte
Einen veritablen Streit hat diese an Kontroversen wahrlich nicht arme Woche in der römisch-katholischen Kirche gebracht (wir berichteten). Am vorvergangenen Samstag trafen sich 180 Teilnehmer:innen zum ersten Frauenforum in der Diözese Rottenburg-Stuttgart und forderten „deutliche Konsequenzen und den klaren Mut zur Veränderung der Rolle der Frauen in der katholischen Kirche“.
„Die Zeit des Redens ist vorbei“ prangt als Titel über dem Veranstaltungsbericht, und doch ist es ein Satz aus dem Vortrag der katholischen Theologieprofessorin Johanna Rahner, der diese Woche besonders im Fokus stand.
Denn Diskriminierung ist ein Problem, das nur bewältigt werden kann, wenn es benannt wird. Und wenn wir diese Diskriminierung nicht als solche benennen, wird sich daran nichts ändern. Wer aber daran nichts ändern will, ist nichts anderes als ein Rassist.
Bereits direkt im Anschluss an die Veranstaltung hatte die Katholische Nachrichtenagentur (u.a. auf katholisch.de) über Rahners Rassismus-Vergleich berichtet. (Inzwischen kann man den gesamten Vortrag nachlesen.) Sogleich erhob sich in den einschlägigen konservativen und reaktionären katholischen Netzwerken und im Netz scharfe Kritik, nicht nur an Rahners Wortwahl, sondern natürlich auch an ihrer Forderung nach Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der Kirche.
Ist Katholizismus „rassistisch“ – Und wer ist eigentlich katholisch? – Stefan Oster (stefan-oster.de)
Teile dieser Kritik nahm der Bischof von Passau und Jugendbischof der Deutschen Bischofskonferenz, Stefan Oster (@BischofOster), am Montag in einem Beitrag auf seinem Blog auf und versah seine Einlassungen zum Verständnis von Lehramt und Lehre mit zwei Hinweisen an a) die universitäre röm.-kath. Theologie und b) die katholische Publizistik. Ganz kurz: Der Bischof erinnerte beide katholischen Subsysteme daran, „wer am Ende das Sagen hat: Die Bischöfe mit ihrem Geld“.
Gegen diesen unverhohlenen Angriff auf die Unabhängigkeit des Journalismus von KNA und katholisch.de, die beide im Besitz der katholischen Kirche stehen, verwahrte sich die Gesellschaft Katholischer Publizisten Deutschlands (GKP) in einer Stellungnahme vom Mittwoch:
„Wer die Verbreitung unliebsamer Inhalte zum Anlass nimmt, die Finanzierung kirchlicher Medien infrage zu stellen, offenbart ein vormodernes, autoritäres und dirigistisches Verständnis von Kommunikation“, sagte der GKP-Vorsitzende Joachim Frank.
„Genauso grotesk ist die Vorstellung, die Bischöfe könnten über Kirchensteuern wie über eigenes Geld verfügen. Kirchensteuern sind das Geld der Gläubigen. Sie haben das Recht, über strittige Themen wie das Frauenpriestertum umfassend informiert zu werden.“ Hier liege der besondere Wert der konfessionellen Medien, die sich kirchlichen Themen oftmals in größerer Breite und Tiefe widmen könnten als säkulare Medien.
Den „Katholischen Kulturkampf“ inkl. Stellungnahmen von Johanna Rahner und Stefan Oster fasst Christian Röther (@c_roether) im Deutschlandfunk zusammen. Zur Verteidigung Rahners schritt ebenda im Interview bei Christiane Florin (@christianeflori) die ehemalige Bundesministerin und deutsche Botschafterin beim Vatikan, Annette Schavan:
Es braucht die Weiterentwicklung der Theologie des Amtes. Viele Frauen, die sich mit dem Thema beschäftigen, wollen doch nicht einfach für Weihe plädieren in einem Klerikerstand, wie das jetzt der Fall ist. Wir wissen doch alle, die Kirche als Ganzes muss sich weiterentwickeln. Das betrifft auch die Verbindung von Weihe und Leitungsamt. Diese Verbindung ist keine uralte Geschichte, sie ist überhaupt erst in den Konzils Zeiten entstanden. Es gibt viele Punkte, an denen es eine Kompromissmöglichkeit gibt, die zu einer anderen Präsenz von Frauen führt.
Schavan gibt im Gespräch ihren Eindruck von der Reform(un)willigkeit der Bischöfe wieder, die ursächlich dafür ist, dass drei von vier Synodalforen des Reformprozesses „Synodaler Weg“ sich völlig ineinander verkeilt haben (wir berichteten).
Recht verstehen wird man den medienpolitischen Anteil an der Rahner-Oster-Kontroverse nur, wenn man sie in den weiten Rahmen des Strukturwandels des Kirchenjournalismus einordnet. Dazu empfehle ich mein Interview bei Deutschlandfunk Kultur vom letzten Sonntag (geführt von Kirsten Dietrich (@KBDietrich)), in dem ich die Eule vorstelle und ein, zwei Knackpunkte der Zukunftsdebatte rund um die konfessionelle Publistik angerissen werden.
Und auch die zeitzeichen führen ihre Reihe von Beiträgen zur Zukunft der evangelischen Publizistik in diesem Monat mit einem Artikel des Chefredakteurs der regionalen Kirchenzeitung Glaube und Heimat, Willi Wild (@willi_wild), fort. Dazu aus meinem DLF Kultur-Interview:
Man kann heute natürlich nicht mehr Religionsjournalismus machen nur auf Kirchen bezogen oder nur eine Konfession bezogen. Da gehört eine gewisse Breite dazu, aber diese Breite braucht natürlich auch Grundlagenwissen und braucht auch einen Standpunkt.
Have you ever fucked the system? Über einen unsäglichen Diskurs – Maria Herrmann (Medium)
Über einen bis zur Wochenmitte weitgehend ausgelassenen Kritikpunkt an Rahners Rassismus-Vergleich bloggte die katholische Theologin und Referentin für Strategische Innovation im Bischöflichen Generalvikariat des Bistums Hildesheim, Maria Herrmann (@maerys). In ihrem Text kritisiert Herrmann die Verwendung des Rassismus-Begriffs durch Rahner:
Einen Begriff wie Rassismus zu übernehmen und ihn auf andere Bereiche zu übertragen, ist nicht nur sprachlich unverantwortlich, sondern nimmt etwas vor, das man tunlichst vermeiden sollte: Es nimmt denjenigen, die dem tatsächlichen und täglichen Rassismus ausgeliefert sind — auch in der Kirche –, ihre sowieso schon spärlichen Diskursräume.
Herrmann liefert triftige und nachvollziehbare Argumente dafür, warum Rahner als weiße Theologin den Rassismus-Begriff besser nicht genutzt hätte. Dessen Verwendung kann man durchaus auch kritisieren, wenn man den Anliegen Rahners ansonsten nahesteht. Das wurde, zum Erstaunen Herrmanns und weiterer Beobachter:innen, jedoch zunächst nicht gemacht.
Ich glaube es handelt sich dabei um einen Mangel an „Tapferkeit vor dem Freund“ („Alle Tage“ von Ingeborg Bachmann), den wir auch in anderen kirchenpolitischen Debatten in beiden großen Kirchen beobachten können: Wem man habituell oder bei gemeinsamen Herzensanliegen zustimmt, den/die will man nicht bei anderer – aber notwendiger – Gelegenheit kritisieren – schon gar nicht öffentlicht. Und hier schließt sich der Kreis: Denn das setzt sich in der kleiner werdenden christlichen Publizistik auch bis in die sprichwörtlichen Redaktionsstuben fort.
Wenn aus der Rahner-Oster-Kontroverse eine Debatte um geistige und geistliche Unabhängigkeit in Forschung und Publizistik würde – ein offenes Nachdenken darüber was (katholisch gesprochen) sentire cum ecclesia in unserer Zeit bedeuten könnte – könnten wir hier alle noch als Gewinner:innen vom Feld gehen.
nachgefasst
Tohuwabohu um KanzlerInnen-Kandidaturen und #allesdichtmachen
Eine ungewöhnlich nachrichtendichte Woche liegt hinter uns. Bundestag und Bundesrat haben über eine Novelle des Infektionsschutzgesetzes beraten und sie schlussendlich beschlossen. Dass die Parlamente – und nicht die vielgeschmähte MinisterpräsidentInnen-Konferenz – über die Corona-Politik entscheiden, war zuvor von vielen Akteur:innen gefordert worden. Das kann man bei aller Kritik an den verabschiedeten Regeln ja auch in Erinnerung behalten.
Sowohl die Grünen als auch die Union haben sich für eineN KanzlerkandidatIn entschieden. Die Grünen koordiniert und medienschlau, die Union auf dem Weg des größtmöglichen Durcheinanders. Mit Annalena Baerbock tritt für die Grünen eine Frau an, die Mitglied der Evangelischen Kirche ist, „aber nicht gläubig“. Armin Laschet hingegen ist ganz schlicht Katholik, hat sogar Verbindungen in sehr konservative Kreise seiner Kirche. Mit Markus Söder hätte es gleichwohl auch ein ehemaliger Landessynodaler der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) werden können.
Alle, die über einen Twitter-Account verfügen und am Donnerstagabend (bzw. nachvollzüglich am Freitag und Samstag) das Pech hatten, am Rechner oder Smartphone zu hocken, haben darüber hinaus den Clusterfuck #allesdichtmachen mitgeschnitten. Eine Reihe von SchauspielerInnen äußerte sich mindestens missverständlich über schwurblig bis down right rechtspopulistisch zur Corona-Politik. Was es dazu zu sagen gibt, hat Sebastian Leber (@Tieresindfreaks) im Tagesspiegel aufgeschrieben. Und der Volksverpetzer hat die witzigsten und klügeren Reaktionen aus dem Netz auf die Aktion hier zusammengestellt.
Seenotrettung
Nach monatelanger Blockade lief am Freitag das #United4Rescue-„Bündnisschiff“ Sea-Watch 4 endlich wieder zur Fahrt auf das Mittelmeer aus, „um dort zu retten, wo Europa Menschen zur Abschreckung ertrinken lässt“. Die frohe Botschaft der erneuten Rettungsfahrt wurde unter der Woche vom Streit um eine Antifa-Fahne überlagert, die die Seenotretter:innen an Bord gut sichtbar angebracht hatten.
Politiker der CDU und Rechtspopulisten forderten die Entfernung der Fahne. Der EKD-Ratsvorsitzende @landesbischof Heinrich Bedford-Strohm wünschte sich das auch, denn die Seenotrettung sei ein Werk der christlichen Nächstenliebe und kein allgemeinpolitischer Aktivismus. Den Streit fasst Veronika Wawatschek (@PendaAndika) beim BR zusammen und auch das #United4Rescue-Bündnis veröffentlichte eine Erklärung. Mehr zum Thema in den kommenden Tagen hier in der Eule.
Buntes
Ein Foto mit „Prince Charming“ – und das Ende eines Traums – Simon Berninger (Deutschlandfunk)
Ein Priesterseminarist trifft zufällig in München den Protagonisten einer Dating-Show für schwule Männer, macht ein Selfie und postet das Foto auf Instagram. Er muss daraufhin das Priesterseminar verlassen. Die Geschichte von Henry Frömmichen (@__itsmehenry__) erzählt Simon Berninger (@SimonBerninger) im Deutschlandfunk:
Im November 2020, wenige Monate nach seiner Aufnahme ins Priesterseminar, muss Frömmichen wieder gehen. Er behält den Rauswurf zunächst für sich. Der Regens bietet ihm an, übergangsweise in eine Wohnung der Kirche zu ziehen. Doch Henry Frömmichen wird selbst fündig, findet auch schnell wieder eine Anstellung in seinem alten Beruf als Bestatter. Als im März dieses Jahres der Vatikan Nein sagt zu Segnungsfeiern für gleichgeschlechtliche Paare, geht Frömmichen an die Öffentlichkeit. Er teilt in einem Video auf Instagram seine Geschichte.
Freiheit digital: Die Zehn Gebote in Zeiten des digitalen Wandels – Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)
Die einzige Denkschrift der gegenwärtigen EKD-Legislatur widmet sich der Digitalisierung. Unter der Woche wurde die Denkschrift vom EKD-Ratsvorsitzenden vorgestellt, begleitet wird sie erstmals von einer anständigen Online-Präsentation und einer Reihe von Dialog-Veranstaltungen. Mehr dazu unter: ekd-digital.de. „Ethisch-philosophische Gedanken mit hohem Konsenspotenzial“ hat Dieter Petereit (@dpetereit) in der Online-Präsentation entdeckt und bei t3n aufgeschrieben, mit dem Inhalt des umfänglichen Dokuments (PDF) werden wir uns in der Eule in den kommenden Tagen befassen.
Wie angepisst auf einer Skala von 1 – 100 sind eigentlich die Digitalitäts-Theolog:innen darüber, dass sie in der EKD-Denkschrift keine Erwähnung finden?#digitaleKirche #theobubble #TheologyOfTheDigital
— Philipp Greifenstein (@rockToamna) April 23, 2021
In zwei Wochen (6.-8. Mai) tritt die Synode der EKD (im Verbund mit der UEK-Vollkonferenz und der VELKD-Generalsynode) zum zweiten Mal zu einer digitalen Tagung zusammen. Im Zentrum stehen diesmal die Konstituierung der neuen EKD-Synode und die Wahl eines/einer neuen Präses, die/der automatisch auch dem neuen Rat der EKD angehören wird, der wiederum auf der Herbsttagung der Synode gewählt werden wird (inkl. einer/eines neuen Ratsvorsitzenden). Im sehr kleinen thematischen Teil wird sich die Synode (warum auch immer?!) mit „Gottesdienst und Corona“ beschäftigen.
Wie soll ich das WLAN im Pfarrhaus nennen?
Das gelobte LAN und Martin Router King stehen ganz oben. Vorschläge?— Lothar (@lothar_g) April 17, 2021
Moscheefinanzierung: Inländische Einflussnahme – Fabian Goldmann (Schantall und die Scharia)
Über ein paar Einfälle aus den Reihen der Union zur Gestaltung des muslimischen Lebens in Deutschland unterrichtet Fabian Goldmann (@goldi) auf seinem „Blog gegen Islamophobie“. Vor allem geht es um die Frage der Finanzierung von Moscheegemeinden aus dem Ausland.
Die Forderung nach finanzieller und politischer Unabhängigkeit und religionsrechtlicher Gleichstellung des islamischen Lebens in Deutschland, ist eine, die am vehementesten von deutschen Muslimen selbst kommt und allzu häufig an deutscher Islampolitik scheitert. Wer daran etwas ändern will, braucht weder Moscheeregister noch Islamgesetze einführen, sondern nur eines tun: Muslime so behandeln wie alle anderen Gläubigen in Deutschland auch.
Unter der Woche hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ein Papier verabschiedet und veröffentlicht, in dem sich der Bekämpfung des „politischen Islams“ widmet. Zum mindestens missverständlichen Gebrauch des Begriffs habe ich hier bereits in der Eule geschrieben.
Es scheint, als ob die Union mit dem „politischen Islam“ auch schlicht jene Muslim:innen meint, die sich an die Unterscheidung von halal und haram halten. Man darf also gespannt sein, was die Union demächst zum jüdischen koscher zu sagen hat. Kritik am Papier gibt es auch von jüdischen und muslimischen Mitgliedern der Unionsparteien – immerhin.
Die Kardinalfrage – Georg Löwisch (Christ & Welt)
Das Netzwerk römisch-katholischer CDU/CSU-ParlamentarierInnen im Deutschen Bundestag ist nach dem ehemaligen Kölner Erzbischof „Kardinal-Höffner-Kreis“ benannt. Joseph Höffner wurden im Gercke-Gutachten zur Missbrauchsvertuschung im Erzbistum mehrere Pflichtverletzungen nachgewiesen (wir berichteten). Wie also weiter? Darüber berichtet Georg Löwisch (@goergloewisch) in der Christ & Welt:
„Im Kardinal-Höffner-Kreis streben wir eine weitere Auseinandersetzung mit der Rolle unseres Namensgebers an“, teilte der Vorsitzende Christian Hirte vorsichtig mit, zugleich Chef der CDU Thüringen. „Diese beginnt gerade erst und lässt noch keine abschließende Entscheidung über die weitere Namensgebung zu.“ Andere Abgeordnete werden deutlicher. „Wir müssen hingucken, auch wenn es wehtut und auch im Kardinal-Höffner-Kreis“, sagt Maria Flachsbarth. Sie verlangt eine Anhörung noch in dieser Wahlperiode. Flachsbarth ist Staatssekretärin im Entwicklungsministerium und zugleich Präsidentin des Katholischen Deutschen Frauenbundes.
In der Unionsfraktion spielt sich – da braucht es wenig Fantasie für – der gleiche Richtungsstreit ab, der in der röm.-kath. Kirche zwischen Tradis und Konservativen sowie liberalen Reformer:innen tobt.
Und: Bei all dem CDU/CSU-Material allein in dieser #LaTdH-Ausgabe kommt mir doch das Schmunzeln, wenn Konservative und Rechtspopulisten unisono das Adjektiv „politisch“ vornehmlich vor den Islam stellen. Wie betriebsblind kann man eigentlich sein? Und da ist von der Debatte um die Ablösung von Staatsleistungen an die Kirchen noch gar nicht die Rede.
Pfarrer Kossen fordert Impfung von Arbeitsmigranten (epd, evangelisch.de)
Der katholische Theologe und Menschenrechtler Peter Kossen fordert eine schnellstmögliche Corona-Impfung für ost- und südosteuropäische Arbeitsmigranten. Unterdessen hat die Bundesregierung diese Woche entschieden, dass Erntehelfer:innen statt wie bisher 70 jetzt 102 Tage ohne Krankenversicherung arbeiten dürfen. Guten Appetit!
Zur Erinnerung: Regiert wird dieses Land von einer CDU/CSU-SPD-Koalition. Weder mit dem sozialdemokratischen und mit dem christsozialen Background der Bundesregierung lässt sich eine solche Neuregelung übereinbringen. Aber vielleicht kenne ich mich „politischem Christentum“ auch zu wenig aus?!
[Kossen] verwies dabei auf die hohen Infektionszahlen in der Fleischindustrie. „Die Totalerschöpfung dieser Menschen ist die Normalität“, kritisierte der Theologe: „Als Wegwerfmenschen werden sie verschlissen und in großer Zahl infiziert.“ Es dürfe nicht sein, dass gerade die Menschen in großer Zahl durch das Netz fielen, die besonders gefährdet seien, erklärte der Theologe, der sich seit Jahren für Arbeitsmigranten einsetzt und immer wieder auf den Missbrauch von Werkvertrags- und Leiharbeit zum Zweck von Lohn- und Sozialdumping hingewiesen hat.
Nur wenige Integrationsgeschichten im ZdK – Nikodemus Schnabel (katholisch.de)
In seinem „Standpunkt“ auf katholisch.de legt Nikodemus Schnabel (@PaterNikodemus) den Finger in eine offen stehende Wunde des hießigen Verbands-Katholizismus: Die mangelnde Vielfalt. Als Beispiele nennt er eine Reihe katholischer PolitikerInnen mit Migrationsgeschichten, die den Weg in den Deutschen Bundestag suchen, aber nicht im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) vertreten sind.
Unter den ca. 230 Mitgliedern der Vollversammlung haben nur die beiden Vertreter des Bundespastoralrats der Katholiken anderer Muttersprache, Emeka Ani und Pero Jurisic, eine offensichtliche Migrationsgeschichte, niemand jedoch von den 45 gewählten Einzelpersönlichkeiten. Wenn jetzt am Wochenende diese 45 Einzelpersönlichkeiten neu gewählt werden, steht für das ZdK eine wichtige Frage an: Möchte es endlich im heutigen Deutschland ankommen und eine echte Vertretung aller Katholikinnen und Katholiken in diesem Land sein, vor allem auch derer mit einer Integrationsgeschichte?
Das ZdK hat in den vergangenen Tagen 45 Einzelpersönlichkeiten als Mitglieder gewählt, und damit wichtige Perspektiven eingeholt, jedoch auch an Prominenz verloren. Zukünftig wird das ZdK in seinen Dokumenten und öffentlichen Stellungnahmen geschlechtersensibel formulieren und noch eine Neuigkeit brachte die Vollversammlung am Ende der Woche: Der ZdK-Vorsitzende und Mitinitiator des „Synodalen Weges“ Thomas Sternberg tritt nicht für eine dritte Amtszeit als Vorsitzender an.
Sternberg wurde 2015 als Nachfolger des ehemaligen bayerischen Landtagspräsidenten Alois Glück an die Spitze des Gremiums gewählt. Bei der Wahl setzte er sich im ersten Wahlgang gegen die CDU-Abgeordnete Maria Flachsbarth durch. Glück hatte sein Amt nach der Hälfte seiner zweiten Amtszeit abgegeben. 2017 wurde Sternberg für eine zweite Amtszeit von vier Jahren wiedergewählt. Über Kandidaten für die Nachfolge, über die auf der Vollversammlung im November entschieden wird, ist noch nichts bekannt.
Theologie
Bischof Matthias: Corona – auch eine theologische Krise (Katholisches Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland)
In seinem Bericht vor der online tagenden Gesamtpastoralkonferenz der Alt-Katholiken (@Altkatholisch) fragte Bischof Matthias Ring selbstkritisch, was denn die Kirche theologisch zur gegenwärtigen Krise zu sagen habe:
„Mich treibt der Verdacht um, dass eine bestimmte Art von Theologie an ihr Ende kommen könnte, die mir persönlich durchaus nicht fremd ist, mit der ich aber immer mehr Probleme habe. In anderem Kontext habe ich von einer zumutungsfreien Theologie gesprochen, also von einer Theologie, die im guten Sinne versucht, eine Frohe Botschaft zu formulieren, aber dies nur um den Preis der Nichtintegration der Negativität des Lebens vermag.“
Zeit zu klagen: Das Gebet in den Zeiten der Pandemie – Till Magnus Steiner (Dei Verbum)
Über das Klagen und Beten in Zeiten der Pandemie schreibt Till Magnus Steiner (@TillMSteiner) auf Dei Verbum (@VerbumDei). Eine wichtige Besinnung. In der Evangelischen Kirche ist an diesem Sonntag übrigens die Aeropag-Rede des Heidenapostels Paulus Predigttext, darin ein Satz für alle Stunden: Keine:r von uns ist Gott fern.
Aus der Klage und der Notschilderung erwächst die Bitte, die doch nicht anderes ist als der Wunsch nach einer glückenden Beziehung zwischen Gott und Mensch. In dieser Beziehung finden Menschen seit Ewigkeiten den Trost und das Vertrauen, die sie zum Leben benötigen.
Predigt
Eine gute Nachricht – Danger Dan (YouTube)
Ein dichtes und poetisch schönes Lied, das reichlich Stoff für homiletische und andächtige Erkundungen bietet, hat der Rapper, um nicht zu sagen Liedermacher, Danger Dan auf sein neues Album gesungen.
Ich hab ‘ne gute Nachricht und ‘ne schlechte auch
Zuerst die schlechte: Wir zerfall’n zu Staub
Wir werden zu Asche, kehren in das Nichts
Zurück, aus dem wir alle einst gekommen sind
Und jetzt die gute: Heute nicht
Es bleibt noch Zeit für dich und mich
Und wenn du willst, dann schlaf doch heut’ bei mirGlaub keinem Prediger jedweder Couleur
Der mit der Hölle droht und so die Welt erklärt
Sie haben mehr Angst als Trost in ihrem Angebot
Es ist schon schwer genung, ohne sie klar zu kommen
Ich komm oft nicht klar, alles andere wär
Mir als Reaktion viel zu abgeklärt
Was ich fragen will
Ist, schläfst du heut bei mir?
Ein guter Satz
„Die Uniform des Tages ist die Geduld“
– „Alle Tage“ von Ingeborg Bachmann