Corona auf allen Kanälen – Die #LaTdH vom 18. April

Heute stehen in Berlin die Corona-Toten und ihre Angehörigen im Fokus und Muslime feiern den zweiten Ramadan während der Pandemie. Außerdem: Kirchen-Remix, deutliche Worte und eine Kneipp-Kur.

Herzlich Willkommen!

In diesen #LaTdH dreht sich (fast) alles um die Corona-Pandemie. Vielleicht haben Sie sie auch schon entdeckt: Seit Freitag stehen wieder vermehrt Kerzen in den Fenstern der Menschen. Sie sollen an die Opfer des Corona-Virus erinnern. Heute findet die zentrale Gedenkfeier für die mittlerweile fast 80 000 Toten in Berlin statt. Ich hoffe, dass es für die Mitfeiernden nicht mehr nur bei dieser abstrakten Zahl bleibt, sondern dass die Opfer und ihre Hinterbliebenen wahrgenommen werden.

Gleichzeitig feiern Muslim:innen Ramadan – zum zweiten Mal während der Pandemie. Und wenn Sie heute ein bisschen Zeit für einen neuen Podcast haben, dann habe ich einen Tipp. Auch in dem Podcast geht es um Corona, allerdings wieder aus einer anderen Perspektive.

Eine gute Woche wünscht
Jacqueline Bohrmann


Debatte

Heute findet sie statt: Die zentrale Gedenkfeier für die fast 80 000 Toten der Corona-Pandemie in Deutschland. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält um 13 Uhr im Konzerthaus Berlin die zentrale Gedenkfeier für die in der Pandemie Verstorbenen. Die Kirchen feiern bereits ab 10:15 Uhr (die ARD überträgt live) einen ökumenischen Gottesdienst für Opfer und Hinterbliebene.

Mittlerweile kennt wohl fast jede:r jemanden, der oder die „an oder mit“ Covid-19 gestorben ist. Zumindest aber Hinterbliebene, die um ihre Lieben trauern, sind im Freundes-, Bekannten- und Familienkreis vertreten. In der Öffentlichkeit aber geht es weiterhin kaum um die Toten dieser Pandemie. Dass die zentrale Gedenkfeier nun stattfindet, ist längst überfällig und wurde nicht nur vereinzelt lange und laut gefordert. Schon 2020 wurden die Stimmen lauter, die forderten, die Corona-Toten nicht nur als Zahlen zu sehen.

Vor mittlerweile fast einem Jahr forderte Arnd Henze (@arndhenze) auf @zeitzeichenNET öffentliches Trauern, und dass sich die Kirchen mehr auf ihre Kompetenz bei Trauerbegleitung und Seelsorge besinnen. Henze gehört als berufener Synodaler der neuen EKD-Synode an, die sich im Mai konstituieren soll. Vielleicht trägt er diesen Gedanken ja so in die Kirche hinein.

„Die große Geste fehle bisher“, meinte auch unser Redakteur Philipp Greifenstein (@rockToamna) in den #LaTdH vom 6. September.  Auch wenn die Kirchen nicht gänzlich geschwiegen hätten, so hätten doch selbst Christ:innen die Stimme ihrer Kirche kaum gehört.

Im Jahr 2020 könnte der Volkstrauertag nicht umgewidmet, aber doch tatsächlich zu einem Trauertag der Bevölkerung erweitert werden, an dem den Corona-Toten gedacht, die Lasten von Krankheit und Armut bedacht und die Kostbarkeit des Lebens erinnert wird. Auch die Verlusterfahrungen und die Beschwernisse derjenigen, die auf andere Weise von der Pandemie und ihrer Bekämpfung betroffen sind, könnten und sollten thematisiert werden.

Margarete Stokowski (@marga_owski) fragte in ihrer SPIEGEL-Kolumne im Juli 2020, warum in der Öffentlichkeit kaum über die Verstorbenen getrauert wird. Wohlgemerkt zählten wir zu diesem Zeitpunkt knapp 9 000 Tote.

Bin ich zu ungeduldig? Ist die ganze Gesellschaft, was die Trauerarbeit betrifft, aktuell noch in der Phase des Nicht-Wahrhaben-Wollens – und der Rest kommt noch? Aber wie wahrscheinlich ist das? Und wäre nicht gerade in der Corona-Pandemie, in der viele Menschen sterben, ohne dass die Angehörigen sich im Moment des Todes verabschieden konnten, öffentliche Trauer besonders wichtig, auch wenn natürlich die jeweiligen Bedürfnisse nach Trauer sehr unterschiedlich sein können?

Da fragt man sich aus heutiger Sicht mit fast 80 000 Corona-Toten doch, wann genau dieser „Rest“ wohl kommen mag.

Im Januar 2021 dann hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zur Aktion #lichtfenster aufgerufen. Seit Januar leuchtet nun also eine Kerze im Schloss Bellevue, um an die Opfer der Corona-Pandemie zu erinnern. Auch an diesem Wochenende appelierten Steinmeier und die 16 MinisterpräsidentInnen an die Bürger:innen, abends Kerzen in ihre Fenster zu stellen und damit ihre Solidarität zu zeigen.

Eine schöne Aktion, keine Frage, allerdings auch etwas dürftig. Philipp Greifenstein erklärte gestern hier in der Eule, warum er es trotzdem richtig findet, jetzt mit Lichtfenstern und Trauerfeier an die Toten und ihre Angehörigen zu denken.

Trauern und Handeln stehen sich nicht als Entweder-Oder gegenüber, aus Trauer und Anteilnahme wachsen Solidarität und Mitgefühl. […] Trauern wird von vielen als passives Abwarten und stoisches Ertragen aufgefasst – ein eindimensionales, historisch gewachsenes Verständnis vom Trauern, das uns lähmen kann. Trauern ist nicht Nichtstun.

Heute dann also die zentrale Gedenkfeier in Berlin. „Endlich!“ will man rufen. Mit dabei ist die gesamte Staatsspitze und Angehörige, deren engste Verwandte am Virus gestorben sind. Wichtig: Die Angehörigen kommen selbst zu Wort, nachdem der Bundespräsident seine Gedenkansprache gehalten hat. So wird der Tod der Opfer konkret und ihre Geschichten treten aus der Anonymität der abstrakten Totenzahlen hervor.

Ramadan in der Coronapandemie: Vom Fasten in Krisenzeiten – Atessa Bucalovic, Jürgen Gottschlich, Natalie Mayroth, Mirco Keilbert (taz)

Im zweiten Jahr in Folge herrscht Ausnahmezustand in der Welt während des Ramadan. Die Gläubigen versuchen, sich so gut es geht anzupassen, feiern und fasten im Rahmen, der ihnen von ihren Regierungen vorgegeben wird. In der taz (@tazgezwitscher) berichten Korrespondent:innen aus der Türkei, Indien, Tunesien und Deutschland.

Keine Reisen zwischen Städten, Ausgangssperren zwischen 19 und 5 Uhr und Fastenbrechen nur im engsten Familienkreis – so feiern die Muslime und Musliminnen in der Türkei Ramadan. Jürgen Gottschlich berichtet aus Istanbul:

Außerdem nutzt die Regierung den Ramadan, um die Restaurants und Cafés wieder zu schließen. Das trifft vor allem die Säkularen, weil die Gläubigen tagsüber sowieso nicht ins Café gehen würden. Die Maßnahme wird deshalb als ideologisch kritisiert.

Die 7-Tage-Inzidenz in der Türkei ist auf 800 gestiegen. Die Zahl der Todesfälle allerdings liegt bei moderaten 250 am Tag, da schon alle Ü65-jährigen zweimal geimpft sind. Jetzt bangt vor allem die Tourismusbranche, immerhin einer der wichtigsten Wirtschaftszweige des Landes, um ihren Umsatz.

In Mumbai mussten alle Moscheen schließen, weil die Corona-Fälle wieder stark gestiegen sind, berichtet Natalie Mayroth (@netizenmay) von vor Ort:

Manche Mus­li­me wundern sich, warum der Lockdown erst nach dem lokalen Hindu-Neujahr (Gudhi Padwa) am Dienstag und dem in Mumbai wichtigen Gedenktag des Dalitvorkämpfers Bhimrao Ramji Ambedkar am Mittwoch beginnt. Klar ist, dass in Mumbai die Fälle rasch ansteigen und die Krankenhäuser schon überlastet sind. Imran, der in der Nachbarschaft wohnt, kann die Unzufriedenen verstehen, aber auch die Politik.

In Tunesien hingegen sind die Einschränkungen im täglichen Leben nicht so groß. Die Ausgangssperre wurde von 19 auf 22 Uhr nach hinten verlegt, sodass Restaurants nach dem Fastenbrechen mit Kunden rechnen können. Aufgrund von Kostengründen würden viele Gläubige aber eher im Familienkreis feiern. In Tunesien herrsche neben der Corona- auch eine handfeste wirtschaftliche Krise, schreibt Mirco Keilberth (@MircoKeilberth) aus Tunis.

Atessa Bucalovic berichtet von ihrem Leben als Muslima in Berlin. Sie feiert das Fastenbrechen im Videocall mit Familie und Freunden und auch die Abendgebete finden für sie und ihre Familie online statt. Trotzdem sieht sie auch Vorteile an der momentanen Situation:

Der gemeinsame Verzicht bringt uns in der Einsamkeit der Pandemie wieder näher zusammen. „Während des Ramadan ist die Atmosphäre besonders“, sagt meine Mutter. Dabei strahlt sie über das ganze Gesicht. Vielleicht war es noch nie so einfach, sich selbst nach innen zu wenden, wenn im Außen so wenig passiert wie jetzt gerade.

nachgefasst

Gewalt gegen erwachsene Frauen in Kirche: Neues Angebot bietet Hilfe – Roland Müller (katholisch.de)

Seit Dezember gibt es die Internetseite www.gegenGewalt-anFrauen-inKirche.de, die von der Deutschen Bischofskonferenz (DKB) ins Leben gerufen wurde. Die Internetseite bietet eine Anlaufstelle für betroffene Frauen, die sich anonym melden können und Hilfe bekommen, erzählt Theologin Aurica Jax. Jax ist seit April 2019 die Leiterin der DBK-Arbeitsstelle für Frauenseelsorge. Mit den Rückmeldungen auf das neue Online-Angebot ist sie bisher sehr zufrieden:

In den ersten Monaten wurde das Online-Angebot bereits intensiv genutzt. „Es haben sich sehr unterschiedliche Frauen an uns gewandt“, sagt die Leiterin der Arbeitsstelle. Einige seien zuvor in einem Orden gewesen, andere derzeit noch Mitglieder einer Gemeinschaft und wieder andere haben Missbrauch in einer Pfarrgemeinde oder anderen kirchlichen Institution erlebt.

Es sei außerdem wichtig, dass es jetzt überhaupt eine Anlaufstelle für erwachsene Frauen gebe, so Jax weiter. Die Deutsche Bischofskonferenz konzentriert sich mit der Internetseite nicht mehr nur auf den physischen und psychischen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen, sondern auch von Erwachsenen.

Joseph Ratzinger: Aufklärer oder Vertuscher? – Doris Reisinger und Ludwig Ring-Eifel im Gespräch mit Christiane Florin (DLF)

Bei Christiane Florin (@christianeflori) im Deutschlandfunk treffen sich der Chefredakteur der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA), Ludwig Ring-Eifel (@LudwigRingEifel), und die Theologin und Autorin Doris Reisinger (@ReisingerWagner), um über Papst em. Benedikt XVI. und seine Rolle in der Missbrauchs-Krise der katholischen Kirche zu diskutieren. Ein aufschlussreiches und interessantes Gespräch zum aktuellen Buch von Reisinger, das sie gemeinsam mit dem Dokumentarfilmer Christoph Röhl geschrieben hat (Eule-Rezension hier).

Buntes

Ökumenischer Kirchentag: „Digitale Gemeinschaft ist möglich!“ – Interview mit Julia Helmke (Die Eule)

Der 3. Ökumenische Kirchentag (ÖKT) wird hauptsächlich online stattfinden. Julia Helmke (@GenSek_DEKT) erzählt im Eule-Interview, dass diese digitale Neuausrichtung schon eine Herausforderung ist. Den ÖKT aber komplett ausfallen zu lassen, kam für die Verantwortlichen nicht in Frage. So wird es neben Live-Streams auch Workshops, Barcamps und digitale Begegnungsorte geben.

Und die Fragen, die jetzt gerade gestellt werden, sind ja auch unsere Fragen: Wie gehen wir mit der Pandemie als Kirchen und als Gesellschaft um? Der ÖKT wird eine Plattform sein für Fragestellungen jenseits der täglichen Inzidenzzahlen, für Fragestellungen, die in der täglichen Diskussion hinten runterfallen. Dafür ist für mich dieser ÖKT ein ganz wichtiges Zeichen. Es haben sich viele Menschen an uns gewandt und gesagt: „Wir brauchen diese seelische Tankstelle. Wenn das jetzt einfach ausfällt, wäre das für uns ein Loch. Es würde zeigen, dass die Kirche sich nicht traut, etwas Neues zu wagen.“

Helmke spricht im Interview auch über ein gemeinsames Abendmahl der christlichen Kirchen, die Zukunft des Ökumenischen Kirchentags und das Motto des diesjährigen ÖKTs „schaut hin“.

Zum 200. Geburtstag des „Wasserdoktors“ Sebastian Kneipp – Christopher Beschnitt (katholisch.de, KNA)

Sebastian Kneipp war Priester, lebte vor 200 Jahren und war an Tuberkulose erkrankt. Er therapierte sich selbst mit kalten Bädern und das so erfolgreich, dass er schon bald auch andere Menschen behandelte. Christopher Beschnitt zeichnet das außergewöhnliche Leben des Sebastian Kneipp in seinem Beitrag nach und berichtet, dass Kneipp auch einen Erzherzog und sogar Papst Leo XIII. behandelt habe.

Rahner: Nur „Rassisten“ gegen Gleichberechtigung von Frauen in Kirche (katholisch.de, KNA)

Bei einem Frauenforum am Samstag, zu dem die Rottenburg-Stuttgarter Diözesanleitung sowie der Diözesan- und Priesterrat in Württemberg eingeladen hatten, wählte die katholische Theologieprofessorin und Vorsitzende des Katholisch-Theologischen Fakultätentages (KThF) Johanna Rahner mehr als deutlich kritische Worte, um die Diskriminierung von Frauen in ihrer Kirche zu beschreiben:

Wer nicht für die Gleichberechtigung von Frauen in der Kirche eintritt, ist nach Überzeugung der Tübinger Theologin Johanna Rahner „ein Rassist“. Es gehe nicht an, von der gleichen Würde von Frauen und Männern zu sprechen, ihnen aber nicht die gleichen Rechte einzuräumen. Aktuelle pfeife der katholischen Kirche zurecht Gegenwind um die Ohren. Wörtlich sagte die Professorin: „Wer jetzt nichts tut, der tut trotzdem etwas.“ Es gebe „eine Verpflichtung zum Widerstand“.

Theologie

Podcast: Erleuchtung garantiert! – Universität Zürich

Die Theologische Fakultät der Universität Zürich hat eine neue Podcasts-Serie gestartet. Dekanin Dorothea Lüddeckens (@dorothealuedde1) spricht in der ersten Folge mit dem Ethiker Michael Coors (@einwuerfe). Zum Auftakt geht es um die Impffrage. Die beiden Wissenschaftler diskutieren spannend über die aktuelle Lage der Impfungen, die Frage nach einer Impfpflicht und damit verbundene ethische Konflikte.

Die Verwandlung der Kirche Teil 4 – Tobias Faix (tobiasfaix.de)

Nach den ersten drei Teilen seiner Serie „Die Verwandlung der Kirche“, in der Theologe Tobias Faix (@tobiasfaix) auf seinem Blog über den digitalen Wandel in der Kirche schreibt, geht es im vierten Teil um die Zukunft. Faix freut sich über die „nicht für möglich gehaltenen Reformen“, sieht die wirklich großen Herausforderung aber noch vor uns.

Er führt dazu die internationale und ökumenische Studie “Churches Online in Times of Corona” an, die der kirchlich-digitalen Verkündigungspraxis in der ersten Corona-Welle 2020 nachgeht. 95% der Beteiligten gaben eine positive Rückmeldung zur ersten digitalen Umsetzung im Kontext der Kirche. Die Macher der Studie sprechen von einer „postdigitale(n) Reformation“.

Diese Zeit wird eine Zeit des Neuen sein, denn es wäre fatal, zu denken, man könnte einfach so in die alten analogen Formate zurückkehren und es wäre fahrlässig, ausschließlich in den neu erprobten digitalen Formaten zu denken. Nein, es braucht eine Neuschöpfung aus beiden, einen Remix des Besten aus beiden Wirklichkeiten.

Faix führt im Weiteren den Aufbau einer hybriden Kirche aus, in der es nicht mehr nur analoge Angebote geben kann, aber auch nicht alles digital stattfinden wird. Er fordert ein „Sowohl-als-Auch“.

Ein guter Satz

„Nicht etwa, dass die Errungenschaften unserer Zeit wieder geopfert werden müssten, aber es muss ein Ausgleich gefunden werden, um die überanstrengten Nerven zu stärken, ihre Kraft zu erhalten.“

— Sebastian Kneipp