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Kommentar Fleischkonsum in der Kirche

Es geht (nicht) um die Wurst

Die Frage der fleischlosen Ernährung ist symptomatisch für das zaghafte Agieren der Kirchen in der Klimakrise. Was gut ist, wird von vielen gesagt, aber noch immer verzetteln wir uns in Symboldebatten.

Eigentlich wäre es ganz einfach, etwas zum Thema „Fleischlose Ernährung in der Kirche“ zu schreiben: Sie ist kein Thema. Zumindest keines, das ernsthaft debattiert würde. Aber warum nicht? Warum ist die gemeindefestliche Bratwurst kaum hinterfragbar, sondern bekommt einen Stellenwert, als ob nicht das tägliche Brot, sondern sie im Vaterunser genannt würde?

Eine mögliche Antwort klingt banal: Es geht zu selten ums Essen! In manchen Gemeinden ist das jährliche Gemeindefest die einzige Gelegenheit zum gemeinsamen Essen – abgesehen vom gelegentlichen Kaffeetrinken. Und dann wird einfach der nationalen Bratwurst-Tradition gefolgt, wobei mittlerweile vielleicht auch ein paar Portionen Grillkäse bereitliegen. Zur Not kann man dann immer noch zu Hause essen. Kein Grund also, mit profanen Argumenten wie Flächenbedarf, Gesundheit, Klimabilanz oder Tierwohl eine Gemeindespaltung zu provozieren.

Außerhalb der Gemeinden sieht es oft nicht anders aus. Beim Catering oder in kirchlichen Einrichtungen wird oft noch unterschieden zwischen „normal“ und „vegetarisch/vegan“. Manchmal erhält man dort auch vom Küchenpersonal einen spontanen Vortrag, wieso vegane Ernährung total ungesund ist oder zu viel Arbeit macht.

Wo bewusst andere Wege beschritten werden, wie in der „Gläsernen Küche“ des Kirchentages, die Besucher:innen ausschließlich vegetarische Gerichte anbietet, ist mit dem Spott von Populisten wie Markus Söder (CSU) zu rechnen, der auf dem Kirchentag 2023 in Nürnberg trotz Würstchenständen an jeder Ecke beständig gegen vegetarische Alternativen polemisierte (die Eule berichtete). Dabei wird, wer sich einmal ein wenig mit dem Konzept hinter der „Gläsernen Küche“ befasst, schnell merken, dass hier gerade kein „grüner Kulturkampf“ mit dem Kochlöffel betrieben wird.

Eine keineswegs banale, sondern im Gegenteil beunruhigende Erklärung für das Ausweichen bei der Fleischfrage liefert das Konzept der „Triggerpunkte“, wie es von Steffen Mau, Thomas Lux und Linus Westheuser in ihrem gleichnamigen Buch erklärt wird. Beim Verzicht auf Bratwurst & Co. handelt es sich um eine „Verhaltenszumutung“, die Menschen in der verunsicherten Mitte der Gesellschaft „triggert“. Wo so vieles in unserer Zeit unsicher und fraglich wird, muss doch gelten: Sonntags gibt es Braten! Womöglich wird auch aus Angst vor Rechtspopulisten, die solche Triggerpunkte bewusst für die eigene Agitation nutzen, um das Thema ein Bogen gemacht.

„Gewaltfrei kochen“

Auf der EKD-Synode 2022 in Magdeburg, die sich in einem Schwerpunkt mit dem Klimaschutz in der Kirche befasste, bei dem auch ich als Podiumsgast eingeladen war, analysierte Oliver Foltin von der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) die bisherige Klimaschutzgesetzgebung innerhalb der EKD:

„Die gesetzten Ziele wurden verfehlt, was das bisherige Engagement nicht schmälern soll. Klimaneutralität ist nicht umsonst zu bekommen. Es wird Verzicht brauchen.“

Die EKD-Klimaschutzrichtlinie (Text), die auf der Magdeburger Synodentagung dann verabschiedet wurde und seitdem den Landeskirchen zur Umsetzung anempfohlen ist, schreibt in zwei Absätzen unter § 6 zur „Beschaffung“ vor:

( 1 ) Bei der Beschaffung sollen ökologisch zertifizierte und aus fairem Handel stammende Produkte eingekauft werden.

( 2 ) In kirchlichen Einrichtungen und Kantinen sollen ökologische, nachhaltig hergestellte, faire, regionale, saisonale und das Tierwohl angemessen berücksichtigende Lebensmittel sowie fleischreduzierte Mahlzeiten angeboten werden.

In der (unverbindlichen) Beschaffungsrichtlinie der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens wird – neben allgemeinen Hinweisen zu bio, fair, regional usw. – folgende Empfehlung gegeben: „Fleisch- und andere tierische Produkte reduzieren, immer vegetarische Alternative anbieten, gerne auch vegan“. Den Formulierungen kirchenleitender Empfehlungen merkt man ihren Kompromisscharakter allzu deutlich an. Nur niemanden verärgern!

Natürlich gilt es innerkirchlich auch, die Interessen von Landwirtinnen und Landwirten zu berücksichtigen. Dass auch sie von der industriellen Bereitstellung von Fleischwaren aber keineswegs nur profitieren und von alternativen landwirtschaftlichen Bewirtschaftungskonzepten sogar profitieren können, ist zu selten Thema in der Gesellschaft (s. Bauernproteste Anfang 2024) und auch in den Kirchen. Dabei könnten die Gemeinden auch und insbesondere im ländlichen Raum eine Scharnierfunktion bei der so notwendigen gesellschaftlichen Aushandlung darüber spielen, wie eine „das Tierwohl angemessen berücksichtigende“ Nahrungsmittelindustrie eigentlich ausschauen kann.

Weitere Publikationen, wie zum Beispiel der EKD-Text „Nutztier und Mitgeschöpf“ (PDF), der sich auch mit ethischen Fragen beschäftigt, spielen in der Gemeindepraxis eine noch geringere Rolle als die langsam durchsickernden Beschaffungsrichtlinien, deren Durchsetzung zumeist in den Händen der ohnehin schon stark geforderten Pfarrerinnen und Pfarrer liegt. In Gemeinden und in der Mitarbeitendenschaft nimmt das Thema zudem häufig die Form eines kontraproduktiven Generationenkonflikts an. Einige Gemeinden versuchen sich auch an eigenen Richtlinien wie z. B. „Wir kaufen direkt beim Bio-Bauern“. Dort ist es mindestens genauso schwierig, über „fleischlose Ernährung“ zu sprechen.

Guten Appetit!

In der Zeitschrift „Briefe“ (Kirchliches Forschungsheim Wittenberg), prädestiniert für schöpfungsfreundliche Tipps, wurde vor vielen Jahren unter der Überschrift „Gewaltfrei kochen“ eine Reihe mit veganen Rezepten veröffentlicht, die aber auch nur wenig Resonanz fand. Ebenso spielt zum Beispiel die Aktion Kirche und Tiere (AKUT e. V.) nur eine marginale Rolle. Das Tier wird also weniger als Mitgeschöpf wahrgenommen, offenkundige Qualen in der Tierhaltung werden – wenn’s doch schmeckt – gern ausgeblendet.

Eine gute Möglichkeit, das Thema aufzugreifen, wäre allerdings das Erntedankfest. Vielleicht ja sogar aus der Überzeugung heraus, dass die pflanzlichen Gaben Gottes für die Ernährung ausreichen? Es geht bei diesen Überlegungen nicht um Verbote oder um die Frage, ob „vegan“ die einzig richtige Alternative ist. Hilfreich wäre es, wenn Christinnen und Christen nicht nur ihrem Gott für das reichliche Essen danken, sondern sich auch dafür interessieren würden, was ihre Mitgeschöpfe erleiden müssen. Nichts spricht dagegen, dass kirchliche Einrichtungen Vorbilder für die „Planetary Health Diet“ – für eine gesunde und nachhaltige Ernährung – werden. Guten Appetit!


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