#31: Schuld und Vergebung nach der „ForuM-Studie“
Gibt es einen „Automatismus von Schuld und Vergebung“? Wie wird in der Evangelischen Kirche mit der Schuld von Täter:innen und der Institution Kirche im Kontext sexualisierter Gewalt umgegangen? Welche theologischen Fragen liegen nach der „ForuM-Studie“ an? Darüber spricht Eule-Redakteur Philipp Greifenstein in dieser Episode des Eule-Podcasts mit Katharina von Kellenbach. Sie hat sich in die Debatte mit einem Beitrag in der Publik-Forum (€) mit der Überschrift „Schuld kompostieren“ eingebracht.
Kellenbach argumentiert, dass „Heilung nicht in der Befreiung von Schuld und Schuldbewusstsein liegen“ kann, solange nicht Reue geübt wird. Reue entstehe nicht, „wo Schuld bereinigt und entsorgt wird, sondern dort wo schuldhafte Vergangenheiten als Ressource und Rohmaterial der Zukunft anerkannt werden“. Diese Denkbewegung fasst sie in das Bild des Kompostierens von Schuld und macht die traditionellen Stufen der Bußpraxis der Kirche neu nutzbar. Die Kirche müsse lernen, „mit der Schuld und den Schuldigen zu leben und sie in Ritualen der Verwerfung, der Wahrheitsfindung und der Entschädigung zu transformieren“.
Ausgehend von den Befunden der „ForuM-Studie“ diskutieren Katharina von Kellenbach und Philipp Greifenstein über die institutionelle Schuld der Kirche, Impulse aus der Bibel und aus dem jüdisch-christlichen Dialog für einen (neuen) Umgang mit Schuld und Vergebung sowie Möglichkeiten der Buße in „symbolischen und exemplarischen Gesten der Restitution“, wie zum Beispiel einer Gemeindekollekte für Missbrauchsbetroffene (ab Min 40:00). Auf diesem Weg würde das Thema regelmäßig in den Gemeinden verankert und die Institution beteiligte sich daran, eine veränderte Zukunft mit Betroffenen zu schaffen.
Katharina von Kellenbach ist Professor Emerita of Religious Studies am St. Mary’s College of Maryland und Visiting Fellow in Christian-Jewish Relations am Boston College. Sie studierte in West-Berlin und Göttingen evangelische Theologie und promovierte in den USA zu Antijudaismus in feministischen religiösen Schriften. An der Evangelischen Akademie zu Berlin leitet sie das Projekt „Bildstörungen“, zu dem die monatliche Online-Vortragsreihe „Antisemitismuskritische Bibelauslegungen“ und der Podcast „Bildstörungen“ gehören. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören die jüdisch-christlichen Beziehungen, theologische und familienbiographische Reflexionen der Shoah, feministische Theologie und der interreligiöse Dialog.
Shownotes:
– Eule-Podcast-Episode mit Safiye Tozdan: „Strukturen des Missbrauchs“
– Eule-Podcast-Episode mit Professorin Friederike Lorenz-Sinai: „Was ist (gute) Aufarbeitung?“
– Eule-Podcast RE: April 2024 mit der Frage, ob es nach der „ForuM-Studie“ zu wenig Empörung in der Kirche gibt
– Download des Abschlussberichts der „ForuM-Studie“ und der kürzeren Zusammenfassung (beide PDF)
– Website der „ForuM-Studie“
– Eule-Bericht von der Vorstellung der „ForuM-Studie“ vom 26. Januar 2024
– Kommentar von Philipp Greifenstein zu den Ergebnissen der „ForuM-Studie“ vom 27. Januar 2024
– Eule-Artikel über die Pläne der Evangelischen Kirche und Diakonie nach der „ForuM-Studie“ vom 7. Februar 2024
– Ausgaben des #LaTdH-Newsletters, die sich u.a. mit der Theologie nach der „ForuM-Studie“ beschäftigen: 11. Februar (Pastoralmacht, evangelische Spezifika), 18. Februar (Kulturwandel), 3. März (Landeskirchen, Theologiediskussion), 10. März (Umgang mit Schuld)
– alle Eule-Artikel zum Themenschwerpunkt „Missbrauch evangelisch“