Glaubwürdig werden – Die #LaTdH vom 3. März

Werden die Kirchen ihren eigenen Ansprüchen gerecht? Die römisch-katholischen Bischöfe verteidigen ihr „Nein“ zur AfD und suchen nach Wegen der Synodalität. Außerdem: Updates zur Missbrauchskrise.

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Von Mittwoch bis Freitag habe ich an einer aufschlussreichen Tagung zur Zukunft der evangelischen Publizistik in der Evangelischen Akademie Tutzing teilgenommen. Tutzing liegt idyllisch am Starnberger See und im Auditorium der Rotunde finden sich die Teilnehmer:innen in einem großen Kreis wieder, der „kontroverse Debatten und inhaltsreiche Dialoge“ erlaubt. Hinter dem Podium findet sich das Wandgemälde „Ordnung des Chaos“ des Malers Hubert Distler.

Über der Tagung schwebte als – vielleicht generell nicht aufzulösender – Konflikt die Frage, welche Aufgabe eine durch Kirchensteuermittel ermöglichte Publizistik vornehmlich wahrzunehmen hat. Sollte sie sich im Sinne eines „gemeinsamen Auftrag[s] der Verkündigung des Evangeliums“ verstärkt darauf konzentrieren, die immerhin 44 Millionen Christen in Deutschland zu erreichen, wie die neue kaufmännische Geschäftsführerin des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik (gep), Ariadne Klingbeil, meint? Wie kann sie „ein Beitrag der Kirche zur Gestaltung der Gesellschaft, und zwar zu einer freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft“ sein? So formuliert Volker Jung, Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) und Vorsitzender des gep-Aufsichtsrates, das bleibende „Grundanliegen“ evangelischer Publizistik im Geleitwort eines neuen Buches, das mit der Tutzinger Tagung korrespondiert.

Eine mögliche Klammer um beide Ziele ist, dass die Kirche, will sie überhaupt einen Anspruch auf gesamtgesellschaftliche Wirksamkeit formulieren, die an die Öffentlichkeit herangetragenen Anliegen im Sinne einer „freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft“ auch in der eigenen Organisation umzusetzen hat. Und hier korrespondiert die Tutzinger Tagung, auf der sowohl über die Leitwerte Wahrheit und Freiheit als auch über die Medienkrise(n) diskutiert wurde, mit den (kirchen-)politischen Fragen, die in dieser Woche diskutiert wurden.

Joachim Frank, Chefkorrespondent des DuMont-Verlags und Vorsitzender der Gesellschaft Katholischer Publizisten Deutschlands (GKP), freut sich in seinem „Standpunkt“ auf katholisch.de zum Beispiel über die „ökumenische Einigkeit in der Haltung zum Rechtsextremismus“, fordert diese Klarheit aber auch hinsichtlich der kirchlichen Mitarbeiter:innenschaft ein. Und an gleicher Stelle mahnt Christoph Strack von der Deutschen Welle, dass man den Skandal des sexuellen Missbrauchs als Kontext des Synodalen Weges nicht „weg-lehramteln“ kann, ohne die Glaubwürdigkeit der Kirche(n) insgesamt aufs Spiel zu setzen.

Eine gute Wochen wünscht
Philipp Greifenstein

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Debatte

In dieser Woche haben sich die beiden bereits in den #LaTdH vom vergangenen Sonntag besprochenen, von der Frühjahrsvollversammlung der römisch-katholischen Deutschen Bischofskonferenz (DBK) ausgegangenen Debatten um das klare „Nein“ der Kirche(n) zu AfD und Rechtsextremismus und die Zukunft des Synodalen Weges fortgesetzt. Währenddessen war Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei Papst Franziskus zu Gast. In ihrem Gespräch ging es allerdings vor allem um den Ukraine-Krieg und die europäische Migrationspolitik, berichtet der epd. Ist das ein Zeichen für die Provinzialität deutscher Kirchendebatten? Oder sind die Themen der Kirchen in Deutschland schon ganz richtig, weil sie dem bürgerschaftlichen Motto „Grabe, wo Du stehst!“ entsprechen?

Eule-Podcast RE: Februar 2024 – Synodaler Weg & ForuM-Diskussionen (Die Eule)

Über die Zukunft des Synodalen Weges haben Podcast-Host Michael Greder und ich in der aktuellen Ausgabe unseres Monatsrückblicks „RE:“ im Podcast der Eule gesprochen, die am Donnerstag dieser Woche online gegangen ist. Auch wenn ein „Synodaler Rat“, als genmeinsames Beratungs- und Entscheidungsgremium der katholischen Kirche in Deutschland, wohl auf absehbare Zeit ein unterfüllter Wunsch der Reformer:innen bleiben wird, ist der Synodale Weg nicht gescheitert.

Die Anliegen und Themen bleiben ja in den Bistümern in Deutschland aktuell. Außerdem sollten sich die Reformer:innen stärker auf die Forderungen von Betroffenen sexuellen Missbrauchs konzentrieren. Da sind Verbesserungen nämlich auch ohne ein „Ja“ des Vatikans möglich, das man sich an anderer Stelle – siehe „Fiducia supplicans“ – häufig nur einbildet. Am 22. März wird eine Delegation der Bischofskonferenz die Beratungen mit der Kurie in Rom weiterführen, berichtet katholisch.de. Auch diesmal werden die Lai:innen, vertreten durch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), nicht mit am Tisch sitzen.

Auf den „Neuevangelisierungs“-Bullshit von Reformgegner:innen in der katholischen Kirche, den Michael und ich im Podcast diskutieren, reagiert Johanna Beck, die selbst am Synodalen Weg teilgenommen hat und eine eigene Betroffenenperspektive in die katholische Debatte einbringt, in der Christ und Gegenwart deutlich höflicher, aber nicht weniger bestimmt im Rückgriff auf „Evangelii Nuntiandi“ von Papst Paul VI. von 1975:

Ist es angesichts dieser Quellen angemessen, dem deutschen Synodalen Weg und Rat den Willen und das Potenzial zur Evangelisierung abzusprechen? Wohl kaum! Vielmehr müsste sich die Weltsynode im Gegenzug anfragen lassen, ob sie dem „Drama unserer Zeitepoche“ – der Missbrauchskrise und den Leidenszeugnissen der Betroffenen – genügend Raum, Zuwendung und Dringlichkeit zukommen lässt? Eher nicht!

Die Kirchen und die AfD: Jede:r Christ:in ein:e Antifaschist:in? – Philipp Greifenstein (Die Eule)

Bereits am Montag hatte ich hier in der Eule die klaren Stellungnahmen von DBK und aus den evangelischen Kirchen zur AfD und zum Rechtsextremismus analysiert. Die Kirchen warnen deutlich vor AfD und Rechtsradikalismus und positionieren sich damit auch in den Wahlkämpfen des Jahres 2024. Und sie gehen auch in den Konflikt mit den eigenen Leuten, wo sich rechtsextreme Einstellungen bei Christ:innen festgesetzt haben:

Der Wert klarer Worte und Taten gegen die AfD und den Rechtsradikalismus liegt besonders darin, zweifelnde und schwankende Kirchenmitglieder zu erreichen. Außerdem zeigen sich die Kirchen dadurch solidarisch mit den Opfern rechter Gewalt, die in der Kirche einen Schutzraum suchen. Dazu verpflichtet die Kirchen das Evangelium und die eigene historische Verantwortung.

Rechtsextreme AkteurInnen reagieren durchaus nervös auf die Stellungnahmen der Kirchen, was schon für sich einen Erfolg darstellt. „[D]er Appell“ der DBK „erschüttert einen Teil des Weltbildes der AfD“, erklärt auch Benjamin Lassiwe in seinem Kommentar für den Weser-Kurier, ihre Mitglieder „können sich selbst nicht mehr als werteorientiert und konservativ verkaufen“.

Gerade wenn es in einer Partei Gruppen gibt, die sich selbst als christlich definieren, muss die Kirche ihren Mitgliedern Orientierung bieten. Sie muss klar und deutlich sagen, wo ihre Grenzen sind. Was ist noch christlich, was lässt sich nicht mehr mit dem Glauben in Einklang bringen?

So richtig es ist, dass sich die Kirche im Regelfall mit Wahlempfehlungen zurückhält, so wichtig ist es, dass sie deutlich zum Ausdruck bringt, wo die Grenzen der eigenen Religions- und Wertegemeinschaft sind. Konservativ zu sein, darf in Deutschland keine Schande sein. Rechtsextrem zu werden, jedoch schon.

Die Kirchen bieten – je im Stile ihrer eigenen konfessionellen Kultur, nebenbei bemerkt – „Orientierung“ auch im Politischen. Sie bringen vom Evangelium her Ordnung in das Chaos in manchen Köpfen und leisten so zweifellos einen Beitrag zu einer freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft.

Wilmer: AfD-Reden erinnern an dunkelste Zeiten deutscher Geschichte – Interview mit Heiner Wilmer von Matthias Altmann (katholisch.de)

Bei katholisch.de verteidigt Bischof Heiner Wilmer (Hildesheim) die klare Stellungnahme der DBK und die Warnung vor der AfD. Er halte es für wichtig, „dass Politikerinnen und Politiker mit Blick auf national-völkische Parolen stärker in die Offensive gehen“. Allein Demos gegen die AfD reichten nicht aus.

Frage: Hat die Position der Kirche in diesem Zusammenhang gesellschaftlich überhaupt noch genügend Gewicht, um breit rezipiert zu werden?

Wilmer: Ich würde die Rolle der Kirchen in Deutschland nicht unterschätzen, selbst wenn die Mitgliederzahlen zurückgehen. Immerhin sind rund 20 Millionen Menschen Mitglied der katholischen Kirche, bei der evangelischen ist es ähnlich. Das ist schon knapp die Hälfte der Gesamtbevölkerung. Kirchen können daher durchaus pointiert sagen, dass bestimmte Positionen einfach nicht gehen.

Gute Aussichten auf Erfolg haben die öffentlichen Stellungnahmen der Kirchen dann, wenn sie auch klar und deutlich sind. Die letzten katholischen Bischofsworte, erst der ostdeutschen Bischöfe und dann von der gesamten Bischofskonferenz, zeigen, dass eine taktische oder verschämte Zurückhaltung dafür kontraproduktiv wäre. Oder in den Worten Martin Luthers:

„Denn das sind die drei Stücke, die – wie man sagt – zu einem guten Prediger gehören: Zum ersten, daß er auftritt, zum zwei­ten, daß er den Mund auftut und etwas sagt, zum dritten, daß er auch aufhören kann.“

nachgefasst I

Theologin: Orthodoxe Kirche verbot Trauergebete für Nawalny – Oliver Hinz (KNA, Münstersche Zeitung)

Die Ostkirchen-Expertin Regina Elsner (Eule-Beiträge hier) wirft dem Moskauer Patriarchat vor, die Beisetzung von Alexej Nawalny torpediert zu haben. Manchen Gläubigen gelte Nawalny als Märtyrer. Eine Deutung, die inzwischen so populär ist, dass sie es auch in die Sendung „Wort zum Sonntag“ geschafft hat. Ihren Ursprung hat sie auch in der Selbstinszenierung Nawalnys, die einer eigenen theologischen Betrachtung bedürfte. Das Wirken des Moskauer Patriarchats jedenfalls ist mindestens unsouverän:

Die Theologin Regina Elsner hat den Umgang der russisch-orthodoxen Kirche mit dem in einem Straflager gestorbenen Kremlkritiker Alexej Nawalny kritisiert. „Es gab offensichtlich ein Verbot für kirchliche Trauergebete, die eigentlich am dritten und neunten Tag nach dem Tod geboten sind. Kein einziges solches Gebet hat offiziell stattgefunden“, […]. Gläubige seien stattdessen überprüft worden, wenn sie in Kirchen Gebete für „den verstorbenen/ermordeten Alexej“ bestellt hätten. […]

„Nawalny selbst hat gerade nach seiner Verhaftung sehr stark mit biblischen Texten und der christlichen Ethik argumentiert in seinen Gerichtsworten und Nachrichten aus der Haft“, so Elsner. In der Gesellschaft habe sich daran eine Diskussion entzündet, wie christlich er eigentlich sei. Daran könne man gut die generellen Strömungen erkennen: auf der einen Seite eine formalisierte Kirchlichkeit, wo es um rituellen Kirchbesuch und Gehorsam gehe; auf der anderen Seite ein christliches Ethos, das sich im alltäglichen Umgang mit dem totalitären System und den Mitmenschen zeige.

Erkrankter Papst Franziskus wettert gegen „Gender-Ideologie“ (KNA, katholisch.de)

Papst Franziskus wettert derweil gegen die „Gender-Ideologie“ als „hässlichste Gefahr“ dieser Zeit. Im Vatikan wird derzeit offenbar an einem päpstlichen Wort zur „Gender-Ideologie“ gearbeitet, vielleicht sogar an einer Enzyklika. Im Lichte der wiederholten Stellungnahmen von Franziskus zum Thema muss man Schlimmes befürchten:

Das Kirchenoberhaupt warnt regelmäßig vor der „Gender-Ideologie“ als eine der „gefährlichsten ideologischen Kolonisationen“, weil es um eine über das Geschlechtliche hinausgehende Gleichmacherei gehe.

nachgefasst II: Missbrauchskrise

Der BR berichtet, die Bayerische Landeskirche (ELKB) habe der Staatsanwaltschaft Bamberg eine Liste aller bekannten Missbrauchsfälle übergeben. Der bayerische Justizminister Georg Eisenreich (CSU) forderte die Kirche auf, die von ihr angekündigte Überprüfung aller Personalakten zügig anzugehen. Was die Zuarbeiten zur „ForuM-Studie“ über sexualisierte Gewalt und weiteren Missbrauch in der Evangelischen Kirche angeht, waren die bayerischen kirchenleitenden AkteurInnen in den letzten Wochen durch eine unsachgemäße Verteidigungshaltung aufgefallen (wir berichteten).

„43 weitere mutmaßlich Betroffene hätten sich seit der Vorstellung der Missbrauchsstudie [im Bistum Mainz] im vergangenen Jahr gemeldet“, berichtet derweil der SWR. Damit ist das Zahlenergebnis der Studie, die vor allem auch die Verfehlungen des ehemaligen DBK-Vorsitzenden und Mainzer Bischofs Kardinal Karl Lehmann aufdeckte, schon wieder obsolet. Da die Ergebnisse der inzwischen zahlreichen Studien in den (Erz-)Bistümern in Deutschland ohnehin aufgrund unterschiedlicher Systematiken nur schwer miteinander verglichen werden können, muss man sich wohl langsam wirklich gründlich von der Überzeugung verabschieden, irgendeine Studie in Deutschland hätte was Täter- und Betroffenenzahlen angeht, schon wirklich richtig umfassend wissenschaftlich aufgeklärt. Konzentrieren muss man sich stattdessen auf die qualitativen Ergebnisse der Untersuchungen.

In diesem Kontext darf verwundern, dass der Historiker Thomas Großbölting, der zuletzt an der „ForuM-Studie“ mitgearbeitet hat, behauptet, das „Hellfeld im Katholischen“ des Missbrauchs sei inzwischen „wohl einigermaßen ausgeleuchtet“. Was ist mit Caritas und Orden? Die bereits veröffentlichten katholischen Studien – inklusive der „MHG-Studie“ – fokussieren bisher auf die (Erz-)Bistümer. Und dort kommen immer weitere Fälle ans Licht. In einem Beitrag für die Herder Korrespondenz (€) kritisiert Großbölting die Evangelische Kirche für ihre bisherigen Aufarbeitungsbemühungen. Diese Kritik bleibt valide, auch ganz ohne konfessionellen Schulterblick. Über die „ForuM-Studie“-Diskussion und auch die Deutungen von Thomas Großbölting haben Michael Greder und ich ebenfalls in der neuesten „RE:“-Ausgabe des Eule-Podcasts gesprochen.

Mit der „ForuM-Studie“ beschäftigt sich auch Horst Gorski in einem Beitrag für die evangelischen zeitzeichen. Gorski war zuletzt von 2015 bis Juli 2023 theologischer Vizepräsident der EKD und Leiter des Amtsbereiches der VELKD in Hannover. Er fordert eine „kritische Selbstbefragung der eigenen Bedürfnisse und der mentalen Dunstglocken in der evangelischen Welt“ ein und warnt vor theologischen „Ersatzdebatten“:

Selbstverständlich spielen theologische Traditionen auch eine Rolle für das Handeln in der Kirche. Aber die Verbindung zwischen Theologie, Strukturen und eigener Person und ihrer Verantwortung sind so differenziert und von Person zu Person so unterschiedlich, dass allgemeine und monokausale Ableitungen fehl gehen müssen. Es kann sogar sein, dass Ersatzdebatten auf diesen Feldern geführt werden, die vom Eigentlichen ablenken. Wenn mit einem gewissen Pathos gefordert wird, die Kirche müsse jetzt an ihre Theologie „ran“ und also „ans Eingemachte“, so frage ich mich, ob hier nicht mit einer Chimäre gehandelt wird.

Über Fortschritte bei der handfesten Reform kirchlicher Disziplinarverfahren in den EKD-Gliedkirchen gab die Präses der EKD-Synode, Anna-Nicole Heinrich, in dieser Woche Auskunft, berichten Corinna Buschow und Franziska Hein vom epd auf evangelisch.de:

Die Gesetzesänderung solle in den nächsten Wochen ins landeskirchliche Stellungnahmeverfahren gehen und dann im November bei der Tagung des evangelischen Kirchenparlaments zur Abstimmung vorgelegt werden. Gut sechs Wochen nach der Veröffentlichung der sogenannten ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt in der EKD und der Diakonie haben sich beide Institutionen auf einen Maßnahmenplan verständigt. Das Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt, das das zentrale Organ für die Missbrauchsprävention und -aufarbeitung auf Ebene der EKD ist, hatte Mitte Februar getagt und über 40 Empfehlungen der ForuM-Forscher ausgewertet.

Die neue Konsistorialpräsidentin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), Viola Vogel, hatte sich bereits Mitte Februar für eine Verschärfung des kirchlichen Disziplinarrechts ausgesprochen. Es bräuchte u.a. „längere Fristen für Disziplinarverfahren“.

Im Rahmen einer Untersuchung zu sexualisierter Gewalt beim Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (BdP), die am Donnerstag vorgestellt wurde, wurden 74 Beschuldigte und 149 Betroffene ermittelt, berichtet Daniel Staffen-Quandt, Chefredakteur des epd-Landesdienstes Bayern bei evangelisch.de. Bereits 2016 hatte sich der interkonfessionelle Pfadfinderverband dazu entschlossen, seine eigene Geschichte im Hinblick auf sexualisierte Gewalt von externen Expertinnen und Experten untersuchen zu lassen. Die Untersuchung wurde vom Institut für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) in München und dem Berliner „Dissens – Institut für Bildung und Forschung“ durchgeführt, die auch die wissenschaftliche Aufarbeitung beim Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder (VCP) übernommen haben (s. #LaTdH vom 21. Januar).

Am Dienstag dieser Woche hat eine unabhängige Kommission ihren Bericht zu einem Missbrauchsfall in der evangelischen Kirchengemeinde in Oesede-Georgsmarienhütte (Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers) vorgelegt. Der Abschlussbericht und eine Zusammenfassung finden sich auf der Website der Landeskirche. Florian Breitmeier vom NDR berichtet und kommentiert:

Laut Studie wurde der Fall in den 70er-Jahren konsequent vertuscht – von Haupt- und Ehrenamtlichen in der Kirche. Ein Skandal sollte vermieden werden. Die Staatsanwaltschaft blieb außen vor. Aber auch im Zeitraum von 2010 bis in die 2020er-Jahre hinein passierte viel zu wenig, um dem Missbrauchsthema gerecht zu werden. Das ist ein Versagen des hannoverschen Landeskirchenamtes und auch des Landesbischofs. Denn wenn die Leitungsebene nicht angemessen auf Hinweise oder Kritik von Betroffenen reagiert, bekannte Missstände nicht abstellt, dann konterkariert das auch die wichtige Präventionsarbeit in den Kirchengemeinden vor Ort.

In Nordrhein-Westfalen gaben die evangelischen Kirchen und Diakonischen Werke der Kirchen derweil die Gründung des Verbunds bekannt, innerhalb dessen nun die unabhängige regionale Aufarbeitungskommission für den „Verbund West“ im Sinne der „Gemeinsamen Erklärung“ von EKD und Diakonie mit der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung (UBSKM), Kerstin Claus, – wir berichteten – gegründet werden soll. Noch ist die Kommission überhaupt nicht besetzt, die Pressearbeit von Kirche und Diakonie also mit äußerster Vorsicht zu betrachten. Joachim Frank (s.o.) sieht im Kölner Stadt-Anzeiger schon einen „Fehlstart“ und „fasst sich an den Kopf“. Ich kann jedoch noch keinen Fehltritt über die Grenzen der Konstruktion erkennen, die mit der UBSKM verabredet wurde – vor allem, weil bisher kaum ein Schritt gegangen wurde.

Theologie

Theologie und Diversität: Sensibel werden – Carlotta Israel (Die Eule)

Am Montag ist der zweite Teil des „Doppelpacks“ unserer Kolumne „Sektion F“ von Carlotta Israel erschienen, in dem sie sich mit dem Zusammenspiel von Theologie und Diversität beschäfigt. Nach den grundlegenden Begriffsklärungen von Januar 2024 geht es diesmal um die Frage, ob Diversität und Theologie zueinander finden können.

In jeder Begegnung mit Menschen ist Diversitätssensibilität gefragt. Das leitet sich aus meiner Sicht aus dem ab, was christlich-theologisch gefordert ist. Aus dem Gemeindebild des Paulus, aber auch vom Beispiel Jesu her, der dafür steht, Menschen, die gesellschaftlich geächtet werden, wahrzunehmen und sich ihnen zu nähern. Jede Begegnung meint natürlich auch kirchliche Kontakte. Hinzu kommt die kritische Betrachtung von Inhalten, die Normierungen enthalten. In Bildungskontexten ist Diversitätssensibilität also sowohl strukturell von der Begegnung mit verschiedenen Menschen her notwendig als auch inhaltlich gefordert.

Nr. 1 (2024): Ge|teilte Wirklichkeit (Ethik und Gesellschaft)

Eine neue Ausgabe der ökumenischen Zeitschrift für Sozialethik wurde online veröffentlicht und lässt sich kostenfrei lesen. In der Ausgabe finden sich u.a. ein Artikel über „Schwarzen Feminismus“ von Barbara Engelmann, Befassungen mit Interkulturalität und postkolonialem Antisemitismus sowie zahlreiche Rezensionen von ökumenischen (und jungen) Autor:innen. Thema der Ausgabe sind geteilte gemeinsame Wirklichkeiten. Vielleicht will ja irgendwann auch ein Papst mal daran teilhaben?

Ein guter Satz

„Souverän ist, wer über die Tagesordnung entscheidet.“

Bluesky-Skeet von @konstisbp.bsky.social in Anklang an Carl Schmitt