Toxische Barmherzigkeit: Katholisches Double-bind zum Machterhalt

„Fiducia supplicans” schreibt eine „Pastoral subtiler Demütigung” fort, erklärt Kirchenrechtler Norbert Lüdecke. Wie ist die vatikanische Erklärung zu verstehen?

Mit der Erklärung „Fiducia supplicans” wiederholt Papst Franziskus seine ablehnende Haltung zu Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare in der römisch-katholischen Kirche (wir berichteten). Trotzdem wurde das Dokument des Dikasteriums für die Glaubenslehre in Deutschland begeistert zur Kenntnis genommen. In seinem Gastbeitrag kritisiert Norbert Lüdecke das vatikanische Dokument und seine Rezeption:


Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Irme Stetter-Karp, hat „gejubelt“ über die aktuelle römische Erklärung zur pastoralen Sinngebung der Segnungen von Menschen in irregulären Beziehungen und gleichgeschlechtlichen Paaren „Fiducia supplicans“ (Text) und das Gros der Schlagzeilen und öffentlichen Bewertungen klingt ganz ähnlich: Die Erklärung sei eine Sensation, eine tektonische Verschiebung, schlage eine Bresche ins Lehrgemäuer, sei eine kirchliche Kehrtwende, kuriale Selbstkorrektur und/oder ein lang geplanter Coup des Papstes: Endlich erkenne Franziskus gleichgeschlechtliche Partnerschaften an und erlaube, sie zu segnen. Das sei eine bahnbrechende Änderung kirchlicher Lehre, eine katholische Revolution von oben und – natürlich – Rückenwind aus Rom für den „Synodalen Weg“ in Deutschland.

Leise Zweifel werden bislang komplett übertönt, und wer unter Hinweis auf „Kleingedrucktes“ einfach für genaues Lesen plädiert, im Text mehr „Zementierung“ als Liberalisierung erkennt und gut begründet von einer bodenlos frechen und diskriminierenden Mogelpackung spricht, wird – weil ja nicht sein kann, was nicht sein darf – schnell als „Kleingeist“ abgestempelt. Als Beobachter weiß man nicht, worüber man mehr entsetzt sein soll, über die verlogene und letztlich unmenschliche Erklärung aus Rom oder deren entweder chronisch naive oder aber instrumentelle papalistische Bejubelung. Doch der Reihe nach:

Klarstellung und Mahnung nach rechts

Vor gut zwei Jahren hatte die römische Glaubensbehörde auf Nachfrage in einem Responsum festgestellt, homosexuelle Beziehungen und selbst stabile homosexuelle Partnerschaften dürften keinen Segen der Kirche im Sinne einer liturgischen, d.h. amtlichen gottesdienstlichen Handlung empfangen. Ein solches sogenanntes Sakramentale entfalte ähnlich wie Sakramente geistliche Wirkungen kraft der Fürbitte der Kirche, die es hier aber nicht geben kann. Dazu müsste nämlich die zu segnende Beziehung Gottes Plan entsprechen, und der sieht nun einmal moralisch legitime Sexualität einzig in der heterosexuellen Ehe vor. Deshalb dürften homosexuelle Verbindungen nicht liturgisch gesegnet werden.

Zur Segnung homosexueller Personen mit der richtigen Einstellung hat sich die damalige Glaubenskongregation nicht geäußert, aber nichtamtliche, private Personensegnungen waren ja auch nie verboten. Soweit so klar. Aber warum dann jetzt noch die aktuelle „Erklärung“?

Zu dieser Form wegweisender Klarstellungen griff die frühere Kongregation und greift das jetzige Dikasterium für die Glaubenslehre gemeinhin, wenn in lehrrelevanten Fragen widerstreitende Diskussionen andauern. In diesem Fall will es jenen (rechtskatholisch besorgten Bischöfen und Kreisen) „in brüderlicher Liebe begegnen“, die in der oben genannten Auskunft die beständige Lehre der Kirche nicht klar genug formuliert finden. Mit Billigung des Papstes, aber in eigener Verantwortung will es ihnen nochmals darlegen, wie gemäß dem Responsum von 2021 Lehre und Seelsorge zusammenhängen, und zwar – wie es angibt –, indem es das lehramtliche Verständnis vom Segen weiterentwickle, erweitere und bereichere. Diese Geduldsinvestition flankiert das Dikasterium allerdings mit dem Hinweis auf seinen Auftrag, „die Rezeption der Lehre des Heiligen Vaters zu fördern“, will sagen: Irgendwann haben auch die Zweifler sich an den geforderten Gehorsam zu erinnern.

Keine Änderung der Lehre zu Ehe und Sexualität

Gegen alle Appelle von einzelnen Bischöfen wie auch auf dem Synodalen Weg, die amtliche Lehre zur Sexualmoral zu reformieren, stellt die aktuelle Erklärung klar, an ihr unverändert festzuhalten. Sie betont: Sexuelle Beziehungen haben „ihren natürlichen, angemessenen und vollständig menschlichen Sinn“ nur in der Hetero-Ehe.

Alles wie gehabt: Homosexuelle Handlungen gelten als in sich nicht in Ordnung, sind keinesfalls zu billigen (Weltkatechismus Nr. 2357) und werden in einer Reihe mit Prostitution und Vergewaltigung zu den schweren Sünden gegen die Keuschheit gerechnet (Kompendium zum Weltkatechismus Nr. 492). Daran ändert die moraltheologische Binse, die individuelle sittliche Verantwortung könne durch „affektive Unreife, die Macht eingefleischter Gewohnheiten, Angstzustände und weitere psychische oder gesellschaftliche Faktoren“ vermindert oder sogar aufgehoben sein (Weltkatechismus Nr. 2352), nicht das Geringste.

Homosexuelle Menschen sollen in ihrer Würde voll respektiert und ermutigt werden, Gottes Plan Folge zu leisten, indem sie sich um Keuschheit bemühen und sexuell enthaltsam leben. Dieser Respekt gegenüber homosexuellen Menschen dürfe aber nicht zu einer Legitimierung homosexueller Handlungen führen und noch weniger dazu, Homosexuellen ein Recht auf Ehe zuzugestehen (Kompendium der Soziallehre der Kirche Nr. 228). Dass dies unverhandelbar ist, hatte Kardinalsstaatssekretär Parolin den deutschen Bischöfen erst am 23. Oktober 2023 in einer eigenen Note ins Stammbuch geschrieben.

Keine Änderung der Disziplin

Auf dieser unveränderten doktrinellen Grundlage wird die entsprechend weiter geltende Disziplin nochmals und ausführlicher dargelegt, also erklärt, was verboten und was erlaubt bleibt.

Verboten bleibt …

… jede Form eines liturgischen, d. h. amtlichen Segens irregulärer sexuell gelebter Beziehungen im Namen der Kirche (c. 834 § 2 CIC) in offiziellen Segensfeiern wie sie im liturgischen Buch (Benediktionale) geregelt sind, sowie alle Segnungen, die Verwirrung stiften, d. h. zu der Annahme verleiten könnten, die gesegneten Beziehungen würden als sittlich legitim anerkannt oder irgendeine Änderung der beständigen Lehre der Kirche über ihren Status anzeigen. Damit ist der praktischen Unterwanderung der kirchlichen Lehre eine deutliche Absage erteilt. Nur was dem unverändert kirchlich gelehrten Willen Gottes entspricht, könne in einem liturgischen Ritus gesegnet werden.

Da es allein dem Apostolischen Stuhl zukommt, liturgische Bücher herauszugeben bzw. zu genehmigen (c. 838 CIC) und nur er neue Sakramentalien einführen kann (c. 1167 CIC), bleibt es unzulässig, „dass eine Diözese, eine Bischofskonferenz oder irgendeine andere kirchliche Struktur auf Dauer und offiziell Verfahren oder Riten für alle möglichen Angelegenheiten genehmigt“ (Nr. 30). Für unverheiratete oder nach Scheidung wiederverheiratete sowie gleichgeschlechtliche Paare dürfen irgendwelche rituellen Segnungsformen nicht festgelegt werden (Nr. 31. 37).

Erlaubt bleibt, …

… was immer schon möglich war, nämlich unter bestimmten Bedingungen ein solches Paar, d. h. die beiden betroffenen Personen, nicht aber – Achtung! – ihre Beziehung / Verbindung als solche in einem einfachen volksfrommen Gestus zu segnen, wenn und sofern

Möglich ist dieser aus der „väterlichen Barmherzigkeit“ und „pastoralen Haltung“ des Heiligen Vaters gewährte „Ausdruck des mütterlichen Herzens der Kirche“ zudem nur, weil für ihn die spontan um den Segen Bittenden

Der angegangene Kleriker hat jeweils väterlich zu unterscheiden, ob all diese Bedingungen erfüllt sind.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass Bischofskonferenzen (wie z. B. die von Malawi oder Ghana) mit ihren Hinweisen, die etwaige außerliturgische Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren im Sinne einer Segnung der sexuell gelebten Beziehung sei unzulässig, keineswegs gegen die vatikanische Erklärung stehen, sondern auf ihrem Boden. Anderslautende Schlagzeilen sind schlicht falsch und irreführend, weil die Erklärung weder bisherige Verbote aufhebt noch Neues erlaubt: Wer lesen kann und verstehen will, ist hier eindeutig im Vorteil.

Toxische Barmherzigkeit

Wie verfehlt zudem die verbreiteten, wahlweise preisenden oder warnenden Dramatisierungen des Dokuments als innovativer Erlaubnis- und Anerkennungserlass etwa für homosexuelle Partnerschaften oder als „Spaltpilz“ sind, wird leicht klar, wenn man „Fiducia supplicans“ nur einmal mit den Augen eines homosexuellen Paares liest.

Schon, dass auf die einleitend angekündigte „wirkliche Weiterentwicklung“ tatsächlich nichts Neues folgt, lässt eine Doppelbödigkeit befürchten. Der Eindruck verstärkt sich, wenn dann in gewohnt penetranter paternalistischer Tonart ein „bedingungslos angebotener Segen“, der „die barmherzige Umarmung Gottes und das Muttersein der Kirche“ ausdrücken soll, doch von der väterlichen, wenn auch empfohlen großzügigen Prüfung eines Klerikers abhängig bleibt und sich so letztlich als Klerikalismus im sprachlichen Gewand der Barmherzigkeit entpuppt. Aber es ist tatsächlich noch viel schlimmer:

Nehmen wir ein gläubiges homosexuelles Paar, dass seiner Liebe zueinander auch sexuellen Ausdruck verleiht. Es unterstützt #OutInChurch, aber es reicht ihm nicht, dass die Kirche neuerdings auf arbeitsrechtliche Sanktionen im kirchlichen Dienst verzichtet. Es möchte seine Lebensweise, seine Beziehung unter Gottes Segen gestellt und kirchlich anerkannt sehen. Legt es diesen Wunsch und Anspruch offen, darf ihm nicht einmal der unliturgische einfache volksfromme Segens erteilt werden.

Denn dafür wird kirchlich schließlich erwartet, dass die Partner wissen und anerkennen, dass ihre sexuelle Beziehung unnatürlich und unangemessen sowie deren menschlicher Sinn nur unvollständig ist und damit dem göttlichen Willen nicht voll entspricht, sie mit ihrer Segensbitte die Kirche als Mittlerin bejahen und ihre Hilfe demütig annehmen, um (besser) dem göttlichen Willen entsprechend zu leben, d. h. mindestens enthaltsamsbemüht zu sein. In seiner Segensbitte soll das Paar also die Kirche samt ihrer Ablehnung praktizierter Homosexualität ausdrücklich affirmieren.

Selbst wenn ein Paar so disponiert ist, bleibt es in den außerliturgischen Bereich verwiesen. Der als möglich erklärte bzw. in Erinnerung gerufene Segen grenzt also weiterhin aus: Er integriert nicht, sondern bestätigt die liturgische Apartheid. Das Willkommen der klerikal repräsentierten mütterlichen Kirche gilt weder der Beziehung noch den Partnern, wie sie sind, sondern nur, wie sie nach Gottes klerikal ausgelegtem Plan sein sollen. Die Kirche verspricht vordergründig Zuwendung, lehnt Lebensäußerungen der sexuellen Orientierung aber nach wie vor ab und verlangt den Verzicht darauf, also anteilige Selbstverleugnung. Das sind potentiell krankmachende Doppelbotschaften (double bind). Solche Barmherzigkeit ist entwürdigend und toxisch.

Wer sie weiterhin papstbejubelnd anpreist und Menschen mit selbst gezimmerten paraliturgischen Ritualen dazu animiert, ihren Segenswunsch als Bitte um gnädige Heimkehr ins katholische Moralreich gedeutet zu sehen, statt zu helfen, sich vom Anerkennungsbedürfnis durch dieses klerikale Moralregime zu emanzipieren, der sollte aufhören zu behaupten, sich für die Würde und Gleichberechtigung sexueller Minderheiten einzusetzen.

Worum es eigentlich (und katholisch immer) geht

Warum so viel Aufwand? Warum nicht zur vermeintlich einfacheren Alternative greifen und die Lehre ändern, wie seit langem vielfach gefordert und theologisch gut begründet wird? Nun, weil Papst Franziskus eine Kirche repräsentiert und regiert, die sich diesen Weg seit dem 19. Jahrhundert sukzessive verbaut hat: Die ebenso kleine wie mächtige, aus Papst und Bischöfen bestehende Gruppe von Klerikern, die das von den übrigen Gläubigen Gehorsam fordernde kirchliche Lehramt ausüben, hat nämlich ein Geflecht aus sich gegenseitig symbiotisch stützenden Lehren mit immer weiter aufgipfelndem Geltungsanspruch produziert und sich damit in eine Sackgasse ohne Wendehammer manövriert.

Auf dem I. Vatikanischen Konzil haben Papst und Bischöfe das Kirchenmodell einer absoluten klerikalen Wahlmonarchie für unabänderlich erklärt. Dass im Geschlechtsakt Liebesausdruck und Nachkommenzeugung untrennbar sind, gilt lehramtlich als anthropologisches und sittliches Muss. Aus einer spezifischen Lektüre des so per definitionem heterosexuellen Aktes entwickelte das Lehramt eine binäre Geschlechtertypologie, früher mit polarer Zuordnung von männlich-aktiv zu weiblich-passiv, heute als personale Komplementarität, in der mit Mann- und Frau-Sein weiterhin prävalente soziale Rollen verbunden sind. Diese werden für die Frau als besondere Befähigung zum „Dasein für andere“, insbesondere für die Familie, konkretisiert und so ein subtiler Männerprimat fortgeschrieben.

Diese Geschlechteranthropologie soll zudem ekklesiologisch die ständehierarchische Kirchenstruktur mit ihrem rein männlichen Führungsstand plausibilisieren, sodass sich die Geschlechteranthropologie kirchenrechtlich als Geschlechterhierarchie abbildet. Menschen-, Geschlechter- und Kirchenbild greifen auf diese Weise symbiotisch ineinander. Nicht von ungefähr hat Kardinalsstaatssekretär Parolin in seiner Note vom 23. Oktober 2023 an die deutschen Bischöfe den Vorbehalt der Priesterweihe nur für Männer und die Unsittlichkeit homosexueller Handlungen als nicht verhandelbar angemahnt. Man weiß in Rom: Mit einer Anerkennung der sittlichen Legitimität homosexueller Handlungen könnte das Gesamtgewebe reißen.

Formal wurde dieses faktisch immer weniger vermittelbare Lehrgeflecht abgesichert, indem seine Geltung – vor allem unter Papst Johannes Paul II. und seinem Chefideologen Kardinal Ratzinger – eingeschärft und verschärft wurde. Man richtete sich lehramtlich in selbst konstruierten Gewissheitstürmen ein und versuchte, von deren Zinnen die prekäre Lage zu überblicken und im Griff zu behalten. Besonders bedrohlich geworden ist die Situation aus lehramtlicher Sicht, seit die Missbrauchsverbrechen vieler Priester und das komplette Versagen der Bischöfe im Umgang mit ihnen als Machtmissbrauch durchsichtig wurden, für den kirchliche Strukturen samt ihrer doktrinellen Fundierung mitverantwortlich gemacht und nicht nur in Deutschland entsprechende Reformen immer drängender gefordert werden.

Papst Franziskus‘ Kunst der Synodalität

Diese Machtkrise ist dem Pontifikat von Papst Franziskus von Anfang an eingeschrieben. Seine spezielle Art, sie zu managen, besteht darin, Thematisierungstabus aufzuheben, die Benennung und Diskussion von Problemen und Reformwünschen nicht nur zuzulassen, sondern in aufwändigen Beratungsprozessen unter intensiverer Beteiligung vieler Gläubiger sogar zu fördern.

Wer allerdings glaubt, der Benennung folge anschließend die Lösung, sieht sich getäuscht: Franziskus beherrscht virtuos die Kunst, verbal ein Reformklima zu erzeugen, in dem Beharrung blühen kann. So spricht er von „heilsamer Dezentralisierung“ und regiert in primatialer Souveränität auch gegenüber dem Kirchenrecht wie kaum einer seiner Vorgänger. Diözesanbischöfe nimmt er ganz im Sinne der konziliaren Primatslehre nach Gutdünken aus dem Amt oder belässt sie darin. Sein Konzept von Synodalität dehnt den Beratungsvorgang zeitlich und personell aus, so dass die Stimme der Gläubigen in ihm vernehmbarer wird, aber rein beratend und damit eine Beteiligung im Vorfeld der eigentlichen Entscheidung bleibt.

Was die Vorgehensweise verspricht, wird thematisch nicht eingelöst. Denn Synodalität als Thema meint nicht die Erörterung oder gar Debatte strittiger theologischer Themen, sondern die gemeinsame Suche nach einem angemessenen Stil, miteinander umzugehen. Dabei muss die freimütige Rede einhergehen mit der Demut zuzuhören, immer wieder wird die Haltung des gemeinsamen Hinhörens auf den Heiligen Geist betont. Ob ein synodal gegebener Ratschlag tatsächlich geistgeprägt ist, entscheidet allein derjenige, dem der besondere göttliche Beistand dazu verheißen ist, universalkirchlich der Papst, teilkirchlich etwa Kardinal Woelki. So überging Papst Franziskus das klare Votum der Amazonas-Synode für die Priesterweihe verheirateter Männer, weil er darin die nötige Unterscheidung nicht finden konnte. Ausschlaggebend war damals und ist auch künftig allein seine im Gebet gefundene Einsicht in den Willen Gottes.

Eine Pastoral subtiler Demütigung

Entsprechend ist auch die aktuelle Erklärung des Glaubensdikasteriums „Fiducia supplicans“ ausgefallen. Dabei besteht die jesuitische Schläue des Papstes nicht – wie bisweilen gemutmaßt wird – darin, mit versteckten Codes oder Agenden zu arbeiten, sondern vielmehr darin, glauben zu machen, er täte das. Denn es funktioniert ja, und das muss erst mal einer nachmachen, eine Pastoral subtiler Demütigung so zu präsentieren, dass sie überwiegend als liberale Öffnung wahrgenommen wird.

Aber der Papst kennt seine Schäfchen: Sie blöken von rechts oder links und schauen doch alle auf den Hirten. Homosexuelle Gläubige entscheiden selbst, zu wieviel Gesinnungsopfer sie bereit sind, um katholisch integriert zu sein. Die Rechtskatholiken werden nach Art von bishopswatch.org weiterhin bei jedem liberalen Schwächeanfall eines Bischofs Alarm schlagen und Zuträgerdienste nach Rom leisten, aber davor zurückschrecken, sich in die Bedeutungslosigkeit zu schismatisieren. Bischöfe mit Reformflausen müssen selten sanktioniert werden; meist reicht es, wenn die römischen Präfekten ihnen in einem „Gespräch“ freundlich die Instrumente zeigen oder an einem einzelnen Bischof ein Exempel statuieren.

Die Reformsehnsüchtigen schließlich werden weiterhin römische Klarstellungen wunschgesteuert behübschen, der Illusion anhängen, mit strukturellen Letztrechthabern Dialoge führen zu können, und immer wieder mit der einen oder anderen Durchhalteparole (es gibt ja auch schon Messdienerinnen oder konfessionsverschiedene Ehen …) in das traute Hoffnungsfeuerchen blasen. Und die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken? Sie jubelt.


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