Christliche Rechte

Keine Gaudi im Bistum Hildesheim

Im Bistum Hildesheim sollte Bischof Heiner Wilmer erzkonservative AkteurInnen für ihre Bemühungen um Neuevangelisierung auszeichnen. Dazu hatte die rechtskatholische „Initiative Neuer Anfang“ eingeladen. Daraus wird nun nichts.

Seit Wochen wurde hinter den Kulissen des Bistums Hildesheim diskutiert: Was hat es mit dem „Evangelii-Gaudium-Preis“ auf sich, den Bischof Heiner Wilmer in zwei Wochen an ein Ehepaar der „Initiative Christliche Familie“ verleihen sollte? Wer steckt hinter der „Initiative Neuer Anfang“, die zur Preisverleihung mit dem Bischof in die Pfarrei St. Joseph Hannover eingeladen hat?

Die konservative katholische Tagespost kündigte in einem Artikel vom 23. Oktober 2024 die Preisverleihung an Miriam und Wolfgang Herold an, weil sie „junge Familien in einem christlichen Lifestyle bestärken“. Ein Preisgeld in Höhe von 5000 Euro „wurde dankenswerterweise von Frau Nicoletta Compagni gespendet“, informierte die „Initiative Neuer Anfang“. Der Preis für gelingende Neuevangelisation im Sinne des Apostolischen Schreibens „Evangelii Gaudium“ von Papst Franziskus solle ab sofort jährlich vergeben werden.

Nach einer Messe, die zugleich Altarweihe in St. Joseph sein sollte, sollte Bischof Heiner Wilmer eine Laudatio auf die PreisträgerInnen halten und anschließend auch an einer Podiumsdiskussion teilnehmen. So jedenfalls steht es in der Einladung der „Initiative Neuer Anfang“. In Gesprächen im Bistum Anfang der Woche wurde nun aber entschieden, die Teilnahme des Bischofs und damit die gesamte Veranstaltung abzusagen. Wilmer reist in zwei Wochen ausschließlich zur Altarweihe nach St. Joseph.

Rechtskatholische Multi-Aktivisten

Die „Initiative Neuer Anfang“ ist einer der zahlreichen Vereine des rechtskatholischen Spektrums, die sich dem Kampf gegen den Synodalen Weg in der römisch-katholischen Kirche, gegen die sog. „Gender-Ideologie“ und für „tradionelle Familien“ verschrieben haben. Auf ihrer Website präsentiert sich die Gruppe als Teil des „Arbeitskreis Christliche Anthropologie / Dialogforum Weltkirche e.V“ von Bernhard Meuser. Meuser gehört zu den VerfasserInnen des „Mission Manifest“, außerdem setzt er sich für die Verbreitung des von ihm erfundenen und mitverfassten Jugendkatechismus „YouCat“ ein.

Am Podium zum Thema „Der Traum von einer neuen Dynamik des Evangeliums“ sollten neben Bischof Wilmer auch Johanna Weddingen (ALPHA Deutschland), Ferdinand Degenfeld (Divine Renovation), Christian Hennecke, Leiter der Hauptabteilung Pastoral des Bistums Hildesheim, und die Lobpreismusikerin Marie Benkner (Charismatische Erneuerung) teilnehmen. Auch ein – noch namenloser – Vertreter aus der Evangelischen Kirche wurde angekündigt. Die Moderation sollte der Theologe Martin Brüske (TDS Aarau) übernehmen.

Meuser, Brüske und weitere AkteurInnen der einladenden Organisationen sind als StreiterInnen gegen den Reformkurs in der römisch-katholischen Kirche in Deutschland bekannt. Sie melden sich immer wieder mit Beiträgen zu Wort, in denen sie gegen „Gender-Ideologie“, die Anerkennung von LGBTQI+ in der Kirche und den Synodalen Weg schimpfen. Meuser bezeichnete im Februar 2024 in der Tagespost den Synodalen Weg als „infames Machtspiel“, das einer „geistlichen Vergewaltigung“ derer gleichkomme, „die nicht zustimmen“. Die „Initiative Neuer Anfang“ ist mit weiteren rechtskatholischen Unternehmungen, Verlagen und Vereinen zum Teil über Personalunion von Akteur:innen verbunden.

Statt einer Preisverleihung eine „Dialogveranstaltung“

Miriam und Wolfgang Herold von der „Initiative Christliche Familie“, die mit dem „Evangelii-Gaudium-Preis“ ausgezeichnet werden sollten, verstehen sich als Missionare, die in Deutschland an der Neuevangelisierung arbeiten. Die Gruppierung ist bisher vor allem aus Österreich bekannt, wo sie nach eigenen Angaben auch von der Österreichischen Bischofskonferenz unterstützt wird.

Das Ehepaar Herold trat in den vergangenen Monaten gemeinsam mit der rechtskatholischen und antifeministischen Publizistin Birgit Kelle und Meuser auf dem „Katholischen [Online] Mama-Kongress“ der Influencerin Christina Walch auf sowie gemeinsam mit weiteren Akteur:innen der extremen katholischen Rechten bei der „Gott ist gut“-Konferenz 2024. Bei der „GiG-Konferenz“ auch dabei: Hedwig von Beverfoerde, die Initiatorin der „Demo für alle“ und Vordenkerin der antifeministischen katholischen Rechten.

Im Bistum Hildesheim selbst ist die Gruppe nach Informationen der Eule bisher kaum in Erscheinung getreten. Mehrere ehren- und hauptamtliche Mitarbeitende gaben an, vor dem Tagespost-Artikel noch nie von der Gruppe gehört zu haben. Ein Bistumssprecher erklärte gegenüber der Eule, eine Zusammenarbeit des Bistums mit der „Initiative Neuer Anfang“ oder der „Initiative Christliche Familie“ sei ihm nicht bekannt.

Auch deshalb hatte es im Umfeld der Pfarrei St. Joseph und unter Mitarbeiter:innen des Bistums Verwirrung um die Veranstaltung gegeben. Nach Informationen der Eule gab es auch Überlegungen, am Tag der Preisverleihung eine Protestaktion zu veranstalten. Am 23. November feiert die Pfarrei St. Joseph eine Altarweihe, zu der Bischof Wilmer erwartet wird. Erst im September wurden im Bistum Hildesheim, als ein Ergebnis der Reformbemühungen im Zuge des Synodalen Weges, neue Seelsorger:innen für die Arbeit in der queersensiblen Pastoral beauftragt.

Die angekündigte Verleihung eines Preises gemeinsam mit AkteurInnen der katholischen Rechten durch Bischof Wilmer, warf die Frage auf, ob den Fortschritten auf dem Weg der Anerkennung von LGBTQI+ in dem als eher liberal bekannten Bistum zu trauen ist. Wie steht es um das Bekenntnis von Bischof Heiner Wilmer zum Synodalen Weg? Passt eine Auszeichnung für AkteurInnen, die sich als Widerstandsbewegung zum Kurs der Kirche verstehen, zum Reformweg der römisch-katholischen Kirche in Deutschland?

Seit heute Mittag ist nun endgültig klar: Die Veranstaltung ist abgesagt. Bischof Wilmer wird den „Evangelii-Gaudium-Preis“ 2024 nicht verleihen. Wie das Bistum gegenüber der Eule bestätigte, habe sich Bischof Wilmer dazu entschieden, seine Teilnahme abzusagen, weil er die „Irritationen, die über die Veranstaltung im Bistum entstanden sind, sehr ernst nehme“. Statt der Preisverleihung soll es nun im Frühjahr 2025 eine Diskussionsveranstaltung mit dem Bischof geben, an der auch Vertreter:innen der „Initiative Neuer Anfang“ teilnehmen sollen. Ziel der Dialogveranstaltung sei es, die entstandenen „Irritationen“ gemeinsam zu besprechen.

Gegenüber der Eule wollte eine Sprecherin der „Initiative Neuer Anfang“ keinen Kommentar zur Absage der Veranstaltung durch das Bistum abgeben. Die Preisverleihung sei allerdings keineswegs „abgesagt“, sondern nur „verschoben“.

Wie passt das zusammen?

Akteur:innen der christlichen Rechten suchen immer wieder Anschluss an katholische Gemeinden und Verbände, häufig mit niedrigschwelligen und vermeintlich harmlosen Veranstaltungen, die sich an konservative Gläubige richten. Anknüpfungspunkte sind dabei immer wieder die Themen Abtreibung, Erziehung, Sexualität und Gender.

Hinter der Inszenierung und Romantisierung „heiler“ und heteronormativer katholischer Ehen und Familien verbirgt sich häufig Gegnerschaft gegenüber der Gleichstellung von Frauen und von LGBTQI+, derzeit insbesondere die Ablehnung von Transsexualität. Expert:innen wie Sonja A. Strube weisen darauf hin, dass der Anti-Gender-Diskurs ein Einstieg in weitere extrem rechte Ideologien der Ungleichwertigkeit sein kann.

Wie auch die Lebensschutz-Bewegung (wir berichteten) werden Gruppen wie die „Initiative Neuer Anfang“ von konservativen römisch-katholischen Bischöfen in ihren Bistümern zumeist geduldet, solange sie deren Autorität nicht (öffentlich) infrage stellen. Bischof Heiner Wilmer hingegen hat sich in den letzten Jahren den Ruf eines Reformers innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) erarbeitet. Die starke Ablehnung gegenüber der AfD von Anfang des Jahres durch die deutschen Bischöfe (wir berichteten) soll maßgeblich auf seinen Einsatz zurückgehen. Ein Entgegenkommen gegenüber AkteurInnen der katholischen Rechten passt zu diesem Image nicht.


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