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Gefährliche Nähe – Die #LaTdH vom 9. Januar

Vor einem Jahr stürmten auch bekennende Christ:innen das Kapitol in Washington. Außerdem: Geschichte und Psychologie des Missbrauchs und ein christlicher Bestseller-Autor.

Herzlich Willkommen!

Zumindest in den Bundesländern, in denen der Dreikönigstag als gesetzlicher (und kirchlicher) Feiertag noch von Bedeutung ist, hat das Jahr erst nach dem Besuch der Sternsinger in der vergangenen Woche so richtig angefangen.

Und zu allem Überdruss verfolgen uns viele bad news aus dem vergangenen Jahr weiter, sei es als noch tückischere Virus-Variante oder als chaotische Datenlage zu Inzidenzen und Impfstatus, sei es als nicht verheilte Wunde eines zerrissenen Landes oder als weiterer Abgrund im kirchlichen Missbrauchsskandal.

„Das Volk war voll Erwartung“ heißt es im heutigen Tagesevangelium (Lk 3, 15-16.21-22) – bei der Taufe Jesu öffnet sich der Himmel. Die Begegnung von Himmel und Erde, die sich hier ereignet, trägt die gesamte Botschaft des Evangeliums: Jesus ermöglicht auch uns einen Blick in die Welt Gottes!

Viele solche Begegnungen im Neuen Jahr wünscht Ihnen
Ihr Thomas Wystrach


Debatte

Beim „Sturm auf das Kapitol“ am 6. Januar 2021 stürmte ein bewaffneter Mob aus Anhängern des damals noch amtierenden, aber bereits abgewählten US-Präsidenten Donald Trump den Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika. Der Versuch, den Senat und das Repräsentantenhaus an der förmlichen Bestätigung des Wahlsieges von Joe Biden am 3. November 2020 zu hindern und damit dem bisherigen Amtsinhaber zur Fortsetzung der Präsidentschaft zu verhelfen, misslang.

Die Totenglocken der US-Demokratie – Annika Brockschmidt (Blätter)

Bei dem live im Fernsehen zu verfolgenden Angriff waren neben Symbolen der White-Supremacy-Bewegung auch ein riesiges Holzkreuz und Transparente mit Aufschriften wie „Jesus saves“ zu sehen. Dieser Schulterschluss sorgte bei vielen Zuschauern für Verwirrung:

Weshalb marschierten hier betende Menschen neben radikalen Nationalisten und Rassisten, um Politiker:innen nach dem Leben zu trachten? Für die Historikerin Annika Brockschmidt (@ardenthistorian), Autorin des Buches „Amerikas Gotteskrieger. Wie die Religiöse Rechte die Demokratie gefährdet“ (Rezension in der Eule) handelt es sich dabei aber nicht um Zufall, sondern um eine seit langem geschmiedete Allianz:

Der christliche Nationalismus, den man am 6. Januar beobachten konnte, tauchte nicht erst mit Trump auf der politischen Bühne auf. Bei näherem Hinsehen war es auch wenig überraschend, dass Rassismus das verbindende Element zwischen der religiösen Rechten und White Supremacists darstellte:

Schon während der Anfänge der organisierten modernen religiösen Rechten in den 1960er Jahren war Rassismus die treibende Kraft. Die Spur des christlichen Nationalismus zieht sich durch die amerikanische Geschichte. So politisch einflussreich wie heute konnte er allerdings nur durch eine straff organisierte religiöse Rechte werden.

Im Interview mit Arno Frank im SPIEGEL (@derspiegel) antwortet Brockschmidt auch auf die Frage, ob uns – wie etwa beim „Sturm auf den Reichstag“ – demnächst ähnliche Verhältnisse wie in den USA drohen:

Impfgegnerschaft, die Leugnung des Klimawandels, Antisemitismus, Ablehnung von LGBTQ oder Migranten, das ist inzwischen ein solides Paket. Wer einen Punkt vertritt, unterschreibt immer häufiger auch die anderen. Bei rechtsextremen Anti-Corona-Demonstrationen laufen auch fundamentalistische Christen mit.

Trotzdem würde ich hier vor einer undifferenzierten Gleichsetzung warnen: Beim Angriff auf das Kapitol war die Gewalt, die eingesetzt wurde, viel massiver. Aber es gibt das Gefühl: Wir holen uns mit Gewalt zurück, was rechtmäßig uns gehört.

In ihrem Podcast „Kreuz und Flagge“ (@KreuzundFlagge) geht Annika Brockschmidt der Verbindung von Nationalismus und Religiöser Rechte in den USA mithilfe zahlreicher Expert:innen aus den Gebieten der Religionswissenschaft, Geschichte, Soziologie, Jura und Politikwissenschaft auf den Grund.

„Kampf um die Deutungshoheit“ – Interview mit Godehard Brüntrup SJ (Domradio)

War das ein Staatsstreich oder nur eine außer Kontrolle geratene Demonstration? Ein Jahr nach dem Sturm auf das Kapitol sind die USA immer noch gespalten, nicht nur in der Deutung der Ereignisse. Was das für die restliche Amtszeit von Präsident Joe Biden bedeutet, erklärt der Jesuit Godehard Brüntrup im Gespräch mit Hilde Regeniter im Kölner Domradio (@domradio).

Right-wing Catholic causes got millions from group that funded some Capitol rioters – Brian Fraga (National Catholic Reporter, englisch)

Der Donors Trust, eine ominöse Organisation, die beträchtliche Geldsummen an Gruppen spendete, die Fake News über die Präsidentschaftswahlen 2020 verbreiteten und den Anschlag auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 organisierten, hat auch anonyme Spenden in Höhe von mehreren Millionen Dollar an traditionalistische katholische Pfarreien, von konservativen Bischöfen geleitete Diözesen, Pro-Life-Organisationen, Anwaltskanzleien und Think Tanks weitergeleitet.

Wie Brian Fraga (@brianfraga) im National Catholic Reporter (@NCRonline) schreibt, gehörten zu den Empfängern der Gelder u.a. die Diözese Spokane, die Thomas-More-Society, das Acton-Institut und das Benedikt-XVI-Institut für Kirchenmusik und Gottesdienst der Erzdiözese San Francisco.

nachgefasst

In der Verantwortung – Raoul Löbbert und Georg Löwisch (DIE ZEIT)

Der Fall des Priesters Peter H. zeigt, wie der römisch-katholische Klerus sexuellen Missbrauch von Kindern vertuschte. Interne Kirchendokumente aus München und Rom belegen das – und sie belasten Joseph Ratzinger, den emeritierten Papst Benedikt XVI., der von 1977 bis 1982 Erzbischof von München war.

Raoul Löbbert (@RaoulLoebbert) und Georg Löwisch (@georgloewisch) haben die bereits seit Jahren bekannte Geschichte des aus dem Bistum Essen nach Bayern versetzten Priestertäters H. nachrecherchiert und sind dabei auf ein bisher unveröffentlichtes „Außergerichtliches Dekret“ des Kirchlichen Gerichts der Erzdiözese München-Freising gestoßen. Bei der Auswertung wird deutlich, wie klar die Verantwortlichkeit der Vorgesetzten, also der Bischöfe und Generalvikare in München und Essen, auch innerkirchlich erkannt wurde.

Die ZEIT hat das Dekret zwei Professoren für Kirchenrecht vorgelegt, Norbert Lüdecke aus Bonn und Bernhard Anuth aus Tübingen. Ihre Bewertung: „Das Dekret ist kirchenrechtlich sorgfältig gearbeitet. Es ist aber in diesem formalen Gewand zugleich mehr, nämlich eine Dokumentation krassen Versagens mehrerer Hierarchen im Umgang mit Missbrauchstaten.“ Und Benedikt? Dessen Handeln zeuge nicht von einem der Würde des Bischofsamts angemessenen Verantwortungsbewusstsein: „So handelt kein guter Hirte“, sagt Anuth.

In der ZEIT-Beilage Christ und Welt (@christundwelt) ist auch das vollständige Interview mit den beiden Kirchenrechtlern nachzulesen. Noch für diesen Monat ist die Veröffentlichung eines „unabhängigen Gutachtens“ der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) angekündigt. Es bedarf keiner großen Phantasie, anzunehmen, dass die Rolle des „Papa Emeritus“ in der vom Erzbistum München (@ebmuc) mit dem ausdrücklichen Plan zur Veröffentlichung in Auftrag gegebenen Studie anders beschrieben sein dürfte, als das in dem nur für den internen Gebrauch erlassenen Dekret der Fall ist …

Wie unkompliziert die akribische Auswertung von Personalakten von Priestern auf einmal sein kann, wenn das im kirchlichen Eigeninteresse liegt, kann man übrigens in einem Interview nachlesen, das Christoph Paul Hartmann (@cp_hartmann) mit dem Brakeler Pfarrer Andreas Kurte zu dem von ihm erstellten „Necrologium Paderbornense II“ geführt hat:

Da ich 13 Jahre lange Personalchef im Generalvikariat war und historisch interessiert bin, habe ich da eine Chance gesehen: Ich hatte Zugriff auf alle Personalakten im Archiv – und wenn ich es nicht mache, macht es niemand.

Als Sinéad O’Connor das Papstbild zerriss – Doris Priesching (Der Standard)

Vor dreißig Jahren protestierte die irische Sängerin gegen Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche. Am Ende ihrer Interpretation von Bob Marleys Protestsong „War“ hielt sie ein Foto von Papst Johannes Paul II. ins Bild – und zerriss es mit dem Worten: „Fight the real enemy!“

Ein analoger Shitstorm folgte, O’Connor wurde als kranke Außenseiterin behandelt, die zu überzogenen Aktionen und Reaktionen neige. Doch das Stigma „arme Irre“ ändere sich gerade, stellt Doris Priesching (@priesching) in ihrem Beitrag für die Rubrik „Geradegerückt“ der österreichischen Tageszeitung Der Standard (@derStandardat) fest:

Mittlerweile wird Sinéad O’Connors Auftritt anders bewertet. Unter dem Youtube-Video von 1992 stehen mehrheitlich zustimmende Kommentare. Der sexuelle Missbrauch von Kindern und seine Vertuschung innerhalb der katholischen Kirche sind kein Geheimnis mehr.

Mut zu Transparenz und Verantwortung fehlt der Kirche oft noch – Interview von Roland Juchem mit Hans Zollner SJ (katholisch.de)

Am 1. Januar 2012 wurde das Centre for Child Protection (CCP) von der Päpstlichen Universität Gregoriana (@UniGregoriana), dem Erzbistum München-Freising (@ebmuc) sowie der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie der Universitätsklinik Ulm gegründet.

Während einer dreijährigen Pilotphase zunächst mit Sitz in München, siedelte es Anfang 2015 nach Rom über. Im Herbst letzten Jahres ging es im Institut für Anthropologie – Interdisziplinäre Studien zu Menschenwürde und Sorge für schutzbedürftige Personen (IADC / @IADC_UniGre) auf. Der Psychologe und Theologe Hans Zollner SJ (@hans_zollner) hat es mit aufgebaut.

Zum 10. Jubiläum der Einrichtung zieht er im Interview mit Roland Juchem (@juchem_r) eine Zwischenbilanz – nicht zuletzt auch zu den systemischen Ursachen von Missbrauch in der Kirche:

Systemisch heißt, dass die einzelnen Faktoren sich gegenseitig beeinflussen: Ausbildung, Art und Weise der Amtsausübung, Reformbereitschaft, Ressourcenverteilung und vieles mehr. Ein kleines Beispiel: wir haben keine Rechtssicherheit, was etwa Verfahren angeht. Warum wird in einem Fall jemand entlassen und in einem anderen Fall nicht? Ungenügend geklärt sind auch die Rechte von Prozess-Beteiligten: Angeschuldigte, Opfer, Vorgesetzte … Wer darf wann was sagen und wissen: dafür gibt es keine Definition. (…)

Dass im Bischof Legislative, Judikative und Exekutive vereinigt sind, macht Transparenz und Rechenschaftspflicht sehr schwer. Immerhin wurde 2019 ein erster Schritt zur Rechenschaftspflicht von Bischöfen getan. Außerdem mischt sich Systemisches und rein Persönliches. Vielen, auch normalen Gläubigen, ist das Bild einer makellosen Kirche sehr wichtig. Der Mut, transparent zu sein, Verantwortung zu übernehmen, offen zu kommunizieren – der fehlt in der katholischen Kirche noch oft.

Vom Papst wünscht sich der Jesuit „viel mehr Konsequenz bei der Einforderung dessen, was durch die Gesetze schon möglich ist“. Franziskus könnte auch größere Rechtssicherheit schaffen und den Betroffenen einen Platz im Prozessrecht des Vatikan verschaffen.

Lesenswert sind auch Zollners „mentalitätengeschichtliche Betrachtungen zum Missbrauch in der katholischen Kirche“ in dem jüngst von der Historikerin Birgit Aschmann herausgegebenen Open-Access-Sammelband „Katholische Dunkelräume: Die Kirche und der sexuelle Missbrauch“, der den bisherigen Forschungsstand aus den unterschiedlichen Fachgebieten (Geschichtswissenschaft, Pädagogik, Recht, Psychologie) zusammenträgt.

Buntes

Der Herr der Ringe: Gut und Böse in Mittelerde – Monika Fischer im Gespräch mit Regina Polak (Der Sonntag)

John Ronald Reuel Tolkien (1892–1973) lehrte an der Universität Oxford. Sein Werk ist geprägt von seinem katholischen Glauben. Sein Roman „Der Herr der Ringe“ gilt als Grundlage für die moderne Fantasy-Literatur und ist eines der erfolgreichsten Bücher des 20. Jahrhunderts, das auch als dreiteiliges Filmepos weltweit eine Fangemeinde hat.

Zu Tolkiens 130. Geburtstag am 3. Januar erklärt die Theologin Regina Polak in der österreichischen Kirchenzeitung Der Sonntag (auch zu hören als Podcast von radio klassik), warum die Geschichte, die in einer „Welt im Wandel“ spielt, einen Nerv unserer Zeit trifft:

Das korrespondiert mit dem Gefühl, das heute viele haben: dass mit unserer Welt etwas nicht in Ordnung ist und sich an unglaublich vielen Ecken und Enden Katastrophen zusammenbrauen. Den Klimawandel muss ich wahrscheinlich nicht eigens anführen. Es geht auch um das Wissen, dass die Covid-Pandemie wahrscheinlich nicht die letzte Pandemie gewesen sein wird, um das Risiko eines Blackout, um Finanzkrisen.

Das sind interessanterweise alles Phänomene, die mit einer Zusammenrottung von Macht zu tun haben. Es ist ein Wandel, der vielen Menschen aus guten Gründen Angst macht. In diesem Zusammenhang sehe ich die Erzählung vom Herrn der Ringe als eine Art Märchen für Erwachsene, das uns erzählt: Es lohnt sich, sich zusammenzutun – auch wenn es vielleicht unmöglich erscheint – und gemeinsam zu schauen, wie man die Welt ein Stück weit besser machen kann.

„Man kann Tolkien als einen traditionellen Katholiken verstehen“ – Interview mit Thomas Fornet-Ponse (Domradio)

Obwohl Tolkien in seinen Büchern auf bewusst christliche Botschaften verzichtet hat, schimmert eine ganze Menge Theologie durch. Im Interview mit dem Kölner Domradio (@domradio) erklärt der Fundamentaltheologe Thomas Fornet-Ponse, was ihn persönlich an Fantasy-Literatur, besonders aus christlicher Sicht, interessiert:

Insbesondere bei den Werke von Tolkien ist der Weltbildungs-Aspekt ein sehr spannender. Tolkien hat das wirklich par excellence gezeigt. Eine Welt erschaffen, eine Welt gebildet, die nicht durch explizite religiöse Bezüge ausfällt, aber in einer inneren Konsistenz wahnsinnig viele Themen vereint, so dass sich viele Leser und Leserinnen dort mit ihren Fragestellungen wiederfinden können. Es ist sozusagen ein offenes Werk, dass keine eindeutige Lektüre vorgibt, aber die Phantasie der Lesenden anregt und auf diese Weise auch zur theologischen Beschäftigung anregt.

Wer sich vertieft mit dem Thema J.R.R. Tolkien und sein Christentum beschäftigen möchte, sei auf die 2018 vorgelegte Dissertation von Christian Hatzenbichler verwiesen, in der eine umfassende religionswissenschaftliche Auseinandersetzung mit Tolkiens Werk und seiner Rezeptionsgeschichte stattfindet – nicht zuletzt auch mit den Gründen für seine Beliebtheit im konservativ-christlichen Milieu, wie ganz aktuell ein „Special“ in der rechtskatholischen Tagespost bestätigt.

Welche Kirche braucht die Kirche? – Sven Sabary (katholisch.de)

Als Vorabdruck aus der Zeitschrift „Welt und Umwelt der Bibel“ des Katholischen Bibelwerks hat Sven Sabary seinen Beitrag über „Vielfalt und Bedeutung kirchlicher Räume“ bei @katholisch_de veröffentlicht. Der evangelische Theologe und Architekt zeigt anhand von Beispielen aus der Kirchengeschichte, wie konfessionelle und regionale Prägungen, der individuelle ästhetische Geschmack und die tagesaktuelle Stimmung für die Gestaltung sakraler Gebäude maßgeblich war und ist:

Nimmt der gegenwärtige Kirchenbau die wünschenswerte engere Kooperation der Konfessionen und Religionen bereits vorweg? So unverwechselbar wie jeder Mensch ist, so individuell und ortsspezifisch sollten Gottesdiensträume die Vielfalt der Kirchen und Religionen widerspiegeln, denn Jesus Christus sagt: In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen (Joh 14,2). Dann können an unterschiedlichen Orten ganz eigenständige, „andere“ und heilige Räume mit besonderer Aura entstehen, also Kirchenräume, wie die Kirchen sie immer brauchen werden.

Wenn distanzierte Schwestern zusammenrücken – Johann Hinrich Claussen (Communio)

In seinem Beitrag in der Internationalen Katholischen Zeitschrift Communio versucht Johann Hinrich Claussen, Kulturbeauftragter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), das weite Feld von Kunst, Kultur, Glaube und Kirche aus evangelischer Perspektive zu überblicken.

Dabei verbindet er grundsätzliche Überlegungen (anknüpfend an die EKD-Denkschrift „Räume der Begegnung“ von 2002) mit aktuellen Beobachtungen (zu Kunst und Kirche während der Corona-Krise) und praktischen Überlegungen zu einer zeitgenössischen kirchlichen Kulturarbeit:

Wer sich als Kirchenmensch auf den Weg in die Kulturwelt macht, wird erfahren, wie fremd und abständig er auf viele dort wirkt, wie wenig man auf ihn gewartet hat. Da hilft nur inhaltliches Interesse, Freundlichkeit, uneitle Geduld und die Lust, auf fremde Menschen zuzugehen – so wie auch sonst im pastoralen Dienst.

Ob dann irgendwann etwas überzeugt, anspricht, anzieht und Wirkung zeitigt, lässt sich ebenso wenig wie bei der Gemeindearbeit allein an äußeren Kennzahlen ablesen. Auch wenn sie sich natürlich um gute Besucherzahlen und attraktive Veranstaltungen bemühen muss, bemisst sich ihr Gelingen nicht bloß nach der konsumkapitalistischen Logik von Angebot und Nachfrage, sondern an ihrer Qualität. (…)

Kirchliche Kulturarbeit kann nur gelingen, wenn ihre Orte, Einrichtungen und Personen erkennbar kirchlich bleiben, wenn bei ihnen Gebete, Gesänge und eine Gemeinde – welcher Art auch immer – zu finden ist.

Theologie

Weihnachtlicher Unsinn. Über das missdeutete Judesein Jesu – Amy-Jill Levine und Marc Zvi Brettler (feinschwarz.net)

In Weihnachtspredigten kommt oft eine erschreckende Unkenntnis von Jesu Judentum zum Vorschein. Im Theologischen Feuilleton feinschwarz.net (@feinschwarz_net) erläutern Amy-Jill Levine und Marc Zvi Brettler fünf der häufigsten Fehlauslegungen:

Viele Priester und Pastor:innen, selbst solche, die sich für bessere jüdisch-christliche Beziehungen einsetzen, wären entsetzt zu erfahren, dass ihre Predigten antijüdische Stereotypen verstärken. Aber wenn sie verkünden, dass Jesus den Blick auf die Armen, die Nächstenliebe und die Botschaft des Friedens in die Welt gebracht habe, tun sie genau das: Sie reißen Jesus nicht nur aus der jüdischen Geschichte heraus, sondern entstellen auch die Lehren des Judentums und öffnen dem Antisemitismus Tür und Tor. (…)

Um der Welt ein wenig mehr Gnade und Wahrheit zu bringen, wäre es gut, wenn die Anhänger Jesu die jüdische Tradition, zu der Jesus sich bekannt hat, anerkennen und bekräftigen würden, anstatt zu versuchen, Jesus gut aussehen zu lassen, indem sie das Judentum schlecht aussehen lassen.

Gedanken zur Jahreslosung 2022 – Tobias Faix (tobiasfaix.de)

„Jesus Christus spricht: ‚Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen‘ – außer du bist homosexuell, eine Frau oder hast eine Behinderung!?“, so führt Tobias Faix (@Tobias Faix) die Jahreslosung 2022 in seinem Blog-Beitrag provozierend weiter.

Anhand verschiedener selbst erlebter Szenen (vor allem aus freikirchlichen Zusammenhängen, aber auch bei einer evangelischen Mitarbeitendenschulung oder einem römisch-katholischen Gottesdienst) weist er auf ungewollte, gewollte oder sogar „theologisch begründete und strukturell verankerte Exklusionsdynamiken“ hin, mit denen Menschen herabgesetzt und ausgegrenzt werden.

Viele unserer christlichen Gemeinschaften und Gemeinden sind (zu?) homogene Gruppen, die in der bürgerlichen Mitte verwurzelt sind und sich schwer tun, sich gegenüber Anderen zu öffnen. Die Motive für diese Abgrenzungen liegen dabei meist nicht in einer biblischen Reflexion des Kreuzes, sondern in gesellschaftlichen Prägungen und der Angst, etwas zu verlieren, wie Status, Zeit, Gewohnheiten, Traditionen etc.

Acht Umsetzungshilfen, die Anregungen geben, die Jahreslosung praktisch zu leben, schließen den Beitrag ab.

Predigt

Taufe Jesu – Lk 3, 15-16.21-22 (Sketch-Bibel)

Was hat die Taufe Jesu mit guten Vorsätzen zu tun? Helmut Jansen von der Sketch-Bibel (@sketchbibel) denkt: Eine ganze Menge! Gott hat seinen Entschluss und Vorsatz, Mensch zu werden und ohne Netz und doppelten Boden mit den Menschen zu leben, ernst gemacht. Bei der Taufe zeigt sich das zum ersten Mal: Er lässt sich von Johannes wie ein Sünder untertauchen.

Ein guter Satz

„I would like to grow less afraid of dying. I am infinitely less afraid today than I was 15 or 25 years ago. I was most afraid of dying when I was 33, because I come from a Catholic family.“

– Sidney Poitier (von hier)