Kolumne Gotteskind und Satansbraten

Handeln statt verzagen!

Unsere Familienkolumnistin Daniela Albert ärgert sich über die Reaktionen auf Social Media über die Wiederwahl Donald Trumps. Wischen wir die Tränen ab und kommen ins Handeln!

„Ich heule und heule und heule. Ich möchte positiv sein, doch dann schaue ich mein Kind an und die Tränen laufen und laufen und laufen.“

Es waren dramatische Tweets und andere Social-Media-Posts, die in den letzten Wochen meine Aufmerksamkeit fesselten. Verzweifelte Eltern, die Angst um ihre Kinder hatten, die ihre Wut, ihre Trauer, ihr Entsetzen, ihre Tränen mit der Welt teilten.

Was war passiert? Handelte es sich dabei vielleicht um Eltern aus den Kriegsgebieten dieser Welt? Aus Israel, aus Gaza, aus der Ukraine, aus den vielen anderen Ländern, in denen Gewalt, Not und Elend den Alltag der dort lebenden Familien bestimmen?

Oder kamen die Tweets vielleicht doch von Müttern und Vätern aus Spanien, wo verheerende Unwetter in den letzten Wochen dafür gesorgt haben, dass Menschen alles verloren haben, um Angehörige trauern oder um liebe Menschen bangen, die seitdem vermisst werden?

Nein.

Sie stammten von Müttern und Vätern aus Hamburg, Berlin, Düsseldorf, Köln oder Castrop-Rauxel. Sie wurden gesendet aus stilvollen Altbauwohnungen, Vorort-Reihenmittelhäusern oder aus 120 m² großen top-sanierten Apartments. Und sie sind keine Reaktionen auf schwere Schicksalsschläge oder Katastrophen, die die Verfasser:innen ereilt haben, sondern auf die nationalen und internationalen politischen Ereignisse der letzten Wochen – insbesondere auf die Wiederwahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA.

Nun ist es nicht so, dass es mich kalt lässt, dass Donald Trump abermals ins Weiße Haus einzieht und diesmal nicht alleine und unerfahren daherkommt, sondern ein Gruselkabinett im Schlepptau hat, das diesem Namen alle Ehre macht. Es brechen für viele Menschen in den USA harte Zeiten an. Mein Mitgefühl geht raus an queere Menschen, an BIPoC, an Frauen im gebärfähigen Alter. An alle, die in den letzten Jahren für soziale Sicherheit, Bildung, Frauenrechte und Klimaschutz gekämpft haben. Ihr Leben dürfte sich in den nächsten vier Jahren spürbar verändern und ihr Sicherheitsgefühl wankt verständlicherweise.

Und ja, auch ich frage mich seitdem immer mal wieder bange, was das wohl für uns als Europa bedeutet. Ich lese Artikel, ich höre Podcasts, ich versuche es einzuordnen. Wohl fühle ich mich dabei ganz und gar nicht. Gerade nicht in Anbetracht der Tatsache, dass unsere eigenen politischen Verhältnisse unklar sind und keiner sicher vorhersagen kann, in welche Richtung wir als Land zukünftig kippen. Trotzdem befremdet mich die Reaktion mancher auf Trumps Wiederwahl. Sie befremdet mich, sie irritiert mich und ehrlicherweise besorgt sie mich sogar.

Verhältnismäßigkeit bei der Einordnung

Mich beschleicht ein ungutes Gefühl zu wissen, dass Menschen, deren Hauptaufgabe es in solchen irren Zeiten ist, die nächste Generation trotzdem warm, sicher, geborgen und mit Zuversicht in die Zukunft zu führen, selbst solch eine innere Not mit diesen Entwicklungen hat. Was sagt es aus, wenn die Wiederwahl eines unmöglichen Menschen am anderen Ende der Welt dafür sorgt, dass sie nur noch Tränen haben, dass sie vor Sorge um die Zukunft ihrer Kinder völlig aufgelöst sind, dass sie es nicht mehr schaffen, sich zu regulieren?

Die schwierige Situation, in der sich unsere Kinder und Jugendlichen definitiv befinden, wird sich noch verschärfen. Wir wissen aus Studien, dass Heranwachsende in diesem Jahrzehnt unter Pessimismus und Zukunftsängsten leiden, wie schon lange nicht mehr. Sie brauchen gerade jetzt Erwachsene, die ihnen Hoffnung vermitteln und nicht solche, die angesichts ihrer tatsächlichen Lebenssituation jegliche Verhältnismäßigkeit bei der Einordnung der Geschehnisse verloren haben.

Im Gegenteil: Gerade jetzt wo das Thema „Führung“ ja auch bei uns im Land so aktuell ist, brauchen wir Eltern, die Lust und Energie haben, Führung in ihren Familien zu übernehmen. Zum Führung übernehmen in solchen Zeiten gehört, mit den Kindern zusammen das anzugehen, was wir selber tun können. Hoffnung zu säen, wo es in unserer Macht liegt. So begrenzt, wie es sich vielleicht derzeit anfühlt, ist diese Macht gar nicht.

Wir mögen nicht in der Lage sein, den Clown auf der anderen Seite des Atlantiks zurück in seinen Zirkus zu schicken und auch das Kasperltheater in unserem eigenen Bundestag können wir uns häufig nur kopfschüttelnd ansehen. Aber ich bin mir sicher, dass es in deinem und meinem Nahbereich sehr viele Dinge gibt, auf die wir Einfluss nehmen können. Es gibt Orte, an denen wir die Veränderung sein können, die wir uns herbeisehnen, an denen wir einen Unterschied machen, Licht spenden können. Solche Beiträge sind nicht gering! Sie verpuffen nicht angesichts des großen Wahnsinns. Sie sind viel mehr das, was am Ende wirklich zählt!

Ganz im Ernst: Dass der Zustand unserer Welt gerade Eltern frustriert, verängstigt und ihnen den Schlaf raubt, kann ich gut verstehen. Schließlich bin ich selbst Mutter. Ich werde hier nicht behaupten, dass ich die letzten Wochen über fröhlich grinsend durch die Gegend gelaufen oder jede Nacht ohne Sorgen eingeschlafen bin. Natürlich nicht! Ich bin ein denkendes, fühlendes Wesen, das Teil dieser Welt ist, die gerade verrückt zu spielen scheint.

Eule-Podcast Q & R mit Daniela Albert

Wie können Kinder und Erwachsene gut miteinander Gottesdienst feiern? Wieviel Medienzeit ist für Kinder angemessen? Was sind Tradwifes – und geraten Familien mit konservativen Werten wirklich ins Hintertreffen? Im „Eule-Podcast Q & R“ vom September 2024 beantwortet Eule-Kolumnistin Daniela Albert Fragen aus der Leser:innen- und Hörer:innenschaft.

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Wir sind am Ruder!

Aber ich bin auch Teil derjenigen Generation, die jetzt am Ruder ist. Ich gehöre zu den Menschen, die hier die Verantwortung tragen. Ich kann es mir nicht leisten, mich hinzusetzen und in Tränen auszubrechen. Ich kann es mir nicht leisten, in Hoffnungslosigkeit zu versinken. Ich kann es mir nicht leisten, Social Media mit meinem Schmerz und meiner Angst zu fluten.

Ich reihe mich damit ein in die Masse von Müttern und Vätern, die jetzt gerade auf dieser Welt leben oder lang vor uns auf dieser Welt gelebt haben, die sich das auch nicht leisten können oder konnten. Die meisten von ihnen haben weitaus schlimmere Krisen bewältigt oder zu bewältigen. Ich reihe mich ein in die Tradition derer, für die Aufgeben auch nie eine Option war und in die Geschichten derer, die die Hoffnung in viel aussichtsloseren Zeiten hochgehalten haben. Die gewusst haben, dass immer noch irgendwas geht.

Ich kann den Kopf in diesen Tage über Wasser halten, denn trotz der verstörnenden Ereignisse gehöre ich immer noch zu den privilegiertesten Menschen, die jemals diese Welt bevölkert haben. Ich lasse mir meine Hoffnung und meinen Glauben nicht von ein paar Kaspern, Clowns und Gruselfiguren nehmen!

Ich lade dich ein, dich auch einzureihen. Wenn du nicht weißt wie, dann schau dich um. Jetzt ist eine gute Zeit, um in eine Partei einzutreten. Jetzt ist eine gute Zeit, eine Gewerkschaft zu unterstützen. Jetzt ist eine gute Zeit, einer lokalen Umweltinitiative beizutreten, ein soziales Projekt zu unterstützen oder eine Eltern-Initiative zu gründen. Jetzt ist eine gute Zeit, um ins Kaufhaus zu gehen, einen Wunschzettel von einem Charity-Baum zu nehmen und ein Kind aus weniger privilegierten Verhältnissen zu beschenken. Jetzt ist eine gute Zeit, um sich der Nachbarschaftshilfe anzuschließen, Decken, Tee und gute Worte an Wohnungslose zu verteilen, oder ehrenamtlich Migrant:innen bei Spracherwerb oder Behördengängen zu unterstützen.

Jetzt ist eine gute Zeit für so vieles und alles davon kann einen Unterschied machen. Also, wisch die Tränen ab und komm ins Handeln!


Alle Ausgaben der Familienkolumne „Gotteskind und Satansbraten“ von Daniela Albert in der Eule.


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