Hiobs-Mix – Die #LaTdH vom 25. September

Schlechte Nachrichten aus der Kirche: Immer wieder Missbrauch von Macht und sexualisierte Gewalt. Außerdem: Revolution der Frauen im Iran, die Queen, Atze Schröder und Pietro Lombardi.

Herzlich Willkommen!

Jede Woche gibt es neue Artikel zu Missbrauchsvorwürfen, werden Übergriffe in kirchlichen Einrichtungen bekannt oder stellt ein Bischof eine Studie zur Aufarbeitung vor. Immer neue Hiobsbotschaften: Das Gefühl habe ich zumindest. Gut, dass diese Themen öffentlich werden. Wie damit umgegangen wird, ist dagegen nicht so gut.

Im Iran gehen die Menschen wegen des Todes einer 22-Jährigen auf die Straße, Frauen schneiden sich aus Protest die Haare ab und Menschen weltweit solidarisieren sich. Außerdem habe ich noch etwas über Atze Schröder und Pietro Lombardi mitgebracht. Ein wilder Mix, das ist mir klar. Aber so ist diese Woche nun mal gewesen.

Viel Spaß beim Lesen wünscht
Jacqueline Depta

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Debatte

Teure Umbauten, Missbrauchsvorwürfe und schlechte Aufklärung – die christlichen Kirchen und kirchlichen Einrichtungen sehen sich immer wieder mit schweren Vorwürfen konfrontiert. Jede Woche eine neue Hiobsbotschaft? So scheint es. Diese Woche aus München, Osnabrück und Köln.

Doch was da nun immer wieder zum Vorschein kommt, brodelt oft seit Jahren im Untergrund. Gut, dass wir viel darüber lesen und hören. Trotzdem können wir bei jeder Meldung nur auf darauf hoffen, dass die Aufarbeitung ernst genommen wird, es einen Lernfaktor gibt und neue Strukturen geschaffen werden. Und – das wohl Wichtigste dabei – dass den Opfern geholfen wird und sie (soweit das überhaupt möglich ist) Wiedergutmachung erfahren.

Vorwürfe gegen Vorstandssprecher der Diakonie München – Sammy Khamis und Veronika Wawatschek (BR24)

Der 58-jährige Pfarrer und Vorstandssprecher der Diakonie München und Oberbayern ist vorläufig nicht mehr im Dienst. Gegen ihn liegen Vorwürfe der körperlichen und verbalen Grenzüberschreitung vor, eine Kanzlei ist bereits eingeschaltet. So will die Diakonie eine neutrale und transparente Aufklärung unterstützen. Eine Mitarbeiterin hatte übergriffiges Verhalten bereits im Herbst 2021 gemeldet.

Die Mitarbeiterin, so schildern es mit dem Vorgang vertraute Personen, wurde auf eigenen Wunsch hin von der Diakonie freigestellt. Sie erhielt bis zum Ende ihres Arbeitsvertrages ihr Gehalt. Der Aufsichtsrat stimmte diesem Vorgang zu. Für den beschuldigten Vorstandssprecher hatten die erhobenen Vorwürfe zu diesem Zeitpunkt offenbar keine direkten Konsequenzen.

Aber nicht nur das: Die eingeschaltete Kanzlei soll auch klären, ob der Pfarrer leichtfertig mit Geldern der Diakonie umgegangen ist. Auf Initiative des Mannes wird die Vorstandsetage umgebaut, außerdem soll der Vorstand in einen benachbarten Altbau umziehen. Für diesen Umbau wurde ein Design-Professor engagiert und in den Innenräumen seien Design-Sessel, ein Design-Sofa und eine begrünte Wandtapete geplant.

Ursprünglich waren für diese Baumaßnahmen nach Angaben der Diakonie 1,35 Millionen Euro eingeplant. Eine Kostensteigerung um 30 Prozent zeichne sich ab, erklärt die Diakonie gegenüber dem BR. Dies ergebe sich aus „immens gestiegenen Baukosten“, einer Asbestbeseitigung und dem Austausch von Fenstern.

Die Mitarbeitenden der Diakonie seien aufgebracht, schreiben die Autor:innen, und denken aufgrund der Vorfälle über Kündigungen nach.

Sexuelle Übergriffe: Neue Dokumente belasten Kardinal Woelki schwer – Jochen Hilgers und Markus Schmitz (WDR)

Dem WDR liegen neue Dokumente vor, die den Kölner Erzbischof Kardinal Woelki betreffen. Demnach habe er viel zu spät gehandelt und den früheren stellvertretenden Düsseldorfer Stadtdechanten weiter in seiner Position belassen, obwohl er über dessen Fehlverhalten längst informiert gewesen war.

Konkret geht es um ein Schreiben, das der Kardinal an den damaligen Chef der Glaubenskongregation im Vatikan, Luis Kardinal Ladaria Ferrer, geschickt hat. Das Schreiben sei anscheinend aus dem Herbst 2018, schreiben die Autoren. Darin berichtet Woelki penibel über die sexuellen Übergriffe des Düsseldorfer Pfarrers.

Der soll zum Beispiel mit minderjährigen jugendlichen Ministranten häufig Saunabesuche unternommen und sie zu alkoholischen Getränken eingeladen haben. Danach sollen gemeinsam Pornofilme geschaut worden sein.Mit einem 19-Jährigen soll er in seiner Wohnung gegen den Willen des jungen Mannes Pornofilme geschaut und sich in seiner Gegenwart selbst befriedigt haben. Dem 19-Jährigen sei es erst um vier Uhr morgens gelungen, die Wohnung des Geistlichen zu verlassen.

Kardinal Woelki bittet um Weisung, welche Schritte er einleiten solle. Dieses Schreiben soll aber nicht nur in den Vatikan geschickt worden sein, sondern es wurde auch bei einer Klausur in Köln vorgelesen. Daraufhin habe Woelki mit hochrotem Kopf den Raum verlassen.

Der Kirchenrechtler Bernhard Anuth (@AnuthBernhard) ordnet das Schreiben für den WDR ein und meint, dass gleichzeitig mit dem Brief auch eine Anzeige bei den staatlichen Strafverfolgungsbehörden hätte erfolgen müssen. Das geschah bekanntlich aber nicht.

Für Maria Mesrian (@maria2_punkt0) von der Bewegung Maria 2.0 ist damit klar, dass die Glaubwürdigkeit des Kölner Kardinals Woelki nun endgültig zerstört ist. Das Erzbistum Köln hingegen spricht in einer Stellungnahme zu den Vorwürfen wieder nur davon, dass es sich um Gerüchte handle.

Missbrauchsstudie im Bistum Osnabrück: Vertrauen am Boden – Florian Breitmeier (NDR)

Die Universität Osnabrück hat einen Zwischenbericht ihrer Missbrauchsstudie im Bistum Osnabrück vorgelegt, die die Glaubwürdigkeit des Bischofs Franz-Josef Bode schwer beschädigt. In seinem Kommentar kritisiert Florian Breitmeier (@breitmeierf), dass Bode einen Rücktritt von seinem Amt nicht in Erwägung zieht.

Er wolle, so sagt er, Verantwortung für das Versagen in der Vergangenheit übernehmen. Ein Rücktrittsgesuch möchte er nicht anbieten. Der Papst würde es sehr wahrscheinlich ohnehin nicht annehmen. Für Franziskus sind Pflichtverletzungen im bischöflichen Amt nicht zwingend ein Grund, einen Oberhirten scharf zu kritisieren oder gar auf dessen Bitte hin von seinen Aufgaben zu entbinden. Das ist katholische Realität, so schwer das für Menschen nachzuvollziehen sein mag, die ihn ihrem Arbeitsalltag ganz andere Dinge erleben.

Bode sei aber auch ein beliebter Bischof, der gezeigt hat, dass er viele Reformen umsetzten will. Seit 2019 habe er zum Beispiel mit einem institutionellen Schutzkonzept in Fragen sexualisierter Gewalt Bemerkenswertes auf den Weg gebracht.

Was nicht nur den Autoren irritieren dürfte, sind Bodes Aussagen zu den Anerkennungsleistungen an Betroffene. Demnach sei Bode erst durch die Präsentation der Teilstudie diese Woche klar geworden, dass die Zahlungen der Bischofskonferenz oft unterhalb der staatlichen Rechtsprechung lägen.

Nach mehrfacher Kritik des Betroffenenbeirats der Deutschen Bischofskonferenz  (DBK) und einem „Hilferuf an alle Erzbischöfe, Bischöfe und Generalvikare der deutschen Bistümer“ im Juni vergangenen Jahres, wurde über die Kritik auch bei der Herbstvollversammlung 2021 beraten. Dass Bode von all dem nichts oder zu wenig mitbekommen haben will, scheint schwer nachvollziehbar, so Breitmeier.

Missbrauch in der Kirche: Höchste Zeit – Daniel Deckers (FAZ)

Und Daniel Deckers kommentiert in der FAZ, dass die Politik bei Aufklärungsarbeiten eingreifen und Standards setzten solle.

In Paderborn etwa endet der Analysezeitraum gar nicht zufällig mit dem Beginn der Amtszeit des scheidenden Amtsinhabers, in Münster sollten Historiker aufklären, in Köln waren es Strafrechtler, da werden nur Akten ausgewertet, dort Betroffene um Mitarbeit gebeten. Gleich ob es Methode hat oder nicht – nachträglich zu korrigieren ist es nicht. Umso wichtiger wäre es, dass Bund und Länder aus diesem Verwirrspiel lernen.

Wobei Deckers bei den Kirchen zurückrudert und meint, dass die Politik verfassungsrechtlich vermutlich keine Standards setzen dürfe. Für alle anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen sei das aber möglich. Umso mehr könnte die Kirche selbst Standards definieren, nach denen andere Institutionen bei Missbrauchsvorwürfen vorgehen sollten.

nachgefasst

Mahsa Amini: Künstlerinnen unterstützen Proteste im Iran – Christine Lehnen (Deutsche Welle)

Die Proteste im Iran gehen weiter, trotzdem die Regierung sie weiterhin gewaltsam stoppen will. Nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini vor einer Woche solidarisieren sich viele Künstlerinnen mit iranischen Wurzeln und geben den Protesten noch mehr Reichweite. Das Model Bella Hadid hat palästinensische Wurzeln und postet auf Instagram über den Tod von Amini.

Die iranisch-britische Schauspielerin Nazanin Boniadi sprach auf ihrem Profil zuletzt von einer neuen Revolution, die das Land erfassen könnte, angeführt von Frauen.

Weltweit protestieren Frauen in den Sozialen Medien, indem sie sich die Haare abschneiden. Im Iran selbst schränkt die Regierung währenddessen den Zugriff auf das Internet immer mehr ein. Das wird als mögliche Vorbereitung gewertet, die Proteste gewaltsam beenden zu können, ohne dass die Weltöffentlichkeit live dabei ist.

Dass ein Islam möglich ist, der mit Menschenrechten vereinbar ist, hat Fabian Goldmann (@goldi) vor wenigen Tagen auf dem Jahrestreffen der Ahmadiyya in Karlsruhe erlebt. Von der „Jalsa Salana“ hat er diese Woche hier in der Eule berichtet.

The Archbishop of Canterbury’s Sermon for The State Funeral of Her Majesty Queen Elizabeth II – Justin Welby (Lambeth Palace, englisch)

Millionen Menschen haben am Montag die Beerdigung von Königin Elizabeth II. im Fernsehen verfolgt, Zehntausende waren auf den Straßen und haben der verstorbenen Königin die letzte Ehre erwiesen. Als Nachklapp finden Sie unter diesem Link die komplette Predigt des Erzbischofs von Canterbury Justin Welby (@JustinWelby).

Bewaffnete russische Soldaten mit Wahlurnen – Oliver Hinz (KNA, Domradio)

Die Glaubensgemeinschaften der Ukraine verurteilen die sogenannten Referenden in den von Russland besetzten ostukrainischen Gebieten als illegalen gewaltsamen Annexionsversuch. Für die Katholische Nachrichtenagentur  (@KNA_Redaktion) berichtet – wie so oft – kenntnisreich Oliver Hinz (@OliHinz) über den Ukraine-Krieg.

Der Gesamtukrainische Religionsrat erklärte, die Abhaltung von „Pseudo-Referenden“ mit „vorgehaltener Waffe“ sowie ohne persönliche Freiheit und Respekt für die Würde des menschliche Leben verhöhne die Demokratie und diskreditiere staatliche Institutionen. Eine echte Willensbekundung ist nach den Worten des Rates unter diesen Bedingungen unmöglich.

Neben den Scheinreferenden hatte der russische Präsident Wladimir Putin diese Woche auch eine „Teilmobilisierung“ befohlen. Seitdem flüchten Russen, um sich dem Kriegsdienst zu entziehen. Eule-Redakteur Philipp Greifenstein (@rockToamna) forderte in seinem Kommentar vom Freitag, den Kriegsdienstverweigerern in Deutschland und der EU Asyl zu ermöglichen.

„In der Welt, in der wir leben, muss das Recht über die Gewalt siegen und kann nicht die Gewalt stärker sein als das Recht“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz am Mittwoch in seiner ersten öffentlichen Reaktion auf die russische „Teilmobilmachung“ am Rande der Generalversammlung der Vereinten Nationen. „Das Recht“ muss hier auch das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung umfassen.

Buntes

Katholische Konferenz in Köln: Reformer fordern mehr Demokratie (tagesschau.de)

Unmittelbar vor der Herbstvollversammlung der katholischen Deutschen Bischofskonferenz ab Montag in Fulda trifft sich in Köln die „Kirchenvolkskonferenz“. Vertreter:innen von 36 katholischen Verbänden und Initiativen mahnen dabei Reformen innerhalb der Kirche an. Die Konferenz steht unter dem Motto „Wir gehen schon einmal voran – für eine synodale Kirche der Zukunft“.

Die „Kirchenvolkskonferenz“ wolle ein „Signal der Ermutigung und Dringlichkeit“ an den Synodaler Weg senden, sagte Weisner. Mit diesem kirchlichen Reformprozess versucht die römisch-katholischen Kirche in Deutschland seit 2019 unter anderem verlorenes Vertrauen bei den Gläubigen zurückzugewinnen, nachdem über die Jahre viele sexuelle Missbrauchsfälle innerhalb der Organisation bekannt geworden waren.

Atze Schröder spricht über seinen Glauben – Sandra Gerke (Bene Magazin)

Comedian Atze Schröder ist katholisch, war früher Messdiener und kritisiert in seiner Biografie die Kirche heftig. In einem kurzen Interview für das Magazin des Essener Bistums (@BistumEssen) erzählt er, dass er es ungerecht findet, wie die engagierten Menschen in der Kirche durch das schlechte Image der Institution mit runtergezogen werden.

Einerseits ist das Image der Kirche so schlecht. Andererseits kenne ich so viele Leute, die so viel Gutes in der Kirche machen. Engagierte Priester, ehrenamtlich arbeitende Frauen … Es ist so ungerecht, dass die alle mit runtergerissen werden!

In seinem Podcast „Betreutes Fühlen“ schlägt der Comedian auch sehr nachdenkliche Töne an. Zusammen mit dem Psychologen Leon Windscheid spricht er über Emotionales. Vielleicht ja was für einen Sonntagnachmittag.

Pietro Lombardi spricht in seiner neuen Show über seinen Glauben an Gott – Markus Kosian (PromisGlauben.de)

„Pietro Lombardi: Familie, Glaube, Liebe“ so heißt die neue Doku-Reihe von und mit dem Gewinner der 8. Staffel von „Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS). Ab 5. Oktober startet die sechsteilige Serie bei RTL+. Dabei soll es um den Sänger, seine Familie und auch seinen Glauben gehen, wie der Titel der Serie verrät.

Ein guter Satz

„Wir fürchten uns nicht, wir fürchten uns nicht. Wir sind alle zusammen.“

– Parole der Demonstrant:innen im Iran