Hoch die theologische Solidarität! – Die #LaTdH vom 14. Oktober

Katholik_innen wuchern geradezu mit Solidaritätsbekundungen gegenüber Prof. Wucherpfennig. Außerdem: #digitaleKirche, 1 reicher Jüngling und Kle-ri-ka-lis-mus.

Debatte

Der Bibelwissenschaftler Prof. Ansgar Wucherpfennig SJ darf nicht Rektor der Theologisch-Philosophischen Hochschule Sankt Georgen bleiben: Der Vatikan verweigert dem Geistlichen das erneute „Nihil Obstat“, eine Art Unbedenklichkeitserklärung bezüglich Lehre und Lebenswandel, und verlangt einen öffentlichen Widerruf seiner Positionen – den dieser aber verweigert.

Stein des Anstoßes ist wohl Wucherpfennigs These in einem Interview von 2016, dass es sich bei den Grundlagen der kirchlichen Ablehnung von Homosexualität um „tiefsitzende, zum Teil missverständlich formulierte Stellen in der Bibel“ handle – vielleicht auch seine Unterstützung für den „Frankfurter Vorschlag zu Segensfeiern“ für Paare, „denen eine katholische Eheschließung kirchenrechtlich nicht offensteht“.

Der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer (@PfefferKlaus) zeigt sich über das Vorgehen des Vatikan fassungslos. „Wann hört ein solches autoritäres Gebaren in unserer Kirche endlich auf?“, fragt er in einem Beitrag auf Facebook. Prof. Johannes Wallacher, Präsident der Hochschule für Philosophie München, schließt sich in einer Solidaritätsadresse der Unterstützung durch den für Frankfurt zuständigen Limburger Bischof Georg Bätzing, die Kollegen der Hochschule und den Jesuiten-Provinzial Johannes Siebner an:

Aus langjähriger guter Zusammenarbeit kann ich nur ihre Einschätzung bestätigen, dass an der Integrität Prof. Wucherpfennigs und seiner Loyalität der Kirche gegenüber kein Zweifel besteht. Insofern hoffe ich sehr, dass das „Nihil obstat“ zeitnah erteilt wird. Alles andere würde der Glaubwürdigkeit der Kirche und dem Ansehen wissenschaftlicher Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft schweren Schaden zufügen.

„Wir wollen an Pater Wucherpfennig festhalten“, bekräftigt auch Stefan Schnelle, Pressesprecher des Bistums Limburg, in einem Interview mit dem Domradio (@domradio). Der Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz reagierte mit Ärger und Unverständnis auf das Agieren Roms gegen Wucherpfennig:

„Die Infragestellung seiner Integrität und seine völlig ungerechtfertigte Bestrafung schmerzen mich. […] Wie dumm geht es denn eigentlich noch?“

Zu liberal für den Vatikan – Joachim Frank (Frankfurter Rundschau)

Joachim Frank weist in der Frankfurter Rundschau darauf hin, dass in Rom mehrere Geistliche aus der fundamentalistischen Gemeinschaft „Das Werk“ mit Wucherpfennigs Fall betraut sind:

Ein zweiter Angehöriger der obskuren Gruppe, der deutsche Pater Hermann G., arbeitet in der Glaubenskongregation. Nach eingestandenen sexuellen Übergriffen G.s beließen es dessen Vorgesetzte bei einer »Ermahnung wegen unklugen Verhaltens«. Da G. schwerpunktmäßig für Vorgänge aus dem deutschsprachigen Raum zuständig ist, gilt es als wahrscheinlich, dass er auch in die Maßregelung Wucherpfennigs involviert ist.

„Das ist wohl der Stil eines byzantinischen Hofstaats“ – Interview von Agathe Lukassek mit P. Johannes Siebner SJ (katholisch.de)

Im Interview mit Agathe Lukassek (@AMLukassek) antwortet Jesuiten-Provinzial Johannes Siebner (@JSiebner) auf die Frage, ob die deutsche Theologie „zu liberal für den Vatikan“ sei:

Das alles entzieht sich meiner Kenntnis. Ich bin kein Fachtheologe, aber ich ahne, dass hier ein Schattenboxen stattfindet. Denn das, was Pater Wucherpfennig als Überlegung darstellt, ist völlig plausibel. Es ist ein normaler Vorgang, dass er in einem Interview über das Thema Homosexualität spricht, denn es interessiert die Öffentlichkeit. Die verschwurbelte Rede der Kirche über Homosexualität funktioniert schon lange nicht mehr und ist auch in der Sache obsolet.

Die Kirche der Gegenwart muss anders aussehen! – Thomas Andonie (BDKJ.de)

Während seines Aufenthalts bei der Jugendsynode in Rom hat auch Thomas Andonie (@derwahreDon), Vorsitzender des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ, @bdkj), klar Stellung bezogen:

Hier missbrauchen Akteure der Kirche ihre Macht. Es wird versucht, einen Menschen kaltzustellen. Ein solches Vorgehen lehnen wir entschieden ab. […] Wieder einmal geht es um die Glaubwürdigkeit der Kirche – diesmal während der Jugendsynode, auf der gerade einmal mehr deutlich wird, dass junge Menschen eine authentische und an der Lebenswirklichkeit der Menschen orientierte Kirche wünschen. Eine Kirche mit Sprechverboten und ohne eine vielfältige Diskussionskultur ist eine Kirche der Vergangenheit.

Wie die Causa Wucherpfennig die Synode überschattet – Simon Linder (katholisch.de)

Schon seit einer Woche tagt die Weltbischofssynode zum Thema Jugend in Rom. Als theologischer Berater eines deutschen „Auditors“ ist Simon Linder (@SimonLinder) bei der Synode dabei. Er berichtet u.a., wie die vergangenen Tage von den Ereignissen um Jesuiten-Rektor Wucherpfennig überschattet wurden.

Die spinnen, die Römer – Werner D’Inka (FAZ)

Was tun eigentlich jene Starrköpfe in Rom den ganzen Tag, die Pater Wucherpfennig aus seinem Rektoramt an der Hochschule St. Georgen drängen? Das fragt sich Werner D’Inka, Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, und prognostiziert:

Wenn das so weitergeht, dann schließt sehr bald in einer deutschen katholischen Kirche jemand als Letzter die Tür zu. Nicht so sehr deswegen, weil das Heidentum immer mehr um sich griffe, sondern weil die Kirche dabei ist, den katholischen Karren mit Karacho an die Friedhofswand zu fahren.

Rom führt die Theologie in die wissenschaftliche Irrelevanz – Gudrun Lux (katholisch.de)

Die Behandlung von Ansgar Wucherpfennig sei nicht nur ein Schlag für die Hochschule, sondern auch eine Gefahr für die Wissenschaftlichkeit der Theologie, kommentiert die Journalistin Gudrun Lux (@gudruncita), Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK):

Diese Entscheidung aus Rom scheint wie ein weiterer Beleg für die völlig lebensfremden Vorstellungen der Amtskirche von Sexualität und eine Lehre, die quasi keinen Widerhall findet im Volk Gottes. Homosexualität kann biblisch und anthropologisch weder moralisch noch rechtlich verworfen werden. Nicht homosexuelle Beziehungen sind die Sünde, sondern ihre Herabwürdigung. (…) Ich wünsche der Bistums- und Ordensleitung, dass sie für uns und die ganze Kirche standhaft bleiben. Denn sonst können wir unsere theologischen Fakultäten schließen und den Laden dicht machen.

„Pater Wucherpfennig ist das Bauernopfer“ – Interview von Hilde Regeniter mit Thomas Schüller (Domradio)

Für den Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller (@tschueller61) ist das eigentlich Skandalöse am Fall Wucherpfennig, dass man einen Menschen benutzt, um ganz andere politische Themen zu verhandeln:

Es ist ein deutlicher Affront gegenüber dem Jesuitenorden, der intellektuell die Dinge vorantreibt und sich den Fragen der Zeit stellt. […] Es ist aber auch eine Botschaft an die theologische Szene weltweit: „Denkt bloß nicht, ihr könnt jetzt Dinge vorantreiben, die bisher lehramtlich fixiert waren – Stichwort: Umgang und Bewertung von Homosexualität. Wir haben disziplinär immer noch die Mittel im Köcher, um euch an der engen Leine zu führen.“

Nihil obstat – Peter Otten (Theosalon)

Für den Kölner Pastoralreferenten Peter Otten (@PeterOtten) ist jetzt „die Zeit der offenen Solidarität gekommen“. In seinem Blog Theosalon stellt er sich hinter alle Forderungen, die Wucherpfennig öffentlich formuliert hat:

Ich finde sie theologisch überzeugend. Sie sind ein wichtiges geistgewirktes Zeichen der Zeit. […] Und sollte es nun Menschen geben, die finden, mein Nihil Obstat gehöre einkassiert – ihr wisst ja, wie das geht.

Große Solidarität mit Wucherpfennig

Weitere öffentliche Solidaritätsadressen mit Prof. Wucherpfenning: Studierende und Mitarbeitende seiner Hochschule solidarisieren sich auf feinschwarz.net: „Überdenken Sie diese Entscheidung: Pater Wucherpfennig muss Rektor bleiben!“. Die römisch-katholischen Pfarrer Frankfurts und der Fachbereich Katholische Theologie der Goethe-Universität Frankfurt erklären sich ebenfalls solidarisch.

„Einladung zur Bespitzelung und Denunziation“ – Hans-Joachim Höhn im Interview mit Joachim Frank (Frankfurter Rundschau)

Der Theologe Hans-Joachim Höhn spricht im Interview mit der Frankfurter Rundschau (@fr) über römische Zensoren, den Druck auf Kirchenleute und die nötige Solidarisierung mittels einer Art katholischer #MeToo-Kampagne:

Denn jetzt ist womöglich der Punkt erreicht, dass die Theologenzunft aufbegehrt gegen das autoritäre Gebaren einer Behörde, die einem Kollegen willkürlich Knüppel zwischen die Beine wirft und damit nicht nur seine Reputation nachhaltig beschädigt, sondern zugleich auch Autorität und Kompetenz des zuständigen Ortsbischofs wie der Ordensleitung ignoriert. Wir reden derzeit viel über einen übersteigerten Zentralismus, über Klerikalismus und Machtmissbrauch in der Kirche. Für all das bietet das Vorgehen gegen Ansgar Wucherpfennig bestes Anschauungsmaterial. Wer glaubt, der Fall sei schnell erledigt, könnte sich schwer täuschen.

Vom Lehramt zur Heiligen Schrift: Kanonistische Fallskizze zur Exegetenkontrolle – Norbert Lüdecke (uni-bonn.de)

Abschließend sei noch der Rückblick auf einen ähnlich gelagerten Fall empfohlen: Am Beispiel der Denunziation und Beanstandung des Exegeten Rudolf Hoppe wegen einer Äußerung zur Frauenordination wird das römisch-katholische System der Kommunikationskontrolle exemplarisch sichtbar. Die kirchenrechtliche Fallanalyse durch den Bonner Kanonisten Norbert Lüdecke ergibt zugleich Einsichten in das spezifisch römisch-katholische Verständnis der Bedeutung der Heiligen Schrift und des Verhältnisses von wissenschaftlicher Analyse und kirchlichem Lehramt.

nachgefasst

Über die „Reinigung“ der Kirche – Pater Klaus Mertes SJ (katholisch.de)

Wenn Kirchenvertreter über Missbrauch in den eigenen Reihen sprechen, ist immer wieder von „Dreck“ und von „Saubermachen“ die Rede. Für Pater Klaus Mertes SJ ist das ein sehr schiefes Bild. Ihm stößt diese Wortwahl aus drei Gründen auf:

Erstens: Dreck kommt von außen – dass Problem des Missbrauchs und dessen Vertuschung kommt aber von innen. Zweitens: Dreck kann man wegputzen, dann leuchtet der Raum wieder unverändert im alten Glanz – aus der Missbrauchskrise wird die Kirche aber nur verändert herauskommen können. Drittens: Die Kirche sieht sich, wenn sie sich als Beschmutzte definiert, in der Opferposition – sie befindet sich aber beim Missbrauch durch Kleriker und dessen Vertuschung durch Bischöfe nicht in der Opferposition. […] Das Selbstmitleid im Klerus ist für die Normalos in der Kirche eine schwere Prüfung ihrer Loyalität zur Kirche.

Was sind die Strukturen der Kirche, die sexualisierte Gewalt begünstigen? – Jutta Lehnert (ikvu.de)

In ihrer „theologischen Intervention“ auf der Website der Initiative Kirche von unten (@_IKvu) wirft die Pastoralreferentin Jutta Lehnert einen kritisch-theologischen Blick auf die Strukturen, die herrschende Amtstheologie und die daraus abgeleitete Pastoral der Kirche, die sexualisierte Gewalt begünstigt und das Lügen, das Vertuschen und das Verweigern von Selbstkritik gefördert haben.

Klerikalismus: „wie das Amen in der Kirche“ – Martin Stewen (feinschwarz.net)

Klerikalismus gehört systemimmanent zur römisch-katholischen Kirche – daran wird selbst Papst Franziskus nichts ändern. Martin Stewen (@mstewen) ergänzt die aktuelle Debatte um einige weltkirchlich inspirierte Überlegungen zum Klerikalismus „von unten“:

Jene Gläubigen, die in den Kleriker all ihre Hoffnungen, Wünsche und Sehnsüchte projizieren und das mit allerlei verbalen und gestischen Formen auch beständig zum Ausdruck bringen. Spurt der Kleriker in dieser ihm zugedachten Rolle des Lebenserfüllungsgehilfen – in der er vor allem als Geweihter, nicht als Mensch interessant ist – nicht, steht es bald schlecht um ihn. Für einen Kleriker ist es wahrhaft ein Kunststück, so eine Rolle loszuwerden (wenn er es will), ohne die entsprechenden Gläubigen zu verprellen.

„Der Gesetzgeber wäre am Zug“ – Brigitte Tilmann im Gespräch mit Christiane Florin (Deutschlandfunk)

Die kürzlich präsentierte Studie über sexuellen Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche hat keine strafrechtlichen Folgen. Brigitte Tilmann von der Unabhängigen Aufarbeitungskommission sagt im Interview mit Christiane Florin (@ChristianeFlori): Die Politik müsste die gesetzliche Grundlage schaffen, um auch gegen den Willen der Kirche an Akten heranzukommen.

Die Hälfte der Menschheit ist ohne Stimmrecht – Petra Dankova (katholisch.de)

Bei der Jugendsynode im Vatikan sind erstmals auch zwei Laien stimmberechtigt: Es sind Männer. Dagegen hat Petra Dankova (@PetraDankova) vor den Toren des Vatikans demonstriert.

Als Konvertitin, die als Atheistin aufgewachsen ist, setze ich mich leidenschaftlich für diese Kirche ein und möchte, dass sie gedeiht und ihre prophetische Mission erfüllt. Ein Stimmrecht für katholische Frauen auf der Synode wird nicht alle dringenden Probleme der Kirche lösen. Aber es wäre ein wichtiges Zeichen in schwierigen Zeiten, dass den vielversprechenden Worten von Papst Franziskus, der mehr Frauen in den Entscheidungsprozessen der Kirche einbinden möchte, echte Veränderungen folgen.

Buntes

Die Angst vor dem Digitalisierungskäfig der Synode – Hanno Terbuyken (evangelisch.de)

Hanno Terbuyken (@dailybug) richtet seinen Blick auf das Barcamp Kirche (s. #LaTdH von letzter Woche) und die Sorge, dass Digitalisierung bei der EKD-Synode im November 2018 in einen Käfig gesperrt werden soll:

Digitale Kommunikation ist zum einen die Chance, das Evangelium voran zu treiben, und zum anderen ist Digitalisierung auch immer ein bisschen anarchisch. Sie lässt sich nicht vollständig kanalisieren und kontrollieren. Der Kulturwandel, der darin steckt, ist auch eine Aufgabe für das Führungspersonal. Prozesse und Verwaltungsaufgaben vom Papier wegzuholen, zu beschleunigen, vereinfachen und transparenter zu machen muss von »oben« in den Amtshierarchien unterstützt werden.

Mehr zum Thema „Kirchliches Leben und digitaler Wandel“ findet man auch unter www.hier-stehe-ich.de.

Predigt

Einsatz, Reichtum, Nachfolge – Martin Löwenstein (martin-loewenstein.de)

In seiner Predigt über Mk 10, 17-30 (Der reiche Jüngling) fragt P. Martin Löwenstein SJ danach, wofür man sich in Kirche und Gesellschaft engagiert: Lohnt es den Einsatz, all die Kraft und all die Zeit?

Jesus will mehr, Neues und Anderes. Er bietet dem jungen Mann hier und jetzt eine Erfahrung an, die Petrus und die Jünger bereits machen durften. Für alles, was sie verlassen haben, haben sie schon „in dieser Zeit“ etwas erhalten. Die Schwestern und Brüder, die Heimat im Haus Gottes der Kirche ist ein Reichtum, nicht durch Gold aufzuwiegen. Das Reich Gottes kann in seinen Anfängen erfahren werden, wo wir das Leben Jesu teilen, seinen Leib leben und empfangen. Dieses Reichtum zu empfangen war der junge Mann nicht in der Lage. Schade, es hätte sich gelohnt.

Ein guter Satz