Inseln des Gelingens – Die #LaTdH vom 15. Juni
Gelingendes Design oder unehrliche PR-Inszenierungen: Wie die Kirche ihren Auftritt gestaltet. Außerdem: Russisch-orthodoxe Dissidenten, ökumenische Theologie und endlich eine neue Präses.
Herzlich willkommen …
… zur 399. Ausgabe der #LaTdH! Design oder Nichtsein – das scheint in den letzten Tagen auch in den Kirchen eine wichtige Frage zu sein. Hat die nachrichtenarme „Saure-Gurken-Zeit“ in diesem Jahr schon vorzeitig begonnen? Oder sind die Debatten über das äußere Erscheinungsbild auch ein Anzeichen dafür, dass der Einfluss der Kirchen auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft immer mehr abnimmt und man immer mehr nur noch um sich selbst kreist?
Was nach dem Abschied vom Anspruch „flächendeckender Versorgung“ durch die Kirchen übrig bleibt, nennt die neue Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW), Adelheid Ruck-Schröder, in ihrem Antrittsinterview „Inseln des Gelingens“, auf denen im Sinne einer „Ökumene der Sendung“ bisherige Kirchengebäude auch „in gemeinsamer Nutzung mit den katholischen Geschwistern bespielt“ werden könnten.
Wie beeindruckend Design gerade im Kirchenbau bis heute wirken kann, lässt sich am MOC-Bausatz eines Querschnitts durch eine gotische Kathedrale erkennen. 41.000 Klemmbausteine (über 25 kg) und eine Bauanleitung von 949 Seiten sind erforderlich, um das Bauwerk im Maßstab von 1:42 und einer Höhe von 1,34 m fertigzustellen. Schlappe 7.999 Euro muss man allerdings dafür berappen – oder man sammelt sich die Steine aus anderen Sets zusammen.
Einen guten Start in die neue Woche
wünscht Ihnen Ihr Thomas Wystrach
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Debatte
In hoc signo vinces? Oder: Der un-missverständliche Zeitkreis des Evangelischen Gesangbuches – Andreas Mertin (theomag.de)
Im Reformationsjubiläumsjahr 2017 hatte der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) entschieden, das Evangelische Gesangbuch (EG) aus den 1990er Jahren zu überarbeiten. Eine Kommission aus allen evangelischen Landeskirchen Deutschlands, Fachverbänden und der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich begann im Jahr 2020 mit der Arbeit. Ab Herbst diesen Jahres sollen die ersten Teile in die Erprobung in die Gemeinden gehen und auf www.mitsingen.de zur Verfügung stehen.
Die neue Gestaltung wurde auf dem Evangelischen Kirchentag 2025 in Hannover vorgestellt. Auf dem Cover wird „ein nach rechts oben geöffneter Kreis mit sechs Segmenten in Nuancen von blau, rot und grün zu sehen“ sein. Auf zeitzeichen witterte der Nürnberger Theologe Ralf Frisch im neuen Logo ein „Symbol des Etwasismus“, dem das Kreuz habe weichen müssen, während EKD-Oberkirchenrat Karl Friedrich Ulrichs an gleichem Ort den „Trost runder Dinge“ beschwor. In tà katoptrizómena, dem Magazin für Kunst, Kultur, Theologie und Ästhetik, betrachtet Andreas Mertin die Debatte zunächst als Zeitverschwendung, steigt dann aber selbst mit einem Lob des neuen Designs ein:
Ein guter Gedanke: Alles hat seine Zeit. Ein biblisches Motiv, kreativ im Design umgesetzt, um das Ordnungsprinzip des Gesangbuches auch auf dem Cover zu vergegenwärtigen.
Für den Wunsch des Kollegen Frisch, ein Kreuz müsse den Umschlag des neuen EG zieren, fehlt dem theologischen Kulturhermeneutiker Mertin allerdings jedes Verständnis:
Ein Kreuz wäre allerdings das letzte, was ich auf einem heutigen Gesangbuch erwarte. Mich widert schon die Idee an, das Kreuz überhaupt als „Logo“ zu verwenden – aber in dieser Frage bin ich ein reformierter Purist. Dass etwas erst bedeutungsvoll wird, wenn es irgendwie kreuzförmig als Logo Gestalt annimmt, erscheint mir geradezu pervers. Ist das Kreuz etwa das Logo für den „Markenkern des Christentums“ (Julia Klöckner)?
Bistum Aachen adaptiert Dachmarkenkonzept und ändert sein visuelles Erscheinungsbild entsprechend – Achim Schaffrinna (Designtagebuch)
Das Bistum Aachen präsentiert sich seit kurzem mit neuem visuellen Erscheinungsbild. In einer zunehmend komplexen Welt sei es wichtig, einen verlässlichen Orientierungspunkt zu bieten. Das neue Logo mit dem „Kreuz als starkes Zeichen eines unverwechselbaren Angebots“ biete …
… einen Handlungsrahmen, das kirchliche Angebot zeitgemäß und bedürfnisorientiert auszurichten mit einem starken Markenkern, der Freiheit, Begegnung und Ermöglichung in sich trägt, …
… so das Bistum Aachen. Der Kommunikationsdesigner Achim Schaffrinna steht schon dem Grundkonzept, das bereits in den Bistümern Fulda und Münster zur Anwendung kommt, skeptisch gegenüber:
Die rechtliche, wirtschaftliche Eigenständigkeit der Bistümer, ihre dezentrale Organisation und Verwaltung und die auch im Inhaltlichen (zum Teil) unterschiedlichen theologischen Ausrichtungen und Ziele sind zudem keine Rahmenbedingungen, die eine gemeinsame Dachmarkenstrategie begründen würden. (…)
Wenn sich die Kirche als Weggemeinschaft versteht, wie auch das Bistum Aachen im Rahmen der Vorstellung des neuen Erscheinungsbildes erklärt, und auch in vielen anderen Bistümern ein Credo besteht und gelebt wird, wonach Zukunft nur gemeinsam gestaltet werden kann – können es sich die Bistümer der Katholische Kirche in Deutschland dann leisten, in ihrer Kommunikation und Außendarstellung derart fragmentiert und kleinstaatlich aufzutreten, wie sie es nach wie vor tun?
New pope, new page: Peruvian designer leads makeover of Vatican website – Kielce Gussie (National Catholic Reporter, auf Englisch)
Der Tod von Papst Franziskus hat den Vatikan veranlasst, die Website vatican.va komplett zu überarbeiten. Sie sollte „modern, frisch und auf allen Plattformen zugänglich“ sein. Der einzige Haken an der Sache war, dass sie bei der Wahl des neuen Papstes fertig sein musste, wenn der weiße Rauch aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle aufstieg.
Ein unerwarteter Zufall, dass der Vatikan den Grafikdesigner Juan Carlos Ytō um Hilfe bat, bevor feststand, dass Kardinal Robert F. Prevost, der einen Großteil seines Lebens in Ytōs Heimatland Peru verbracht hat, als Papst Leo XIV. die Startseite ausfüllen würde. Für den National Catholic Reporter hat sich Kielce Gussie mit den Hintergründen des Updates beschäftigt; auf katholisch.de schreibt Felix Neumann über das erste große Neudesign der Vatikan-Webseite seit 2015.
Der Papst und der Sinner – Juliane Fischer (DATUM)
Die Medienabteilung des Vatikan stellt Leo XIV. als volksnah, modern und locker vor. Der Papst, bekennender Tennis-Fan und -Spieler, empfing wenige Tage nach seiner Wahl Jannik Sinner, die Nummer eins der ATP-Rangliste, im Vatikan. Die Begeisterung für Tennis sei nicht gespielt, das Treffen aber gezielt inszeniert, um medienwirksame Bilder zu erzeugen, die viral gehen können, gleichzeitig kehre der Heilige Vater zu einer konservativen Symbolik zurück, schreibt Juliane Fischer:
Die Vatican Press, eine hochprofessionell aufgestellte PR-Maschinerie mit globalem Einfluss, arbeitet gerne mit einer Verschmelzung traditioneller und moderner Symbolik. Das bietet sich an, da im Vatikan jahrhundertealte Bräuche und Rituale dominieren.
Dass Papst Leo XIV. Tennis spielt und sogar lange einen Fitnesstrainer hatte, sei ein gutes Vorbild für andere Führungskräfte in der römisch-katholischen Kirche, meint Peter Otten in seinem „Standpunkt“ bei katholisch.de. Denn wer seinen Körper achte, lebe auch seine Spiritualität bewusster.
nachgefasst
„Die Bibel ist voll von Flüchtlingsgeschichten: Wieso fällt der AfD das nicht auf?“ – Interview mit Präses Adelheid Ruck-Schröder (Kölner Stadt-Anzeiger)
Für den Kölner Stadt-Anzeiger hat Joachim Frank ein ausführliches Interview mit Adelheid Ruck-Schröder geführt, die heute ihr neues Amt als Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) antritt. Damit endet eine gut anderthalbjährige Vakanz im westfälischen Präsesamt seit dem Rücktritt von Annette Kurschus im November 2023 (wir berichteten). Phänomene wie abnehmende kirchliche Bindung und Mitgliederschwund seien keine vorübergehenden Erscheinungen:
Das ist kein Prozess, in dem die Kirche nur ein paar Dinge berichtigen oder das Bestehende optimieren müsste. Wir müssen vielmehr grundsätzlich darüber nachdenken, welche Rolle Kirche in der Gegenwart spielen kann, wie sie ihre Stimme erheben kann, und vor allem, wie sie vor allem ihre Botschaft, ihre Message so zur Sprache bringen kann, dass Menschen davon angesprochen werden und auch für ihr Leben darin etwas Relevantes, etwas Bedeutsames erkennen. (…)
Die „flächendeckende“ Versorgung werden wir künftig nicht mehr schaffen – weder personell noch finanziell. Deswegen werden wir sehr viel stärker Inseln des Gelingens schaffen müssen, prüfen, wo noch Energie ist, wo wir noch Ressourcen haben, die wir hineingeben können.
Wegsehen geht nicht: Papst Leo XIV. sollte ins Heilige Land reisen – Matthias Drobinski (katholisch.de)
Der Krieg in Gaza wirkt weit über die Region hinaus – politisch, religiös, menschlich. Wer sich Christ nennt, könne da nicht wegschauen, meint Matthias Drobinski in seinem „Standpunkt“ bei katholisch.de. Für ihn gibt es gute Gründe, warum Leos erste Reise genau in diese Region gehen sollte:
Elf Jahre ist es her, dass sein Vorgänger Franziskus die Region bereiste, Jordanien, Bethlehem, Jerusalem besuchte; lange genug, um einen neuen Besuch anzugehen. Es wäre eine heikle Reise, aber eine, die zeigen würde: Dieser Papst meint es ernst mit dem Frieden, von dem er sprach, gleich nachdem er gewählt war. Es wäre eine Reise, die zu den israelischen Opfern des Hamas-Terrors vom 7. Oktober ginge, und zu denen, die in Gaza die Hölle erlebt haben. Es wäre eine Reise, die zeigte: Wegsehen geht nicht.
Buntes
Recht auf Vergessenwerden als Waffe: der Kampf um das kirchliche Gedächtnis – Emmanuel S. Caliwan (Artikel 91)
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) berät derzeit über die Frage, ob die römisch-katholische Kirche in Belgien durch ihre Weigerung, Namen von ehemaligen Mitgliedern nach deren Kirchenaustritt aus Taufregistern zu löschen, gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) – insbesondere gegen das darin verankerte sogenannte „Recht auf Vergessenwerden“ – verstoßen hat.
Was auf den ersten Blick wie ein technischer Streit über den Datenschutz aussieht, stellt für den Rechtsanwalt und Soziologen Emmanuel S. Caliwan einen Konflikt zwischen den Rechten des Einzelnen im digitalen Zeitalter und der spirituellen, historischen und theologischen Identität religiöser Institutionen dar. In seinem Gastbeitrag bei Artikel 91, dem Fachblog für kirchliches Datenschutzrecht, betont der Laien-Franziskaner, das „Recht auf Löschung“ sei zwar ein wichtiger Schutz in der modernen Datenwelt, seine Instrumentalisierung gegen religiöse Traditionen – insbesondere gegen die römisch-katholische Kirche – werfe jedoch erhebliche verfassungsrechtliche und kulturelle Bedenken auf.
Theologie
Ökumenisches Institut feiert 65-jähriges Bestehen (Universität Münster)
Mit zwei Lehrstühlen (Reformationskunde und Ostkirchenkunde) gehört das Ökumenische Institut der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster zu den bedeutendsten universitären Einrichtungen für Ökumenische Theologie in Deutschland. An diesem Wochenende feiert es 65-jähriges Jubiläum. Am 14. Juni 1960 gegründet, hatte das Institut von Anfang an West- und Ostkirchen im Blick. Neben einer breiten konfessionskundlichen und dogmatischen Fundierung ökumenischer Theologie gehörte außerdem seit den 1980er Jahren die theologische Friedensforschung zum Profil.
Wie die Theolog:innen in Münster den ökumenischen Diskurs in den letzten 65 Jahren geprägt haben, ist in einer Ausstellung sowie auf der Website des Instituts nachzuverfolgen. Und am 4. Juli hält Regina Elsner (in der Eule mit den „Ukraine-Updates“ im „Eule-Podcast“ präsent) ihre Antrittsvorlesung als Professorin für Ostkirchenkunde und Ökumenik zum Thema „‚Das ist (nicht) unser Krieg‘. Denkanstöße für einer (Neu)Verortung der Ökumenischen Theologie nach Russlands Angriff auf die Ukraine“.
Friede Allen: Solidarität mit verfolgten russischen Geistlichen – Andrej Kordotschkin (RGOW)
Der Verein „Friede Allen“ unterstützt russische Geistliche, die wegen ihrer Antikriegshaltung verfolgt werden. Zugleich bietet er ihnen eine Plattform und verbreitet ihre kritischen Ansichten. Dafür wird die Organisation von staatlichen Stellen in Russland und der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK) angegriffen. Im aktuellen Heft der Zeitschrift Religion & Gesellschaft in Ost und West wirft Andrej Kordotschkin, einer der Vereinsgründer und 20 Jahre lang Erzpriester der russisch-orthodoxen Gemeinde in Madrid, einen Blick in die Zukunft:
Eines Tages werden der Putinismus und der Krieg enden. Was wird dann geschehen? Die russische Kirche verfügt, wie die Gesellschaft insgesamt, über einen gesunden Teil, der Verantwortung für die Zukunft wird übernehmen müssen. Die Geschichte Nachkriegsdeutschlands zeigt, dass die Stimme einer verfolgten Minderheit als Leitstern für eine Nation – und eine Kirche – dienen kann, die nach dem Sturz einer Diktatur nach Erlösung sucht.
So wie die Bekennende Kirche eine Schlüsselrolle im Widerstand gegen die Nazi-Ideologie spielte und später die moralische Wiedergeburt Deutschlands zu gestalten half, könnten die Stimmen der verfolgten russischen Geistlichen als Basis für die Erneuerung und Heilung innerhalb der ROK dienen.
Ein guter Satz
„Overachiever sind für mich Leute, die wissen, was man Pfingsten feiert.“
– Katja Berlin bei Bluesky
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