Kandidaten für den EKD-Rat: Viel Expertise, kaum Überraschungen

Auf dem Wahlvorschlag für die Wahl zum Rat der EKD finden sich 22 Personen, die Vielfalt und Expertise der Kirche abbilden sollen. Für den Ratsvorsitz kommt ein Trio in Frage.

Heute Mittag hat die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anna-Nicole Heinrich, den Wahlvorschlag des Ratswahlausschusses für die Wahl des neuen Rates der EKD mitgeteilt. Zwar können von den Synodalen und von den Landeskirchen noch weitere Personen vorgeschlagen werden, der Wahlvorschlag gibt aber einen ersten offiziellen Fingerzeig, wie der neue Rat ausschauen wird – und wer für das Amt der/des Ratsvorsitzenden in Frage kommt.

Die Liste ist, das vorweg, wenig spektakulär: Eine Reihe der bisherigen Ratsmitglieder findet sich wieder auf dem Wahlvorschlag, und für die ausscheidenden Mitglieder wurden nach Regionenproporz und Kompetenzgebieten neue Personen vorgeschlagen.

KandidatInnen für den Ratsvorsitz

Von den leitenden Geistlichen der EKD-Gliedkirchen (evangelischen Landeskirchen) finden sich fünf auf dem Wahlvorschlag. Der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), Christian Stäblein, der sächsische Landesbischof Tobias Bilz (EVLKS), die Sprengelbischöfin für Hamburg und Lübeck Kirsten Fehrs (Nordkirche), der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Volker Jung, sowie die bisherige stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus, die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) ist.

Bilz werden als Vertreter der ostdeutschen Landeskirchen und der Lutherischen in der EKD sehr gute Chancen für die Wahl in den Rat zugeschrieben. Für das Amt des Ratsvorsitzenden kommt der Landesbischof aus der nach dem Rücktritt von Carsten Rentzing (wir berichteten) immer noch nicht befriedeten sächsischen Landeskirche allerdings eher nicht in Frage.

Der „Medienbischof“ der EKD und hessen-naussauische Kirchenpräsident Volker Jung ist für den Ratsvorsitz wohl schon ein wenig zu alt, als Vorsitzender der Vollkonferenz der Union Evangelischer Kirchen (UEK) ist er aber eine wichtige Stimme der unierten Landeskirchen in der EKD. Er gehörte auch dem letzten Rat der EKD an und würde somit auch die personelle Kontinuität im Rat der sich wandelnden EKD darstellen.

Das Rennen um die Nachfolge von Heinrich Bedford-Strohm im Amt der/des Ratsvorsitzenden, das traditionell von einer/einem leitenden Geistlichen der EKD-Gliedkirchen besetzt wird, werden also aller Voraussicht nach Annette Kurschus, Christian Stäblein und Kirsten Fehrs unter sich ausmachen.

Ratswahl als Ausgleich zwischen Regionen, Konfessionen und Generationen

Die Bedeutung des Wahlvorschlags, selbst die Rates muss man nicht übertreiben. Es ist vom Teamspirit abhängig und am Wunsch der/des Ratsvorsitzenden gelegen, inwieweit die Ratsmitglieder überhaupt öffentlich in Erscheinung treten. Doch muss, wer RatsvorsitzendeR werden will, zunächst in den Rat gewählt werden. Außerdem soll der Rat die regionale, konfessionelle und generationelle Vielfalt der Evangelischen Kirche widerspiegeln.

Traditionell finden sich auch parteipolitische Akteur:innen sowohl in der EKD-Synode als auch im Rat ein. Auf dem Wahlvorschlag finden sich die SPD-Politikerin Kerstin Griese sowie Thomas Rachel von der CDU. Beide dienten in der vergangenen Bundestags-Legislatur als Parlamentarische Staatssekretäre im Arbeits- und Sozialministerium bzw. im Ressort für Bildung und Forschung, und gehörten bereits dem letzten Rat der EKD an. Prominente Politiker:innen der Grünen und der FDP fehlen hingegen auf der Wahlvorschlagsliste. Im Vorfeld war zum Beispiel über eine Kandidatur von Linda Teuteberg (FDP) oder von Konstantin von Notz (Grüne) spekuliert worden.

Mit Anna von Notz, die Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bundesverfassungsgericht und Mitglied des Redaktionsrats des formidablen Verfassungsblogs ist, der Theologiestudentin Julia Schönbeck (Göttingen, Hannover) und Pastorin Josephine Teske (Büdelsdorf, Nordkirche) stehen gleich drei junge Frauen auf der Liste des Ratswahlausschusses. Die EKD dokumentiert wieder einmal ihren Willen zur Verjüngung, der sich zuletzt in der doppelten Jugendquotierung der EKD-Synode und in der Wahl von Anna-Nicole Heinrich zur neuen Synoden-Präses ausdrückte. Ob im neuen 15-köpfigen Rat, dem Heinrich als Präses als geborenes Mitglied angehört, noch Platz für eine weitere „Stimme der Jugend“ ist?

Sehr gute Wahlchancen hat hingegen der ehemalige Boehringer Ingelheim-Boss Andreas Barner, der bereits dem letzten Rat angehörte und für die EKD die schwierigen Verhandlungen um die finanzielle Zukunft maßgeblich mitgestaltet (wir berichteten). Als Vertreter der Diakonie hat auch Matthias Fichtmüller, der Theologischer Vorstand des Oberlinhauses in Potsdam, gute Chancen, auch wenn sein Haus zuletzt traurige Schlagzeilen schrieb.

Viel Expertise, wenig Theologie

Alles in allem spiegelt der Wahlvorschlag die Vielfalt der EKD und die in ihr vorhandenen Expertisen gut wieder. Für den „frommen Flügel“ ist der ehemalige Präses des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbands Michael Diener Teil der Liste, auch er gehörte bereits dem letzten Rat an. Die Journalistin Miriam Hollstein könnte ihre Medien- und Kommunikationsexpertise als Chefreporterin der FUNKE-Zentralredaktion in die Arbeit des neuen Rates einbringen. Außerdem können die Wahlberechtigten aus vier versierten JuristInnen wählen, darunter das bisherige Ratsmitglied Jacob Joussen (Bochum).

Allein die Theologie kommt auf dem Wahlvorschlag ein wenig schwachbrüstig daher – zumindest was die klassischen Disziplinen der akademischen Theologie angeht. Claudia Jahnel ist Professorin für Interkulturelle Theologie und Körperlichkeit an der Ruhr-Universität Bochum und Michael Domsgen Professor für Evangelische Religionspädagogik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Das Trio wird komplettiert von Tobias Faix, Professor für Praktische Theologie an der CVJM-Hochschule in Kassel.

Nur zwei UniversitätsprofessorInnen zieren also den Wahlvorschlag. Wenngleich Tobias Faix bereits in zahlreichen Funktionen und Projekten für die Zukunftsfragen der EKD engagiert und seine Nominierung daher keine Überraschung ist, kann sie auch als Wertschätzung gegenüber den kirchlichen christlichen Hochschulen im Lande verstanden werden*. Faix kommt aus der Sphäre der evangelischen Freikirchen und könnte, wie bisher Michael Diener, eine Brücke zu den Evangelikalen im Land schlagen, die in ihrer Mehrheit Mitglied der evangelischen Landeskirchen sind.

Alles Weitere wird dann die Ratswahl auf der kommenden Tagung der EKD-Synode zeigen. Die Kandidat:innen werden sich am 7. November vorstellen, die Wahl selbst ist für den geschichtsträchtigen 9. November vorgesehen. Ratswahlen können durchaus auch für Überraschungen gut sein.

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* Korrektur 12.10.2021, 16:55 Uhr: Die CJM-Hochschule in Kassel ist keine kirchliche Hochschule in Trägerschaft einer EKD-Gliedkirche, sondern wird vom CVJM getragen.