Kirchen-Brand – Die #LaTdH vom 23. Januar

Das WSW-Gutachten in München und Freising legt das multiple Versagen der Kirche angesichts des Missbrauchs (erneut) offen. Außerdem: Ein Erzbischof vor Gericht und ein Besuch beim Bestatter.

Herzlich Willkommen!

Das Kirchenthema der Woche ist die Veröffentlichung des WSW-Gutachtens in der Erzdiözese München und Freising. Weil davon auch die Vita des emeritierten Papstes Benedikt XVI., Joseph Ratzinger, berührt ist, laufen auch in Medien, die sonst eher weniger über Kirchen berichten, die Drähte heiß. Es zeigt sich wieder einmal: Außer mit dem Thema Missbrauch dringt die Kirche kaum noch ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit vor.

Erst eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem fast 1900-seitigen Bericht wird jedoch zeigen können, welche Konsequenzen innerhalb der römisch-katholischen Kirche, in der Erzdiözese, im Vatikan und weltweit gezogen werden müssen und können. Wenn sich die verständliche Aufregung um Benedikt XVI. gelegt haben wird, so steht zu befürchten, wird sich nicht viel geändert haben.

Eine gute Woche wünscht
Philipp Greifenstein

PS: Die #LaTdH und das Angebot der Eule werden von unseren Leser:innen ermöglicht! Die Eule ist ein unabhängiges Magazin und erhält keine Unterstützung von Kirchen oder Religionsgemeinschaften. Werden Sie Eule-Abonnent:in! Ab 3 € im Monat sind Sie dabei. Danke für Ihre Unterstützung!


Debatte

Am Donnerstag wurde in einer ausführlichen Pressekonferenz (Video) das Gutachten der Anwälte von Westpfahl Spilker Wastl „Sexueller Missbrauch Minderjähriger und erwachsener Schutzbefohlener durch Kleriker sowie hauptamtlich Bedienstete im Bereich der Erzdiözese München und Freising von 1945 – 2019“ (PDF-Download) vorgestellt. Es umfasst Fälle von 497 Betroffenen, deren Schwerpunkt in den 1960er- und 1970er-Jahren liegt. 235 mutmaßliche Täter konnten identifiziert werden, 173 davon Priester. An die Staatswanwaltschaft wurden 42 Fälle zur Überprüfung übergeben.

Wie angekündigt, haben die GutachterInnen sich bei ihrer Untersuchung nicht allein aufs Juristische beschränkt, sondern auch anhand des kirchlichen Selbstbilds Einschätzungen getroffen. Das unterscheidet das WSW-Gutachten aus München vom Gehrke-Gutachten in Köln. Der gewichtigste Unterschied, der auch von den AnwältInnen am Donnerstag mehrfach betont wurde, aber ist, dass die GutachterInnen in erheblichem Umfang auf Befragungen von Betroffenen und Verantwortlichen zurückgreifen, nicht „allein“ auf die schlechte Aktenlage. Rechtsanwalt Wastl befand, eine Untersuchung „nur der Akten sei für forensisch tätige Rechtsanwälte eine Bankrotterklärung“.

Was die AnwältInnen aufgedeckt haben, bewegt sich im Rahmen der Größenordnung bisheriger Studien und Gutachten, umfasst aber natürlich nur das Hellfeld. Eine Dunkelfeldstudie für Deutschland steht nach wie vor aus. Kardinal Reinhard Marx wird in zwei Fällen Fehlverhalten attestiert, dem ehemaligen Papst für seine 5-jährige Amtszeit in München und Freising in vier Fällen. Der Langzeit-Erzbischof Friedrich Wetter bringt es auf 21 Fälle. Beschränkt haben sich die Gutachter auf die absolute Führungsspitze des Erzbistums, den Erzbischof, den Generalvikar, Offiziale – denn, so die Gutachter, in der hierarchischen römisch-katholischen Kirche trügen diese Amtsträger nun einmal die Verantwortung.

Eine Verantwortung, die alle befragten Beschuldigten abstreiten oder kleinzureden versuchen.

Meinung: Missbrauchsgutachten in München – Mit Beton gegen Missbrauchsvorwürfe – Christoph Strack (Deutsche Welle)

Der Journalist und Kirchenexperte Christoph Strack (@Strack_C) fasst in seinem Kommentar vom Veröffentlichungstag des Gutachtens in vier Schlagworten zusammen, was das Münchener WSW-Gutachten bedeutet: Zuwendung zu den Betroffenen; Blick auf die Situation der Kirchgemeinden, in denen Verbrechen verübt worden; Aufarbeitung durch staatliche Justiz und andere rechtsstaatliche Mittel; Ende der Überhöhung der Priesterkirche.

Sechs Erzbischöfe standen seit 1952 an der Spitze dieses Erzbistums. Allesamt waren sie bereits zuvor oder wurden im Amt zu Kardinälen erhoben. Alle sechs, ausnahmslos, machten sich in unterschiedlicher Zahl deutlichen Fehlverhaltens im Umgang mit Fällen von sexuellem Missbrauch schuldig. Drei der sechs leben noch. Und von 1977 bis 1982 war eben jener Joseph Ratzinger Erzbischof von München, der dann in Rom weiter Karriere machte und 2005 als Benedikt XVI. den Petrusthron bestieg. Deshalb schaute an diesem Donnerstag die ganze katholische Welt gebannt nach München.

Ratzinger

Es ging in den vergangenen Tagen vor allem um ihn: Den ehemaligen Theologie-Professor, Erzbischof von München und Freising, Präfekten der Glaubenskongregation, schließlich Papst Benedikt XVI. Joseph Ratzinger lebt – zurückgezogen, aber erstaunlich öffentlich – auf dem Altersteil in den Gärten des Vatikan, er ist 94 Jahre alt.

Was den emeritierten Papst angeht, kann ich das Entsetzen wohl verstehen, die Überraschung aber nicht nachvollziehen. Was hatte man erwartet? Mit Ratzinger werden wir leben müssen, so wie er mit seiner Verantwortung leben muss, auch wenn er sich ihr (zumindest öffentlich) nicht stellt. Über einen der vier ihm zur Last gelegten Fälle von Nicht-Handeln und Vertuschung wurde in den vergangenen Wochen (erneut) ausführlich und enthüllend berichtet (s. u.a. die #LaTdH vom 9. Januar). Es ist eben gerade nicht „neu“, dass auch „unser Benedikt“ zu den Vertuschern und Verharmlosern gehört.

Was Benedikt über die Gründe des Missbrauchs in der Kirche denkt, steht spätestens seit 2019 fest (s. #LaTdH vom 14. April 2019). Auch wenn sein damaliger Aufsatz jetzt noch einmal die Runde macht (z.B. in der Süddeutschen und der WELT). Schon damals war seine Einstellung allerdings keine „Neuigkeit“ im engeren Sinne. All das ist bekannt und Ratzingers Rolle in der Malaise des Missbrauchs in der römisch-katholischen Weltkirche, weit über das Erzbistum im Süden Deutschlands hinaus, z.B. von Doris Reisinger (@ReisingerWagner) und Christoph Röhl in ihrem gemeinsamen Buch (Eule-Rezension hier) ausführlich beschrieben.

Ich kann mich sehr gut der Deutung des Publizisten Andreas Püttmann (@Puettmann_Bonn) anschließen, der glaubt,

„es ist weniger die Studie als seine Einlassungen dazu, die autodestruktiv für sein Lebenswerk sind. Wie so manches nach dem Rücktritt. Schlecht beraten. Vor 40 Jahren auf wenige (belegte) Fälle falsch reagiert zu haben, würde einem Reuigen eventuell vergeben, Verstockung nicht.“

Astrid Mayer, eine Betroffene, fasst im – auch ansonsten sehr lesenswerten – Interviev bei Marianne Max (@Marianne_Max_) von t-online zusammen:

„Ich glaube, das könnte vielen seiner Mitbrüder helfen und vielen anderen Menschen, die auch so gehandelt haben. „Echte Einsicht, echte Reue“: Das, was auch die Gutachterin Frau Marion Westphal zu Beginn der Gutachtenvorstellung gefordert hat, das würde ich mir [von Benedikt] wünschen.“

Dazu aber sieht sich der Ex-Papst und/oder sein Umfeld sich nicht im Stande. Die Nachricht von der Verstrickung Ratzingers gerät dieser Tage vielen Katholik:innen zum „Eye Opener“. Ein weiteres Ausweichen vor der bitteren Wahrheit scheint vielen von ihnen nicht möglich. Die Telefone laufen heiß, Katholik:innen weit über das süddeutsche Bistum hinaus wollen jetzt austreten, darunter auch konservative PolitikerInnen. Kirchendämmerung.

Faulhaber, Wendel, Döpfner: Die Schuld der toten Münchner Erzbischöfe – Felix Neumann (katholisch.de)

Auf katholisch.de befasst sich Felix Neumann (@fxneumann) damit, was das Gutachten den bereits verstorbenen Münchener Erzbischöfen zur Last legt. Das ist nicht allein kirchenhistorisch interessant, sondern zeigt: Auch Ratzinger war kein Solitär, sondern auf bestürzende Weise gewöhnlich.

Das Münchner Gutachten fügt den Biographien der drei Männer nun neue, dunkle Facetten hinzu. Keiner der Erzbischöfe kommt ohne Fehlverhalten durch die Amtszeit. Die Versäumnisse ähneln sich dabei – und sie werden im Laufe der Jahre nicht besser, im Gegenteil: Nur Faulhabers Verhalten wird wenigstens als „ambivalent“ eingestuft. Ausgerechnet die Amtszeit von Döpfner, der sich auf dem Konzil besonders für die Pastoralkonstitution “Gaudium et spes” eingesetzt hatte, in deren Anfangsworten die Konzilsväter sich „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art“ zueigen machten, ist besonders geprägt von Fühllosigkeit gegenüber Betroffenen und Großzügigkeit und Gnade gegenüber Tätern.

Marx

Irgendwie dann doch mit einem blauen Auge kommt der amtierende Erzbischof Kardinal Reinhard Marx davon. Nur in zwei Fällen attestieren die GutachterInnen ihm ein Fehlverhalten, weisen jedoch auch darauf hin, dass er die Missbrauchs-Aufklärung über viele Jahre eben nicht zur „Chefsache“ gemacht habe. Schlussendlich aber sei es doch Marx gewesen, der das Gutachten – mit seinen ja zu erwartetenden weitreichenden Folgen bis nach Rom – in Auftrag gegeben hat, erinnert der Tübinger Theologe Matthias Möhring-Hesse im Gespräch beim SWR.

Aber die Schuhe des Aufklärers passen Marx schon eine Weile nicht mehr. Zu viel Zeit ist dann doch seit den immer neuen „Schockmomenten“ 2010, dann 2018 vergangen. Zeit, in der sich viel zu wenig getan hat.

Zeitgeist als Rechtfertigung? – Christian Geyer (FAZ)

Auf diese „unendliche Lerngeschichte“, wie sie vom Kardinal aus München immer wieder konstruiert wird, geht Christian Geyer in der Frankfurter Allgemeinen ein – und verlässt damit die eingetrampelten Wege der üblichen Kommentierung von Gutachten-Veröffentlichungen in der katholischen Kirche.

Können juristisch gebotene Unterscheidungen das letzte Wort sein, wenn Kindesmissbrauch im Raum steht? Wie viele Lichtkegel möchte man in Stellung bringen? Hell wird es im kirchlichen Dunkelraum erst dort, wo der Schutz der Schwächsten ohne Wenn und Aber als Chefsache bekräftigt wird, gleichsam durch die immer komplexer werdenden Regelwerke hindurch, und wo jemand souverän ein Fehlverhalten bekennt, sofern solche Priorisierung unterblieben ist.

All dies steht seit Jahren im kirchlichen Lernprogramm. Scham und Erschütterung: Jede neue Missbrauchsstudie wird das Muster der Münchner Studie wiederholen, nur ohne emeritierten Papst. Wie viele dieser Studien wird es noch brauchen, um sie überflüssig zu machen?

Das Gesetz des Schweigens bricht auf – Georg Löwisch (Christ & Welt, ZEITonline)

„Verantwortung zuweisen – das haben die Gutachter geschafft. Dass aber ein amtierender Bischof auch Verantwortung übernehmen kann, ist eine ganz andere Sache“, erklärt Georg Löwisch (@georgloewisch) von der Christ & Welt, der zuletzt an der öffentlichen Befassung mit dem Täter Priester H. maßgeblich beteiligt war.

Marx selbst hat ja schon im vergangenen Jahr seinen Rücktritt angeboten, Papst Franziskus lehnte das ab, er ließ ihn im Amt. Was jedoch ist Verantwortung, wenn jene, die ihr nicht gerecht werden, einfach bleiben, wo sie sind? Wie handelt ein Mächtiger, dem die Macht garantiert ist, auch wenn er versagt?

Löwisch beschreibt auch, dass Marx nicht zur Übergabe des Gutachtens habe kommen wollen. Stattdessen gab er am Donnerstagnachmittag ein kurzes Statement ab, dessen weitere Kommentierung man sich hier sparen kann. Am kommenden Donnerstag wird sich die Erzdiözese ausführlich erklären.

Zur Übergabe diese Woche erschienen der amtierende Generalvikar und die Amtsleiterin des Ordinariats – ja, so etwas Modernes gibt es in München -, was zu einem emblematischen Kirchen-Bild führte: Der Batzen mit den drei schweren Bänden des Gutachtens wurde nämlich zunächst von ihr aufgehoben, bevor sie das schwere Dokument des Versagens ihrer Kirche wieder abstellen musste.

Wie geht’s weiter?

Allen Grund, nochmals seinen Rücktritt anzubieten, habe Marx, kommentiert beim Deutschlandfunk Christiane Florin (@ChristianeFlori). Noch interessanter als ihr Kommentar ist ihr Gespräch mit Agnes Wich (@WichAgnes) von der Betroffeneninitative Süddeutschland und dem Christ & Welt-Journalisten Raoul Löbbert (@RaoulLoebbert). In 22 Minuten besprechen die Drei, was für Konsequenzen sich aus dem Gutachten ergeben könnten und müssten. Der verzweifelte Unterton ist nicht zu überhören.

Bricht „das Gesetz des Schweigens auf“, wie Georg Löwisch meint? Eine Reihe von katholischen deutschen Bischöfen fordert, dass sich der emeritierte Papst erneut erklärt. Und im Erzbistum München selbst lässt sich ein Priester den Mund nicht mehr verbieten und spricht mit der Süddeutschen Zeitung (€) über seinen Blick auf die Dinge. Pfarrer Hermann Schlicker war dort tätig, wo zuvor Priester Peter H. Kinder missbrauchte.

Benedikt XVI. rechtfertigt sich in seiner 82 Seiten langen Stellungnahme zum Gutachten unter anderem damit, dass er in einer entscheidenden Sitzung zum Fall Peter H. nicht dabei war und deshalb nicht umfassend informiert gewesen sei. Wie sehen Sie diese Aussage des ehemaligen Papstes?

Wir Priester sind vom Bistum angehalten, nichts zu sagen und auf zuständige Stellen zu verweisen. Ich sage trotzdem was dazu, weil das einfach nicht sein kann. Der Bericht der drei Juristen spricht klar gegen Ratzingers Aussage. Er sagt, er war bei der Sitzung nicht dabei. Er war aber offenbar doch dabei. Was hätte es ihm geschadet zu sagen: Ich habe es falsch eingeschätzt und Fehler gemacht, ich bereue das und stehe dazu. Aber eine Entschuldigung? Nein, wieder nur eine Flachdarstellung. Den ganzen pathetischen Rotz hätt‘ er sich sparen können.

Das sind neue Töne.

nachgefasst

Erzbischof Heße in Missbrauchsprozess: „Konsequent gehandelt“ (NDR)

Von der Zeugenaussage des Hamburger Erzbischofs Stefan Heße im Kölner Missbrauchs-Prozess (s. #LaTdH von vergangener Woche) berichtet ausführlich der NDR. Heße habe sich vor Gericht als „entschlossener Aufklärer“ präsentiert.

Heße war im Erzbistum Köln Personalverantwortlicher in den Jahren von 2006 bis 2012 – zu der Zeit, als erstmals Vorwürfe gegen den Priester aus Gummersbach erhoben wurden. Dem Mann wird vorgeworfen, drei seiner zum mutmaßlichen Tatzeitpunkt minderjährigen Nichten sexuell missbraucht zu haben. Die ersten Taten sollen in den 1990er-Jahren stattgefunden haben. Zudem soll er sich 2011 an einem elfjährigen Mädchen vergangen haben.

Heße hatte nach Veröffentlichung des Gehrke-Gutachtens im Erzbistum Köln seinen Rücktritt angeboten, der allerdings von Papst Franziskus nicht angenommen wurde. In Köln war Heße von 2006 bis 2012 Chef der Personalabteilung. Seit September 2021 ist er wieder in der Öffentlichkeit als Erzbischof von Hamburg präsent. Derweil soll es vier weitere Opfer des in Köln vor Gericht stehenden Priesters geben, deren Fälle noch nicht verjährt sind.

Was Forscher aus Günzburg und Ulm über den Missbrauch in Kirchen herausfanden (Augsburger Allgemeine)

Schon vor ein paar Tagen erschien in der Augsburger Allgemeinen dieses kurze Porträt über Manuela Dudeck und ihr Team, das den Missbrauch in der katholischen Kirche in Mecklenburg wissenschaftlich aufarbeitet. Der Artikel gibt einen guten Eindruck davon, wie eine solche wissenschaftliche Aufarbeitung in einzelnen Diözesen (und Landeskirchen) vonstattengehen kann.

Die wissenschaftliche Aufarbeitung ist ein wichtiger Teil der Aufarbeitung von Missbrauchsverbrechen in den Kirchen. Im Sommer 2021 überreichten die Forscher:innen einen Tätigkeitsbericht (PDF).

Manuela Dudeck formuliert das bisherige Fazit der Untersuchung so: Die Fallzahlen seien geringer als befürchtet. Ursprünglich war von 54 Opfern ausgegangen worden. Das treffe aber wohl nicht zu. „Die Missbrauchsfälle, die bislang anhand der Akten und Interviews dargelegt werden können, machen einen sprachlos“, stellt die Ärztliche Direktorin fest. Alle hätten mit schweren psychischen Problemen zu kämpfen. Die meisten hätten es nur durch ihre Familie und ihren Beruf geschafft, Halt im Leben zu finden. „Die Menschen waren so unglaublich dankbar, dass sie mit uns sprechen konnten. Sie haben zum Teil schlimmste Dinge geschildert.“ Alle Betroffenen seien heute alt. Die Aufarbeitung komme 40 Jahre zu spät, kritisiert sie.

Das Gutachten wurde vom zuständigen Erzbistum Hamburg in Auftrag gegeben, mit dem zwischenzeitlich auch eine Debatte um den begleitenden Beirat der Erzdiözese geführt werden musste:

Das Forschungsprojekt wird von einem im Jahr 2018 durch den Erzbischof Stefan Heße zusammengestellten Beirat begleitet. Dieser sogenannte unabhängige Erzbischöfliche Beirat besteht aus zwölf Mitgliedern. Doch hier hakt der Zwischenbericht ein: „Eine Unabhängigkeit ist aber aufgrund des überproportionalen Verhältnisses von kirchennahen Personen nicht gegeben (9:3)“.

Das Erzbistum hat auf den Tätigkeitsbericht reagiert. Die Amtszeit des Beirats, die am 31. Oktober 2021 endete, war nicht verlängert worden. Stattdessen ist ein neuer Beirat gebildet worden, dem nur die drei unabhängigen Persönlichkeiten des bisherigen Beirates angehören. Dieser Beirat soll so lange tätig sein, bis die Aufarbeitungskommission der Bistümer Hamburg, Hildesheim und Osnabrück ihre Arbeit aufgenommen haben und dann auch die Mecklenburger Untersuchung begleiten.

Buntes

Altar in Berliner Kirche angesteckt: Polizei vermutet Brandstiftung (RBB)

Altar, Altarbild und Orgel der Paul-Gerhard-Kirche in Berlin sind bei einem Brand zerstört worden, ein Teil des Gebäudes ist wohl einsturzgefährdet.

Das Feuer in der Kirche in der Wisbyer Straße brach den Angaben zufolge am Donnerstagabend aus. Eine Passantin war kurz nach 19 Uhr auf Rauchschwaden aufmerksam geworden und verständigte die Feuerwehr. Es sei rasch gelöscht gewesen. Laut Polizei wird wegen schwerer Brandstiftung ermittelt.

Gethsemanekirche stellt sich gegen Corona-Proteste (RadioEins, RBB, 6 Minuten)

Die Querdenker-Bewegung versucht seit einigen Wochen die Gethsemanekirche in Berlin, als Ort des politischen Engagements aus und in den Kirchen seit der Wendezeit bekannt und bis heute präsent, zu vereinnahmen. Dagegen wehren sich jetzt „Menschen aus dem Kiez“. Im Radio-Gespräch erklärt Aljona Hofmann (@AljonaHofmann), Pfarrerin der Gethsemanekirche, warum.

Mehr als 100 Stellengesuche in Anzeigenblatt: „Ich dachte, das ist ja krass…“ – Andreas Rausch (RBB)

Gibt es eine Flucht von Ungeimpften im Gesundheitswesen? Andreas Rausch (@verrauscht) hat mehr als 100 vermeintliche Stellengesuche in einem Bautzener Anzeigenblatt gefunden. Und versucht, die Menschen dahinter zu sprechen – beziehungsweise erst mal zu finden.

Was passiert nach dem Tod? Ein Tag bei Bestatter René (Basis:Kirche, YouTube, 17 Minuten)

Basis:Kirche (@BasisKirche) ist ein neuer YouTube-Kanal des Evangelischen Kirchenfunks Niedersachsen-Bremen im Auftrag mehrerer evangelischer Kirchen. In einer der ersten Sendungen des Kanals ist Pastorin Svenja Kluth auf Besuch bei einem Bestatter. Eine sehr gelungener Film über den Umgang mit Leichnamen, Feuerbestattungen sowie mit Sterben und Tod im Allgemeinen.

Man fined for pretending to be ghost in Portsmouth cemetery (PA, The Guardian, englisch)

Es gibt auch witzige Meldungen aus der Umgebung von Kirchen, wenngleich man dazu in dieser Woche nach England schauen muss. Dort wurde ein 24-jähriger Mann wegen Störung des öffentlichen Friedens zu einer Strafzahlung, inkl. Kostenübernahme, von 75 £ verurteilt, weil er auf dem örtlichen Friedhof die Ruhe gestört hatte:

A Hampshire police spokesman said that witnesses complained to police about Stallard’s rowdy behaviour and his pretending to be a ghost. „The witnesses reported the group engaging in rowdy behaviour and one of them throwing their arms in the air and saying ‚woooooo‘,“ he said.

Theologie

Mehr Synode wagen – Martin Otto (FAZ)

In der Frankfurter Allgemeinen schreibt Martin Otto über den ehemaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann und seine Gedanken zu den evangelischen Synoden und ihrem Verhältnis zur parlamentarischen Demokratie, denen in der Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht Hans Michael Heinig (@hmheinig), Leiter des Kirchenrechtlichen In­stituts der EKD, ausführlich nachgegangen war.

Heinemanns wichtige Rolle als engagierter Protestant ist allgemein bekannt, von 1949 bis 1955 war er Präses der Synode der EKD, […]. In der Veröffentlichung „Das Verhältnis von Synode und Parlament“ griff der Bundespräsident 1973 auf eigene Erfahrungen als Synodaler wie als Bundes- und Landtagsabgeordneter zurück. […] Heinemann […] stellte nach Heinig „ein Synodenideal“ der „Parlamentsrealität“ gegenüber. Wie zu erwarten, fiel der Vergleich zuungunsten der Realität aus; in kirchlichen Synoden herrsche „geschwisterliche Sachorientierung unter dem Wort Gottes“, in staatlichen Parlamenten dagegen „der parteipolitisch hart ausgetragene Kampf um Macht und Interessen“. Ein pikanter Vergleich, hatte der politisch motivierte Streit damals doch bereits vielerorts Einzug in die Synoden gefunden.

Ein guter Satz

„Heaven can wait“

– Meat Loaf / Jim Steinman