„Layla“: A Whole Lot of Shit

Müssen wir unsere Kinder vor sexistischen und gefährlichen Songtexten bewahren? „Layla“ ist nicht der erste Schlager, der seinen Weg in die Kinderzimmer findet. Was tun?

Wenn meine heranwachsenden Kinder diesen Sommer auf Volksfesten rumlaufen, werden sie mit etwas Glück einen sinnbefreiten Schlagertext weniger hören. Als Mutter kann mich das nur wenig beruhigen, denn leider ist die Musikwelt voller zweifelhafter Texte. Es mangelte ihr noch nie an Sexismus, Gewaltverherrlichung, Diskriminierung oder anderen Inhalten, die ich nicht förderlich für ihre Entwicklung finde.

Ich muss gestehen, als langweilige Couchkartoffel, die, was ihren Musikgeschmack angeht, in den 1980ern und 1990ern hängengeblieben ist, wäre der Aufreger „Layla“ fast an mir vorübergegangen. Erst als Philipp mich fragte, ob das ein Kolumnenthema wäre, habe ich angefangen, mich damit zu befassen (An dieser Stelle: Danke für nichts, Philipp!).

Anderseits ist es vielleicht ganz gut, dass ich „Layla“ jetzt nicht mehr mit Eric Clapton in Verbindung bringe, sondern weiß, dass es im Jahre 2022 einen deutschen Schlager meint, in dem jemand eine Puffmutter besingt. Die Wörter Schlager und Puffmutter lassen ja nicht darauf schließen, dass sich jemand tiefgehende Gedanken zu einer Thematik gemacht hat und das Ergebnis dieses Nachdenkens dann in ansprechende musikalische Form brachte.

Und so ist das Lied „Layla“ so dermaßen plump, dass ich mich zunächst gefragt habe, ob dieser Song vielleicht satirisch gemeint war. Gerade die Kombi aus komplett sinnbefreitem Text und dem dazu gedrehten Video lassen fast nur diese Interpretation zu. Der Musikwissenschaftler Markus Henrik hält diese Zeilen jedoch eher für „kalkuliert hochgradig sexistisch und eine unterbewusste Antwort auf die Mee-too-Debatte“.

Doch egal wie Layla gemeint war, bei der Frage danach, ob man es bei öffentlichen Veranstaltungen hören möchte oder nicht, muss man ja auch immer berücksichtigen, was es beim Publikum auslöst. In meinem speziellen Fall frage ich mich natürlich besonders – was löst es bei sehr jungen Menschen aus?

Hemmschwellen sinken

Bei etwas älteren Semestern scheidet „Layla“ die Geister: Während die einen dieses Lied nicht mögen und es aufgrund des Textes auch nicht hören wollen, singen es andere genauso mit, wie sie es in der Vergangenheit mit „10 nackte Frisösen“ oder „Ich zeig dir meinen goldenen Colt“ getan haben, um nur zwei von vielen fürchterlichen deutschen Schlagern zu nennen.

Und ja – ich bin der Meinung, dass solche Texte die Hemmschwelle von Männern, sich in sexistischer Art und Weise gegenüber Frauen zu äußern oder sich daneben zu verhalten, senken können. Gerade in Verbindung mit Alkohol und der Gruppendynamik auf Feiern halte ich das sogar für sehr plausibel. Allerdings muss man hier festhalten, dass dies besonders auf solche Männer zutrifft, die in dieser Hinsicht auch sonst nicht sonderlich moralisch gefestigt sind.

Junge Menschen hingegen bilden ja überhaupt erst einen Wertekompass aus. Natürlich steht und fällt dieser nicht mit „Layla“, sondern speist sich aus der Summe der Erfahrungen und Beobachtungen, die sie in ihrem Umfeld machen. Aber sie haben scharfe Antennen, wo immer Abwertung und Geringschätzung Normalität zu sein scheinen. Liedtexte, die sie häufig hören, schlagen sich auch auf ihr Bild von Sexualität oder dem Umgang zwischen den Geschlechtern nieder.

Wenn man „Layla“ allerdings verbietet, bleibt die Frage danach, wo man beginnen möchte, die Grenze zu ziehen. Ab wann ist ein Song zu sexistisch, um öffentlich gespielt zu werden? Ist die komplett überzeichnete Puffmutter „Layla“ die rote Linie oder vielleicht schon der 80er-Jahre Hit der Ärzte „Die fette Elke“, der neben sexistischen Elementen auch Bodyshaming enthält? Fangen wir erst da an, wo so ziemlich jede:r den Text versteht oder da, wo alle, die der englischen Sprache mächtig genug sind, problematische Zeilen heraushören? Dürfte neben „Elke“ auch AC/DC mit „A whole lotta Rosie“ aus denselben Gründen nirgends mehr gespielt werden?

Noch haben wir weder über die Verherrlichung von Belästigung und Missbrauch in deutscher Volksmusik geredet noch von hoch problematischen Texten die Deutsch-Rapper am Fließband hervorbringen. Ausgerechnet „Layla“ auf einem deutschen Volksfest zu verbieten, erscheint mir da irgendwie eine ziemlich fruchtlose Alibi-Handlung.

Eindeutig dümmlich und platt

Wenn ich zurück zu meiner Ausgangsthese komme, dass die Musikwelt voller problematischer Inhalte ist, vor der ich als Mutter meine Kinder nicht schützen kann, muss ich sogar sagen, dass „Layla“ so eindeutig dümmlich und platt ist, dass es auch meinen Jugendlichen auffällt, zumal sich deren Affinität zu deutschen Schlagern glücklicherweise in überschaubaren Grenzen hält.

Meine Probleme sind da ganz anders gelagert: Es ist nämlich fast nicht vermeidbar, dass sie einer quasi Dauerbeschallung von problematischen Texten aus der Deutsch-Rap-Szene ausgesetzt sind und selbst wenn sie das nicht hören, landen Ausdrücke und Haltungen, die dort transportiert werden, früher oder später auf dem Schulhof. Andere Musikrichtungen sind da nicht viel besser und haben oft nur ein paar Jahre den zweifelhaften Vorteil, dass nicht ganz so viele grenzwertige Inhalte ins Heranwachsenden-Gehirn transportiert werden, weil diese die Texte schlicht nicht verstehen – bis ihr Englisch irgendwann gut genug ist.

Musik kann unsere Kinder trösten, beflügeln, begleiten – und sie kann ihnen auf verschiedene Arten schaden. Sie kann gerade in Form von Gruppendynamik Hemmschwellen herabsetzen und Hass fördern. Songtexte können mithelfen, dass junge Menschen sich verstanden und aufgehoben fühlen – oder sie hinunterziehen. Letzteres finden wir übrigens nicht nur auf dem weltlichen Musikmarkt.

Auch die christliche Lobpreis-Industrie muss sich kritisch fragen, ob sie jungen Menschen in sensiblen Entwicklungsphasen eigentlich guttut. Ich persönlich würde meine Kinder nämlich von Textzeilen wie „Und ich danke dir, dass du mich kennst und trotzdem liebst“ am liebsten genauso weit fernhalten, wie von Puffmüttern und homophoben Rappern. Leider liegt weder das eine noch das andere in meiner Hand.

Letztlich ist es mit zweifelhaften Liedern wie mit allem in der Erziehung – sie werden Einzug in unser Haus, unsere Familien und die Köpfe unserer Jugendlichen finden. Ich kann mich bis dahin nur darum bemühen, ein paar Leuchtbojen in die ziemlich raue See zu stecken und zu hoffen, dass sie auf lange Sicht gesehen heller scheinen als die vielen Irrlichter, die ihren Weg so oder so kreuzen werden.