Leise Friedensbitte – Die #LaTdH vom 6. Oktober
Zum Jahrestag des Pogroms vom 7. Oktober rufen die Kirchen zur Solidarität mit Jüdinnen und Juden auf. Außerdem: Eine tote Friedensbewegung, das Leben der Eltern und Zukunft für die Theologie.
Herzlich Willkommen!
Am morgigen 7. Oktober jährt sich erstmals der Terroranschlag der Hamas auf Israel. Mehr als 1.200 Menschen wurden ermordet, über 240 Geiseln verschleppt. Viele von ihnen sind in der Gefangenschaft der Terroristen umgekommen oder noch immer nicht befreit. Der Angriff aktualisierte die berechtigten Ängste der israelischen Bevölkerung vor der Vernichtung durch ihre Nachbarn und re-traumatisierte Jüdinnen und Juden überall auf der Welt. Überall – auch in Deutschland – gab es direkt im Anschluss an das Pogrom eine Welle antisemitischer Gewalt.
In ihrer gemeinsamen Erklärung zum Jahrestag nennen die amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischöfin Kirsten Fehrs, und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, den Überfall „einen beispiellosen Angriff auf Israel“, …
„… in dessen Folge Israel sein Recht auf Selbstverteidigung geltend machte und mit aller Entschlossenheit reagierte. So sehr dies verständlich und prinzipiell berechtigt war, kommt man jedoch nicht umhin festzustellen, dass die militärische Reaktion Israels und die folgenden Kämpfe im Gazastreifen zehntausenden palästinensischen Zivilisten den Tod gebracht haben. Fast zwei Millionen Menschen wurden innerhalb des Gebiets vertrieben, Hunderttausende sind mit akuter Nahrungsmittelknappheit konfrontiert. Auch aufseiten der Palästinenser ist das menschliche Elend erschütternd.“
In den vergangenen Tagen ist die weitere Eskalation hin zu einem regionalen Konflikt unter direkter Beteiligung des Iran durch die Offensive Israels gegen die schiitische Hisbollah wieder ein Stück weit näher gerrückt. Immer wieder in den vergangenen Monaten gab es zusätzlich zum Kriegshandeln Israels in Gaza auch erfolgreiche militärische Aktionen gegen Terroristen, auf die Gegenschläge aus dem Iran und der Region folgten. Inzwischen sind insbesondere die USA direkt militärisch für den Schutz des Staates Israel aktiv, die Waffenlieferungen an Israel aus den USA und Europa wurden ausgeweitet.
„Es war ein Pogrom – im Angesicht des israelischen Sicherheitsapparats und vor den Augen der Welt“, habe ich vor einem Jahr in den #LaTdH geschrieben. Die militärischen Erfolge und die Projektion militärischer Macht haben zuletzt dazu geführt, das Ansehen der Kriegsregierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erheblich zu verbessern. Die Anti-Kriegs-Koalition im Land steht nach einem Jahr weitgehend wirkungslos da. In ihrem gemeinsamen Statement betonen Fehrs und Bätzing:
„Wir stehen an der Seite der Menschen in Israel, die um ihre Sicherheit bangen und auf die Befreiung der Geiseln hoffen. Wir stehen an der Seite der Juden, die seit dem 7. Oktober 2023 weltweit – leider auch hierzulande – mit antisemitischen Übergriffen konfrontiert sind. Uns allen steht ebenso das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung vor Augen: im Gaza-Gebiet, aber auch im Westjordanland, wo viele den Übergriffen radikaler Siedler ausgeliefert sind. Und wir fühlen uns den Menschen im Libanon nahe, die Opfer der Auseinandersetzung zwischen Israel und der terroristischen Hisbollah werden.“
Bätzing und Fehrs sprechen in ihrer Erklärung fast ausschließlich von den Betroffenen der Gewalt, von den einfachen Bürger:innen, die zwischen den Mahlsteinen des Krieges zerrieben werden. Doch wer soll Frieden schaffen? Von wem gehen nun, nachdem all das Warnen der US-Regierung, das solidarische Schweigen und Mahnen aus Europa und auch die Rufe der israelischen Kriegsgegner:innen ungehört verhallt sind, Initiativen zum Frieden aus? Wer hat hier agency?
„Wir bitten Gott inständig um Frieden für diese schwergezeichnete Region, die Juden, Christen und Muslimen heilig ist. Wir hoffen und beten, dass die Waffen auf allen Seiten zum Schweigen kommen, dass Konflikte ohne Gewalt ausgetragen werden und die Geiseln nach Hause kommen. Wir beten dafür, dass alle politische Weisheit und Kraft in politische Lösungen investiert wird, die den Menschen im Nahen Osten ein Leben in Sicherheit und Frieden ermöglichen. Wir dürfen uns nicht abfinden mit dem massenhaften Sterben, mit Terrorismus und Gewalt.“
Eine gute Woche wünscht
Philipp Greifenstein
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Debatte
Juden in Deutschland: alte neue Sorgen vor Antisemitismus – Christoph Strack (Deutsche Welle)
Nach dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 ist die antisemitische Gewalt auch in Deutschland extrem angestiegen. Bereits zuvor konnten Jüdinnen und Juden in Deutschland nur unter dem Schutz der Polizei beten, waren antisemitische Übergriffe auf Privatpersonen und jüdische Einrichtungen alltäglich. Für die Deutsche Welle hat sich Christoph Strack ein Jahr nach dem Pogrom umgehört. Er berichtet vom enormen Druck, der auf den jüdischen Gemeinden lastet. Von der Angst, die Jüdinnen und Juden haben, wenn sie sich in der Öffentlichkeit zu erkennen geben. Leben wir in einer andauernden Pogrom-Stimmung?
Mit dem 7. Oktober 2023 schnellte die Zahl der antisemitischen Vorfälle in Deutschland nach Angaben der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) in die Höhe. 2022 waren es demnach im Durchschnitt sieben pro Tag. Seit dem 7. Oktober des vergangenen Jahres 32 pro Tag. Dazu zählen Graffiti an Häusern oder Wohnungen, judenfeindliche Parolen bei Demonstrationen, offene Anfeindungen auf der Straße, aber auch Brandanschläge und Körperverletzungen. Nach jüngsten Angaben von RIAS bleibt die Zahl hoch.
Bei einer Tagung der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Berlin schilderten jüdische Studierende aus mehreren deutschen Universitätsstädten ihre Eindrücke aus Hochschulen: Sie erlebten offene Agitation gegen Juden und Israel und nicht selten mangelnde Rückendeckung der Hochschulleitung für jüdische Studierende. Der Druck – das zu betonen war ihnen wichtig – komme meist von deutschen oder westlichen Studierenden, nicht von Palästinensern. Und zum Ende des Gesprächs bei der KAS baten die Beteiligten darum, nicht mit Namen genannt oder fotografiert zu werden. Auch das gehört zu den Folgen dieses Jahres.
Religions- und Meinungsfreiheit für Jüdinnen und Juden sind in Deutschland 80 Jahre nach der Shoah nicht verwirklicht.
Fürbitte zum Gedenken an den 7. Oktober und den Krieg in Gaza (EKD)
Die Kirchenkonferenz der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die neben der Synode der EKD und dem Rat der EKD das dritte Leitungsgremium der EKD ist, hat für den heutigen Sonntag und für Gedenkandachten morgen eine Fürbitte anlässlich des Jahrestages des Überfalls der Hamas auf Israel beschlossen, in der es u.a. heißt:
„Du Gott Abrahams und Saras, Isaaks und Rebekkas, Jakobs, Rahels und Leas, wir halten dir unser Herz hin – es ist auch voll Sorge um jüdische Menschen hier in Deutschland. Bewahre sie vor Judenhass und hilf uns, für sie unsere Stimme zu erheben.“
In einem eigenen „Wort der Landeskirche“ nimmt die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern (ELKB) zum Jahrestag Stellung und rekurriert auch auf die christliche Gewalttradition gegenüber dem Judentum. Am Ende der Erklärung wird zur Solidarität mit Jüdinnen und Juden aufgerufen:
Wir stehen in einer jüdisch-christlichen Weggemeinschaft, die in Verlässlichkeit, Freundschaft und Beistand gründet. Gerade in der gegenwärtigen Situation muss und kann sich diese Weggemeinschaft bewähren. Wir erinnern alle Gemeinden an diesen Auftrag der Kirche und bitten sie, ihn zu verwirklichen: Kontakte zu knüpfen und zu pflegen, Besuche zu machen, sich zu melden – Seite an Seite mit Menschen jüdischen Glaubens zu gehen.
Die Friedensbewegung ist tot – Pascal Beucker (taz)
Am Tag der Deutschen Einheit hat in Berlin eine etwas größere Demonstration stattgefunden, die einfach so als „Demo für den Frieden“ zu bezeichnen sich irgendwie falsch anfühlt. Auf der Kundgebung wiederholte Sahra Wagenknecht (BSW) ihre scharfen Vorwürfe gegenüber der Bundesregierung und warf der Bundesministerin des Auswärtigen, Annalena Baerbock (Grüne) vor, ein „Sicherheitsrisiko“ für Deutschland zu sein. Über die Teilnehmer:innen-Zahl gibt es weit divergierende Angaben der Veranstalter und der Polizei, die von einer „unteren fünfstelligen Teilnehmerzahl“ spricht.
Pascal Beucker diagnostiziert in der taz, die ebenso wie die Kirchen der historischen Friedensbewegung verbunden ist, den „Tod“ der Friedensbewegung:
Mehr als zweieinhalb Jahre tobt der Krieg in der Ukraine. Ein Ende des Wütens der russischen Soldateska ist nicht in Sicht. Bei vielen Menschen ist die Angst groß vor einer Eskalation über die Grenzen des überfallenen Landes hinaus. Gleichzeitig findet eine innere Mobilmachung in der Bundesrepublik statt. Wer sich nicht der schlichten Logik des Militärischen ergeben will und zu verstärkten diplomatischen Bemühungen auffordert, steht schnell in der Gefahr, als weltfremder Träumer verspottet zu werden.
Das angesichts der deutschen Geschichte geradezu obszöne Gerede von der „Kriegstüchtigkeit“, die wieder erlangt werden müsse, ist nur schwer erträglich. Es wäre also höchste Zeit für eine große Friedensbewegung. Doch in Deutschland gibt es keine Friedensbewegung mehr. Nach längerem Siechtum ist sie am 3. Oktober in Berlin gestorben.
Beucker ist sich sicher, dass es einer „neuen“ Friedensbewegung bedarf, die Aggressoren ehrlich benennt, „Empathie und die Solidarität mit den Opfern kriegerischer Aggressionen“ übt, und sich zugleich nicht der „Logik des Militärischen“ ergibt. Das klingt für mich nach einer Arbeitsbeschreibung christlicher Friedensethik und einem Auftrag gerade an die Kirchen des Landes.
Während die katholischen Bischöfe im Frühjahr bereits ausführlich zur Friedensethik gesprochen haben (Diskussion siehe hier & hier in der Eule), ist die evangelische Befassung mit der Friedensethik unter dem Eindruck der „Zeitenwende“ immer noch am Laufen. Nichts gegen die Konsultationen und Deliberationen, die ja von einem großen Willen zur Differenzierung und Ernsthaftigkeit zeugen. Aber ein Jahr nach dem 7. Oktober und gar fast drei Jahre nach dem Überfall Russlands auf die gesamte Ukraine (zehn Jahre nach Beginn des Ukraine-Konflikts im Jahre 2014) müsste die evangelische Friedensethik auch Beine gewinnen, nicht nur einen klaren Kopf.
Trotz aller Rede von neuer „Kriegstüchtigkeit“, die sich auch in konkreten kirchenleitendem Handeln niederschlägt (s. Entwicklung der Militärseelsorge), gibt es in Deutschland und insbesondere unter Christ:innen keineswegs eine Begeisterung für den Krieg. Längst hat sich auch das Interesse an der konkreten Kriegsführung bemerkbar gelegt. Geblieben sind die Sorgen. Könnte es sein, dass die Kirchen eine Gelegenheit verstreichen lassen, diesen Sorgen in einer verantwortlichen Weise auch öffentlichkeitswirksam Raum zu geben?
Patriarch Pizzaballa zu Nahost-Krieg: Es fehlt eine Exit-Strategie – Andrea Krogmann (KNA, katholisch.de)
Der römisch-katholische Patriarch von Jerusalem, Kardinal Pierbattista Pizzaballa, war erst in der vorvergangenen Woche bei der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz zu Gast (s. #LaTdH von vergangener Woche). Im Interview von Andrea Krogmann von der Katholischen Nachrichten-Agentur spricht er über die schlechten Perspektiven für Frieden im Heiligen Land.
„Es braucht zunächst einmal neue Gesichter. […] Wir brauchen eine neue politische und religiöse Führung, die in der Lage ist, eine neue Sprache zu sprechen. Die Gewalt, die wir derzeit sehen, ist nur die letzte Folge. Es beginnt mit der Sprache, die wir in Politik, in Gotteshäusern und Schulen hören. Zudem müssen die Wunden heilen. Das alles ist keine einfache Aufgabe, sondern ein langer Prozess, der erst beginnen kann, wenn der Krieg endet.“
Pizzaballa ist eine der wenigen Stimmen der Christ:innen in der Region, die in Deutschland wenigstens gelegentlich gehört werden. Die Perspektive(n) der Christen in Israel, Gaza und im Westjordanland werden gerne außen vor gelassen, wenn es in den Kirchen in Deutschland um den Nahost-Konflikt geht. Dabei gehören sie ebenso auf den Tisch wie die vielfältigen jüdischen, christlichen und muslimischen Perspektiven, die spezifisch deutsch sind. Alles ist fürchterlich kompliziert, aber Pizzaballas Hinweis auf eine „neue Sprache“ kann eine Richtung anzeigen, in die gemeinsam gegangen werden kann.
Frage: Die Kirchen in Jerusalem haben sich zu Beginn des Krieges mehrfach zu Wort gemeldet und auch Kritik für manche Aussage geerntet. Seither scheinen die kirchlichen Stimmen quasi verstummt.
Pizzaballa: Ich bin nicht sicher, ob ich diese Einschätzung teile. Vielleicht reden wir weniger, aber wir reden. Es braucht nicht jede Woche eine Stellungnahme gleichen Inhalts. Manchmal ist es wichtiger, zu schweigen und bei unseren Gläubigen zu sein.
Frage: Abgesehen vom Krieg, was sind die größten Herausforderungen für die Christen der Region?
Pizzaballa: Die Christen sind nicht ein drittes Volk im Heiligen Land, sondern stehen vor den gleichen Herausforderungen wie alle anderen. Wenn man spezifische Herausforderungen nennen sollte, dann wohl die wirtschaftliche Lage, die große Versuchung der Abwanderung und die Schwierigkeit, eine christliche Sprache zu finden in diesem Krieg.
nachgefasst I
Viele Schikanen gegen ausländische Geistliche – Oliver Hinz (KNA, Domradio)
Wie steht es um die Religionsfreiheit und Sicherheit der Gläubigen in Russland? Propst Michael Schwarzkopf, der in Russland für die lutherischen Gemeinden im Nordwesten des Landes zuständig ist, wurde in den vergangenen Tagen zwischenzeitlich von der Polizei festgenommen. Und er ist nicht der einzige Geistliche, „der mit mehr oder weniger fadenscheinigen Anschuldigungen zu kämpfen hat“, berichtet Oliver Hinz für die KNA / das Domradio.
Infolge des Angriffskrieges gegen die Ukraine sind auch religiöse Institutionen in Russland stark unter Druck geraten. Der leitende Erzbischof der evangelisch-lutherischen Kirche, Dietrich Brauer, war bereits im März 2022 aufgrund staatlicher Repressionen mit seiner Familie aus Moskau nach Deutschland geflohen. Auch Russlands damaliger Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt verließ 2022 das Land.
Der aktuelle Fall um Schwarzkopf, der aus der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) kommt, ist inzwischen zu einem Fall für die Diplomatie geworden: „Der Fall gilt als hochsensibel. Mit keinem Wort soll dem Pfarrer geschadet werden.“
nachgefasst II
Veröffentlichung der Missbrauchsstudie im Bistum Osnabrück
Am 2. Oktober wurde im Bistum Osnabrück, zu dem gut eine halbe Million katholische Christ:innen in Niedersachsen und Bremen gehören, der Abschlussbericht „Sexualisierte Gewalt an Minderjährigen sowie schutz- und hilfebedürftigen Erwachsenen durch Kleriker im Bistum Osnabrück seit 1945“ (PDF) vorgelegt. Die Veröffentlichung eines Zwischenberichts vor zwei Jahren hat maßgeblich zum Rücktritt des damaligen Bischofs Franz-Josef Bode im vergangenen Jahr beigetragen.
Die Ergebnisse der Studie, die auf Grund ihrer Systematik (wieder einmal) nicht einfach mit denen von Studien in den anderen katholischen Bistümern zu vergleichen sind, weisen auf ein kirchliches Handeln hin, das konfessionsübergreifend typisch ist: Sie klingen wie ein Echo der „ForuM-Studie“. Die KNA berichtet:
Von 1945 bis zur Gegenwart ermittelten [die Forscher:innen] 122 Priester und Diakone, denen Gewalt an 349 Betroffenen vorgeworfen wird, wie die Universität Osnabrück mitteilte. Zu mindestens 60 weiteren Betroffenen lägen konkrete Hinweise vor. Somit sei eine Mindestzahl von über 400 Betroffenen als gesichert anzunehmen. […]
Der Abschlussbericht der Studie bestätige die Ergebnisse zu den Pflichtverletzungen der Bistumsleitungen, hieß es weiter. […] Das Bistum habe seine Pflichten, Maßnahmen gegen verdächtige Kleriker zu ergreifen über lange Zeit erheblich verletzt. In der jüngsten Zeit, vor allem nach Vorstellung des Zwischenberichts, sehen die Forscher jedoch Verbesserungen. Der Pflicht, den Betroffenen zu helfen, sei das Bistum hingegen bis in die jüngste Vergangenheit nicht nachgekommen.
In der kommenden Woche wollen sich das Bistum und sein neuer Bischof Dominicus Meier zu den Studienergebnissen erklären. Die Pressekonferenz zur Vorstellung des Abschlussberichts kann hier als Video nachgeschaut werden.
„Weltsynode“ in Rom
Im Vatikan hat derweil die letzte Versammlung des weltweiten Synodalen Prozesses von Papst Franziskus begonnen. Bei der zweiten Bischofssynode plus GästInnen beraten die TeilnehmerInnen über Synodalität als Lebensäußerung der römisch-katholischen Kirche. Im Vorfeld wurden vielfältige Erwartungen formuliert, die von optimistisch (Andreas Batlogg) bis hin zu beschwichtigend (Tomáš Halík) reichen. Auf katholisch.de gibt es u.a. einen „Synoden-Blog“, der das Geschehen nachzuzeichnen versucht, sowie einen Zwischenbericht nach der ersten Tagungswoche. Ludwig Ring-Eifel, ehemaliger Chefredakteur und nun Vatikan-Korrespondent der KNA, stellt fest, dass Papst Franziskus beim Kampf gegen den Missbrauch in der Kirche „einen Gang“ zulegt.
Buntes
LE CHAIM! Auf das Leben unserer Eltern – Ilana Goldschmidt und Adrian Oeser (hr, ARD-Mediathek, 52 Minuten)
Wie sich nach der Shoah in Frankfurt am Main eine neue vielfältige jüdische Community gebildet hat, zeichnet der Dokumentar- und Gesprächsfilm „LE CHAIM! Auf das Leben unserer Eltern“ von Ilana Goldschmidt und Adrian Oeser für den Hessischen Rundfunk nach. Im Film werden die Schicksale von jüdischen Displaced People, entwurzelten ehemaligen KZ-Opfern, greifbar. Ein Zeugnis des (Über-)Lebens von Jüdinnen und Juden im Deutschland nach der Shoah. Der Titel des Dokumentarfilms spielt auf den inzwischen zehn Jahre alten Film „LʼChaim – Auf das Leben!“ von Elkan Spiller an (Rezension bei epd Film). Im Zentrum der Doku steht das Frankfurter Bahnhofsviertel …
… in Bars und Nachtclubs wird getrunken, getanzt, gefeiert. Mittendrin einige Juden, die den Schrecken der Shoah überlebt, aber alles verloren haben. Hier bauen sie sich ein neues Leben auf – Bars und Handel florieren dank ihrer Tatkraft. Andere sind von der Verfolgung gebrochen, müssen von Fürsorge leben. Alle Hoffnung legen sie in die nächste Generation.
Theologie
Katholische Theologie als kulturelles Laboratorium. Erklärung der deutschen Bischöfe zur Bedeutung der katholischen Theologie für Wissenschaft, Gesellschaft und Kirche (DBK)
Auf ihrer Herbstvollversammlung hat die römisch-katholische Deutsche Bischofskonferenz (DBK) eine neue Erklärung (PDF) zu Gegenwart und Zukunft der Theologie an den Universitäten und in der Gesellschaft vorgelegt. Entstanden ist das Dokument im Dialog mit dem Katholisch-Theologischen Fakultätentag. Die Bischöfe wollen mit der kurzen Erklärung ein Wort beitragen zu „den komplexen wissenschaftspolitischen und organisatorischen Herausforderungen, mit denen theologische Studieneinrichtungen sowohl in staatlicher als auch kirchlicher Trägerschaft konfrontiert sind“.
Auch in der Evangelischen Kirche wird gegenwärtig über die Zukunft der universitären Theologie beraten, wenngleich zumeist hinter den weitgehend verschlossenen Türen von Gremien. Hier wie dort kann man kritisch fragen, ob es der Theologie nicht gut zu Gesicht stünde, ihre Angelegenheiten in größtmöglicher Transparenz und mit größeren Vermittlungsanstrengungen öffentlich(er) zu diskutieren. Mit lobenden kirchenamtlichen Stellungnahmen („Die katholische Theologie ist auch in Zukunft unverzichtbar“, Bischof Bätzing) und gelegentlichen Leserbriefen, die den Verfall der universitären Theologie beklagen, ist es jedenfalls sicher nicht getan.
Für eine starke Theologie – Michelle Becka (feinschwarz.net)
Im theologischen Feuilleton feinschwarz.net, das sich ja insbesondere der Wissenschaftskommunikation der katholischen Theologie verschrieben hat, erläutert Michelle Becka, Professorin für Christliche Sozialethik an der Universität Würzburg, die neue Erklärung der Bischöfe. Nach dem üblichen – sehr synodalen btw – Lob und Dank für die Erklärung, erklärt sie auch, was nun für die (universitäre) Theologie anliegt, um dem Nachwuchsmangel zu begegnen.
[W]ir Theologieprofessorinnen und -professoren werden daran zu messen zu sein, wie wir unser Profil an Fakultäten und Instituten weiterentwickeln. Entweder wir bearbeiten in unserer Forschung relevante Fragen und tragen Relevantes bei; entweder finden wir in der Lehre Formen, die Anliegen der Studierenden aufnehmen und zugleich etwas zu sagen haben, entweder wir suchen den interdisziplinären Diskurs mit anderen Wissenschaften und transdisziplinär mit gesellschaftlichen Kräften – oder wir tun all das nicht. Dann machen wir uns überflüssig.
Damit beschreibt Becka auch ein Gegenmodell zur Abschottung der Theologie in eigenen Zirkeln und Kränzchen, wie es u.a. vom Kölner Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki mit seiner neuen Hochschule betrieben wird, die in Konkurrenz zur Theologie an staatlichen Universitäten in Stellung gebracht wird.
Ein guter Satz
„Man vergisst vielleicht, wo man die Friedenspfeife vergraben hat, aber man vergisst niemals, wo das Beil liegt.“
– Mark Twain
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