Nicht-Nachrichten – Die #LaTdH vom 28. Oktober

Wer darf in Kirche und Diakonie arbeiten und was dürfen Mitarbeiter_innen glauben? Außerdem: Röm.-kath. Impressionen, ein anderes Glaubensbekenntnis und verbotene Botschaften.

Immer noch mächtig was los bei Kirchens, oder? Kurz vor dem Reformationstag reiht sich auch die Evangelische Kirche mal wieder in den Reigen des Nachrichtenzyklus‘ ein, der in den letzten Wochen vor allem von den zahlreichen Krisenherden der röm.-kath. Geschwister befeuert wurde. Doch ist, was da verbraten wird, tatsächlich immer ein neues hot topic? Auch bei Kirchens gilt: Selten wird so heiß gespeist, wie gekocht wird.

Debatte

Kirchenzugehörigkeit ist keine Pflicht (tagesschau.de)

Wie erwartet hat das Bundesarbeitsgericht sich der Rechtssprechung des EuGH angeschlossen: Kirchliche Arbeitgeber dürfen nicht „pauschal und unbegründet“ eine Zugehörigkeit zur Kirche verlangen. Die Reaktionen auf den einigermaßen seltsamen Fall Egenberger, der hier als Aufhänger für eine Neujustierung des kirchlichen Arbeitsrechts herhalten muss, fielen gemischt aus. Begeistert war Diakoniepräsident Ulrich Lilie nicht:

Er sprach von einer neuen Rechtssprechung, die „unser Selbstverständnis erheblich berührt“. Wenn es dabei bleibe, „dann können wir alles durch Weisungsrecht machen, dann brauchen wir überhaupt keine evangelischen Christen in unseren Einrichtungen mehr“. Lilie kündigte an, die Diakonie werde die Urteilsbegründung sorgfältig prüfen und behalte sich den Gang vor das Bundesverfassungsgericht vor.

Allerdings hat der selbe Lilie, fleißiger Blogger der er ist, das Urteil in einem Artikel von April 2018 bereits antizipiert: Evangelische Kirche und Diakonie sind dem Urteil durch die Neufassung der Loyalitätsrichtlinie im Jahr 2017 bereits vorausgegangen, meint er und hofft, wenn sich das erst mal rumspricht, erübrigten sich vielleicht auch die triumphalistischen Schlagzeilen, die der Kirche wenig Gutes wünschen.

Urteil: Religion darf bei Einstellung nicht zwingend Thema sein (jesus.de, epd)

Dafür, dass die Causa Egenberger zum Präzedenzfall an sich wenig taugt, sprechen noch andere Gründe. So ließ Ulrich Lilie den epd wissen:

Die Klägerin habe darüber hinaus aber nicht einmal die erste formale Einstellungsvoraussetzung erfüllt: Sie habe keinen Masterabschluss nach einem wissenschaftlichen Hochschulstudium – Jura oder ein vergleichbares Fach – nachweisen können. Deshalb sei sie nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden.

Die Konsequenzen aus diesem Urteil für die Einstellungspraxis von Kirche und Diakonie dürften sich tatsächlich in engen Grenzen halten, meint nicht nur der Kirchenrechtler Hans Michael Heinig (@hmheinig): Arbeitsstellen in der Verkündigung können weiterhin mit einem Konfessionserfordernis versehen werden.

In der Diakonie und Kirche gibt es immer mehr Fans eines weiten Verständnisses von Verkündigung. Und andererseits: Ohne die konfessionsfreien Mitarbeiterinnen könnten viele diakonische Einrichtungen schon jetzt dicht machen. Also: Viel Lärm um wenig Substanz. Björn Odenthal kommentiert satirisch mit Blick auf einen anderen skurrilen Fall kirchlicher Dienstgestaltung zum Wochenabschluss auf katholisch.de:

Welch bitterböse Ironie: Eine konfessionslose Sozialpädagogin erhält 3.900 Euro Entschädigung, weil die Kirche sie NICHT eingestellt hat! Aber was ist mit denen, die für die Kirche arbeiten? Wann erhalten die endlich ihre Entschädigung?

Vielleicht haben sie ihren Lohn schon gehabt?

Und apropos Wucherpfennig, um dessen Fall es Odenthal vor allem geht: Das Gelärme und Zu-Wort-Gemelde noch so vieler weiterer Meinungsträger – Eterovic! Müller! – darf nicht darüber hinwegtäuschen: In der Sache hat sich seit den #LaTdH vom 14. Oktober nichts getan.

nachgefasst

Jugendsynode im Vatikan beendet

Gestern ist die Jugendsynode im Vatikan zu Ende gegangen, die sich mit der Lebenswelt von jungen Menschen und deren Berufung(en) auseinandergesetzt hat. Wie üblich wurden von vielen Medien schon Fazite gezogen: Mal oberflächlich (Ludger Verst), mal differenziert (Matthias Drobinski, @MatthiasDrobins, SZ) . Häufig allerdings ohne Kenntnis der verabschiedeten Dokumente. Hier mal ein Satz, den Sie anderswo kaum lesen werden: Ich hab das alles noch nicht gelesen, erst recht nicht den für heute angekündigten Brief an die Jugend der Welt, und solange kommentiere ich das auch nicht.

Es geht um Bekehrung: Vorschläge für die Bischöfe und mehr – Stefan Oster (stefan-oster.de)

Stefan Oster, der für die Jugend in Deutschland zuständige röm.-kath. Bischof von Passau, erläutert auf seinem Blog ein paar der Vorschläge der deutschen Sprachgruppe an die Synode. Die hab ich gelesen und darunter leider weder jugendlichen Esprit, noch reformerische Ambition erkennen können. Aber danach sucht man im Blog des konservativen Kirchenmannes generell vergeblich, kann also sehr wohl sein, dass der Geist sich doch noch andere Wege sucht.

Papst vs. Bannon – Tomasz Konicz (Telepolis)

Eine schlüssige, nur von wenig phantastischen Elementen umwehte Deutung des röm.-kath. Konfliktgemäldes liefert Tomasz Konicz: Richtig verstünde man die Vorwürfe Erzbischof Viganòs und die Verknüpfung des als fortschrittlich imaginierten Pontifikats Franziskus‘ mit den Missbrauchsskandalen nur, wenn man sie im Horizont eines grundlegenden Konflikts zwischen rechten und linken Katholiken beschreibt. Die LGBT-freundlichen Aussagen Franziskus‘ erregen bei seinen Gegnern ebenso viel Gegenwehr wie seine kapitalismuskritische Haltung. Am Kulturkampf in der Kirche beteiligen sich inzwischen reaktionäre Kräfte, die international vernetzt sind und wissen, was sie tun (Bannon).

Ein weiterer Schritt – Stephan Langer (Christ in der Gegenwart)

Stephan Langer schaut auf die bisherige Wirkung zurück, die die MGH-Studie zu den Missbrauchsfällen in der röm.-kath. Kirche entfaltet hat. Er beklagt die allgegenwärtige Instrumentalisierung der Studie und letztlich der Opfer von allen Seiten.

All diesen interessegeleiteten Interpretationen ist gemeinsam, dass sie der Studie und dem Thema nicht gerecht werden. Es scheint fast so, als hätten all die Kommentatoren nur 17 der 300 Seiten gelesen, die Kurz-Zusammenfassung nämlich, die auf den Seiten 3 bis 19 dem eigentlichen Bericht vorangestellt wurde.

Buntes

Chrismon-Spezial zum Reformationstag (EKD, GEP)

Dieser Tage liegt vielen Zeitungen eine Spezialausgabe des evangelischen Magazins Chrismon bei. Mit 6 700 000 (!) Exemplaren macht die Evangelische Kirche auf sich aufmerksam. Im Heft (hier als PDF) soll es um jugendlichen Glauben gehen, denn die Jugend-Synode der EKD naht, woran uns der EKD-Ratsvorsitzende und Chrismon-Herausgeber Heinrich Bedford-Strohm (@landesbischof) in seinem ansonsten höchst assoziativen Editorial erinnert.

In einem Interview geben Lola Buschhoff und Jana Highholder, die Youtube-„Hoffnung“ der Evangelen (s. LaTdH vom 15. April 2018), allerdings nur eine Reprise des alten Streits zwischen linken, gesellschaftskritischen Protestanten (Buschhoff) und konservativ frommen Bibelhomies (Highholder).

Auf den ersten Seiten des Magazins geht es zwar um die Jugend, die Leserinnenschaft, für die die frohe Kunde gedacht ist, aber ist eine andere: Auf der hervorragend fotographierten Titelseite begleiten Iris Berben und Martin Schulz die Leser_innen freundlich lächelnd in den Lebensabend.

„Demokratischer Diskurs ist kein safe space“ – Armin Wolf (arminwolf.at)

Der österreichische Journalist Armin Wolf (@ArminWolf) hat auf den Münchener Medientagen eine kluge Rede über die gegenwärtige Debattenkultur gehalten und sie auf seinem Blog dokumentiert. Dahinter sollten wir nicht wieder zurückfallen, gerade wenn die nächste zeitraubende PC-Diskussion träut.

Organisationsname mit politischer Sprengkraft – Sarah Münch (GAW)

Sarah Münch (@blumensalat) berichtet auf dem Blog des Gustav-Adolf-Werkes erneut von der Evangelischen Kirche am La Plata (IERP). Hier in der der Eule hat sie über die schwierigen Transformationsprozesse in der Landwirtschaft berichtet, die die Kirche vor Ort begleitet. Im stürmischen politischen Klima Argentiniens ist schon der Name des Hilfswerkes „Brot für die Welt“ Anstoß genug.

Er tat nichts weiter als ein Schild hoch zu halten mit der spanischen Übersetzung von „Brot für die Welt“: „Pan para el mundo“. Innerhalb von wenigen Minuten kamen zwei Polizisten auf den Taxifahrer zu, führten ihn ab und beschuldigten ihn eines unerlaubten politischen Protestes. Sie nahmen ihm, nicht gerade freundlich, das Schild weg und er musste sich ausweisen. Zudem untersuchten sie ihn auf Waffen.

Predigt

Ein anderes Glaubensbekenntnis – Sandra Bils (PastorSandy)

Sandra Bils (@PastorSandy) hat ein etwas anderes Glaubensbekenntnis aus dem Englischen ins Deutsche übertragen. Das englische Original stammt von Jose Luis Casal, die deutsche Version findet sich auf Sandra Bils‘ Blog.

Ich glaube an den Heiligen Geist.
den ewigen Einwanderer aus Gottes Reich unter uns,
der alle Sprachen spricht,
in allen Ländern lebt und alle Völker vereint.

Ein guter Satz