Nicht viel zu Weihnachten – Die #LaTdH vom 16. Dezember

Weihnachten ist kein Privatvergnügen. Außerdem: Gebotenes und gebrochenes Schweigen, schwindende Weihnachtsmänner und kommende Christkinder.

Auf was warten wir im Advent? Was wird zu Weihnachten gefeiert? Das auf den Punkt zu bringen ist nicht allein Aufgabe der Prediger*innen, die dieser Tage (und Abende) fleißig an ihren Weihnachtspredigten feilen. Es fällt den Kindern des Lichts nicht sonderlich schwer zu bekennen, wie „man“ Weihnachten auf alle Fälle nicht feiern soll. Z.B. als durchkommerzialisiertes Emo-Fest. Aber wie denn sonst?

Debatte

Weihnachten braucht nicht viel. Nur Liebe. (Penny)

Seitdem das Christentum das Christfest zum Fest der bürgerlichen Familie umgemodelt hat (18./19. Jh.), stehen die private Heimeligkeit, die Erfüllung persönlicher Wünsche und Geschenke für die Lieben im Zentrum der Feierlichkeiten. Wo sind die großen Verheißungen geblieben? Wunder-Rat, Friede-Fürst, „jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt“ (Jesaja 9,4)?

Um die Weihnachtsidylle zu korrigieren mühen sich nicht wenige Prediger von der Kanzel Sand ins Festgetriebe zu streuen: Die Hirten, Ausgestoßene ihrer Gesellschaft. Maria und Josef, Flüchtlinge. Die Magier, Ausländer und Ungläubige obendrein. Sie machen dabei viele Worte. Und wir merken uns: So einfach ist das mit Weihnachten nicht. Nur was wirklich dran ist, das bleibt unerwähnt.

Auch in den inzwischen obligatorischen Weihnachts-Werbefilmchen läuft zu Streicherklängen der Film der privaten Weihnachtsseeligkeit. Eine bemerkenswerte Ausnahme in diesem Jahr: Der Discounter Penny wartet mit einem Film im Pixar-Style um eine alleinerziehende Mutter und ihren Sohn auf. Bei den Beiden reicht es nicht für einen reich gedeckten Gabentisch. Sie behelfen sich mit Phantasie und Abmühen. Letzte Szene des Filmchens ist diese aktualisierte Krippenszene:

Bild: Screenshot Penny (Youtube)

In The Bleak Midwinter – Choir of Kings College, Cambridge (Youtube)

Eine wahrhaft düstere Wintersonnenwende fristen dieser Tage unsere britischen Geschwister. Tröstlich: Aus dem Land der schönsten Weihnachtslieder kommt auch dieses Stück europäischer Festkultur. Doch ist „In The Bleak Midwinter“ nicht einfach nur traumhaft schön. Die Botschaft jeder Strophe: Lasst euch genug sein!

What can I give Him, poor as I am?
If I were a shepherd, I would bring a lamb
If I were a Wise Man, I would do my part
Yet what I can I give Him, give my heart

Was kann ich ihm geben, arm wie ich bin?
Wär‘ ich ein Hirte, brächt‘ ich ein Lamm.
Wär‘ ich ein Weiser, wüsst‘ ich was zu tun.
Doch was ich ihm geben kann, das geb ich hin: Mein Herz.

Weihnachtspredigt

Es geht stracks aufs Fest zu und nicht wenige unserer #LaTdH-Stammleser*innen und -Abonnent*innen sind ja im predigenden Fach unterwegs. Deshalb an dieser Stelle und für alle, die nicht mit dabei gewesen sind, der zeitlose Tipp meiner Kunstlehrerin: Weniger ist mehr! Nehmt euch zusammen und seid barmherzig mit euren Gästen, mit euren Stammis wie mit den Zugelaufenen.

Lasst mich und die anderen Menschen, die doch freiwillig in die Kirche gekommen sind, in Ruhe mit euren Forderungen und Maßstäben. Lasst doch auch euch selbst in Frieden! Die perfekte Weihnachtspredigt gibt es nicht. Wir fordern von Gott, dass Frieden wird, dass wir heil werden, dass er sich kund tut, dass Jesus auch heute unter uns geboren wird. Nichts davon könnt und müsst ihr leisten.

Kleine Erinnerung an unseren Doppelschlag vom letzten Jahr: Erik Parkers 11 Predigten, die er zu Weihnachten nicht mehr hören will & 10 Predigten, die ich mir zu Weihnachten wünsche. (Ja, es heißt zu, nicht an.)

Ich habe die Antwort auf die Frage nach der guten Weihnachtspredigt auch nicht. Ich bin ein unbußfertiger Geschichtenerzähler. Versucht, es einfach zu halten. Erzählt die Geschichte von Gott, der in die Welt kommt. Sorgt euch nicht, was wir glauben sollten oder ob eure Gäste wiederkommen werden.

Und wer auch im siebten (!) Jahr noch nicht genug vom Weihnachtspredigt-Bullshit-Bingo hat, dem sei dieser Twitter-Thread inkl. weiteren Vorschlägen aus der Crowd ans Herz gelegt:

Und ein Letztes: Ich glaube, dies ist ein Jahr nicht für lange Reden, sondern für kurze Sätze. Kurze Sätze mit großen Wörtern, die hübsch widerständig in der Gegend herumstehen. Worte, die aufgenommen und mitgeschleppt werden können, halb verstanden, unerfüllt, verheißungsvoll. Prediger*innen zur Weihnacht sind wie die Hirten auf dem Felde bei den Hürden: Überrascht, strukturell überfordert, zur rechten Zeit am rechten Ort. Also: Move it! Ihr wisst, wo der Stall steht.

Schluss mit dem Gerede über „U-Boot-Christen“ – Jonas Lietz (katholisch.de)

Weihnachten ist kein Privatvergnügen, weshalb Jonas Lietz an die Stammbelegschaft appelliert, die zur Geburt des Heilands eintreffenden irdischen Heerscharen freundlich willkommen zu heißen:

Also, Schluss mit dem Gerede über „U-Boot-Christen“! Wer sich die Spucke spart, kann die Energie an anderer Stelle sinnvoller einsetzen. Ich wünsche mir vor allem in der Advents- und Weihnachtszeit die Kirche als freundlich Einladende, die auch bereit dazu ist, sich anfragen zu lassen. Die Weihnachtserzählung überliefert nicht zuletzt, wie schmerzlich es ist, wenn man existenzielle Anliegen und Nöte hat, aber keine Herberge beziehungsweise Aufnahme findet.

Das größte Problem ist der Neid! – Friederike Sittler (feinschwarz.net)

Friederike Sittler vom rbb berichtet im theologischen Feuilleton feinschwarz.net (@feinschwarz_net) von einem noch gründlicheren Einbruch der Realität in die sonst wohlbehütete Welt hinter den Kirchentüren: Das Projekt „LAIB und Seele“ macht Menschen in Berlin satt. Dabei haben die beteiligten Gemeinden, Ehren- und Hauptamtlichen viel (voneinander) zu lernen. Praktisches Evangelium ist keine kuschelige Angelegenheit:

Wer wissen will, wie das Zusammenleben künftig gelingen kann, wie Christinnen und Christen dazu mithelfen können, muss dahin gehen, wo Menschen es sich nicht leisten können, allzu großzügig gegenüber anderen zu sein; wo die eigenen Chancen gering und der Neid auf alle, denen es vermeintlich besser geht, groß ist; und eine Einladung aussprechen, die Türen der Kirchen öffnen.

nachgefasst

Missbrauch: Kardinal Pell verurteilt – und die Medien schweigen – Agathe Lukassek (katholisch.de)

In Australien wurde der hochrangige Kurienkardinal George Pell scheints des Missbrauchs schuldig gesprochen. Davon hört man kaum etwas, was an einer „Supression Order“ der australischen Gerichtsbarkeit liegt, die Mitglieder der Jury vor Beeinflussung schützen soll. Agathe Lukassek (@AMLukassek) zeichnet die wahrscheinlichen Anklagepunkte und das Verfahren mit Rückgriff auf die Berichterstattung des italienischen Vatican Insider nach.

Bekannte Fälle der „Supression Order“ sind etwa die Sperren bei Verstößen der Regierung gegen die internationale Flüchtlingskonvention oder der über Wikileaks ans Tageslicht gekommene Korruptionsskandal, in den 17 hochrangige asiatische Politiker verwickelt waren. [..]
Die Anklagepunkte gegen Pell sind offiziell unbekannt. Es ist allerdings ein offenes Geheimnis, dass es um zwei Fälle geht: Vor rund 40 Jahren soll Pell als Priester in Ballarat mehrere männliche Jugendliche in einem Schwimmbad sexuell belästigt haben. Der zweite Vorwurf lautet, er habe 1996 als Erzbischof in der Sakristei der Kathedrale von Melbourne zwei Chorknaben zu Oralsex gezwungen.

Episode 78 – Der lange Weg queerer ChristInnen zu einem authentischen Leben. Interview mit Timo Platte #Nichtmehrschweigen (Remix)

Die aktuelle Episode des Remix-Podcast (hier für euch #abgehört) füllt ein Gespräch mit Timo Platte, mit dem auch wir schon ein längeres Gespräch über sein Projekt „Nicht mehr schweigen“ geführt haben. Das Buch, das Lebensgeschichten von queeren Christ*innen endlich zur Sprache und in die Öffentlichkeit bringt, ist ab Januar im Handel (für alle, die sich nicht schon am erfolgreichen Crowdfunding beteiligt haben).

Buntes

„Der Weihnachtsmann ist in der Krise“ – Hannes Schrader fragt den Berliner Oberweihnachtsmann (ZEITCampus)

Hannes Schrader (@le_barte) befragt Stephan Antczack, der für das Berliner Studierendenwerk die Weihnachtsmannvermittlung organisierte. Richtig, Vergangenheitsform! Die Nachfrage nach dem ollen Bartträger hat nachgelassen und auch die Student*innen zieren sich aus Gründen (Bolognese). Eure Weihnachtsmänner gehen – unser Christkind aber kommt!

ZEIT Campus ONLINE: Wann waren die Hochzeiten des Weihnachtsmanns?
Antczack: Als die Mauer gefallen ist, kamen Studierende der ostdeutschen Universitäten dazu. Da war so viel im Umbruch und so viel Orientierungslosigkeit, dass irre viele Leute einen Weihnachtsmann bestellt haben – bis zu 10.000 Bescherungen gab es. Die Menschen wussten nicht: Was passiert jetzt? Deshalb wollten sie Weihnachten schön haben. Darauf konnte man sich verlassen.

NPR’s Delicious Dish: Schweddy Balls – SNL (Youtube)

Bibel

Wenn Küssen schwanger macht – Werner Kleine (Dei Verbum)

So spät im Dezember können wir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen: Der Preis für die Überschrift mit dem größten Fundialarm-Potential geht dieses Jahr an Werner Kleine (@WernerKleine). Die neo- & altkatechumenalen und evangelikalen Keuschheitsprediger behalten Recht: Schon fummeln führt in Teufels Küche! Küssen verboten! Werner Kleine geht in seinem Text der unseeligen Tradition der christlichen Leibfeindlichkeit am Beispiel Mariens („Nicht nur sauber, sondern rein!“) nach.

Predigt

The Queen’s Christmas Message 2011 – Elizabeth Windsor (Youtube)

Die vielleicht beste Weihnachtsansprache wo gibt. Da kann sich jede*r etwas abschauen.

Ein guter Satz

„Die Urbotschaft ist Anti-Macht.“

– Thomas Jakob (@Thomas_Jakob), hier in nur entfernt weihnachtlichem Zusammenhang