Nr. 100 – Die #LaTdH vom 12. Mai

Neue Bischöf*innen in evangelischen Kirchen, Streit um das Verbot von „Schwulenheilungen“, hadernde Jünger. Außerdem: Danke an unsere troyen Leser*innen für 100 Ausgaben der #LaTdH!

Debatte

In der evangelischen Kirche wurde gewählt: Die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW) und die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) wählten diese Woche neue Bischöf*innen. Zur Erinnerung: Auch evangelischen Landeskirchen stehen leitende Geistliche vor (Bischöf*innen oder Präses), die allerdings wesentlich weniger zu regieren haben, als bei den katholischen Geschwistern üblich. Als Aushängeschilder und Gesichter sind sie aber in unserer medialen Gesellschaft wichtig für die Außenwirkung der Kirche.

Landessynode wählt Prof. Dr. Beate Hofmann zur Bischöfin (EKKW)

In der EKKW hat Beate Hofmann das Rennen gemacht. Bei der ersten Bischöfinnenwahl der evangelischen Kirchen in Deutschland zu der ausschließlich Frauen kandidierten, wählte die Synode sie im 2. Wahlgang mit 78 von 84 Stimmen zur Bischöfin. Ein sehr gutes Ergebnis. Nachdem Hofmann schon im ersten Wahlgang mehr als doppelt so viele Stimmen wie ihre Mitbewerbin Annegret Puttkammer erhalten hatte (56 zu 25), trat diese zum 2. Wahlgang nicht mehr an.

Beate Hofmann war zuletzt Direktorin des Instituts für Diakoniewissenschaft und Diakoniemanagement in Bethel. Kirche und Diakonie zusammenzuhalten, im besten Fall sogar gegenseitige Impulse zu verstärken, könnte eine der Zukunftsaufgaben sein, die Hofmann besonders liegen. Sie ist die erste Frau im Bischofsamt der EKKW. Bemerkenswert obendrein:

Mit Beate Hofmann, Präses Annette Kurschus (Westfalen), Kristina Kühnbaum-Schmidt (Nordkirche) und (noch) Ilse Junkermann (EKM) gibt es derzeitig – wenn auch nur für ein paar Monate – so viele weibliche leitende Geistliche in den evangelischen Kirchen in Deutschland wie noch nie. 4 von 20 sind für eine Kirche, die sich die Gleichberechtigung der Geschlechter auf die Fahnen geschrieben hat, trotzdem dünne.

Friedrich Kramer wird neuer Landesbischof der EKM (EKM)

Und im Herbst, wenn Friedrich Kramer sein neues Amt als Landesbischof der EKM antritt, schrumpft die Zahl auch wieder auf die gewohnten 3 (+ Bischöfin Kirsten Fehrs aus Hamburg, die dank der Nordkirchen-Verfassung gerne mitgezählt werden kann).

In der EKM traten drei Kandidat*innen an, um Landesbischöf*in dieser ostdeutschen Landeskirche zu werden. Und Friedrich Kramer, Ulrike Weyer und Karsten Müller stammen alle auch aus dem Osten. Kramer wird also nun der einzige leitende Geistliche im Bereich der EKD sein, der im Osten aufgewachsen ist (bei immerhin 3 nur ostdeutschen und 2 weiteren ost-west-deutschen Landeskirchen).

Friedrich Kramer war zuletzt Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt und gilt als ausgewiesen politischer Theologe. Die Herausforderungen, denen er sich zu stellen hat, habe ich mit seinem Mitbewerber Karsten Müller zu Beginn der Woche im ausführlichen Interview besprochen. Kramer konnte sich im 3. Wahlgang mit 56 von 84 Stimmen durchsetzen, bereits nach dem 1. Wahlgang war Müller von seiner Kandidatur zurückgetreten.

Fazit

Was gibt es zu diesen Wahlen im Kontext unserer fortlaufenden Beobachtung von Bischöf*innenwahlen zu sagen? Mit Ulrike Weyer (EVLKS) und Annegret Puttkammer (EKHN) standen Kandidatinnen aus benachbarten Kirchen zur Wahl. Enge Nachbarschaft ist für Kirchen immer auch eine Herausforderung, die respektablen Ergebnisse von Weyer und Puttkammer sind darum bemerkenswert.

Und die neuen Bischöf*innen: Friedrich Kramer ist tief in der EKM verwurzelt, seine Frau ist Direktorin des Predigerseminars in Wittenberg, während die neue EKKW-Bischöfin Beate Hofmann ebenfalls von außerhalb der Landeskirche, nämlich aus der Bayerischen Landeskirche stammt. (Anm. d. Red.: Diesen Abschnitt haben wir nach einem Leserhinweis korrigiert. Danke an @tokidoki_HU!)

Gewählt wurden erneut Menschen im Alter von Mitte 50. In den evangelischen Kirchen soll man als Bischof alt werden. Für Bischöfinnen gilt das nur bedingt. Dort wo ein Mann zur Wahl stand, wurde er auch gewählt. Wenn also die evangelischen Kirchen mit ihrem Anspruch ernst machen wollen, mehr Frauen in höchste Leitungsämter zu befördern, dann vielleicht auf dem Weg, den die EKKW mutig gegangen ist: Einfach nur Kandidatinnen aufstellen. Für diesen Coup und die mediale Begleitung des Wahlprozesses kann man die EKKW nur loben. Mehr zur Medien-Dimension der Bischofwahlen gibt es demnächst in der Eule.

nachgefasst

Deutsche Evangelische Allianz kämpft für Recht auf Homo-„Heilung“ (Queer.de)

Am Mittwoch eröffnete Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die erste Sitzung der Kommission, die ein Verbot von Konversionstherapien für Homosexuelle vorbereiten soll:

In der Kommission arbeiten auch Vertreter*innen der Kirchen mit, was im Vorfeld für Kritik sorgte. Matthias Albrecht hat diese in seinem Beitrag auf dem „Kreuz & Queer“-Blog bei evangelisch.de aufgenommen:

Die Skepsis bezüglich des Mitwirkens der EKD ist mehr als berechtigt. Schließlich hat die evangelische Kirche in der Tat jahrhundertelang homosexuell begabte Menschen diskriminiert und tut es in Teilen noch bis heute. […] Was nun die Konversionstherapie angeht, so distanziert sich die EKD zwar in jüngster Zeit zumindest zaghaft hiervon, doch diese Distanzierung erfolgt noch so leise und inkonsequent, dass sie wenig überzeugend ist. […] Zu befürchten steht, dass sich die EKD in der Fachkommission nicht wirklich eindeutig für ein Verbot der Konversionstherapie einsetzt.

Bei Queer.de wird nun über einen offenen Brief der Evangelischen Allianz (DEA) an die Abgeordneten des Deutschen Bundestags berichtet. Darin spricht sich die DEA gegen ein Verbot von Schwulenheilungen aus, die therapeutische Beratung müsse „ergebnisoffen“ erfolgen. Queer.de weiter:

Psychologen sind sich heutzutage weitgehend einig, dass die „Heilung“ Homosexueller nicht möglich ist und Lesben und Schwule mit „Konversionstherapien“ in den Selbstmord getrieben werden könnten. Der Weltärztebund verabschiedete deshalb 2013 eine Stellungnahme, wonach derartige Behandlungen „die Menschenrechte verletzen und nicht zu rechtfertigen“ seien.

„Ein Bischof, der vertuscht, wird künftig seines Amtes enthoben“ – Thomas Schüller im Interview (DLF)

Kirchenrechtler Thomas Schüller (@tschueller61) beantwortet im Deutschlandfunk Fragen zur Neuregelung der kirchlichen Verfolgung von Missbrauchsfällen durch Papst Franziskus. Die wichtigste neue Regel?

„Das ist der Tatbestand der Vertuschung, die Anzeigepflicht, dass auch die Tatbestände noch einmal konkretisiert werden. Das ist sehr erfreulich. Das kirchliche Recht hat oft eine Tendenz etwas blumig und schwammig zu sein. Jetzt wird sehr genau formuliert. Ob sich so weit gehen würde, wie gestern im vatikanischen Pressesaal, von „epochal“ zu sprechen – das sollte man sehen, wenn es in Anwendung ist, wenn man sehen kann, ob es überall auf der Welt die Bischöfe so entschieden anwenden. In der Sache ist es wirklich ein Fortschritt.“

So erfreulich das innerkirchliche Engagement ist: Ohne weltliche Verfolgung von Missbrauchstäter*innen wird es nicht gehen. Die Kirche tut gut daran, sich dafür grundsätzlich und ohne Vorbehalte zu öffnen. Wie sonst sollte sie den Nachweis führen, dass sich die Kirche in ihrem Umgang mit Missbrauch wandelt? Hier müssen die Bistümer in Deutschland mutig voranschreiten.

„Ein offener Punkt ist klar: Das ist die Zusammenarbeit mit den staatlichen Strafbehörden. Da ist die Formulierung etwas unscharf.“

How Rachel Held Evans really should be remembered – Sarah Bessey und Jeff Chu (Washington Post, englisch)

Rachel Held Evans ist tot. Die progressive christliche Bestseller-Autorin war Vorbild für viele Menschen, die aus einer engen evangelikalen Sozialisation heraus neue Wege zu Gott und den Menschen suchen. Sie hinterlässt zwei kleine Kinder und ihren Mann.

Rachel was “for” an all-embracing vision of Christ’s church and the relentless inclusion of refugees and those suffering poverty, of LGBTQ people, of women and especially women of color, of the unseen and unheard and swept-aside. She recognized the real geometry of God.

#LaTdH100 – Ich wollt‘ noch „Danke“ sagen

Zur 100. Ausgabe der „Links am Tag des Herrn“ verlosen wir unter allen Abonennt*innen des Email-Newsletters drei interessante Bücher, die sich mit Debatten befassen, die wir in den #LaTdH regelmäßig führen. Mit dabei sind alle Menschen, die bis einschließlich heute ein Newsletter-Abo der #LaTdH abgeschlossen haben.

„Die entscheidenden Fragen der Zukunft“ von Volker Sühs (Hg.) aus dem Grünewald-Verlag

Zu seinem 100. Jubiläum hat der Grünewald-Verlag diesen Essay-Band herausgebracht. Theolog*innen identifizieren aus ihrer je persönlichen Perspektive die drängendsten Fragen und Herausforderungen, mit denen sich Gesellschaften, Wissenschaften und Kirchen konfrontiert sehen. Und sie umreißen knapp und pointiert die Aufgaben einer menschendienlichen, innovativen und zukunftsfähigen Theologie.

„Künstliche Tugend: Roboter als moralische Akteure“ von Lukas Brand im Verlag Friedrich Pustet

Künstliche Intelligenz tritt gegenwärtig aus dem Reich der Science-Fiction in den Bereich des Möglichen und läutet damit die Roboterrevolution ein. Lukas Brand beleuchtet in seinem Buch die Frage aller Fragen: Was macht KI mit unserer Moral? Sind Roboter gar zu moralischem Handeln fähig?

„Das Religiöse ist politisch“ von Siegfried Grillmeyer & Karl Weber (Hgg.) im Echter-Verlag

Religiöse Vielfalt wird in der öffentlichen Wahrnehmung immer wieder problematisiert und als Erklärung für gesellschaftliche Konflikte instrumentalisiert. Politik ist religiös und aus den Religionen ist Politik nicht wegzudenken – wer religiös lebt, denkt politisch. Diesen Zusammenhängen im Bezug auf eine neue Generation und im Blick auf die politische Bildung geht dieses Buch nach.

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Buntes

Evangelische Kirche Hessen plant „Church Card“ – Bischof Martin Hein im Interview (Domradio)

Im Interview mit Carsten Döpp vom Domradio (@domradio) spricht der gerade noch amtierende Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW), Martin Hein, über die Idee zur Einführung einer Mitgliedskarte für Kirchenmitglieder. Auf diesem Weg sollen den Kirchensteuerzahler*innen die Vorteile einer Kirchenmitgliedschaft vor Augen gehalten werden. Die Gefahr, dass Kirche sich hier auf eine Stufe mit anderen wirtschaftlichen Akteuren stellt, sieht Hein auch:

Denken [Sie] auch an Vorteile bei der Vergabe von Kita-Plätzen?

Hein: Das ist insgesamt rechtlich schwierig. Das weiß ich. Auf der anderen Seite habe ich einfach die Erfahrung gemacht, dass mir Gemeindeglieder, die den Bedarf für einen Kindergartenplatz angemeldet haben, gesagt haben: „Warum können wir nicht in der Kindertagesstätte in evangelischer Trägerschaft unser Kind unterbringen? Wir müssen uns genauso auf die Warteliste setzen lassen, wie andere auch.“ Sie haben einen Beschwerdebrief an mich als Bischof gerichtet. Ich habe mich dann rechtlich kundig gemacht, habe auch mit der Leitung der Kindertagesstätte gesprochen. Es gab keine Möglichkeit, Gemeindeglieder zu bevorzugen – also Menschen, die bewusst auch Kirchensteuer zahlen.

Das Ergebnis: Beide gut verdienenden Eltern sind aus der Kirche ausgetreten, weil sie sagen: „Wenn alle anderen dieses Angebot einer evangelischen Kindertagesstätte in gleicher Weise bekommen, dann brauchen wir gar nicht in der Kirche zu sein.“ Das ist zwar sehr ökonomisch gedacht. Das ist auch der Kritikpunkt, der mir gegenüber oft genannt wird. Aber letzten Endes denken Menschen heute so. Die fragen: „Was habe ich davon?“

„Pflegeroboter“ – ein Übersetzungsfehler? – Cornelia Coenen-Marx (feinschwarz.net)

Im Theologischen Feuilleton feinschwarz.net schreibt Cornelia Coenen-Marx (@coenen_marx) über „Pflegeroboter“. Eine Diskussion, die hoch-emotional geführt wird, denn ein Merkmal der christlichen Pflege ist bisher das konkrete menschliche Gegenüber. Jedoch gibt es auch andere Bedürfnisse, die Menschen im Alter haben:

Pflegeroboter oder Pflegeheim? Wie würden Sie entscheiden, wenn Sie die Wahl hätten? In einer Befragung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zeigte sich: 83 Prozent von rund 1.000 Befragten können sich vorstellen, einen Service-Roboter zu nutzen, wenn sie dadurch im Alter länger zu Hause leben könnten. „Ich will leben und sterben, wo ich zu Hause bin“

Predigt

Apostelgeschichte:
Jünger: Der Geist liegt auf uns! Lasst uns die Gute Nachricht verkünden!
Gott: Weiter.
Jünger: So weit weg?
Gott: Jep.
Jünger: Zu DENEN?
Gott: Und dann weiter.
Jünger: Warum das denn?
Gott: So werde ich sie befreien.
Jünger: Aber warum müssen WIR zu denen gehen?
Gott: So werde ich euch befreien.

Ein guter Satz

„Der Mensch wird sich an den Tisch setzen
mit reinem Blick,
denn die Wahrheit wird vor dem Nachtisch serviert.

– aus „Die Statuten des Menschen“ von Thiago de Mello (*1926 in Brasilien)