Bild: Screenshot aus "Ein schöner Land" (Die Grünen)

Pfarrer aus dem Grünen-Wahlspot: „Glaube und politisches Engagement gehören zusammen“

Im neuen Wahlkampfspot der Grünen tritt auch ein Pfarrer auf: Peter Dennebaum aus Hessen setzt sich für die Bewahrung der Schöpfung ein – in Collarhemd und Stola.

„Müssen uns’re Erde wahr’n“, singt Pfarrer Peter Dennebaum ein wenig gezwungen versmaßwahrend im neuen Wahlkampf-Spot der Grünen. In Collarhemd und Stola vertritt er gemeinsam mit der liberalen Imamin Rabeah Müller aus Köln, die im Video neben ihm auf der Parkbank sitzt, den Gedanken der Bewahrung der Schöpfung im Musikvideo, das derzeit vor allem in den Sozialen Netzwerken für Furore sorgt.

In „Ein schöner Land“ singen die Grünen davon, wie sie sich die Zukunft des Landes vorstellen. Auf die Melodie des Volksliedes „Kein Schöner Land in dieser Zeit“ haben sie einen neuen Text gedichtet. Weil es den Sänger:innen erkennbar nicht um musikalischen Erfolg, sondern um die politische Botschaft geht, zieht das Musikvideo im Netz auch viel Spott auf sich. Andere finden es besonders gelungen, weil es sich erkennbar an eine ältere Wähler:innenschicht wendet, die den Grünen eher weniger wohlgesonnen ist.

Ist das wirklich ein Pfarrer?

Auch der Auftritt eines Pfarrers sorgt für Stirnrunzeln: Ist es einer Pfarrperson erlaubt, in einem Wahlkampfspot einer Partei aufzutreten? Dazu auch noch in Collarhemd und Stola? „Die Kirche hat häufig Angst, dass sie bei manchen Menschen aneckt“, meint Peter Dennebaum dazu gegenüber der Eule, „aber man kann es nicht allen recht machen!“

Dennebaum engagiert sich schon lange für die Grünen, ist einer der Sprecher:innen der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Christ*innen der Partei. Der Pfarrer der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) aus Groß-Gerau setzt sich vor allem für den interreligiösen Dialog und die Anerkennung von LGBTQI* in Kirche und Gesellschaft ein. Sechs Jahre lang lebte er in den USA und wurde in der United Church of Christ (UCC) ordiniert.

In den USA ist auch das Foto entstanden, das auf der Website der BAG von ihm zu finden ist. Es zeigt ihn beim interreligiösen Protest während Occupy Wallstreet 2012 in New York. Auch damals trug Dennebaum Collarhemd und Stola. Für Dennebaum nur eine logische Konsequenz seines Lebensweges:

„Ich bin so groß geworden, dass der Glauben und politisches Engagement zusammengehören. Politisiert hat mich das Buch „Konflikt um die Theologie der Befreiung“ von Norbert Greinacher“, erklärt er gegenüber der Eule. „Ich habe gelernt, dass Orthopraxie wichtiger ist als Orthodoxie. Bei Jesus stand immer das Tun des Guten im Vordergrund. Das sehe ich bei meinem politischen Einsatz auch so.“

Politisches Engagement: Eine Selbstverständlichkeit?

Tatsächlich engagieren sich Christ:innen, Theolog:innen und Pfarrer:innen gut sichtbar in (fast) allen Parteien. „Jesus ist der erste Menschenrechtler für mich, fast 1800 Jahre vor der Französischen Revolution. Das macht den Glauben für mich radikal“, erklärt Dennebaum sein Engagement für die Grünen. „Ich habe in meinem Leben auch nichts gelesen, das so radikal ist wie die katholische Soziallehre.“

Dennebaum ist katholisch erzogen worden und später in die evangelische Kirche gewechselt. Als Pfarrer der Evangelischen Kirche muss er sich wie alle seine Kolleg:innen an Regeln für sein öffentliches Wirken halten. Dazu gehört, dass sich Pfarrer:innen in ihren Amtsgeschäften nicht parteipolitisch vereinnahmen lassen dürfen. Ein parteipolitisches Engagement jenseits der Kanzel schließt das ausdrücklich nicht aus.

„In der Vergangenheit waren viele Christ:innen und auch PfarrerInnen in der Politik aktiv. Auch die Grünen sind ohne das Engagement von Christen und Theolog:innen gar nicht denkbar: Ich denke da zum Beispiel an Antje Vollmer oder an Katrin Göring-Eckardt“, meint Dennebaum. „Vor einigen Jahren noch gab es häufiger Pfarrer:innen in der Politik. Und politisches Engagement, z.B. in Friedensfragen, hat in den Kirchengemeinden noch eine größere Rolle gespielt als heute.“

Dass sich die Kirche heute vor allem um ihre eigenen Probleme dreht und sich nicht entschieden politisch einmischt, bedauert der Pfarrer: „Für mich ist die politische Seite des Glaubens eine Selbstverständlichkeit, für die man sich nicht rechtfertigen muss.“ Er frage sich vielmehr, so Dennebaum gegenüber der Eule, „warum sich nicht noch mehr Christen und auch Pfarrer:innen laut und deutlich politisch positionieren. Daraus könnten sich spannende wie notwendige theologische Debatten ergeben!“

Eine Debatte, die Dennebaum auch jenseits der Kirchenmauern führen will. Gemeinsam mit Imamin Rabeah Müller vom Liberal-islamischen Bund (LIB) engagiert er sich bei BEYOND und bei den Grünen für den interreligiösen Dialog. Es sei ein besonderes Zeichen, dass sich eine Imamin und ein Pfarrer im Wahlkampfvideo gemeinsam für die Bewahrung der Schöpfung einsetzen.

In Collar und Stola für mehr Vielfalt

Dass Dennebaum im Video ausgerechnet Collar und Stola trägt, ist innerhalb der Kirche ein eigenes Politikum. Denn die Mode des Collarhemd-Tragens ist in der evangelischen Kirche hierzulande relativ neu. Vor allem jüngere Pastor:innen wollen so in Alltag und Öffentlichkeit sichtbar werden – in einer Zeit, in der die Kirche immer weniger Menschen anzieht. Verwechslungen mit katholischen Geistlichen, die das Collarhemd traditionell tragen, und anderen christlichen Kirchen sind nicht selten. Manche befürchten eine Re-Klerikalisierung des Protestantismus.

Den Modetrend Collarhemd sieht auch Dennebaum kritisch: „Bei einigen habe ich schon das Gefühl, dass es ihnen darum geht, gesehen zu werden. Für mich ist das Collar-Hemd-Tragen ein politisches Statement. Ich trage es nur auf politischen Demonstrationen und nicht im Alltag.“ Weil Collarhemd und Stola nicht zur offiziellen Amtskleidung evangelischer Pfarrer:innen gehören, handelt es sich beim Auftritt im Video nicht um ein Dienstvergehen.

„Meinen Talar habe ich für das Video nicht angezogen“, erklärt Dennebaum, „das würde ich auch auf Demos nicht mehr machen, auch wenn z.B. in der Anti-AKW-Bewegung früher einige PfarrerInnen in Talar bei Demonstrationen dabei waren. Der Talar ist eine liturgische Kleidung und gehört für mich in den Gottesdienst.“ Seine deutlich sichtbare Präsenz als Kirchenmann will Dennebaum vor allem als Zeichen für die Viefalt der repräsentierten Menschen im Video verstanden wissen – und als theologischen Fingerzeig: „Ich lade dazu ein, in die Bibel zu schauen und gemeinsam zu entdecken, dass Jesus klar Partei ergriffen hat.“

Coram Mundo: Eule-Serie zur Bundestagswahl 2021

In einer siebenteiligen Serie von Analysen und Kommentaren widmen wir uns in diesem Jahr der Bundestagswahl am 26. September. Unsere Autor:innen beleuchten unterschiedliche Aspekte der politischen Landschaft vor dem Urnengang. In der ersten Ausgabe widmete sich Philipp Greifenstein der SPD und ihren Chancen auf das Kanzleramt und in der zweiten Folge Fabian Goldmann dem Verhältnis von Muslimen zur anstehenden Bundestagswahl.


Update: Stellungnahme der EKHN

Auf Nachfrage der Eule erklärt Oberkirchenrat Stephan Krebs von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) zum politischen Engagement von Pfarrpersonen: „Dem christlichen Glauben ist der Anspruch eigen, dass er nicht nur zuhause „im stillen Kämmerlein“ gelebt wird, sondern auch nach außen erkennbar werden soll und somit gesellschaftliche Verhältnisse mitgestaltet. […] Aus kirchlicher Sicht ist (partei-)politisches Engagement also durchaus mit einem kirchlichen Amt vereinbar.“

Das Engagement dürfe den kirchlichen Auftrag allerdings nicht beeinträchtigen. „Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn ein Pfarrer sich so pointiert für ein heftig umstrittenes Thema engagierte, dass er für andersdenkende Menschen keine Vertrauensperson mehr sein kann“, erklärt Krebs. „Es wäre auch der Fall, wenn sich eine Pfarrerin öffentlich und massiv für eine radikale Partei engagierte.“

Und Collarhemd und Stola?

„Dienstkleidung ist nach unserer Verordnung nur der Talar, in besonderen Ausnahmefällen auch eine liturgische Stola“, stellt Krebs klar, „ansonsten tragen evangelische Geistliche normale Kleidung. Darin drückt sich auch der evangelische Anspruch vom Priestertum aller Getauften aus.“ Weil Dennebaum bei seinem Auftritt ein Collarhemd und eine „Phantasie-Stola“ trüge, handele es sich aus Sicht der EKHN „nicht im formellen Sinn um seine Dienstkleidung, wiewohl er sich damit als Pfarrer zu erkennen gibt“.

Vielmehr nutze Dennebaum das Kleidungsstück, „um in der kurzen Form eines Videoclips seine geistliche Herkunft zu vermitteln“. Das Video sei „erkennbar eher volkstümlich angelegt“ und zeige „exemplarisch die ganze Bandbreite der Bevölkerung“, „dazu gehört durchaus auch eine geistliche Person“, so Krebs, „das passt zu unserer volkskirchlichen Tradition, die nach wie vor auch unseren Anspruch beschreibt.“ (25. August 2021, 15:45 Uhr)