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Potpourri – Die #LaTdH vom 2. April

Ein Brief aus Rom, ein neuer Landesbischof in Bayern und ökumenischer Ärger. Außerdem: Ein rassistischer Angriff, die Entzauberung der Welt und ein Geduldsspiel.

Herzlich Willkommen!

Heute ist Palmsonntag, die Karwoche hat begonnen. Mit dem Einzug in Jerusalem beginnt die letzte Etappe des Wirkens von Jesus von Nazareth, das wichtigste Fest der Christenheit liegt vor unserer Nase. Aber noch ist es nicht so weit. Ostern, Weihnachten und die Verkündung der Kirchenmitgliedschaftszahlen – das sind die drei noch einigermaßen verlässlichen Termine, zu denen in unserer Gesellschaft in größerer Breite des Christentums und der Kirchen gedacht wird. Zugleich sind die Karwoche und das Osterfest in den Kirchen hierzulande Tage höchster Betriebsamkeit. Bei der EKD kann man sich jetzt aus einer Datenbank zumindest aus einer Auswahl von Rundfunk-, online und analogen Gottesdiensten ein Programm zusammenstellen.

Das eine Kirchenthema gab es in der zurückliegenden Woche eigentlich überhaupt nicht. Vielmehr ist ein buntes Potpourri angerichtet: Der Papst war krank, aber trotzdem gut beschäftigt. In Bayern wurde ein neuer Landesbischof gewählt. Die Bundesländer zweifeln (plötzlich) an der anvisierten Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen. Kardinal Woelki musste vor Gericht aussagen. Und schließlich erhielten die römisch-katholischen Bischöfe wieder Post aus Rom.

Dabei fliegen die Nachrichten so schnell an uns vorbei, dass es schon schwer ist, sich der Meldungen der vor-vergangenen Woche zu erinnern, deren Auswirkungen doch noch überhaupt nicht klar und begriffen sind. Die Tage und Stunden vor Ostern sind auch eine Geduldsübung.

Eine gute Karwoche wünscht
Philipp Greifenstein

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Debatte

Man hat sich eigentlich schon dran gewöhnt: Immer wenn durch die Beratungen oder Beschlüsse des Synodalen Weges Mini-Schritte in Richtung Kirchenreform gegangen oder vom Vatikan erbeten werden, lässt dieser die Träume mittels eines Schreibens platzen. Alle (!) Reformvorhaben des Synodalen Weges wurden so in den vergangenen Jahren mit Erzeugnissen der vatikanischen Schreibstuben bedacht. Über mangelnde Resonanz des deutschen Synodalen Weges in Rom kann sich niemand beschweren.

Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), die gemeinsam Veranstalterinnen des Synodalen Weges waren, bedanken sich anlässlich der römischen Interventionen stets höflich, bieten Gespräche an – und sehen sich in ihren Reformvorstellungen etwas widersinnig bestätigt.

Synodaler Weg: Vatikan erteilt Taufe und Predigt durch Laien Absage – Felix Neumann (katholisch.de)

Nun also sieht der Vatikan „keinen Spielraum für die Predigt von Laien in der Eucharistiefeier und für eine reguläre Taufspendung durch Laien“. Beide Reformvorhaben sind zentrale Ergebnisse der 5. und vorerst letzten Synodalversammlung des Synodalen Weges in Frankfurt am Main Anfang März gewesen (s. #LaTdH vom 12. März). Felix Neumann (@fxneumann) berichtet über einen Brief des Präfekten des Liturgiedikasteriums, Kardinal Arthur Roche, an den Vorsitzenden der (DBK), Bischof Georg Bätzing (Limburg), vom Mittwoch:

Roche verweist auf das geltende liturgische Recht, das nur Klerikern die Predigt in der Eucharistiefeier erlaubt. „Dies ist kein Ausschluss der Laien und natürlich auch keine Leugnung des Rechts und der Pflicht eines jeden Getauften, ob Mann oder Frau, das Evangelium zu verkünden, sondern vielmehr eine Bestätigung der Besonderheit dieser Form der Verkündigung, die die Homilie ist“, so Roche. Durch die Laienpredigt sieht der Präfekt die Gefahr, dass „im Bewusstsein der christlichen Gemeinde Missverständnisse über die Gestalt und Identität des Priesters entstehen“.

Die vatikanische Klarstellung ist auch deshalb entmutigend, weil sie der gelebten Realität in manchen Bistümern zuwiderläuft. Es geht also recht eigentlich nicht nur um ein „Nein“ zu den Reformvorschlägen des Synodalen Weges, sondern um eine Ablehnung vormals bereits durch Rom geduldeter Praxen:

Im Bistum Rottenburg-Stuttgart gibt es seit 1999 die durch den Diözesanrat beschlossene und durch den damaligen Diözesanbischof Walter Kasper genehmigte Handreichung „Der außerordentliche Predigtdienst von Laien in der Eucharistiefeier“, auf deren Grundlage Laien in der Messe predigen. Ende 2022 setzte der gegenwärtige Rottenburger Bischof Gebhard Fürst ein Dekret in Kraft, das Laientheologen die Taufspendung ermöglicht. Im Frühjahr hatte schon das Bistum Essen die ersten Pastoral- und Gemeindereferenten für die Taufspendung beauftragt. Im Schweizer Bistum Basel taufen Laien schon seit Jahren, seit 2019 auch in Gemeinden, die nicht von Laien geleitet werden.

Die bitterste Pille für den Synodalen Weg – Thomas Jansen (FAZ)

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung kommentiert Thomas Jansen knapp und knackig das neueste vatikanische Verdikt. Dass der Vatikan den deutschen Bischöfen nicht einmal erlauben wolle, Frauen predigen zu lassen, zeige, dass in Rom weiterhin die Priesterweihe zähle. Der Vatikan sei nicht einmal „zu Reformen auf dem Millimeterpapier bereit“.

In manchen deutschen Bistümern predigen seit Jahren Männer ohne Priesterweihe und Frauen in Eucharistiefeiern. Das macht Priester noch lange nicht überflüssig. Das aber ist offenkundig die größte Sorge des Vatikans. Laien können noch so mitreißend predigen, für den Vatikan zählt weiterhin nur eines: die Priesterweihe. Ein Priesteramt, das sich letztlich nur noch durch dieses formale Kriterium definiert, läuft Gefahr, überflüssig zu werden.

Geschlecht oder Sakrament: Was ist eigentlich wichtiger?

Der Brief Kardinal Roches gibt erneut Anlass danach zu fragen, was in der römisch-katholischen Kirche eigentlich wichtiger ist: Das Geschlecht oder das Sakrament? Denn schon der vom Synodalen Weg verabschiedete Handlungstext „Verkündigung des Evangeliums durch Lai*innen in Wort und Sakrament“ (PDF) verdankt seine Existenz ja dem Ausschluss von Frauen vom Weiheamt. Da diese Diskriminierung uns allen ja erinnerlich ist, sind „Missverständnisse über die Gestalt und Identität des Priesters“ eigentlich ausgeschlossen.

Weil nach römischer Lehre Frauen aufgrund ihrer „besonderen Würde“ nicht würdig sind, den Altardienst (bestehend aus Wortverkündigung und Eucharistie in der Messfeier) zu versehen, sind die Teilnehmer:innen des Synodalen Weges auf den Umweg gegangen, für sog. Lai:innen eine extra Möglichkeit zu schaffen, wenigstens die Homilie in der Eucharistie-Feier zu halten – und taufen zu dürfen. Nur im römischen Kosmos gelten ausgebildete Theologinnen als Laien. Sie mögen es kirchenrechtlich im Gegenüber zum Klerus sein, aber die Nicht-Befugnis ist eben keine Aussage über die Qualifikation.

Während die Frage der „Frauenpredigt“ nur bei Traditionalisten und im Vatikan Kopfschmerzen bereitet, ist die Frage der Lai:innen-Taufe etwas vielschichtiger. In den Evangelischen Kirchen ist die Verwaltung der beiden biblisch gegründeten Sakramente Abendmahl und Taufe üblicherweise an die Ordination oder eine entsprechende kirchliche Beauftragung gebunden. Handlungsleitend ist hier immer noch der 14. Artikel des Augsburger Bekenntnisses (CA 14):

Vom Kirchenregiment (kirchlichen Amt) wird gelehrt, daß niemand in der Kirche öffentlich lehren oder predigen oder die Sakramente reichen soll ohne ordnungsgemäße Berufung.

Diese Berufung ist bekanntlich nicht (mehr) von Geschlecht, Gender, sexueller Orientierung etc. etc. abhängig. Die Bedeutung der beiden Sakramente für die Stärkung der Christen und der Gemeinde steht im Vordergrund. (Weshalb es – nicht nur im Evangelischen Gesangbuch – auch die Möglichkeit der sog. „Nottaufe“ gibt, die alle Christenmenschen spenden können. Bitte dann ordentlich in die Kirchenbücher nachtragen!) Denn wie es im 7. Artikel der CA so schön heißt:

Es wird auch gelehrt, daß allezeit eine heilige, christliche Kirche sein und bleiben muß, die die Versammlung aller Gläubigen ist, bei denen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente laut dem Evangelium gereicht werden. Denn das genügt zur wahren Einheit der christlichen Kirche, daß das Evangelium einträchtig im reinen Verständnis gepredigt und die Sakramente dem göttlichen Wort gemäß gereicht werden.

Nun sind die römisch-katholischen Geschwister mit ihrem sakramentalen Verständnis des Priesteramtes ordentlich in die Bredouille geraten. Statt das Weiheamt in ähnlicher Weise zu öffnen wie die Evangelischen Kirchen ihre Ordinationen – was zweifelsohne gut biblisch, würdig und recht wäre – müssen immer neue Krücken erbeten werden, die dann aus Rom den voranhumpelnden Reformer:innen beherzt weggetreten werden. Nebenbei wird von beiden Seiten an einem Amtsverständnis herumgefriemelt, das im ökumenischen Dialog ja als letztes großes Hindernis für die Abendmahlsgemeinschaft (zumindest mit den Lutheranern) hingestellt wird.

In diesem Kontext darf verwundern, dass „das Thema ‚Sakramentenspende durch Nicht-Geweihte‘ im Umfeld des ‚Synodalen Weges‘ niemals Gegenstand des Gesprächs zwischen der EKD und Vertretenden der röm.-kath. Kirche war“, wie Johannes Wischmeyer (@wischmeyertheol), Referent für Theologische Grundsatzfragen im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der Eule bestätigt.

Sowieso, erklärt ein EKD-Sprecher gegenüber der Eule, sei die Beobachtung des Synodalen Weges nicht so angelegt gewesen, „dass es offizielle Anfragen oder einen offiziellen Austausch zwischen der EKD und den Trägern des Synodalen Weges zu einzelnen Antragspunkten“ gegeben habe. Erst in Frankfurt fiel ein paar Bischöfen ein, dass die Frage nach dem Amt ja irgendwie auch eine ökumenische Dimension hat. Tja, wenn man immer nur auf sich selbst guckt, sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht.

nachgefasst I

Bischofswahl in Bayern

In dieser Woche trat die Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB, @elkb) zu ihrer Frühjahrstagung zusammen, u.a. um eineN neueN LandesbischöfIn zu wählen. Zur Wahl standen zunächst vier Personen. Wie üblich verkleinerte sich das BewerberInnen-Feld nach ein paar Wahlgängen zügig und Nina Lubomierski (Porträt beim Sonntagsblatt) und Christian Kopp (Porträt beim Sonntagsblatt) verblieben im Rennen. Auch nach dem sechsten Wahlgang am Montag hatte noch keinE KandidatIn die dann nur noch erforderliche absolute Mehrheit erhalten. Christian Wölfel (@woelfelc) schrieb darum beim BR zu Recht vom Scheitern der Bischofswahl – eine Deutung des Geschehens, die innerhalb der Synode recht bald zurückgewiesen wurde.

Es schlossen sich viele Stunden intensiver Beratungen hinter verschlossenen Türen an: Soll die Wahl am Donnerstag fortgesetzt werden? Oder soll die Synode im Sommer oder Herbst noch einmal zu einer Bischofswahl zusammentreten, rechtzeitig vor Ende der Amtszeit des scheidenden Landesbischofs Heinrich Bedford-Strohm und mit neuen Kandidat:innen? Der Wahlausschuss riet „einstimmig und eindringlich von einer weiteren Wahl“ auf der Frühlingstagung ab. Ein Ansinnen, das von gut 2/3 der Synodalen am Donnerstag zurückgewiesen wurde. In einem siebten Wahlgang wählten sie dann Christian Kopp mit einer Stimme mehr als nötig zum neuen Landesbischof. Synodale Entscheidungen sollten eigentlich möglichst große Einmütigkeit dokumentieren.

So dramatisch das Geschehen in München war (Live-Tweets hier), so unspektakulär ist das Ergebnis. Christian Kopp ist ein Endfünfziger, der – wie es gleich mehrere Glückwunschadressen seiner neuen Amtsgeschwister festhalten – „gut vernetzt“ ist. Er galt als irgendwie mittiger und konsensfähiger Kandidat, vor allem als bevorzugte Lösung des Kirchenamts. Auf ihn „wartet viel Arbeit“, fasst Susanne Schröder, Redakteurin für das bayerische Sonntagsblatt (@sonntagsblatt) und den epd (@epd_bayern), zusammen und beim BR hat sich Kopp nach seiner Wahl den Fragen von Matthias Morgenroth (@MorgenrothMatth) gestellt.

In der Kritik steht nach dem Wahlchaos vor allem das Prozedere: Synodale und Beobachter:innen kritisierten die Auswahl der KandidatInnen, die zu wenig unterscheidbar in ihren Ausrichtungen und Überzeugungen gewesen seien. Ein anderes Bewerbungsverfahren für kommende Bischofswahlen sei dringend nötig. Schlussendlich darf man fragen, wie es eigentlich um die synodale Einmütigkeit in Bayern bestellt ist und welches Gewicht der landesbischöflichen Autorität bei den anliegenden schweren Entscheidungen in der ELKB zuwächst, wenn der Landesbischof mit einem so schmalen Ergebnis gewählt wurde.

Frieden durch Dialog: Verhandeln mit Kyrill? – Philipp Greifenstein (Die Eule)

Unter der Woche habe ich mich noch einmal mit dem Friedensdialogvorhaben des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK, Weltkirchenrat, @oikoumene) befasst, in dessen Rahmen Vertreter der beiden streitenden ukrainischen orthodoxen Kirchen und der Russisch-Orthodoxen Kirche an einen Genfer Tisch geladen werden sollen. Wie aussichtsreich das Anliegen ist, steht dahin. Und es gibt warnende und kritische Stimmen.

Soll sich eine inklusive „Ökumene des Herzens“ langfristig gegen eine „Ökumene des Hasses“ durchsetzen, bedarf es dafür gleichwohl mehr als den guten Willen einiger weniger ökumenebegeisterter Akteur:innen, sondern vielmehr der Achtsamkeit der Christ:innen auch hierzulande für ökumenische Initiativen und Prozesse.

Rund um den Rausschmiss der Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK) aus dem Kyjiwer Höhlenkloster gibt es viele Meldungen, unterschiedliche Perspektiven und reichlich Kontext zu beachten. Der Nachrichtendienst Östliche Kirchen (NÖK) hat ein sehr lesenswertes Dossier zusammengestellt.

Rassistischer Übergriff auf Sarah Vecera

Pfarrerin Sarah Vecera (@moyo.me) hat das Buch „Wie ist Jesus weiß geworden“ geschrieben (wir berichteten). Bei einer Lesung in Leipzig am 23. März wurde sie von einem Störer tätlich angegriffen, der Sicherheitsdienst vor Ort konnte Schlimmeres verhindern. Dazu haben sie selbst auf Instagram, die gastgebende Gemeinde, die Vereinte Evangelische Mission, der rheinische Präses Thorsten Latzel (@thorstenlatzel) und der sächsische Landesbischof Tobias Bilz (@BischofBilz) ausführlich Stellung genommen.

nachgefasst II: Missbrauch in den Kirchen

„Wir brauchen ein Zeichen, das wirkt“, ist sich der Beauftragte für Kirchen und Religionsgemeinschaften der SPD-Bundestagsfraktion Lars Castellucci (@larscastellucci) sicher. In einem Gastbeitrag in der Christ & Welt (@christundwelt) entwirft er einen Plan, was nun – insbesondere nach dem ersten Rücktritt eines Diözesanbischofs in Deutschland – im Kampf gegen den Missbrauch und für Aufarbeitung in den Kirchen zu tun ist – und nimmt (abermals) die Politik in die Pflicht:

Eine Bundesstiftung für die Opfer sexualisierter Gewalt wäre ein kraftvolles Zeichen. Ihre Mittel sollten von betroffenen Organisationen und dem Staat kommen. Die Kirchen täten gut daran, sich in einer solchen Stiftung finanziell zu engagieren. Private Zustiftungen müssen möglich sein. So könnte und sollte auch Kardinal Marx seine private Stiftung für Missbrauchsopfer in die gemeinschaftliche Stiftung überführen. Denn auch bei den Entschädigungen wollen Betroffene endlich aus dem Kontrollbereich der Institutionen heraus, in deren Rahmen sie das Leid erfahren haben.

Unterdessen vermeldet u.a. die EKD, dass im Rahmen der Stiftung „Anerkennung und Hilfe“, an Betroffene, die zwischen 1949 und 1975 als Kinder oder Jugendliche in der BRD bzw. zwischen 1949 und 1990 in der DDR in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe oder der Psychiatrie Leid und Unrecht erfahren haben, insgesamt 245 Millionen Euro ausgezahlt werden konnten. Die Stiftung wird nach erfolgreicher Arbeit nun aufgelöst.

Missbrauch: Wie die katholische Kirche den deutschen Papst schützte – Marcus Bensmann (Correctiv.org)

Das Erzbistum München und Freising verschwieg die Verantwortung des verstorbenen Papstes für einen Missbrauchstäter – auch während der Aufarbeitung durch Gutachter. Marcus Bensmann (@MarcusBensmann) geht bei Correctiv (@correctiv_org) einem Brief von Joseph Ratzinger nach, der so deutlich wie nie zeige, „dass die interne Aufarbeitung des Missbrauchs durch die katholische Kirche gescheitert ist“.

Klar ist damit: Dem im Dezember verstorbenen Papst Benedikt XVI. lagen spätestens 1986 Informationen über die Gefährlichkeit des Priesters vor. Mit seiner Traubensaft-Erlaubnis machte er den weiteren Einsatz des vorbestraften Geistlichen in der oberbayerischen Gemeinde Garching an der Alz möglich. Dort missbrauchte H. mehrere Jungen, darunter Andreas Perr, der im Sommer vergangenen Jahres Klage gegen Priester H., gegen das Erzbistum und auch gegen Papst emeritus Benedikt XVI. einreichte. Die zivilrechtliche Klage wird vor dem Landgericht Traunstein verhandelt.

Mit dem schändlichen Wirken einer weiteren katholischen Lichtgestalt, nämlich des Gründers von „L’Arche“ Jean Vanier, müssen Betroffene und Gemeinschaftsmitglieder umgehen lernen. Nicole Winfield (@nwinfield) beschreibt für die Nachrichtenagentur AP, wie „die Gemeinschaft mit den Lügen ihres Gründers umgeht“ (auf Englisch).

„So wahr mir Gott helfe, sagt der Kardinal“, berichtet Thomas Jansen vom Prozessauftritt des Zeugen Woelki in eigener Sache vor dem Kölner Landgericht. In seinem FAZ-Artikel erklärt er in Grundzügen auch noch einmal den Hintergrund der Rechtshändel, in deren Zentrum der Kardinal steht.

Schließlich ist der anerkannte Präventionsexperte Hans Zollner (@hans_zollner) aus der Päpstlichen Kinderschutzkommission zurückgetreten. Er begründet seinen Rücktritt in einem Schreiben mit den zahlreichen Problemen der Kommission, die auch andere Fachkräfte bereits zum Rücktritt bewogen, u.a. Unklarheit bei Zweck und Aufgabenbeschreibung der Kommission sowie den Finanzen. Ihm widerspricht der Präsident der Kommission, Kardinal Sean O’Malley, der Mitglied im engsten Kardinalsrat um Papst Franziskus ist.

Buntes

„Obdachlos katholisch“: Wenn die vertraute Kirche fremd wird – Interview mit Regina Laudage-Kleeberg von Angelika Prauß (KNA, katholisch.de)

Regina Laudage-Kleeberg arbeitete früher für das Bistum Essen, in der Corona-Zeit entfernte sie sich von ihrer Kirche. Die einst so vertraute kirchliche Heimat ist ihr wie vielen anderen Menschen fremd geworden. Im Interview bei Angelika Prauß von der KNA (@KNA_Redaktion) spricht die Religionswissenschaftlerin über ihr neues Buch.

Frage: Sie schreiben, dass man den Glauben nicht wie ein Kleidungsstück einfach ablegen kann.

Laudage-Kleeberg: Genau, durch die Abwendung von der Kirche entsteht oft eine Lücke. Die Menschen wissen nicht, wohin mit ihren spirituellen Sehnsüchten und dem Bedürfnis, in einem Ritual aufgehoben zu sein. Darüber wird wenig gesprochen. Ich wünsche mir, dass diese Menschen einen Ort bekommen, an dem sie sich aufgehoben fühlen. So einen Ort wünsche ich mir auch für mich.

Religionsunterricht für alle! – Philipp Greifenstein (Die Eule)

Die sich formierende schwarz-rote Koalition will in Berlin den Religionsunterricht als ordentliches Schulfach einführen. Deshalb wird wieder einmal heftig über die Religionskunde an Schulen gestritten. Im Artikel schildere ich das Berliner Vorhaben, soweit es schon bekannt ist. Vor allem aber geht es um die Frage, was der konfessionelle Religionsunterricht an der Schule überhaupt soll:

Die Kooperation von Religionsgemeinschaften mit dem Staat bei der Gestaltung von Religionsunterricht diszipliniert beide Seiten: Niemand wünscht sich Glaubenskämpfer:innen im Klassenzimmer, noch Koranschule oder Christenlehre im Schulgebäude.

Theologie

Oldest preserved bible revealed to public in Israel – Shmuel Munitz (ynet, englisch, mit Video)

In Tel Aviv wird nur eine Woche lang die älteste komplett erhaltene hebräische Bibel der Welt ausgestellt, bevor sie im Mai im Auktionshaus Sotheby’s für vermutlich 30 – 50 Millionen Dollar versteigert wird. Der Codex Sassoon 1053 stammt wohl aus dem 9. oder 10. Jahrhundert und wurde von einem einzigen Schreiber niedergeschrieben. Der Artikel (auf Englisch) und ein Video erklären die Hintergründe.

Nehmet und trinket alle daraus – Tobias Haberl (SZ-Magazin)

Im SZ-Magazin hat Tobias Haberl (@DEntzauberung) in dieser Woche ein längliches und etwas wehleidiges Stück über seinen Katholizismus angesichts der Säkularisierung geschrieben – ausgerechnet unter dem doch schon besetzten Titel „Unter Heiden“ (€). Ich finde da meine alte Ostdeutschland-Kolumne gleichen Namens irgendwie fetziger. Wesentlich unterhaltsamer als die lange Meditation ist seine kurze „Getränkemarkt“-Kolumne vom Januar 2023, in der er schreibt, dass er noch die die Eucharistie in beiderlei Gestalt empfangen hat.

Andererseits mag ich den Gedanken, dass es Erfahrungen gibt, die ich noch nicht gemacht habe, weil sie gerade dadurch ihr Geheimnis behalten. Dahinter steht auch der (christliche) Gedanke, dass der Mensch nicht alles in der Hand hat, dass er nicht alles selbst entscheiden muss, ja dass vielleicht noch nicht mal ­alles für jeden möglich sein muss, weil das Heilige selbst schwindet, wenn alle Türen aufgestoßen wurden.

Was bleibt heilig oder wird es, wenn an Karfreitag symbolisch der Vorhang im Tempel zerreißt? Welche Trennung wird überwunden, was wird tatsächlich entzaubert?

Ein guter Satz

„Nicht der religiöse Akt macht den Christen, sondern das Teilnehmen am Leiden Gottes im weltlichen Leben.“

– Dietrich Bonhoeffer