Shut Up Man(n) – Die #LaTdH vom 4. Oktober
Kommunikative Fehltritte und die Hoffnung auf ein gutes Wort aus Rom. Außerdem: Ein Interview mit Folgen, eine Gottesknechtin und die Frage, wie christlich Deutschland ist.
Debatte
„Wer mit den Frauen umgehen kann, kann auch mit einem Bistum umgehen“ – Daniel Bogner (feinschwarz.net)
#ChurchToo – kurz nach der Aufregung über den „Altherrenwitz“ von FDP-Chef Christian Lindner über seine ausgebootete Generalsekretärin ist etwas Ähnliches in der römisch-katholischen Kirche passiert: Bei der Einführung seines neuen Generalvikars wies der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode am 20. September darauf hin, sowohl der alte wie der neue Amtsinhaber hätten vorher als Frauenseelsorger gearbeitet und „wer mit den Frauen umgehen kann, der kann auch mit einem Bistum umgehen“.
Alles, was diese katholische Kirche für so viele zur Katastrophe macht, tritt in dieser kurzen Szene vor Augen,
so Daniel Bogner (@BognerDaniel) in seinem Kommentar im Theologischen Feuilleton @feinschwarz_net. Bogner, Professor für Moraltheologie und theologische Ethik an der Universität Fribourg, sieht den Spruch nicht als naiven Ausrutscher eines tollpatschigen Oberhirten – Bode ist immerhin stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (@dbk_online) sowie Vorsitzender der Pastoralkommission und deren Unterkommission „Frauen in Kirche und Gesellschaft“:
Ja, da schwingt Zynismus mit, und der kommt nicht von ungefähr. Denn solche Aussagen aus dem Mund derer, die sich als Reformbischöfe verstehen, sind besonders aufschlussreich. An der Formulierung wird so vieles deutlich und an ihr ist so gut wie alles falsch:
„Die“ Frauen als zu versorgende Adressatinnen, eine männliche Klerikergruppe, die intern Überlegungen anstellt, wie man diese „anderen“ irgendwie zufrieden stellt (ohne sie wirklich zu kennen), dahinter die Realfiktion einer leitenden Männer-Kirche, das Mannsein als der Regelfall vom Menschsein und die Frauen als Spezialfall, für die es eine Kategorialversorgung braucht.
Und nicht zuletzt der monarchische Herrschaftstypus („wissen, wie man mit einem Bistum umgeht“) – die ihm äußerliche und fremde Geschlechtergruppe und sein territoriales Dominium werden vom guten Monarchen ganz parallel ins Auge genommen …
Erst nachdem Bode „in den sozialen Netzwerken mitbekommen“ musste, welche Verärgerung seine Äußerung auslöste, stellte er in einem Beitrag im Blog seines Bistums klar:
Das hätte ich nicht sagen sollen. Es war in keinerlei Hinsicht hilfreich. (…) Wir alle, besonders auch ich in meiner Position, müssen uns immer wieder bewusst machen, was wir mit unserer Sprache und unbedachten Äußerungen bewirken können.
„Avanti dilettanti“ in Rom und Weltkirche – Christoph Strack (katholisch.de)
Wenige Tage vor Veröffentlichung des neuen Papst-Schreibens „Fratelli tutti“ präsentiere sich die römisch-katholische Kirche in einem schlechten Zustand, so Christoph Strack (@Strack_C) in seinem „Standpunkt“ bei @katholisch_de:
Ein Grausen. Avanti dilettanti. Es fängt mit dem Titel „Fratelli tutti“ an. Ja, schon klar: Das ist, wie ja fast alles in der Kirche, inklusiv gemeint. Aber letztlich zeigt es nur, dass der Kirche, lange Zeit eine Meisterin der Kommunikationsbeherrschung, ihr Talent abhanden gekommen ist, selbst unter diesem Papst. Es sind übrigens nicht nur Stimmen aus dem deutschen Sprachraum, die über „fratelli tutti“ nörgeln.
Ja, die kommende Enzyklika #fratellitutti ist natürlich inklusive gemeint…aber mal ehrlich: Ist es im Jahr 2020 nicht auch von kirchlicher Seite möglich einen allgemeinen, nicht erklärungsbedürftigen Titel zu finden??? Arbeitszeugnis: Sie waren stets bemüht…
— Sr. Philippa (@sr_philippa) September 29, 2020
Das Netzwerk „Catholic Women’s Council“ hatte Papst Franziskus in einem Offenen Brief vergeblich aufgefordert, den Titel der Enzyklika „Fratelli tutti“ zu ändern und beide Geschlechter miteinzubeziehen:
Uns ist bekannt, dass der Titel ein Zitat des Hl. Franziskus ist und wir wissen, dass Sie damit alle Menschen meinen. Trotzdem wird das männliche Substantiv viele vor den Kopf stoßen. In einer Zeit, in der das Bewusstsein für die Macht von Sprache wächst, akzeptieren viele Frauen die Begründung nicht mehr, dass die männliche Form „Fratelli“ verallgemeinernd sei und sie mitgemeint seien.
Bemerkenswert: der Offene Brief ist nicht nur von den „üblichen Verdächtigen“, etwa Kirchenreformgruppen wie „Wir sind Kirche“, „Maria 2.0“ oder „Catholic Women’s Ordination“ unterzeichnet, sondern auch von den offiziellen römischen-katholischen Frauenverbänden Deutschlands, Österreichs und der Schweiz.
Ich lege diese Sozialenzyklika als demütigen Beitrag zum Nachdenken vor. Angesichts gewisser gegenwärtiger Praktiken, andere zu beseitigen oder zu übergehen, sind wir in der Lage, darauf mit einem neuen Traum der Geschwisterlichkeit und der sozialen Freundschaft zu antworten. pic.twitter.com/IMfhtmz6Xs
— Papst Franziskus (@Pontifex_de) October 3, 2020
Den Text und weitere Materialien zur neuen Enzyklika von Papst Franziskus „über die Geschwisterlichkeit und die soziale Freundschaft“ hat die Deutsche Bischofskonferenz auf ihrer Website veröffentlicht. Einen Überblick über 130 Jahre päpstlicher Lehrschreiben zur Soziallehre findet man hier.
Menschen erleben in der Kirche täglich Diskriminierung – Matthias Altmann (katholisch.de)
Dass Menschen in der römisch-katholischen Kirche jeden Tag Diskriminierungserfahrungen machen, darauf weist auch die neue Initiative #meinGottdiskriminiertnicht (@amtfueralle) hin. Mit ihrer Website möchten die Initiatorinnen (drei Theologie-Studierende/Promovierende aus Freiburg) Gleichgesinnte, Initiativen und Verbände digital vernetzen und gemeinsam gegen strukturelle Ungerechtigkeiten protestieren, wie sie in einem Interview mit katholisch.de erklären.
nachgefasst
Meisners Wahrheit – Raoul Löbbert und Georg Löwisch (Christ & Welt)
In den #LaTdH vom 27. September hatte Philipp Greifenstein (@rockToamna) bereits prognostiziert, dass das „bemerkenswerte und hoffentlich stilbildende Interview„, das Raoul Löbbert (@RaoulLoebbert) und Georg Löwisch (@georgloewisch) für Christ & Welt (@christundwelt) mit dem Hamburger Erzbischof Stefan Heße geführt hatten, „ganz sicher Konsequenzen haben und uns in den kommenden Wochen weiter beschäftigen“ wird.
In der Tat – die Veröffentlichung sorgt nicht nur im Erzbistum Köln für erhebliche Unruhe. Heße war nämlich von 2006 bis 2012 Personalchef und von 2012 bis 2014 Generalvikar, einer der wichtigsten Mitarbeiter des 2017 verstorbenen Kölner Erzbischofs Kardinal Meisner:
Ich habe jeden Fall Kardinal Meisner direkt dargelegt. Und habe ihn immer auf dem aktuellen Stand gehalten.
Was wusste Kardinal Meisner? Seine Darstellung, nichts vom Missbrauch durch Priester geahnt zu haben, gerät wegen Aussagen seines ehemaligen Mitarbeiters, des heutigen Bischofs Stefan Heße, nun ja, ins Wanken. Der neue @DIEZEIT @christundwelt-Titel: pic.twitter.com/r8vweOnxr4
— Georg Löwisch (@georgloewisch) September 30, 2020
Löbbert und Löwisch haben an diesem Donnerstag nachgefasst und konfrontieren die aktuellen Aussagen von Heße mit der Darstellung von Kardinal Meisner, die dieser 2015 als „Zeitzeuge im Gespräch“ gegeben hatte. Auf die Frage von Birgit Wentzien (@bwentzien), Chefredakteurin des Deutschlandfunks (@DLF), wie er 2010 auf die Enthüllungen im Missbrauchsskandal reagiert habe, behauptete der emeritierte Erzbischof, er sei damals „entsetzt“ gewesen:
Nichts geahnt, nichts geahnt! Ich habe … Wissen Sie, ich habe mir das doch nicht vorstellen können!
Glaubt man Kardinal Meisner, sei er bis 2010 nicht im Detail mit Missbrauchsfällen befasst gewesen, die „Nacharbeit“ habe er dem „jetzigen Erzbischof von Hamburg (überlassen), der ja bei uns Generalvikar, vorher war er Personalchef, der arme Kerl …“. Hat Meisner bis 2010 wirklich nichts geahnt? Oder war er schon vorher umfassend informiert?
Daran hängt nicht nur das Bild eines der bekanntesten Kirchenmänner Deutschlands der vergangenen Jahrzehnte. Was Meisner wusste, sagt auch etwas darüber, was er theoretisch hätte tun können, um sexuellen Missbrauch durch Kleriker strukturell zu bekämpfen.
„Hier müssen klar Verantwortliche benannt werden“ – Interview mit Oliver Vogt (Domradio)
Eine groß angelegte Studie über den Umgang mit Missbrauch im Erzbistum Köln sollte bereits im März diesen Jahres veröffentlicht werden, die Vorstellung der Ergebnisse wurde dann aber kurzfristig abgesagt (vgl. die #LaTdH vom 15. März), da „nicht alle für eine Veröffentlichung relevanten rechtlichen Fragen abschließend geklärt werden“ konnten.
Oliver Vogt, ehemaliger Interventionsbeauftragter des Erzbistums Köln für den Umgang mit Fällen von sexuellem Missbrauch, seit September 2019 Leiter des Instituts für Prävention und Aufarbeitung von sexueller Gewalt (IPA), hofft im Interview mit dem @Domradio weiter auf eine baldige Publikation der Studie:
Ich bin nach wie vor der Meinung, dass es zwingend notwendig ist, dass die Namen genannt werden, weil das zu einer umfassenden und klaren Aufarbeitung dazugehört. Es nützt nichts, hier zu versuchen, Dinge unter den Tisch zu kehren. Über diese Phase sind wir in der katholischen Kirche und in der Bundesrepublik hinaus. Hier müssen klar Verantwortliche benannt werden.
Als „Think Tank“ soll das IPA Vertreter aus Kirche, Politik und Gesellschaft „im Kampf gegen Missbrauch beraten“. Bereits ein Jahr nach Gründung der Einrichtung steht nun ein Wandel an: Ein neuer Trägerverein solle den finanziellen Rahmen des Instituts abstecken und dafür sorgen, dass es zwar „kirchennah“ bleibe, aber „unabhängig von der Kirche“ agiere, heißt es in einem Bericht der Katholischen Nachrichten-Agentur (@KNA_Redaktion) – laut Selbstauskunft „eine kirchennahe Fachagentur, aber kein von kirchlichen Instanzen gesteuerter Pressedienst“. Oliver Vogt indes verlässt das Institut Mitte Oktober – nicht im Streit, sondern „aus persönlichen Gründen“:
Seit rund zehn Jahren befasst er sich mit dem Thema Missbrauch. Das habe unglaublich viel Kraft und Substanz gekostet, erläutert der 50-Jährige. Der Familienvater wird künftig als Behördenleiter in kommunalen anstatt in kirchlichen Diensten stehen.
Etwas Scham statt Verantwortung – Jana Frielinghaus (Neues Deutschland)
Von Scham und Erschütterung ist die Rede, wenn sich römisch-katholische Bischöfe zum Ausmaß des sexuellen Missbrauchs in der Kirche äußern – persönliche Konsequenzen will aber bis heute keiner der Oberhirten ziehen. „Verbale Aufgeschlossenheit bei ausgeprägter Verhaltensstarre“, so nennt Jana Frielinghaus (@JanaFrielingha1) das treffend in ihrem Kommentar im Neuen Deutschland (@ndaktuell):
Vor allem aber mauern die Bischöfe dort, wo sie ihre eigene Schuld bekennen müssten. Deshalb müsste die Politik sich endlich einmischen. Schließlich geht es um Sexualverbrechen einerseits und um Strafvereitelung im Amt andererseits. Dass sie das noch immer nicht tut, dürfte mit den hervorragenden Verbindungen des Klerus in Bundesregierung und Parlament zu tun haben.
Buntes
Von Erntedank bis Advent …
Das Evangelische Bauernwerk in Württemberg hat die Website www.erntedank-heute.de veröffentlicht. Unter dem Motto „Lebensmittel.Wert.Schätzen“ gibt es Materialien zum diesjährigen Erntedankfest für Kirchengemeinden, Gruppen und Einrichtungen.
Der Hauptaktionszeitraum von „5000 Brote“ liegt zwischen Erntedank und dem ersten Adventssonntag. Die Konfirmandinnen und Konfirmanden aller Landeskirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (@EKD) sind eingeladen, Brote zugunsten von Kinder- und Jugendbildungsprojekten zu backen. Die Bäckerbetriebe öffnen für diese Aktion ihre Backstuben. Die Konfis backen dort selbst Brot und gewinnen dabei einen Einblick in einen handwerklichen Beruf. Zudem besteht die Möglichkeit, einen Gottesdienst mit zu gestalten und die Brote selbst mit zu verkaufen. Die Erlöse gehen an das Hilfwerk „Brot für die Welt“ (@BROT_furdiewelt).
Wir haben Engagierte in #Kirche und #Diakonie aus ganz Deutschland gefragt, was sie in ihren Gemeinden und diakonischen Einrichtungen #Weihnachten2020 anders machen und die Antworten zur Inspiration für euch hier zusammengestellt. #digitaleKirche ✨https://t.co/kevqG88HuS
— Evangelische Arbeitsstelle midi (@hallo_midi) September 28, 2020
Ökumenisches Wort der Kirchen zu 30 Jahren Deutscher Einheit (DBK/EKD)
Anlässlich des Tages der Deutschen Einheit und dem 30-jährigen Jubiläum der Wiedervereinigung erinnern die evangelische und katholische Kirche an die hohen Werte der demokratischen Freiheit und des solidarischen Zusammenhalts.
In einem gemeinsamen Wort „Freiheit, Demokratie und Solidarität“ schreiben der EKD-Ratsvorsitzende @Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm und der DBK-Vorsitzende Bischof Georg Bätzing, dass der demokratische Geist einer verantwortungsvollen Gestaltung von Gesellschaft in Freiheit und Pluralismus die Menschen in Deutschland und Europa in föderaler Vielfalt vereine. Zugleich warnten sie vor spaltenden Kräften.
„Wir sollten jetzt alles dafür tun, dass wir später unseren Enkeln stolz von früher erzählen dürfen. Von damals, als wir lernten, dass der Mut von 1989 wichtiger war als die Angst vor 2015.“
Habe zum #TagderDeutschenEinheit ein Essay zu Moria geschrieben:https://t.co/5bRiNcWq5Q
— Erik Marquardt (@ErikMarquardt) October 3, 2020
Theologie
Spreu und Weizen – Werner Kleine (Dei Verbum)
In seinem „kurzen Essay über die Frage, warum die Kirche sich nicht weiterentwickelt“, kritisiert Werner Kleine (@WernerKleine) im Bibel-Blog Dei Verbum (@Verbum_Dei) die „magischen Worte“ in pastoraltheologischen Diskursen, die nach verheißungsvollen Visionen klingen, sich aber immer wieder als unvollendete Utopien entpuppen:
Egal ob es Begriffe wie „Charismenorientierung“, „Ekklesiopreneurship“, „Gründerinitiativen“, „pastorale Startups“, „FreshXpressions“, „synodale Wege“ oder allgemeiner „Zukunftswege“ sind – immer schwingt die Hoffnung mit, das der archimedische Punkt einer erlösenden Methode gefunden würde, an der man den Hebel gleich einem Zauberstab ansetzen kann – und schon kommen die Menschen wieder zum Glauben und bevölkern in Scharen die Kirche. (…)
Kirchenentwicklung ist auch so ein Zauberwort der Pastoraltheologie. Was aber soll sich entwickeln, wenn die, die vorgeben, Verantwortung zu tragen, so offenkundig nicht dem Wort Gottes folgen. All die tollen Zukunftskonzepte und -projekte werden scheitern, wenn die Taten den Worten widersprechen. Auch das ist ein Sauerteig, der wirkt – aber nicht zum Leben, sondern zum Verderben. Der Umkehrruf gilt heute wieder aktuell: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“
„Ja, ich bin Knechtin Gottes“: Eine Prophetenberufung – Helga Kohler-Spiegel (feinschwarz.net)
Die „Verkündigung der Geburt Jesu“ ist eine Prophetenberufung und Maria keine unterwürfige Magd. Dies zeigt Helga Kohler-Spiegel mit genauem Hinsehen auf den Textabschnitt in Lk 1, 26-38. Am Ende der Szene antwortet auch Maria dem Engel: „‚Ja, ich bin Knechtin Gottes‘, ich bin ein ‚Knecht Gottes‘ wie alle Propheten und Prophetinnen vor mir.“
Fatal war und ist, dass die weibliche Form der Bestätigung im Deutschen nicht „Knechtin Gottes“, sondern „Magd Gottes“ bzw. „Magd des Herrn“ heißt. Neben der Bedeutung des Wortes „Magd“ für eine unverheiratete (junge) Frau, meint „Magd“ eine weibliche Person, die zur Verrichtung grober Arbeiten im Haus und in der Landwirtschaft angestellt ist. Diese schweren Arbeiten waren mit sehr niedrigem sozialem Status und zahlreichen sozialen Einschränkungen verbunden. Am Anfang des Lukasevangeliums wird Maria nicht als untergebene, unfreie „Magd eines Herrn“ vorgestellt, sondern als Prophetin.
Predigt
Ab in die Hölle mit euch – Antje Schrupp (10 nach 8 / DIE ZEIT)
An unerwarteter Stelle gelingt Antje Schrupp (@antjeschrupp) eine herausfordernde Auslegung der Bildrede vom Weltgericht (Mt 25): In ihrem Beitrag in der ZEIT-Kolumne @10_nach_8 weist die evangelische Politikwissenschaftlerin und Journalistin darauf hin, trotz des dramatischen Einflussverlusts der Kirchen in Politik und öffentlicher Debatte werde nach dem Brand im Flüchtlingslager Moria die Frage, wie christlich Deutschland noch sei, wieder mit erstaunlicher Vehemenz gestellt:
Und es war eine überwiegend säkulare Öffentlichkeit, die jene Parteien, die sich in ihrem Namen zum Christentum bekennen, daran erinnerte, dass es für gläubige Christen und Christinnen ein Ding der Unmöglichkeit ist, den Menschen in Moria nicht zu helfen. Offensichtlich kennen sie die Bibel besser als Horst Seehofer und Co oder haben zumindest ein besseres Gespür dafür, welche der zentralen Stellen des Neuen Testaments ausschlaggebend für das sind, was heute gern als christliche Tradition subsummiert wird. (…)
Die Besonderheit einer genuin christlichen Position liegt vielmehr darin, diese Aufforderung, anderen zu helfen, als bedingungslos zu setzen. Als Christinnen und Christen müssen wir nicht viele Menschen retten, oder solche, die in besonders schrecklichem Elend sind, sondern alle – sofern es uns irgend möglich ist.
Die in der Geschichte vom Jüngsten Gericht als ungerecht Abgeurteilten waren ja keine bösen Menschen. Auch sie haben anderen geholfen – vielleicht hätten sie sogar deutlich mehr als 1.500 Menschen aus Moria nach Deutschland geholt. Aber sie haben eben nicht jederzeit allen Bedürftigen geholfen – und das reicht schon für die Hölle, jedenfalls laut Matthäus.
Ein guter Satz
„Will you shut up, man?“ #Debates2020
— SZ Magazin (@szmagazin) September 30, 2020