Nicht genug – Die #LaTdH vom 27. September

Was ist von den Zahlungen in „Anerkennung des Leids“ in der katholischen Kirche zu halten? Außerdem: Die (Erz-)Bischöfe Heße und Bätzing im Stress, Corona, Seenotrettung und Kirchensteuer.

Debatte

50 000 in „Anerkennung des Leids“

Auf ihrer Herbstvollversammlung hat die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) entschieden, dass ab 2021 in allen Diözesen Deutschlands Betroffene des Missbrauchs in der Kirche eine Einmalzahlung von bis zu 50 000 € beantragen können (auch zusätzlich zu den bisher erhaltenen „Anerkennungsleistungen“). Diese Zahlungen in „Anerkennung des Leids“ sind keine Entschädigungen, auch wenn sie in zahlreichen Medienberichten so genannt werden.

Eine Entschädigung, so versichern Vertreter:innen von röm.-kath. und evangelischer Kirche in schnöder Eintracht, sei sowieso nicht möglich – was schon reichlich fett ist aus dem Munde der Organisationen der Täter, die es bisher noch nicht einmal versucht haben.

Tilmann Kleinjung (@TilmannKk) vom BR kommentiert zutreffend bei tagesschau.de:

Mit Geld lässt sich nicht entschädigen, was Vertreter der Kirche ihren Opfern angetan haben. Natürlich nicht. Die Kirche kann sich nicht freikaufen. Sie kann aber ein Zeichen setzen: „Wir haben verstanden.“ Denn in diesem Skandal wurden ja nicht nur die Täter schuldig, sondern auch die Personalreferenten, die Generalvikare und Bischöfe, die nicht aufgepasst, die weggeschaut, die bagatellisiert, die vertuscht haben.

Diese institutionelle Komplizenschaft rechtfertigt auch Summen, die deutlich über den in Deutschland üblichen Schmerzensgeldern liegen. In der Bischofskonferenz zählten offenbar andere Kriterien: die Rücksichtnahme auf finanzschwache Bistümer und Orden, auf andere Institutionen, die evangelische Kirche, die Sorge vor dem Ärger an der Kirchenbasis. So haben es die Bischöfe verpasst, einen großen Schritt auf die Betroffenen von Missbrauch zuzugehen. Sie hätten sich mehr leisten können.

Eine Entschädigung müsste die Folgen des Missbrauchs für die Betroffenen in den Blick nehmen, auch die langfristigen durch Berufsunfähigkeit und andauernde Therapien. Da landet man dann bei den individuell auch sechsstelligen Beträgen, die eine Kommission im Auftrag der DBK im letzten Herbst vorgeschlagen hat (s. Interview mit dem Betroffenensprecher Matthias Katsch (@KaMaZhe) beim Domradio). Da kommen auch die neuen Anerkennungszahlungen der röm.-kath. Kirche nicht ran und erst recht nicht die „individuellen Unterstützungsleistungen“ der evangelischen Kirchen.

Die Deckelung der Leistungen wurde von Betroffenensprechern und vom Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung (UBSKM), Johannes-Wilhelm Rörig, kritisiert. Letzteres muss zu denken geben, denn mit dem UBSKM haben die Katholiken und wollen die Evangelen eine Vereinbarung zur Aufarbeitung des Missbrauchs, die sie zumindest ein stückweit an externe Ansprüche bindet.

„Sie hätten sich mehr leisten können“, stimmt vor allem dann, wenn man sowohl die katholischen Bistümer als auch die evangelischen Landeskirchen nicht als isolierte Vereine betrachtet, zu denen sie sich anlässlich der Missbrauchsdebatte immer wieder stilisieren. Wenn es bei anderen Themen gilt, die eigene Bedeutung hochzuskalieren, gelingt das nicht zuletzt aufgrund der Vertretungen auf nationaler Ebene. Wo sind die Fonds aller Diözesen und Orden bzw. Landeskirchen, aus dem solidarisch Missbrauchsbetroffene entschädigt werden können? So verstecken sich die reichen Bistümer und Landeskirchen hinter den ärmeren: Eine Schande.

Trotzdem ist die Entscheidung von Fulda ein Etappensieg, kommentiert Christoph Strack (@Strack_C) für die Deutsche Welle, denn immerhin gibt es jetzt eine Lösung für alle (Erz-)Bistümer, die über die bisher allgemein üblichen Leistungen von ca. 5 000 € hinaus geht. Strack weist allerdings anhand eines aktuellen vatikanischen Beispiels zu Recht darauf hin, dass der Sinneswandel die katholische Kirche immer noch nicht umfassend erfasst hat.

Vielen der Betroffenen, die vom Missbrauch nicht vollends aus der Lebensspur geworfen wurden, werden die erhöhten „Anerkennungsleistungen“ helfen. Andere werden sich aufgrund der Hartleibigkeit (Matthias Katsch im Interview mit der Eule) endgültig abwenden – auch so bricht man den guten Willen der Betroffenen. Wiederum andere durften wenigstens diesen Etappensieg nicht mehr erleben. An die verstorbenen Betroffenen erinnerte in Fulda eine Kunstaktion.

Ohne Betroffene und viel zu wenig

Der Beschluss von Fulda 2020 geht in die jüngere Kirchengeschichte ein: Wieder einmal hat sich die Kirche als Organisation der Täter über die in Zusammenarbeit mit Betroffenenvertretern erarbeiteten Empfehlungen hinweg gesetzt. Welchen Sinn macht die Mitarbeit der Betroffenen, wenn die Institution ihre Macht an entscheidender Stelle so ausspielt? Unter der Woche haben wir anlässlich der Einberufung des Betroffenenbeirats der EKD über dieses Problemfeld der Aufarbeitung berichtet.

Fulda 2020 zeigt auch: Ohne Intervention von Außen geht es nicht, wird es nicht gehen. Sollen wirklich einmal die abertausenden Missbrauchsbetroffenen in Kirche, Sport, Jugendverbänden, Heimen und im Gesundheitssystem entschädigt werden, dann braucht es dafür eine nationale Anstrengung, die weit über die Kirchen hinaus geht. Hier ist schlicht die Politik gefordert, die Kirchen schaffen es nicht alleine. Das gilt für den gesamten Komplex der Aufarbeitung. Nicht zuletzt könnten die Organisationen der Täter in einen nationalen Entschädigungsfonds entsprechend ihrer Verantwortung und der bekannten Missbrauchsfälle einzahlen und die Betroffenen aus diesem eine dem ihnen zugefügten Unrecht angemessene Entschädigung erhalten.

Haben Sie Angst um Ihr Amt? – Interview mit Stefan Heße (Christ & Welt)

Raoul Löbbert (@RaoulLoebbert) und Georg Löwisch (@georgloewisch) haben für die Christ & Welt ein bemerkenswertes und hoffentlich stilbildendes Interview mit dem Hamburger Erzbischof Stefan Heße geführt. Heße war vor seiner Hamburger Zeit im Erzbistum Köln Personalchef und Generalvikar.

Seine Personalie steht im Mittelpunkt der Spekulationen um den vom Kölner Erzbistum angekündigten und dann doch nicht veröffentlichten Bericht zur Verstrickung der Bistumsleitung in die Vertuschung des Missbrauchs (s. #LaTdH vom 15. März). Dieses Interview wird ganz sicher Konsequenzen haben und uns in den kommenden Wochen weiter beschäftigen.

Frage: Haben Sie Schuld auf sich geladen?

Heße: Schuld nein, Mitverantwortung ja. Ich habe persönlich Verantwortung übernommen, aber auch Mitverantwortung für ein System, das zweifelsohne Leid verursacht hat. Diese Verantwortung will ich und werde ich tragen. Ich bin entschlossen, dieser großen Verantwortung auch gerecht zu werden.

Bischof Bätzings Kummer

Mit dem ökumenischen Abendmahl nimmt sich Andreas Öhler (@Ohlearius) ebenfalls in der Christ & Welt eines anderen Themas an, das den Christ:innen in Deutschland Kopfzerbrechen bereitet. Richtig in Rage bringt es den Vorsitzenden der DBK, den Limburger Bischof Georg Bätzing. Er hatte an einem Kompromiss mitgearbeitet, der auf dem Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt 2021 die gegenseitige Einladung an den Tisch des Herrn möglich machen sollte. Rom befand anders.

Für Bätzing kommt es derzeit wirklich dicke. Als Nachfolger des Limburger Prunk-Bischofs Tebartz-van Elst ist er an die Mühen der Schadensbegrenzung gewöhnt, aber was dem Mann in den sympathisch schlabbrigen Anzügen als neuem DBK-Vorsitzenden seit ein paar Monaten blüht, ist derb, springen ihm doch die werten Herren Kollegen mit einem Ausflug oder Anruf nach Rom nach dem anderen in die Parade.

Wir zählen allein 2020 drei römische Brocken, die den Katholiken auf ihrem „Synodalen Weg“ in den Weg geworfen wurden. Und nun die Abendmahls-Absage. Benjamin Lassiwe (@lassiwe) fragte Bätzing zuletzt im Weser Kurier:

Frage: Wie ist im Moment die Stimmung in der Deutschen Bischofskonferenz? Nach außen hat man den Eindruck, drei oder vier Bischöfe stehen da im Konflikt gegen alle Anderen…

Bätzing: Wir haben sehr profilierte Persönlichkeiten in der Bischofskonferenz, für die ich sehr dankbar bin. Das sind Bischöfe, die aus ihrem persönlichen theologischen Standpunkt heraus ihre Position einbringen. Das führt zu Diskussionen untereinander, und die können uns ja nur befruchten und sind wichtig. Und ich finde, dass das überhaupt nicht schlimm ist – denn nur unterschiedliche Positionen können uns ja weiterbringen.

Ich übersetze das mal ins allgemeinverständliche Deutsch: „Ja, schlecht halt.“

nachgefasst

Corona

Wieder einmal ist eine Gemeinde zu einem Corona-Hotspot geworden. Wie u.a. der NDR berichtet, geht die Mehrzahl der Corona-Fälle im Landkreis Rotenburg (bei Bremen) auf eine „freikirchliche Christengemeinde“ in Westertimke zurück.

43 der aktuell 53 Infektionen im Landkreis stünden in Zusammenhang mit der freikirchlichen Christengemeinde, […]. Der Landkreis geht davon aus, dass die Zahlen weiter steigen. Über 200 Testergebnisse stünden noch aus, hieß es am Freitag. Von dem Ausbruch sind auch drei Kitas und vier Schulen betroffen. 279 Menschen sind in Quarantäne.

Es wurden mehrere Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet. Davon haben die Kinder und Eltern in den Einrichtungen natürlich nichts. Die Gemeinde beharrt darauf, sich an die geltenden Infektionsschutzregeln gehalten zu haben. Ohne Mundschutz gesungen wurde trotzdem.

Bei der Gemeinschaft handelt es sich um eine Gemeinde der anthroposophischen Christengemeinschaft, deren Taufe von den evangelischen Kirchen und der röm.-kath. Kirche nicht anerkannt wird. Mehr zu Christengemeinschaft bei der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen.

„Die Kasualagentur bin ich“ – Michael Lapp (zeitzeichen)

In den Kirchen wird intensiv über sogenannte Kasualagenturen nachgedacht und diskutiert (s. #LaTdH vom 28. Juni). Bei den zeitzeichen ergänzt der Schulpfarrer Michael Lapp die Debatte um seine Perspektive als Kasualdienstleister für Schüler:innen und Kolleg:innen.

Meine gottselige Großmutter, vor noch nicht allzu langer Zeit mit fast 100 Jahren verstorben und bis zuletzt treue Kirchgängerin, verdeutlichte mir seit meiner Kindheit sehr eindrücklich, wofür Kirche da ist: Für die Taufe, die Konfirmation, die Trauung, zum Trost und für die Beerdigung. Stelle ich meinen fast erwachsenen Oberstufen- und Berufsschüler/innen die entsprechende Frage bekomme ich praktisch die gleiche Antwort, vielleicht mit der Abwandlung „wenn die Leute alt werden“, was aber nicht anders als die Trostbedürfigkeit reflektiert. Evangelische Kirche ist Kasualagentur – ob sie es will oder nicht.

Seenotrettung

Die Sea-Watch 4 sitzt nach wie vor im Hafen von Palermo fest. Währenddessen wird auf dem Mittelmeer weiter gestorben. Für reformiert.info und evangelisch.de berichtet die Pfarrerin und Journalistin Constanze Broelemann in den „Seenotizen“ direkt von Bord des Rettungsschiffs des #United4Rescue-Bündnisses, das sich um die EKD gruppiert. Lesenswert!

Anfang der Woche äußerte sich auch der Ratsvorsitzende der EKD, @landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, deutlich zur Festsetzung der Sea-Watch 4 unter fadenscheinigen Gründen:

Buntes

Spirituelle Klimaarbeit – Interview mit Thomas Zeitler (Deutschlandfunk Kultur)

Während die EKD zur Teilnahme am freitäglichen Klimastreik aufruft, geht Pfarrer Thomas Zeitler, Profilpfarrer für Kunst und Kultur an St. Egidien in Nürnberg (@elkb), noch einen Schritt weiter: Er engagiert sich bei Extinction Rebellion. Im Interview spricht er über Klimapolitik, Spiritualität und den Beitrag der Kirche:

Ich sehe schon, dass eigentlich ein zivilisatorischer Umbruch für uns nötig ist, der sehr, sehr weit reicht und vielleicht weiter reicht, als es politische Programme jetzt der EU und von Frau von der Leyen von uns fordern. Und da ist dann Kirche ein wichtiger Partner, mitzudenken oder auch eine neue Kultur zu entwickeln, würde ich sagen.

„Nicht in Stein gemeißelt“ – Benjamin Lassiwe (Eckenförder Zeitung)

Auf der Synode der Nordkirche (@nordkirche_de) hat Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt (@l_bischoefin) der Debatte um die Kirchensteuer neuen Auftrieb gegeben. Keineswegs hat sie sich für eine ersatzlose Streichung derselben ausgesprochen, sehr wohl aber dafür:

„Es könnte aber sein, und ich rege an, genau das zu prüfen, dass wir an einem Zeitpunkt angekommen sind, wo genau dieses Modell nicht mehr allein ein Problem löst, sondern selbst neue Probleme und Fragen hervorruft, zu deren Lösung es selbst nicht mehr in der Lage ist“

Und diese Debatte ist dringend notwendig. Benjamin Lassiwe sammelt im Artikel außerdem die Info ein, dass die Nordkirche für 2020 mit 60 Millionen Euro weniger Kirchensteuereinnahmen rechnet, was 15,7 % ihrer Einnahmen entspricht. Gegenwärtig rechnen die meisten Landeskirchen und Bistümer mit Einbußen von 5–20 %. Die teils erheblichen Unterschiede erklären sich auch durch eine unterschiedlich starke Abhängigkeit von der Kirchensteuer.

Einem möglichen Reformvorschlag, nämlich dem sog. „italienischen Modell“, erteilte noch am Samstag der Kirchenrechtler Hans Michael Heinig (@hmheinig) eine Absage. Der Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD twitterte zu einer seiner Meinung nach „schrägen Debatte“ u.a.:

In Italien und Spanien werden neben der Kultursteuer mehrere Mrd. an Staatsleistungen gezahlt (in D „nur“ ca. 0,5 Mrd €, die abzulösen sind). Eine Kultursteuer generierte nur einen Bruchteil der jetzigen Kirchensteuer. Otto per mille ist keine Alternative.
[…] Eine rein spendenfinanzierte Kirche schließlich würde geschätzt nur 1/3 bis 1/5 des Kirchensteueraufkommens erwirtschaften. Die Folgen sind offensichtlich: Massenentlassungen, Schließung der Mehrheit kirchlicher Einrichtungen, Absenkung der Pfarrbesoldung knapp über SGB II-Satz.
[…] die Kirchensteuer ist doch nicht die entscheidende Triebkraft für den Mitgliederverlust der Kirche. Der Austritt ist in der Regel Ausdruck einer Entfremdung mit langer Vorgeschichte.

Michael Diener hat Haltung verändert: Ja zu Segnung homosexueller Paare – Interview mit Michael Diener (evangelisch.de, epd)

Auf dieses Interview hat Franziska Hein (@franzi_hein) vom epd fünf Jahre gewartet: Ausführlich schildert der gerade verabschiedete Präses des Gnadauer Gemeinschaftsverbandes Michael Diener, ehemaliger Vorsitzender der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA) und EKD-Ratsmitglied, seinen Weg zum „Ja!“ zu homosexuellen Christ:innen.

Diener personifiziert mit seiner Glaubensbiografie den Weg, den viele evangelikale Christ:innen in dieser Frage in den letzten Jahren zurückgelegt haben. Die evangelikale Bewegung im deutschsprachigen Raum ist über die Frage der Anerkennung der Homosexualität tief gespalten. Diener:

Das bekenntniskonservative Lager hat sich formiert. Das musste irgendwann kommen. Jeder, der heute darauf schaut, merkt, dass es aber zahlenmäßig irrelevant ist. Es ist eine kleine Gruppe in der evangelikalen Bewegung. Es tut mir leid, dass manchmal der Eindruck erweckt wird, die ganze Bewegung sei so.

Mehr zur „heilsamen Lehre“ des „bekenntniskonservativen Lagers“ habe ich vor einiger Zeit geschrieben.

Deutlich weniger Bewerber für Journalistenausbildung (ZAPP – Das Medienmagazin, Video)

Weil wir gerade bei epd und evangelisch.de waren, machen wir den Reigen der Unternehmungen des Gemeinschaftswerkes der Evangelischen Publizistik (GEP) doch noch etwas größer: Das NDR-Medienmagazin „Zapp“ berichtet über ein Treffen der womöglichen Retter:innen der Evangelischen Journalistenschule ejs, die zunächst keinen nächsten Ausbildungsjahrgang beginnt. Doch wie geht es danach weiter?

Das ist, legt der Bericht nahe, nicht allein vom GEP und daher vom Rat der EKD abhängig, sondern auch von der Entwicklung der Journalist:innenausbildung generell, denn es gibt immer weniger Bewerber:innen. Reformvorschläge zur ejs jedenfalls sollen in den kommenden Wochen auf den Tisch kommen, aber ohne mehr Geld wird es wohl nicht gehen.

Theologie

Ein neues Gottes*bild? – Birthe Mühlhoff (philosophie magazin)

Birthe Mühlhoff (@brthe_muhlff) greift im philosophie magazin die von der Katholischen Studierenden Jugend (KSJ) aufgemachte Debatte um das Gendersternchen an Gott* auf. Sie plädiert für Gelassenheit, denn eigentlich formulierten die Jugendlichen damit nur eine Selbstverständlichkeit:

Schreibt man Gott mit Gendersternchen, um zu verdeutlichen, dass dieser über alle Geschlechtlichkeit erhaben ist, rennt man eigentlich offene Türen ein. Nur wäre die Kampagne der KSJ eben keine Kampagne, wenn mit ihr nicht etwas bezweckt werden sollte. Schließlich kann man auch durch offene Türen kleine trojanische Pferde schieben. Der KSJ scheint es nämlich darum zu gehen, bei einem gerade sehr kontrovers diskutierten Thema – ob Frauen für das Priesteramt zugelassen werden sollten – medial zu polarisieren. Gleichwohl kann man den Vorschlag der KSJ auch einfach als Anregung verstehen, über Religion neu ins Gespräch zu kommen.

Predigt

Gottesdienst geschlechter*gerecht feiern – Praxishilfen und Materialien für die Vorbereitung (EKBO)

Ganz neu zusammengestellt hat die AG Geschlechtergerechte Sprache der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (@ekbo_de) Materialien für die geschlechtergerechte Gestaltung des Gottesdienstes. Die Website ist gerade eben erst online gegangen und enthält für alle Teile des christlichen Gottesdienstes Vorschläge. Zum Beispiel auch eine Predigt mit Gedanken von Ulrike Metternich zum Vaterunser:

Vater unser im Himmel. [Der Satz] geht mir tatsächlich immer wieder schwer über die Lippen. Sollte ich Gott immer wieder ausschließlich Vater nennen? Das ist ein Bild, das für mich eigentlich für Gott nicht stimmt. Vater im Himmel – festige ich damit nicht das Bild des unerreichbaren Gottes? Es wird gesagt, dass diese Anrede doch gerade Gott als Gegenbild gegen die Herrscher der Welt stellen will. Es wird gesagt, dass diese Bezeichnung Gottes liebevolles Wesen vermitteln will. Ich sage: es hat aber Jahrhunderte lang anders gewirkt. Es hat weibliche Gottesbilder verdrängt, ja es hat die Vorherrschaft der Väter und männlichen Führer gefestigt.

Hilft es, wenn wir das Bild der idealtypischen Mutter hinzufügen? Vielleicht kann ich sagen: Gott, Vater, der wie eine Mutter ist; Gott, Mutter, die wie ein Vater ist, ein solches Paradox könnte mir gefallen!

[…] Ein heiliger Name kann nicht allein männlich sein. In der Heiligkeit des Namens stecken alle nur erdenklichen Namen und Bilder für Gott gleichzeitig. […]

Manche leiten das Vater Unser ein: „Du Gott, bist uns Vater und Mutter im Himmel“. Manchmal wünsche ich mir, dass wir so in all unseren Gottesdiensten sprechen würden, dass wir endlich die einseitig männliche Art von Gott zu sprechen verlassen würden.

Ein guter Satz

„Women belong in all places where decisions are being made.“

– Ruth Bader Ginsburg